Arbeitsrecht

Kürzung einer Hinterbliebenenversorgung

Aktenzeichen  M 21 K 16.5754

Datum:
12.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 28866
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SVG § 55c
VersAusglG § 34, § 37, § 38 Abs. 1 S. 2
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 War die Versorgung des verstorbenen Ehemanns aufgrund einer früheren Ehescheidung mit einer Versorgungsanwartschaft belastet, ist damit auch das Witwengeld bzw. der Unterhaltsbeitrag als abgeleitete Versorgung um diesen Anwartschaftsteil zu kürzen (vgl. BayVGH BeckRS 2017, 120219). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2 Dies gilt auch, wenn der verstorbene Ehemann erfolgreich die Aufhebung der Kürzung der Versorgungsbezüge beantragt hatte, weil die damals ausgleichsberechtigte erste Ehefrau verstorben war. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Nach entsprechendem Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid der Generalzolldirektion vom 7. November 2016 und deren Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 2016 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
War die Versorgung des verstorbenen Ehemanns aufgrund einer früheren Ehescheidung mit einer Versorgungsanwartschaft belastet, ist damit auch das Witwengeld bzw. der Unterhaltsbeitrag als abgeleitete Versorgung um diesen Anwartschaftsteil zu kürzen (vgl. nur BayVGH, U.v. 18.7.2017 – 3 BV 16.590 – juris Rn. 21 m.w.N).
Rechtsgrundlage für die Kürzung, deren Betrag unstreitig ist, ist § 55c Abs. 1 SVG. Nach Satz 1 dieser Bestimmung werden nach der Wirksamkeit der familiengerichtlichen Entscheidung, durch welche Anwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung begründet worden sind, die Versorgungsbezüge der ausgleichspflichtigen Person und ihrer Hinterbliebenen nach Anwendung von Ruhens-, Kürzungs- und Anrechnungsvorschriften um den nach § 55c Abs. 2 oder Abs. 3 SVG berechneten Betrag gekürzt. Das Ruhegehalt, das der verpflichtete Ehegatte im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich erhält, wird nach § 55c Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 SVG erst gekürzt, wenn aus der Versicherung des berechtigten Ehegatten eine Rente zu gewähren ist; dies gilt nur, wenn der Anspruch auf Ruhegehalt vor dem 1. September 2009 entstanden und das Verfahren über den Versorgungsausgleich zu diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (§ 55c Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 SVG).
Hier besteht die Besonderheit, dass der Ehemann der Klägerin am 30. Juli 2014 erfolgreich die Aufhebung der Kürzung seiner Versorgungsbezüge beantragt hatte, da die damals ausgleichsberechtigte, erste Ehefrau gestorben war, welche weniger als 36 Monate lang Rentenleistungen unter Berücksichtigung des im Versorgungsausgleich begründeten Anrechts erhalten hatte.
Auch in dieser Fallkonstellation ist der Unterhaltsbeitrag nach § 55c Abs. 1 SVG zu kürzen.
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VersAusglG wird das Anrecht der ausgleichspflichtigen Person auf Antrag nicht länger aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt, wenn die ausgleichspflichtige Person gestorben ist und die Versorgung aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nicht länger als 36 Monate bezogen hat. Antragsberechtigt ist nach § 38 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG die ausgleichspflichtige Person.
Das VersAusglG ist mit dem Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) vom 3. April 2009 – mit dem der Gesetzgeber das materielle Recht des Versorgungsausgleichsrechts grundlegend neu geregelt hat – in Kraft getreten. Gleichzeitig ist das Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) vom 21. Februar 1983 in der Fassung vom 17. Dezember 2008 außer Kraft getreten (vgl. nur BayVGH, U.v. 18.7.2017 – 3 BV 16.590 – juris Rn. 27 m.w.N).
