Arbeitsrecht

Krankenversicherungsbeitrag – Auslandsrente – Jährliche Zahlung im Nachhinein

Aktenzeichen  S 11 KR 186/16

Datum:
1.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V SGB V § 228 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Wird eine ausländische Rente, die gem. § 237 S. 1 Nr. 1, S. 2 SGB 5 i. V. m. § 228 Abs. 1 SGB 5 der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegt, zwar monatlich gewährt, jedoch generell jährlich im Nachhinein in einer Summe für die zurückliegenden zwölf Monat ausbezahlt, kann die Krankenkasse die Beiträge monatlich im Voraus erheben. (amtlicher Leitsatz)
2 Für eine Auslandsrente iHv 27 CHF monatlich, die jährlich einmal im Juli für das zurückliegende Jahr ausgezahlt wird, darf der Krankenversicherungsbeitrag monatlich im Voraus erhoben werden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
1.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere wurde die statthafte Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. SGG) zum örtlich (§ 57 Abs. 1 SGG) und sachlich (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG) zuständigen Sozialgericht Würzburg erhoben. Das Vorverfahren wurde durchgeführt (§§ 78 ff. SGG). Die Klagefrist wurde eingehalten (§§ 87, 89 und 91 SGG).
2.
Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 08.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die schweizerische Rente des Klägers unterliegt gem. § 237 S. 1 Nr. 1, S. 2 SGB V i. V. m. § 228 Abs. 1 S. 1 und S. 2 SGB V der Beitragspflicht in der KV und i. V. m. § 57 Abs. 1 S. 1 SGB XI in der PV. Dies ist zu Recht nicht zwischen den Beteiligten strittig. Entgegen der Auffassung des Klägers durfte die Beklagte die Beiträge auch in monatlich gleichbleibenden Beträgen im Voraus erheben.
Wird eine Rente im Nachhinein ausgezahlt, kommt § 228 Abs. 2 SGB V i. V. m. § 237 S. 2 SGB V zur Anwendung. Dies gilt auch für ausländische Renten (Peters in Kasseler Kommentar, SGB V, § 228 Rn. 13 ff.) und somit auch für die schweizerische Rente des Klägers. § 228 Abs. 2 SGB V bestimmt: „Bei der Beitragsbemessung sind auch Nachzahlungen einer Rente nach Absatz 1 zu berücksichtigen, soweit sie auf einen Zeitraum entfallen, in dem der Rentner Anspruch auf Leistungen nach diesem Buch hatte. Die Beiträge aus der Nachzahlung gelten als Beiträge für die Monate, für die die Rente nachgezahlt wird.“ Aus dem zweiten Satz folgt i. V. m. § 255 Abs. 3 SGB V der Grundsatz, dass laufende Rentenleistungen in beitragsrechtlicher Hinsicht dem Monat zugeordnet werden, für den sie bestimmt sind. Dies gilt auch, wenn die für bestimmte Zeiträume zu beanspruchenden ausländische Rente – wie hier – nicht monatlich, sondern in größeren Abständen entweder im Voraus oder im Nachhinein gezahlt wird (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.05.2014, L 4 KR 4717/12, juris; Sieben in: Figge, Sozialversicherungsrecht (Beitragsrecht), 111. EL. 05.2016, 6.17.2.1). Dennoch können die Kranken- und Pflegekassen – da bestandskräftige Bescheide entgegen stehen – im Regelfall gestützt auf diese Norm keine Neuregelung der Beitragshöhe mit Wirkung für die Vergangenheit vornehmen, da es insoweit an einer gesetzlichen Ermächtigung fehlt (BSG, Urteil vom 21.09.2005, B 12 KR 12/04 R, juris; Peters in: Schlegel/Voelzke, juris PK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 228 Rn. 27). Eine rückwirkende tatsächliche Verteilung auf die einzelnen Monate ist daher kaum möglich. Den Kranken- und Pflegekassen bleiben daher nur zwei Möglichkeiten. Entweder sie heben den Beitrag allein für den Monat der einmaligen Rentenzahlung an oder sie