Arbeitsrecht

Klage gegen die Rückforderung von Ausbildungskosten einer Zeitsoldatin

Aktenzeichen  Au 2 K 17.916

Datum:
29.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 5822
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SG § 46 Abs. 2 S. 1 Nr. 7, § 56 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, S. 3
VwVfG § 40
VwGO § 114 S. 1
GG Art. 4 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Für die Fälle der Kriegsdienstverweigerung ist das Vorliegen einer „besondere[n] Härte“ iSv § 56 Abs. 3 S. 4 SG zum Zwecke der Vermeidung eines Gewissenskonfliktes stets anzunehmen, während im Rahmen der sodann folgenden Entscheidung im Rahmen des § 56 Abs. 4 S. 3 SG über den teilweise oder vollkommenen Verzicht auf Rückerstattung andere Umstände (wie zum Beispiel eine für die betroffene Soldatin bedrohliche Vermögenssituation) zu berücksichtigen sind. Da also hier für die Bestimmung des unbestimmten Rechtsbegriffs nicht dieselben Kriterien wie für das Ermessen maßgeblich sind, sind hier Tatbestands- und Rechtsfolgenseite klar zu unterscheiden (ebenso OVG NRW BeckRS 2013, 55809). (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2 Im Falle der Kriegsdienstwerweigerung aus zwingenden Gewissensgründen setzt die Härtefallregelung des § 56 Abs. 4 S. 3 SG nicht voraus, dass im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände eine Reduzierung veranlassen. Sie ist vielmehr Ausdruck einer „verfassungsrechtlich gebotenen Korrektivfunktion“, da sie einen angemessenen Ausgleich erlaubt zwischen dem gem. Art. 4 Abs. 3 GG geschützten Interesse der Soldatin und dem Interesse des Dienstherrn, die hohen Kosten einer universitären Ausbildung nicht fruchtlos zu übernehmen (ebenso BVerwG BeckRS 2005, 29244). (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Härtefallregelung ist aufgrund der Ausstrahlungswirkung des Art. 4 Abs. 3 GG dergestalt auszulegen, dass anerkannte Kriegsdienstverweigerer die Kosten ihrer universitären Ausbildung lediglich im Umfang des erlangten geldwerten Vorteils zurückzahlen müssen. Durch die Beschränkung der zu erstattenden Kosten auf den erlangten Vorteil ist garantiert, dass die Erstattungspflicht die sich auf Art. 4 Abs. 3 GG berufende Soldatin nicht davon abhält, einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung zu stellen (ebenso BVerwG BeckRS 2016, 40247). (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht über die vorliegende Verwaltungsstreitsache ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet.
1. Der Leistungsbescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 21. Juni 2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheids derselben Behörde vom 22. Mai 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SG sind von einer früheren Soldatin auf Zeit die durch ihr Studium im Rahmen ihres Soldatenverhältnisses entstandenen Kosten zu erstatten. Die Voraussetzungen dieser Norm sind hier gegeben.
Auf die Erstattungspflicht kann gemäß § 56 Abs. 4 Satz 3 SG (teilweise) verzichtet werden, wenn diese für die frühere Soldatin auf Zeit eine besondere Härte bedeuten würde. Die Normstruktur des § 56 Abs. 3 Satz 4 SG enthält sowohl auf der Tatbestandsseite einen unbestimmten Rechtsbegriff („besondere Härte“) als auch auf der Rechtsfolgenseite ein Ermessen („kann“). Hier liegt eine sog. „Koppelungsvorschrift“ vor, sodass eine Trennung zwischen gerichtlich voll nachprüfbarem unbestimmten Rechtsbegriff auf der einen Seite und gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarem Ermessen möglich ist. Denn für die Fälle der Kriegsdienstverweigerung ist das Vorliegen einer „besondere[n] Härte“ i.S.v. § 56 Abs. 3 Satz 4 SG zum Zwecke der Vermeidung eines Gewissenskonfliktes stets anzunehmen, während im Rahmen der sodann folgenden Entscheidung über den teilweise oder vollkommenen Verzicht auf Rückerstattung andere Umstände (wie zum Beispiel eine für die betroffene Soldatin bedrohliche Vermögenssituation) zu berücksichtigen sind. Da also hier für die Bestimmung des unbestimmten Rechtsbegriffs nicht dieselben Kriterien wie für das Ermessen maßgeblich sind, sind hier Tatbestands- und Rechtsfolgenseite klar zu unterscheiden (OVG NW, U.v. 22.8.2013 – 1 A 2278/11 – juris Rn. 25; s. hierzu auch: Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 114 Rn. 33).
