Arbeitsrecht

Klage auf Höhergruppierung

Aktenzeichen  11 Sa 711/19

Datum:
29.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 57539
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
ArbGG § 66 Abs. 1, Abs. 2, § 64 Abs. 6 S. 1

 

Leitsatz

Mangels Erfüllung der zeitlichen Voraussetzungen der Erbringung von Arbeitsvorgängen, die mindestens die Hälfte der Arbeitszeit ausmachen und der höheren Entgeltgruppe zuzuordnen waren, erfolglose Klage auf Höhergruppierung. (Rn. 21)

Verfahrensgang

5 Ca 167/19 2019-08-08 Endurteil ARBGROSENHEIM ArbG Rosenheim

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Rosenheim (Az. 5 Ca 167/19) vom 08.08.2019 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
I.
Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und unter Ansetzung eines großzügigen Maßstabes auch hinreichend begründet worden (§§ 66 Abs. 1 und 2, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO). Zwar beschränken sich die Ausführungen der Klägerin im Rahmen der Berufungsinstanz im Rahmen der Berufungsbegründungsschrift letztlich in der Wiederholung des bereits im erstinstanzlichen Verfahren Vorgebrachten (vgl. insoweit Ausführungen im Schriftsatz vom 03.06.2019, S. 4 – 6). Dies wäre an und für sich nicht ausreichend, da eine maßgebliche Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil nur schwer erkennbar ist. Bei Anlegung eines großzügigen Maßstabes ist es gerade noch als ausreichend anzusehen, dass sich der Berufungsbegründung entnehmen lässt, dass die Klägerin unter Wiederholung des erstinstanzlichen Sachvortrages wohl davon ausgeht, dass die von Seiten des Arbeitsgerichts getroffene Begründung, zwei verschiedene trennbare Arbeitsvorgänge lägen vor und da die Leitungsfunktion weniger als 50% der ausgeführten Arbeitsvorgänge ausmache, sei die Klägerin nicht in Entgeltgruppe 14 eingruppiert, falsch sei. Deshalb ist die Berufung zulässig.
II.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet. Insoweit kann an und für sich vollumfänglich auf die Begründung des erstinstanzlichen Urteils verwiesen werden, § 69 Abs. 2 ArbGG, angesichts der Tatsache, dass die Argumentation in der Berufungsbegründung an sich über diejenige, die bereits in der ersten Instanz getroffen wurde, nicht hinausgeht. Insoweit sind zur Berufung nur folgende Anmerkungen veranlasst:
1. Entsprechend § 12 Satz 1TVöD-K (VKA) richtet sich die Eingruppierung des Be schäftigten nach den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA). Die/Der Beschäftigte erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist. Entsprechend Abs. 2 dieser Vorschrift ist die/der Beschäftigte in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht, wobei dies dann der Fall ist, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Dabei ist nicht zutreffend, dass nur auf § 12 Abs. 1 TVöD-K abzustellen ist, sondern es ist tatsächlich auch die Regelung in § 12 Abs. 2 TVöD-K heranzuziehen. Warum dies nicht der Fall sein sollte, hat die Klägerin schon nicht dargelegt. Sie ist der Auffassung, dass allein die in EG 14 genannte auszuübende Tätigkeit maßgeblich sei für die Erfüllung der Voraussetzungen der EG 14. Allein die Ausübung dieser Tätigkeit, egal in welchem Umfang, würde bereits die entsprechende Eingruppierung auslösen. Dies ist aber tatsächlich nicht der Fall. Schließlich ist nach obiger tariflicher Regelung tatsächlich auf die jeweiligen Arbeitsvorgänge abzustellen. Lediglich wenn Arbeitsvorgänge anfallen mit entsprechender Wertigkeit, im Umfang von mindestens 50%, sind diese Arbeitsvorgänge maßgeblich für die Eingruppierung in die jeweilige Entgeltgruppe, der diese Arbeitsvorgänge zuzuordnen sind. Dies folgt schon aus der systematischen Stellung des § 12 TVöD-K Eingruppierung in den allgemeinen Eingruppierungsvorschriften dieses Tarifvertrages. Dort sind die allgemeinen Vorschriften geregelt. Die jeweilige Eingruppierung richtet sich dann nach den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA).
2. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass es sich ggf. bei der Bezeichnung der Tätigkeit in EG 14 um ein Funktionsmerkmal handelt. Denn selbst wenn ein entsprechendes Funktionsmerkmal vorliegt, ist lediglich die gesamte Tätigkeit in dieser Funktion als ein einheitlicher Arbeitsvorgang zu werten. Die Arbeitnehmerin muss daher nicht mindestens zur Hälfte ihrer Arbeitszeit tatsächlich Einzeltätigkeiten der dort genannten Funktion ausüben (vgl. BAG v. 16.05.2019 – 6 AZR 93/18; v. 07.06.2006 – 4 AZR 225/05). Nur die Tätigkeiten, die also im Rahmen dieser Funktion ausgeübt werden, wie hier etwa im Rahmen der Leitungstätigkeit, werden tarifrechtlich einheitlich bewertet und stellen einen Arbeitsvorgang dar (vgl. BAG v. 31.08.1988 – 4 AZR 117/88). Hier hingegen würde die Ansicht der Klägerin dazu führen, dass auch andere Tätigkeiten, die mit der Funktion als Leiterin der Pflegeschule nichts zu tun haben und entsprechend zu trennen sind, auch nunmehr einen einheitlichen Arbeitsvorgang mit der Tätigkeit als Leiterin der Pflegeschule darstellen würden und es insoweit nicht auf das Hälftekriterium ankommen würde. Wenn etwas anderes, nämlich eine unterscheidbare Tätigkeit aus verschiedenen Bereichen vorliegt, die auch nicht einem einheitlichen Arbeitsergebnis dient, dann liegen aber verschiedene Arbeitsergebnisse und damit auch unterschiedliche Arbeitsvorgänge vor (vgl. BAG v. 20.03.2013 – 4 AZR 486/11). Gleiches hat im Übrigen das BAG selbst im Fall des Funktionsmerkmals eines Arztes festgestellt, wonach grundsätzlich der Arztbegriff ein Funktionsmerkmal darstellt, so dass in der Regel eine einheitliche Bewertung der Tätigkeit indiziert ist. Es hat jedoch klargestellt, dass davon eine Ausnahme zu machen ist, wenn es um unterscheidbare Tätigkeiten in verschiedenen Bereichen geht, die eine unterschiedliche tarifliche Wertigkeit aufweisen (vgl. BAG v. 18.04.2012 – 4 AZR 305/10 -, Rz. 23, zit. nach juris). Gleichermaßen hat dies etwa das BAG auch festgestellt in Bezug auf eine Tätigkeit eines Rettungsassistenten, dessen Tätigkeiten als Rettungsassistent zwar eine einheitliche Tätigkeit und einen einheitlichen Arbeitsvorgang bilden, jedoch Tätigkeiten des dortigen Klägers als Rettungsassistent, die er anderweitig (dort in der Rettungsleitstelle ausübt) seien nicht Bestandteil dieses Arbeitsvorgangs. Für diese andersartige Tätigkeit sei ein anderes Tätigkeitsmerkmal im Tarifvertrag vorgegeben (vgl. BAG v. 29.11.2001 – 4 AZR 736/99).
Entsprechendes gilt auch im vorliegenden Fall. Zum einen ist unstreitig zwischen den Parteien, dass die Klägerin nur in einem untergeordneten zeitlichen Umfang Leitungstätigkeiten ausübt. Sie hat auch nicht etwa dargelegt, dass entsprechende Tätigkeiten im Rahmen der Lehrtätigkeit als ständige Vertretung in dem Sinn anfielen, dass eine Trennung der Tätigkeiten nicht mehr möglich sei. Die Lehrtätigkeit wird jedenfalls nicht in einem Grand der Vermischung etwa mit Leitungstätigkeiten ausgeübt, dass diese untrennbar miteinander verbunden sind. Vielmehr können die Lehrtätigkeit, die vor allem gegenüber den Schülern erbracht wird und die leitende Tätigkeit, die mit der Organisation des Schulbetriebes zu tun hat, durchaus getrennt werden. Dass diese Leitungstätigkeiten zu mehr als 50% der Arbeitszeit anfallen, behauptet nicht einmal die Klägerin. Diese beiden Tätigkeiten bilden auch unterschiedliche Arbeitsvorgänge, da sie auf ein unterschiedliches Arbeitsergebnis gerichtet sind. Dieses Arbeitsergebnis besteht bei der Lehrtätigkeit in der Erbringung und Ausbildung der Schüler und der Wissensvermittlung, im Rahmen der Leitungstätigkeit, wie gesagt, in der Organisation und Aufrechterhaltung des Lehrbetriebes. Beide Arbeitsvorgänge sind auch nach der tariflichen Regelung unterschiedlich bewertet. Für die Lehrtätigkeit, die in EG 14 überhaupt nicht aufscheint, sind die EG 10, 11 und 13 vorgesehen, während in Entgeltgruppe 14 die Leitungstätigkeit aufgeführt ist. In welche Eingruppierungsgruppe letztlich die Eingruppierung richtigerweise erfolgt, richtet sich nach den