Arbeitsrecht

Konkurrentenrechtsstreit unter Tarifbeschäftigten

Aktenzeichen  AN 16 E 21.00210

Datum:
24.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6135
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2
VwGO § 40 Abs. 1 S. 1, § 173 S. 1
GVG § 17a Abs. 2 S. 1
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. c

 

Leitsatz

1. Es handelt sich nicht um eine Klage aus einem Beamtenverhältnis, wenn der vom Antragsteller geltend gemachte Bewerbungsverfahrensanspruch seine Grundlage nicht im Beamtenrecht sondern im Arbeitsrecht hat. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist Gegenstand der Konkurrenzsituation im öffentlichen Dienst ein Dienstposten, den die Antragsgegnerin dem erfolgreichen Bewerber im Rahmen eines außertariflichen Arbeitsverhältnisses –  hier Anstellungsverhältnis iSd § 387 SGB III – übertragen wird, so verpflichtet  der Bewerbungsverfahrensanspruch die Antragsgegnerin nicht in ihrer Funktion als Dienstherrin, sondern als privatrechtliche Arbeitgeberin und hat daher seine einfachrechtliche Grundlage im Arbeitsrecht. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Natur des Rechtsverhältnisses wird auch nicht dadurch verändert, dass das Klagebegehren auf die grundrechtsgleiche Position aus Art. 33 Abs. 2 GG gestützt wird. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
2. Der Rechtsstreit wird an das Arbeitsgericht … verwiesen.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege einer einstweiligen Anordnung gegen die Besetzung des Dienstpostens „Geschäftsbereichsleiterin/Geschäftsbereichsleiter im Geschäftsbereich Technical Service (TEC) im … am Dienstort … durch die Antragsgegnerin.
Der Antragsteller ist Bundesbeamter (Verwaltungsoberamtsrat, Besoldungsgruppe A 13 BBesO), der mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. Januar 2011 antragsgemäß seit 1. Januar 2011 zur Wahrnehmung einer Tätigkeit in einem befristeten Arbeitsverhältnis bei der …unter Wegfall der Dienstbezüge gemäß § 387 Abs. 3 SGB III beurlaubt ist (In-Sich-Beurlaubung). Mit Bescheid vom 9. April 2020 verlängerte die Antragsgegnerin die bewilligte Beurlaubung über den 31. Dezember 2020 hinaus bis 31. Dezember 2030. Ein zwischen der …und dem Antragsteller geschlossener, zunächst bis zum 31. Dezember 2020 befristeter Arbeitsvertrag vom 25. Januar 2011 wurde ausweislich einer Änderungsvereinbarung vom 15. April 2020 bis zum 31. Dezember 2030 verlängert. Der Antragsteller ist in der Tätigkeitsebene I TV-BA eingruppiert, welche in ihrer Wertigkeit der Besoldungsgruppe A 14 BBesO entspricht. Seit 1. Mai 2017 bis 23. Februar 2022 ist der Antragsteller als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen gemäß § 179 Abs. 4 SGB IX vollumfänglich von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt.
Unter dem 31. August 2020 schrieb die Antragsgegnerin den Dienstposten „Geschäftsbereichsleiterin/Geschäftsbereichsleiter im Geschäftsbereich Technical Service (TEC) im … am Dienstort … aus. Anlass für die Ausschreibung des bislang der Tätigkeitsebene I TV-BA zugeordneten Dienstpostens bildete dessen Neubewertung nunmehr nach AT-Ebene I, die der Besoldungsgruppe A 15 BBesO entspricht.
Ausweislich ihres Auswahlvermerks vom 12. November 2020 entschied die Antragsgegnerin, den ausgeschriebenen Dienstposten mit dem Beigeladenen zu besetzen.