Danach hat die Beklagte auf der Tatbestandsseite zu Recht das Vorliegen einer „besondere[n] Härte“ i.S.v. § 56 Abs. 4 Satz 3 SG angenommen (a.), und das ihr auf Rechtsfolgenseite zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt (b.).
a) Die gemäß § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 Halbs. 2 SG bestehende Erstattungsverpflichtung stellt für eine wegen ihrer Anerkennung als Kriegsdienstverweigererin entlassene Soldatin eine „besondere Härte“ dar. Eine Zeitsoldatin, welche aus zwingenden Gewissensgründen den Kriegsdienst verweigert, könnte der Erstattungsverpflichtung nämlich nur entkommen, wenn sie entgegen ihrem Gewissen handelt und einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigererin nicht stellt. Diese nicht entrinnbare Zwangslage stellt für die Zeitsoldatin eine besondere Härte dar. Die Härtefallregelung des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG setzt dabei nicht voraus, dass im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände eine Reduzierung veranlassen. Sie ist vielmehr Ausdruck einer „verfassungsrechtlich gebotenen Korrektivfunktion“, da sie einen angemessenen Ausgleich erlaubt zwischen dem gemäß Art. 4 Abs. 3 GG geschützten Interesse der Soldatin und dem Interesse des Dienstherrn, die hohen Kosten einer universitären Ausbildung nicht fruchtlos zu übernehmen (vgl. BVerwG, U.v. 30.3.2006 – 2 C 19.05 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 5.2.2018 – 6 ZB 17.1416 – juris Rn. 8; B.v. 26.10.2017 – 6 ZB 17.1640 – juris Rn. 12; B.v. 20.10.2017 – 6 ZB 17.1371 – juris Rn. 13; OVG NW, U.v. 9.11.2016 – 1 A 253/16 – juris Rn. 24; U.v. 22.08. 2013 – 1 A 2278/11 – juris Rn. 32). Die Beklagte hat demnach rechtsfehlerfrei das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 46 Abs. 4 Satz 3 SG angenommen.
b) Auch die ihr durch das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen obliegende Ermessensentscheidung (s.o.) hat die Beklagte ordnungsgemäß getroffen.
Das durch den Normgeber auf der Rechtsfolgenseite eingeräumte Ermessen lässt sich nach allgemeinen Grundsätzen durch das Gericht nur auf das Vorliegen von Ermessensfehlern überprüfen. Dabei ist, wie aus § 114 Satz 1 VwGO hervorgeht, Rücksicht auf den Zweck der Ermessensermächtigung zu nehmen (aa). Im konkreten Fall liegt weder ein Ausfall des Ermessens (bb), noch ein Überschreiten des Ermessens (cc) oder ein Fehlgebrauch des Ermessens (dd) vor.
aa) Der Zweck der Ermächtigung zur Ausübung von Ermessen (vgl. § 40 VwVfG) ergibt sich aus der Auslegung der entsprechenden Normen. Dabei ist nach allgemeinen Grundsätzen die Wertung der Grundrechte zu berücksichtigen und die einfachgesetzliche Norm ggf. verfassungsgemäß auszulegen.