Grundsätzen, die in § 12 TVöD-K normiert sind, nach dem überwiegenden Anteil von mindestens 50% der Gesamttätigkeit. Dies ist bei der Leitungstätigkeit jedenfalls nicht der Fall. Entgegen der Auffassung der Klägerin hätte daher auch nicht ein zusätzliches Merkmal in EG 14 aufgenommen werden müssen, um die erstinstanzliche Ansicht zu stützen. Vielmehr ist genau das Gegenteil der Fall. Soweit auch die Lehrtätigkeit mit zu berücksichtigen gewesen wäre, hätte man diese in EG 14 mitaufführen müssen, wie das etwa für stellvertretende Leiter im Bereich der Hebammenschulen mit dem Verweis auf die Beschäftigung gemäß Entgeltgruppe 11 der Fall ist. Ansonsten verbleibt es bei der Trennung der Arbeitsvorgänge, der Trennung bzgl. der Wertigkeit nach den jeweiligen Entgeltgruppen und der Eingruppierungsautomatik nach dem Überwiegen der Arbeitsvorgänge. Somit konnte insoweit die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.
3. Die Klägerin ist auch nicht in Entgeltgruppe EG 13 eingruppiert. Danach handelt es sich um Lehrkräfte mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit. Zwar ist der Klägerin noch zuzugestehen, dass nach den erbrachten Nachweisen in der ersten Instanz, nämlich dem Masterabschluss, den die Klägerin in Österreich absolviert hat und der entsprechenden Anerkennung durch die staatliche Behörde (Bl. 198 f. d. A.), noch die Voraussetzung gegeben ist, dass die Klägerin Lehrkraft mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung ist. Jedoch fehlen jegliche Darlegungen dazu, dass es sich auch um eine entsprechende Tätigkeit handelt. Entsprechend hat die Beklagte bereits in der ersten Instanz darauf hingewiesen, dass die Klägerin keine entsprechenden Tätigkeiten im Sinne dieser Tätigkeitsmerkmale ausübe, da dies nach ständiger Rechtsprechung voraussetze, dass die von der Klägerin auszuübende Tätigkeit eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung erfordert. Die von ihr auszuübende Tätigkeit müsse einen sog. akademischen Zuschnitt haben, d. h. sie müsse schlechthin die Fähigkeit von einer einschlägig ausgebildeten Akademikerin auf dem entsprechenden akademischen Fachgebiet erfordern. Nicht ausreichend ist es demgegenüber, wenn die entsprechenden Kenntnisse lediglich nützlich oder erwünscht sind. Sie müssen vielmehr zur Ausübung der Tätigkeit erforderlich sein (vgl. BAG v. 14.09.2016 – 4 AZR 964/13 -, zum wortgleichen Merkmal im Bereich des BAT/BAT-O). Dies zeigt auch die Tatsache, dass die Entgeltgruppen 11 und 13 insoweit differieren, dass für Entgeltgruppe 11 nur Lehrkräfte an Pflegeschulen mit abgeschlossener Hochschulbildung und nach Entgeltgruppe 13 Lehrkräfte mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung, aber jeweils mit entsprechenden Tätigkeiten vorliegen müssen. Es ist nicht ausreichend, dass etwa eine Hochschulbildung vorliegt und ein entsprechender Hochschulabschluss, sondern es müssen auch entsprechende Tätigkeiten erbracht werden, die gerade die im Zusammenhang mit dem wissenschaftlichen Hochschulabschluss vorliegenden Kenntnisse erfordern. Hierzu fehlt jeglicher Vortrag der Klägerin. Insbesondere auch im Hinblick auf das Vorbringen der Beklagten bereits in der ersten Instanz wäre es notwendig gewesen, soweit die Klägerin wenigstens eine Vergütung nach EG 13 fordert, hierzu vorzutragen. Dies ist aber unterblieben. Da das Berufungsgericht aber ohnehin jeglichen Vortrag auch erster Instanz zu berücksichtigen hat, kam es auf die Tatsache, dass die Beklagte den erstinstanzlichen Vortrag erst mit Schriftsatz vom 23.04.2020 und damit nach Ablauf der gemäß § 128 Abs. 2 S.2 ZPO gesetzten Frist wiederholt hat, nicht an. Entsprechend kommt auch eine Eingruppierung in EG 13 nicht in Betracht und war insgesamt die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
5. Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, insbesondere im Hinblick auf die vorliegende einschlägige zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird verwiesen.


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