Mit Schreiben vom 27. Januar 2021 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass seiner Bewerbung auf den ausgeschriebenen Dienstposten nicht entsprochen werden konnte. Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 18. Februar 2021 Widerspruch.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 3. Februar 2021 hat der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO beantragt mit dem Ziel, der Antragsgegnerin vorläufig zu untersagen, die ausgeschriebene Stelle zu besetzen bzw. eine Höhergruppierung auf dieser Stelle vorzunehmen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden wurde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Behördenakte der Antragsgegnerin und die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Verwaltungsrechtsweg ist weder gemäß § 126 Abs. 1 BBG noch § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet und damit unzulässig. Die Streitsache ist an das für die hier nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c ArbGG gegebene bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen einem Arbeitnehmer und Arbeitgeber (örtlich und sachlich, vgl. § 46 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 ArbGG; § 29 Abs. 1 ZPO bzw. – hier zu dem gleichen Ergebnis führend – § 48 Abs. 1a Satz 1 ArbGG; Anlage zu Art. 1 ArbGOrgG) zuständige Arbeitsgericht … zu verweisen.
Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist zunächst nicht nach § 126 Abs. 1 BBG eröffnet. Denn es handelt sich vorliegend um keine Klage (bzw. hier: Eilantrag gemäß § 123 VwGO) aus einem Beamtenverhältnis, weil der vom Antragsteller geltend gemachte Bewerbungsverfahrensanspruch vorliegend seine Grundlage nicht im Beamtenrecht, sondern im Arbeitsrecht hat. Ebenso ist der Verwaltungsrechtsweg nicht nach der Generalklausel des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Nach dieser Vorschrift ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Die vorliegende Streitigkeit ist als Streitigkeit über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses indes nicht öffentlich-rechtlicher, sondern bürgerlich-rechtlicher und dabei arbeitsrechtlicher Natur, so dass nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c ArbGG die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig sind.
Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird (BVerwG, U.v. 19.5.1994 – 5 C 33/91 – BVerwGE 96, 71-80 – juris Rn. 14; OVG NRW, B.v. 27.4.2010 – 1 E 404/10 – juris Rn. 10). Öffentlichrechtlich sind Ansprüche, wenn sie sich als Folge eines Sachverhalts darstellen, der nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist. Der in-sich-beurlaubte Antragsteller begehrt mit seinem Antrag gemäß § 123 VwGO, die ausgeschriebene Stelle eines Geschäftsbereichsleiters/einer Geschäftsbereichsleiterin im Geschäftsbereich Technical Service (TEC) im … nicht zu besetzen bzw. keine Höhergruppierung auf dieser Stelle vorzunehmen, bis über seine Bewerbung erneut entschieden ist, die Sicherung seines verfassungsrechtlich aus Art. 33 Abs. 2 GG herzuleitenden Bewerbungsverfahrensanspruchs mit dem Ziel der Übertragung einer höherwertigen Angestelltentätigkeit.
Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Jede Bewerbung muss nach diesen Kriterien beurteilt werden. Dies gilt nicht nur für Einstellungen, sondern auch für den beruflichen Aufstieg innerhalb des öffentlichen Dienstes. Öffentliche Ämter i.S.d. Art. 33 Abs. 2 GG sind sowohl Beamtenstellen als auch solche Stellen, die von Arbeitnehmern besetzt werden können. Art. 33 Abs. 2 GG dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes und trägt zum anderen dem berechtigten Interesse des Bewerbers an seinem beruflichen Fortkommen Rechnung. Die Bestimmung begründet ein grundrechtsgleiches Recht auf rechtsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl und auf deren Durchführung anhand der in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Auswahlkriterien (vgl. BVerwG, U.v. 17.8. 2005 – 2 C 37/04 – BVerwGE 124, 99-110 – juris Rn. 18 f.; BVerfG, B.v. 2.10.2007 – 2 BvR 2457/04 – NJW 2008, 194 – juris Rn. 11; BAG, U.v. 5.3.1996 – 1 AZR 590/92 (A) – BAGE 82, 211-230 – juris Rn. 29 f.; U.v. 24.3.2009 – 9 AZR 277/08 – BAGE 130, 107-118 – juris Rn. 15; speziell dazu, dass ein öffentliches Amt i.S.d. Art. 33 Abs. 2 GG auch dann vorliegt, wenn es in einem Angestelltenverhältnis übertragen werden kann, vgl. BVerwG, U.v. 26.10.2000 – 2 C 31.99 – NVwZ-RR 2001, 253 – juris Rn. 11).