Nach Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Härtefallregelung aufgrund der Ausstrahlungswirkung des Art. 4 Abs. 3 GG dergestalt auszulegen, dass anerkannte Kriegsdienstverweigerer die Kosten ihrer universitären Ausbildung lediglich im Umfang des erlangten geldwerten Vorteils zurückzahlen müssen. Durch die Beschränkung der zu erstattenden Kosten auf den erlangten Vorteil ist garantiert, dass die Erstattungspflicht die sich auf Art. 4 Abs. 3 GG berufende Soldatin nicht davon abhält, einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung zu stellen (BVerwG, U.v. 28.10.2015 – 2 C 40.13 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 5.2.2018 – 6 ZB 17.1416 – juris Rn. 8; B.v. 26.10.2017 – 6 ZB 17.1640 – juris Rn. 12). Der geldwerte Vorteil muss dem Betroffenen deswegen für sein weiteres Berufsleben real und nachprüfbar verblieben sein und umfasst den Betrag, den die ehemaligen Soldatinnen erspart haben, indem die Erlangung der für ihr weiteres Berufsleben relevanten Kenntnisse von der Beklagten finanziert wurde (BVerwG, U.v. 30.3.2006 – 2 C 18.05 – juris Rn. 15 und 17; BayVGH, B.v. 8.8.2014 – 6 ZB 13.1527 – juris Rn. 6). Durch den Ausgleich des Vorteils sollen nur die Umstände wiederhergestellt werden, welche in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht gegeben waren, bevor die Soldatin das Studium absolvierte (BayVGH, B.v. 19.5.2015 – 6 ZB 14.1841 – juris Rn. 11). Der auszugleichende Vorteil aus dem Studium besteht also in der Ersparnis von Aufwendungen, nicht in der Aussicht auf künftige oder fiktive Einnahmen (BVerwG, U.v. 28.10.2015 – 2 C 40/13 – juris Rn. 21; BayVGH, B.v. 5.2.2018 – 6 ZB 17.1416 – juris Rn. 8; B.v. 26.10.2017 – 6 ZB 17.1640 – juris Rn. 12). Zweck der Härtefallregelung des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG ist demnach, den durch die bezahlte Ausbildung entstandenen Vorteil, welcher in der Ersparnis von Kosten in dem Fall eines zivilen Studiums besteht, abzuschöpfen.
Prinzipiell lassen sich die ersparten Kosten nur generalisierend und pauschalisierend bestimmen (BVerwG, U.v. 30.3.2006 – 2 C 18.05 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 8.8.2014 – 6 ZB 13.1527 – juris Rn. 7). Denn eine Aufzählung der in der hypothetischen Situation eines zivilen Studiums entstandenen Kosten ist bis ins kleinste Detail naturgemäß nicht möglich. Zwischen dem Studium und den zu erstattenden Kosten muss ein adäquater Zusammenhang bestehen (BVerwG, U.v. 28.10.2015 – 2 C 40/13 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 05.02.2018 – 6 ZB 17.1416 – juris Rn. 9). Zu den ersparten Kosten sind aber nicht nur unmittelbare Ausbildungskosten (wie Studiengebühren oder Ausgaben für Lehrbücher), sondern vielmehr auch die mittelbaren Kosten der Ausbildung zu zählen (BVerwG, U.v. 30.3.2006 – 2 C 18.05 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 8.8.2014 – 6 ZB 13.1527 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 19.5.2015 – 6 ZB 14.1841 – juris Rn. 13). Unter die mittelbaren Kosten fallen dabei neben Reisekosten und Trennungsgeld auch die ersparten Lebenserhaltungskosten (BVerwG, U.v. 30.3.2006 – 2 C 18.05 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 19.5.2015 – 6 ZB 14.1841 – juris Rn. 13). Letztere sind dann als erspart anzusehen, wenn der Betroffene für den Fall einer zivilen Ausbildung die dafür erforderlichen finanziellen Mittel selbst hätte aufbringen hätte müssen, wenn sie also die Kosten hätte finanzieren oder aus ihrem restlichen Vermögen (dazu zählen auch Unterhaltsansprüche gegenüber den Eltern) selbst hätte bestreiten müssen (BayVGH, B.v. 19.5.2015 – 6 ZB 14.1841 – juris Rn. 13).
