Aktenzeichen L 4 KR 88/19
KHG § 17 b Abs. 1
PrüfvV 2016 § 7 Abs. 5
SGB V § 109 Abs. 4, § 275 Abs. 1c
Leitsatz
1. § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 schließt eine nachträgliche Anpassung von Kodierung und Rechnung an das vom MDK gewonnene Prüfergebnis nicht aus, wenn sich hiernach ein höherer Rechnungsbetrag ergibt. (Rn. 34 – 38)
2. Sowohl der Wortlaut der Regelung als auch systematische Erwägungen sprechen dagegen, dass § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 die Vergütung betreffende materielle Ausschlussfristen enthält. (Rn. 39 – 40)
Verfahrensgang
S 2 KR 446/18 2019-01-25 Urt SGAUGSBURG SG Augsburg
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 25. Januar 2019 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 2.503,47 Euro festgesetzt.
Gründe
Die form- und fristgerecht (§§ 143, 151 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.
Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein weiterer Vergütungsanspruch für die stationäre Krankenhausbehandlung der Versicherten in der geforderten Höhe zu.
Rechtsgrundlage des von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz i.V.m. der vorliegend für den Behandlungs- und Abrechnungsfall im Jahr 2017 maßgeblichen Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2017 (Fallpauschalenvereinbarung 2017 – FPV 2017) sowie der zwischen den Beteiligten geltenden Budget- und Entgeltvereinbarung Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass in Bezug auf die in der Zeit vom 22.06. bis 02.07.2017 durchgeführte Behandlung der Versicherten die Hauptdiagnose T79.3 zutreffend ist und infolgedessen die DRG T01C in Ansatz zu bringen ist, wie sich dies auch für den Senat aus den vorhandenen Unterlagen und dem MDK-Gutachten vom 17.11.2017 ergibt.
Die streitgegenständliche Nachforderung von Krankenhausvergütung, die aus der geänderten DRG und der daraus folgenden erlöserhöhenden Abrechnung resultiert, ist von der Klägerin am 23.11.2017 geltend gemacht worden und damit weder verjährt noch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verwirkt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 05.07.2016, B 1 KR 40/15 R; BSG, Urteil vom 19.11.2019, B 1 KR 10/19 R, m. w. N.). Auch dies wird von Seiten der Beklagten nicht bestritten.
Streitig ist allein die Rechtsfrage, ob die Klägerin, die zunächst ausgehend von der DRG X05B einen Betrag von 3.232,20 € in Rechnung gestellt hatte, mit der nachträglichen korrekten Kodierung der DRG T01C und der darauf beruhenden Rechnungskorrektur vom 23.11.2017 aufgrund des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 präkludiert ist. Dies ist nach Auffassung des Senats nicht der Fall.
§ 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 hat folgenden Wortlaut:
Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen sind nur einmalig möglich. 2Diese hat der MDK nur dann in seine Prüfung einzubeziehen, wenn sie innerhalb von 5 Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens nach § 6 Absatz 2 an die Krankenkasse erfolgen. 3Sollte eine Begutachtung durch den MDK vor Ablauf der Frist des Satzes 2 beendet sein, ist eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich. 4In den Fällen der Prüfung vor Ort finden die Sätze 2 und 3 mit der Maßgabe Anwendung, dass eine Korrektur oder Ergänzung nur bis zum Abschluss der Prüfung vor Ort möglich ist. 5Unabhängig hiervon kann das Krankenhaus bei Erweiterung des Prüfgegenstandes nach § 6 Absatz 3 Satz 6 eine einmalige Korrektur oder Ergänzung des Datensatzes innerhalb von 5 Monaten nach dieser Erweiterung vornehmen, die Sätze 3 und 4 gelten entsprechend. 6Je nach Eingang der Korrektur bzw. der Ergänzung verlängert sich die Gesamtprüffrist nach § 8 Satz 3 entsprechend. 7§ 275 Absatz 1c Satz 3 SGB V findet auf Prüfungen, die aufgrund dieser Korrekturen nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führen, keine Anwendung.
Dieser Regelung lässt sich nicht entnehmen, dass eine nachträgliche Anpassung der Kodierung und der Rechnung an das Ergebnis des MDK-Prüfverfahrens nach § 275 Abs. 1c SGB V (in der bis 31.12.2019 geltenden Fassung – a.F.) ausgeschlossen wäre. Im Übrigen sprechen sowohl der Wortlaut als auch systematische Erwägungen dagegen, dass § 7 Abs. 5 PrüfvV die Vergütung betreffende materielle Ausschlussfristen enthält.