erheben die Beiträge im Voraus. Da im „Normalfall“ einer Nachzahlung i. S.v. § 228 Abs. 2 SGB V im Voraus nicht bekannt ist, dass sie erfolgen wird, stellt sich die Frage einer Beitragserhebung „im Voraus“ nicht. Es bleibt nur die erstgenannte Möglichkeit. Genau diese Konstellation der ungewissen Nachzahlung hatte der Gesetzgeber allem Anschein nach regeln wollen. Dass ausländische Renten – anders als deutsche Renten – mitunter generell nachgezahlt werden, wurde vom Gesetzgeber offensichtlich nicht bedacht. Dies aber trifft auf die schweizerische Rente des Klägers zu. Der Umstand und die Höhe der Nachzahlung (in CHF) sind bereits gewiss, ebenso die Verteilung auf die einzelnen Monate. Dies ergibt sich unmittelbar aus der „Verfügung“ (so die Terminologie nach schweizerischem Verwaltungsrecht) der SAK.
Eine Beitragserhebung im Nachhinein führt bei diesen feststehenden jährlichen Nachzahlungen zu praktische Schwierigkeiten (vgl. Sieben a. a. O.; Ergebnisniederschrift über die Sitzung der Fachkonferenz Beiträge am 22.02.2012, TOP 3), insbesondere in Form eines erheblichen Verwaltungsaufwandes. Der Beitrag müsste jährlich neu berechnet und festgesetzt werden, selbst wenn sich die Höhe der Rentenleistung (in CHF) nicht verändert. Angesicht der geringen Höhe der schweizerischen Rente und der damit einhergehenden geringen Beiträge (ca. 2,31 Euro pro Monat) würde dies einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand bedeuten (vgl. Sieben a. a. O.; Ergebnisniederschrift über die Sitzung der Fachkonferenz Beiträge am 22.02.2012, TOP 3).
Vor diesem Hintergrund drängt sich die Beitragserhebung im Voraus auf. Sie ist insbesondere nicht gesetzlich ausgeschlossen. Aus § 237 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 228 Abs. 1 und Abs. 2 SGB V kann nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass eine Beitragserhebung im Vorhinein ausgeschlossen ist, wenn der Zahlbetrag der Rente bereits feststeht. Durch die Beitragserhebung im Voraus wird dem Grundsatz der Verteilung auf die einzelnen Monat gem. § 228 Abs. 2 S. 2 SGB V Rechnung getragen. Weiterhin steht sie im Einklang mit dem Zweck des § 228 Abs. 2 Satz 1 SGB V, der darin besteht, dass der Rentner durch die verspätete Zahlung weder Vor- noch Nachteile haben soll (vgl. Ulmer in BeckOK SozR, SGB V, § 228 Rn. 1 f.). Denn für den Kläger könnten lediglich geringfügige Nachteile entstehen. Insbesondere sind die vorgetragenen „Nachteile“ bei der Währungsumrechnung nicht wesentlich, denn sie kann für den Kläger auch vorteilhaft ausfallen. Auf welchen Zeitpunkt bei der Währungsumrechnung abzustellen ist und wann insoweit eine „Neuberechnung“ erfolgen darf, ist klar gesetzlich geregelt (Bayerisches LSG, Urteil vom 23.11.2011, L 13 R 890/1, juris). Die „Transaktionskosten“ können schon deshalb keine Berücksichtigung finden, weil sie der Kläger durch einen Wechsel der Bank vermeiden könnte. Die monatsweise Beitragserhebung im Voraus entspricht darüber hinaus dem Grundsatz der Verwaltungspraktikabilität (vgl. zu diesem Grundsatz: BSG, Urteil vom 19.09.2007, B 1 KR 1/07 R, juris; Bayerisches LSG, Urteil vom 30.02.2013, L 4 KR 56/10, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 02.12.2011, L 4 KR 4781/09, juris) und dem im Sozialverwaltungsverfahren geltenden Zweckmäßigkeitsgrundsatz (§ 9 Satz 2 SGB X).
Das gefundene Ergebnis gilt wegen der Verweisung in § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI für die Beiträge zur PV entsprechend.
3.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf den §§ 183, 193 SGG.


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