Nicht zu berücksichtigen ist hingegen, dass für den Fall eines zivilen Studiums mögliche andere Einkommensquellen denkbar sind, denn die Höhe der „ersparten Lebenshaltungskosten“ lässt sich in der Rückschau zwingend „nur generalisierend und pauschalierend, orientiert an den durchschnittlichen Kosten einer gleichwertigen Ausbildung bestimmen“ (für die Situation einer hypothetischen dualen Ausbildung: BVerwG, U.v. 28.10.2015 – 2 C 40.13 – juris Rn. 21 ff.; für den Einwand eines denkbaren Anspruchs gemäß BAföG bzw. auf Kindergeld: BayVGH, B.v. 19.5.2015 – 6 ZB 14.1841 – juris Rn. 15 bzw. Rn. 29; so für den Fall ersparter Lebenserhaltungskosten auch OVG NW, U.v. 9.11.2016 – 1 A 253/16 – juris Rn. 36; vgl. auch OVG NW, U.v. 9.11.2016 – 1 A 1064/14, juris Rn. 76; anders für die im Falle eines zivilen Studiums anzunehmende duale Ausbildung: OVG NW, U.v. 22.8.2013 – 1 A 2278/11 – juris Rn. 46 ff.). Dies entspricht nicht einer „Knebelung“ der kriegsdienstverweigernden Soldatin, wie sie durch die Auslegung des § 46 Abs. 4 Satz 3 SG im Lichte des Art. 4 Abs. 3 GG gerade verhindert werden soll (BayVGH, B.v. 19.5.2015 – 6 ZB 14.1841 – juris Rn. 15).
bb) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze hat die Beklagte dem Zweck des § 46 Abs. 3 Satz 4 SG entsprechend ihr Ermessen ausgeübt. Die Beklagte war sich bei Erlass des Leistungsbescheids vom 21. Juli 2016 bewusst, dass sie aufgrund von § 56 Abs. 4 Satz 3 SG ein Ermessen auszuüben hatte, da sie darlegt, dass es sachgerecht sei, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks „Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland“ als Berechnungsmethode für die Ermittlungen der ersparten Aufwendungen heranzuziehen (Blatt 20 der Gerichtsakte). Die Beschreibung als „sachgerecht“ impliziert, dass die Beklagte erkannt hat, über einen Ermessensspielraum zu verfügen.
Des Weiteren lässt sich auf die Wahrnehmung eines Ermessensspielraums auch aus den Erwägungen schließen, dass die geforderte Rückerstattungssumme von 53.513,42 € weder unangemessen noch unverhältnismäßig sei (Blatt 21 der Gerichtsakte). Auch in der Begründung des Widerspruchsbescheides bezieht sich die Beklagte auf die Einwendungen der Klägerin im Vorverfahren, dass der ursprüngliche Leistungsbescheid ermessensfehlerhaft ergangen sei (u.a. Blatt 45 der Gerichtsakte). Aufgrund dieser Erwägungen ist ersichtlich, dass sich die Beklagte grundsätzlich bewusst war, über einen Ermessensspielraum zu verfügen.
Neben dem nicht vorliegenden Ermessensausfall ist auch kein Fall der Ermessensunterschreitung seitens der Beklagten feststellbar. Die Beklagte war sich grundsätzlich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der Härteklausel bewusst (Blatt 20 u. 40-41 der Gerichtsakte) und hat prinzipiell alle insoweit relevanten Handlungsmöglichkeiten berücksichtigt. Sie hat auch erkannt, dass nach der Regelung des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG ganz auf die Erstattung verzichtet werden kann. Denn die (zumindest implizit vorhandene) Vorstellung, hinsichtlich der Höhe des zu erstattenden Betrages ein Ermessen zu haben (s.o.), beinhaltet auch das Bewusstsein, einen geringeren Betrag ansetzen zu können. Es ist zudem nicht grundsätzlich zu beanstanden, dass die Beklagte sich für eine Reduzierung des zu erstattenden Betrages auf die ersparten Ausbildungsaufwendungen entschieden und nicht auf einen (noch) höheren Betrag verzichtet hat (BayVGH, B.v. 8.8.2014 – 6 ZB 13.1527 – juris Rn. 6).