§ 7 Abs. 5 PrüfvV befasst sich nach seinem eindeutigen Wortlaut nur mit einer Einbeziehung von Korrekturen und Ergänzungen von Datensätzen in die nach § 275 Abs. 1c SGB V vorgesehene Prüfung durch den MDK. Die vorliegende Rechnungskorrektur wurde der Beklagten aber erkennbar nicht zu dem Zweck übermittelt, dass der MDK diese „Datensatzkorrektur“ in seine Prüfung miteinbeziehen möge, zumal die Prüfung zu diesem Zeitpunkt bereits beendet war und die Datensatz- bzw. Rechnungskorrektur auf dem Ergebnis dieser Prüfung beruhte.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt in der Vorschrift des § 7 Abs. 5 PrüfvV auch nicht zum Ausdruck, dass eine Umsetzung des vom MDK gewonnenen Prüfergebnisses dann ausgeschlossen wäre, wenn sich hiernach ein höherer Rechnungsbetrag ergibt (so auch LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13.08.2018, L 5 KR 155/18 NZB; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10.12.2019, L 11 KR 794/19).
Satz 2 des § 7 Abs. 5 PrüfvV regelt nach seinem klaren Wortlaut die Frist, innerhalb der eine Datensatzkorrektur oder -ergänzung durch das Krankenhaus an die Krankenkasse für eine Einbeziehung in die Prüfung durch den MDK erfolgt sein muss („Diese hat der MDK nur dann in seine Prüfung einzubeziehen, wenn …“). Hält das Krankenhaus diese Frist nicht ein, hat es keinen Anspruch darauf, dass der MDK den geänderten oder korrigierten Datensatz bei seiner Prüfung berücksichtigt. Eine darüberhinausgehende Rechtsfolge, insbesondere die, dass das Krankenhaus nach Beendigung der MDK-Prüfung nicht mehr berechtigt ist, in den Grenzen der Verjährung und Verwirkung weitere Krankenhausvergütung nachzufordern, kann dem Wortlaut des § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV nicht entnommen werden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 17.04.2019, L 5 KR 1522/17, zum gleichlautenden § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV in der Fassung vom 01.09.2014).
Dies gilt auch für die nachfolgenden Sätze 3 und 4 des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016. Auch wenn hier eine andere Formulierung als in Satz 2 gewählt worden ist („…, ist eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich“ bzw. „…mit der Maßgabe Anwendung, dass eine Korrektur oder Ergänzung nur bis zum Abschluss der Prüfung vor Ort möglich ist“), können die Sätze 3 und 4 des § 7 Abs. 5 PrüfvV nicht losgelöst vom vorangehenden Satz 2 verstanden werden, zumal sie sich explizit auf diesen beziehen: sie modifizieren die in Satz 2 gesetzte Fünf-Monatsfrist für den Fall, dass eine Begutachtung durch den MDK schon vor Ablauf von 5 Monaten nach Einleitung des Prüfverfahrens beendet sein sollte bzw. für den Fall einer Prüfung vor Ort. Gegenstand des § 7 Abs. 5 Sätze 3 und 4 PrüfvV ist daher ebenfalls allein die nachträgliche Datensatzkorrektur im MDK-Prüfverfahren. Eine Aussage zur nachträglichen Rechnungskorrektur im Abrechnungsverfahren bzw. zum Ausschluss einer Vergütung wird nicht getroffen.
Soweit die Beklagte der Auffassung ist, dass es sich bei den Fristenregelungen des § 7 Abs. 5 PrüfvV 2016 um materiell-rechtliche Ausschlussfristen handele, was sich insbesondere an der Formulierung des Satzes 3 zeige, und daher jegliche Korrekturen und Ergänzungen von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich seien – auch solche, die auf dem Ergebnis der Prüfung durch den MDK beruhen, vermag dies nicht zu überzeugen. Diese Auslegung übersieht die Bezugnahme der Sätze 3 und 4 auf Satz 2 und verkennt den systematischen Gesamtzusammenhang, in dem die Regelung des § 7 Abs. 5 PrüfvV steht: § 7 PrüfvV regelt die „Durchführung der Prüfung“ und ist Bestandteil einer „Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V“. Die PrüfvV ist keine Vereinbarung über die Abrechnung von Krankenhausbehandlungen. Da § 7 Abs. 5 PrüfvV – anders als etwa § 7 Abs. 2 PrüfvV – auch keine ausdrückliche Aussage zu Konsequenzen für Vergütungen trifft für den Fall, dass die dort geregelten Fristen nicht eingehalten werden, kann weder aufgrund des Wortlauts noch aufgrund systematischer Erwägungen von einer materiellen Ausschlussfrist ausgegangen werden.
Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, gebieten auch Sinn und Zweck des § 7 Abs. 5 PrüfvV keinen Ausschluss einer an das Prüfergebnis des MDK angepassten nachträglichen Rechnungskorrektur. Sinn und Zweck von § 7 Abs. 5 PrüfvV ist es, die Prüfung durch den MDK zügig zum Abschluss bringen zu können. Das Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V a. F. Verfahren soll Ungereimtheiten, die der Krankenkasse auffallen, möglichst umgehend aufklären. Wird – wie hier – lediglich das Ergebnis der MDK-Prüfung umgesetzt und werden Kodierung und Abrechnung entsprechend geändert, führt dies weder zu einer Verzögerung des Prüfverfahrens noch macht es eine weitere Prüfung durch den MDK erforderlich.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 GKG.