Der vom Antragsteller geltend gemachte Bewerbungsverfahrensanspruch verpflichtet die Antragsgegnerin vorliegend nicht in ihrer Funktion als Dienstherrin, sondern als privatrechtliche Arbeitgeberin und hat daher seine einfachrechtliche Grundlage im Arbeitsrecht. Gegenstand der hier streitigen Konkurrenzsituation im öffentlichen Dienst bildet ein Dienstposten, den die Antragsgegnerin dem erfolgreich aus dem Bewerbungsverfahren hervorgegangenen Bewerber im Rahmen eines außertariflichen Arbeitsverhältnisses übertragen wird. Dies ergibt sich aus der Stellenausschreibung der Antragsgegnerin vom 31. August 2020 sowie den gesetzlichen Regelungen über das Personal der Bundesagentur für Arbeit. Die Antragsgegnerin bewegt sich mithin bei ihrer Entscheidung, mit welchem Bewerber sie ein entsprechendes Arbeitsverhältnis eingehen wird, auf dem Boden des Privatrechts. Die Natur des Rechtsverhältnisses wird auch nicht dadurch verändert, dass das Klagebegehren auf die grundrechtsgleiche Position aus Art. 33 Abs. 2 GG gestützt wird (LAG Rheinland-Pfalz, B.v.15.8. 2018 – 2 Ta 77/18 – juris Rn. 16).
Gemäß § 389 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III wird die Funktion einer Bereichsleiterin/eines Bereichsleiters mit herausgehobenen Aufgaben bei der Zentrale der Bundesagentur vorrangig in einem befristeten außertariflichen Arbeitsverhältnis oberster Führungskräfte (Anstellungsverhältnis) übertragen. Wenn Beschäftigte zum Zeitpunkt der Übertragung in einem Arbeitsverhältnis zur Bundesagentur stehen, wird die Funktion nach § 389 Abs. 1 Satz 4 SGB III ausschließlich im Anstellungsverhältnis übertragen. Für die Dauer eines Anstellungsverhältnisses ruhen die Rechte und Pflichten aus einem mit der Bundesagentur bereits bestehenden Arbeitsverhältnis (vgl. § 389 Abs. 3 SGB III).
Der vom Antragsteller geltend gemachte Bewerbungsverfahrensanspruch zielt demgemäß auf ein Anstellungsverhältnis i.S.d. § 387 SGB III. Da die In-Sich-Beurlaubung des Antragstellers bis zum 31. Dezember 2030 bewilligt ist (vgl. Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. April 2020) und der Arbeitsvertrag zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin vom 25. Januar 2011 bis 31. Dezember 2030 verlängert ist (vgl. Änderungsvereinbarung vom 15. April 2020), steht der Antragsteller im Fall der Übertragung des hier streitigen Dienstpostens in einem Arbeitsverhältnis zur Bundesagentur, sodass ihm die Funktion eines Geschäftsbereichsleiters TEC im … ausschließlich im Anstellungsverhältnis übertragen würde, vgl. § 389 Abs. 1 Satz 4 SGB III. Die Rechte und Pflichten aus seinem derzeit bestehenden Arbeitsverhältnis würden während der Anstellung als oberste Führungskraft ruhen (§ 389 Abs. 3 SGB III). Der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers aus Art. 33 Abs. 2 GG richtet sich vorliegend auf Gleichbehandlung bei der Vergabe einer Stelle des öffentlichen Dienstes, die sich für den Antragsteller als höherwertig darstellt. Es handelt sich rein um eine arbeitsrechtliche Konkurrenzsituation, die nicht mit einer Beförderung des Antragstellers als Beamter verbunden ist. Ebenso wenig steht im Zusammenhang der Bewerbung ein Anspruch des Antragstellers auf Bewilligung bzw. Verlängerung einer Beurlaubung gemäß § 387 Abs. 3 SGB III im Streit. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Rechtsstreit von dem Sachverhalt, welcher der vom Antragsteller zitierten Entscheidung des BayVGH vom 27. Juli 2015 (6 C 15.1346 – juris) zugrunde lag.
Deshalb ist der Rechtsstreit nach erfolgter Anhörung der Beteiligten gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG von Amts wegen an das zuständige Arbeitsgericht* … zu verweisen. Die Kostenentscheidung bleibt dem Arbeitsgericht … vorbehalten (§ 17b Abs. 2 GVG).


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