cc) Ein Fall der Ermessensüberschreitung im Verhältnis zu dem von der Härteklausel verfolgten Zweck (s.o.) ist auch nicht gegeben.
(1) Die Beklagte hat durch die Heranziehung der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks „Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland“ nicht gegen den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung verstoßen.
Insoweit fehlt es schon an den vergleichbaren Sachverhalten. Die Summe von 580,00 € bezieht sich auf die aufgrund der „Richtlinien zur Förderung eines Studiums für Nachwuchskräfte der Bundeswehr“ angesetzten Lebensunterhaltskosten. Die Beklagte musste dabei nicht an der früheren Praxis der Berechnung der ersparten Kosten aufgrund der genannten Verwaltungsvorschrift festhalten. Denn es steht einer Behörde prinzipiell frei, eine frühere Praxis für die Zukunft zu ändern, soweit es dafür einen sachlichen Grund gibt und die neue Praxis auf prinzipiell alle neuen Betroffenen Anwendung findet. Davon ist hier auszugehen (vgl. VG München, U.v. 7.6.2017 – M 21 K 16.3533 – juris Rn. 25).
Die relevanten Kosten wurden hier zulässigerweise aufgrund der generalisierenden Untersuchung des Deutschen Studentenwerks ermittelt. Zweifel an der Tragfähigkeit derselben ergeben sich nicht (Vgl. VG München, U.v. 26.06.2017 – M 21 K 16.2773 – juris Rn. 22; U.v. 7.6.2017 – M 21 K 16.3533 – juris Rn. 25; VGH BW, U.v. 6.7.2016 – 4 S 2237/15 – juris Rn. 34).
(2) Die Grenzen der Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens wurden von der Beklagten auch nicht dadurch verletzt, dass eine Berücksichtigung fiktiver Ersparnisse (wie zum Beispiel kostenfreies Wohnen bei den Eltern) bzw. hypothetischer Kindergeldansprüche unterblieben ist. Angesichts der lediglich fiktiven Situation eines zivilen Studiums durch die Klägerin ist es naturgemäß nicht möglich, sämtliche Kosten rückblickend detailliert festzulegen. Daher ist es zulässig, dass die Beklagte auf generalisierende und pauschalierende Untersuchungen, wie die des Deutschen Studentenwerks, abstellte (VG München, U.v. 26.6.2017 – M 21 K 16.2773 – juris Rn. 22). Orientiert wird sich dabei an den durchschnittlichen Kosten einer gleichwertigen Ausbildung. Diese Betrachtungsweise lässt aber hypothetische Ersatzüberlegungen prinzipiell außen vor (VG München, U.v. 7.6.2017 – M 21 K 16.3533 – juris Rn. 25). Rein hypothetisch vorstellbare Vorteile aufgrund von Ersparnissen – wie der Unterkunft bei den Eltern – sind nicht ermittelbar.
Davon abgesehen, ob das Kindergeld in der hypothetischen Situation eines zivilen Studiums der Klägerin auch wirklich dieser und nicht ihren Eltern zugutegekommen wäre (VG München, U.v. 7.6.2017 – M 21 K 16.3533 – juris Rn. 2), ist auch die von der Klägerin hierfür angesetzte Höhe von insgesamt 12.370,- € zweifelhaft, da sie aufgrund ihres Alters gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a BKGG prinzipiell nur bis zum … 2009 für den Bezug von Kindergeld infrage gekommen wäre. Dies muss erst recht gelten, wenn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts selbst die unmittelbar aus einer hypothetischen, dualen Berufsausbildung stammenden Ausbildungsvergütungen unberücksichtigt bleiben müssen, da sie mangels struktureller Vergleichbarkeit nicht mit den beruflichen Ausbildungskosten des Staates für Soldaten auf Zeit saldierbar seien (BVerwG, U.v. 28.10.2015 – 2 C 40.13 – juris Rn. 10 u. 21).
(3) Deshalb war es auch ermessensfehlerfrei, die von der Klägerin angeführten bezahlten Studienpraktika nicht in die Berechnung der ersparten Vorteile einzuführen. Denn die anzustellende Kostenzusammenstellung muss, wie oben ausgeführt, naturgemäß auf generalisierende und pauschalierende Ansätze zurückgreifen. Die vage Möglichkeit der Ableistung eines bezahlten Praktikums ist nicht ausreichend konkret, um hier berücksichtigt werden zu müssen (BayVGH, B.v. 5.2.2018 – 6 ZB 17.1416 – juris Rn. 11).
(4) Angesichts des Zwecks der Härteklausel des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG (s.o.) ist auch die Berücksichtigung der Monate Mai 2010 bis Oktober 2010 in der Aufstellung der ersparten Aufwendungen nicht ermessensfehlerhaft. Der Umstand, dass die Klägerin von der Beklagten in dieser Zeit Dienstbezüge erhalten hat, ist für die Fragestellung irrelevant, welche Aufwendungen im Vergleich zu einem hypothetischen zivilen Studium erspart wurden. Im Rahmen einer solchen angenommenen Situation wären der Klägerin nämlich auch für diesen Zeitraum Aufwendungen entstanden.
(5) Eine den Einzelfall der Klägerin nicht ausreichend berücksichtigende Entscheidung ist nicht feststellbar. So wird auch im Rahmen des Widerspruchsbescheides prinzipiell die konkrete Situation der Klägerin gesehen (obwohl dies in diesem konkreten Punkt letztlich keine Auswirkungen hat), wenn die Beklagte schreibt, dass „Zeiten einer Abkommandierung bei denen Dienst als Soldatin abgeleistet wurde, nicht auf das Ausbildungsgeld angerechnet“ wurden (Blatt 44 der Gerichtsakte). Darüber hinaus ist eine pauschalierende Beurteilung angesichts der hypothetischen und zurückblickenden Ermittlung von ersparten Aufwendungen nicht umgehbar (s.o.). Es ist insoweit angesichts des Zwecks der Ermessensermächtigung gemäß § 56 Abs. 4 Satz 3 SG (s.o.) nicht zu beanstanden das Resultat der Zusammenrechnung der ersparten Aufwendungen zurückzufordern.
(6) Soweit gerügt wird, dass auch Kosten in der Kostenermittlung berücksichtigt wurden, die nicht das Studium der Klägerin betroffen haben, ist dies nicht nachvollziehbar, da die Darstellung des Deutschen Studierendenwerks gerade Lebenshaltungskosten für Studenten in Deutschland betrifft. Die Aufwendungen, welche gemäß § 56 Abs. 4 Satz 3 SG zu berechnen sind, umfassen auch sog. mittelbare Kosten, die nicht unmittelbar mit dem Studium zusammenhängen (u.a. Reise- und Lebenshaltungskosten; BVerwG, U.v. 30.3.2006 – 2 C 18.05 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 19.5.2015 – 6 ZB 14.1841 – juris Rn. 13).
dd) Ein Fehlgebrauch des Ermessens ist auch nicht festzustellen, da es der Beklagten hier bei der Rückforderung der ersparten Aufwendungen nur darum ging, dem Zweck der Härtefallregelung des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG entsprechend zu handeln. Dass das Handeln der Beklagten andere Zwecke hatte, ist hier nicht ersichtlich.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
3. Gründe, die Berufung zuzulassen, bestehen nicht (§ 124 Abs. 2, § 124a VwGO).

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