Das neue Recht enthält Einschränkungen. So ist nach § 38 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG antragsberechtigt für die „Anpassung“ (den Rückausgleich) nur noch der ausgleichspflichtige Ehepartner, nicht mehr ein Hinterbliebener (wie noch nach § 9 Abs. 2 Satz 1 VAHRG). Dem entspricht, dass § 37 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG nur noch davon spricht, dass ein Anrecht „der ausgleichspflichtigen Person“ nicht länger aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt wird (§ 4 Abs. 1 VAHRG betraf noch die Versorgung „des Verpflichteten oder seiner Hinterbliebenen“). Hierzu heißt es in den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 16/10144, S. 75): „Anders als in § 4 Abs. 1 VAHRG ist aber ein Anpassungsanspruch nicht mehr vorgesehen, wenn nur die Hinterbliebenen der ausgleichspflichtigen Person von der Anpassung profitieren würden. Diese haben kein schutzwürdiges Interesse an der Rückgängigmachung der Versorgungskürzung. Die Witwe oder der Witwer der ausgleichspflichtigen Person konnte und musste damit rechnen, dass die (Hinterbliebenen-)Versorgung der ausgleichspflichtigen Person um den für den Versorgungsausgleich abgezogenen Betrag reduziert war.“ (vgl. nur BayVGH, U.v. 18.7.2017 – 3 BV 16.590 – juris Rn. 28 f. m.w.N).
Das Bundessozialgericht geht davon aus, dass den Regelungen des VersAusglG nicht entnommen werden kann, dass das durch den ausgleichspflichtigen Ehepartner wahrgenommene Antragsrecht zugunsten der Hinterbliebenen weiter wirkt (vgl. U.v. 24.4.2014 – B 13 R 25/12 R – juris Rn. 16). Es lässt sich von der Überlegung leiten, dass sich der Anpassungsantrag des Ausgleichsverpflichteten nur auf seinen eigenen Versicherten-, nicht aber auf künftige Hinterbliebenenleistungen seiner Angehörigen bezieht und führt aus, ein Antragsteller könne – schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen – immer nur in eigener Sache die Durchsetzung oder Wahrung individueller Rechte verfolgen (vgl. U.v. 20.3.2013 – B 5 R 2/12 R – juris Rn. 16). Auch wenn sich das Recht auf Hinterbliebenenrente aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherten und dem Rentenversicherungsträger ableite, gehe es keinesfalls kraft Rechtsnachfolge über, sondern vermittle dem Hinterbliebenen ein eigenständiges Recht auf entsprechende Leistungen (vgl. nur BayVGH, U.v. 18.7.2017 – 3 BV 16.590 – juris Rn. 30 m.w.N.).
Der 3. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hat sich dem Bundessozialgericht angeschlossen und dessen Rechtsprechung auf das Beamtenversorgungsrecht übertragen (vgl. nur BayVGH, U.v. 18.7.2017 – 3 BV 16.590 – juris Rn. 31 ff. m.w.N). Dementsprechend ist nach der Überzeugung des Gerichts auch für das Soldatenversorgungsrecht und damit für den Fall der Klägerin zu verfahren. Nach der Neuregelung durch das VersAusglG steht den Hinterbliebenen das (Antrags-)Recht auf Rückausgleich nicht mehr zu, auch nicht für den Fall, dass der verstorbene ausgleichspflichtige Ehepartner bereits wegen des noch von ihm beantragten Rückausgleichs eine eigene Rente ohne versorgungsausgleichsbedingte Abschläge bezogen hatte.
Etwas anderes kann auch nicht aus der Regelung des § 37 Abs. 3 VersAusglG geschlossen werden. Hiernach „erlöschen“ zugunsten des ausgleichspflichtigen Ehepartners begründete Anrechte (bei anderen Trägern) mit dem Rückausgleich („Anpassung“). Dies mag die Folgerung nahelegen, dass die Erlöschenswirkung auch die Hinterbliebenen des Ausgleichspflichtigen treffe und daher die Aussetzung der Kürzung ihnen ebenfalls zugutekommen müsse. Hierfür bietet der Gesetzeswortlaut jedoch keinen Anhalt (vgl. BSG, U.v. 24.4.2014 a.a.O. Rn. 18). Für die Gegenmeinung lässt sich schließlich auch nicht anführen, dass in § 38 VersAusglG mit dem Verweis auf § 34 Abs. 4 VersAusglG die Vererblichkeit des Anpassungsrechts geregelt ist. Die Verweisung auf § 34 Abs. 4 VersAusglG führt dazu, dass der Anpassungsanspruch auf die Erben des Ausgleichspflichtigen übergeht, wenn dieser zu Lebzeiten einen Anpassungsantrag gestellt hat. Das bedeutet in der Konsequenz aber nur, dass der Anspruch auf die bis zum Todesfall erhöhten Versorgungsbezüge auf seine Erben übergeht. Der Tod des Ausgleichspflichtigen beendet somit das Verfahren nicht und den Erben steht ein Anspruch auf ungekürzte Versorgungsbezüge (sofern die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind) ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Monat der Antragstellung folgt (§§ 38 Abs. 2 i.V.m. § 34 Abs. 3 VersAusglG) bis zum Sterbemonat (vgl. § 17 BeamtVG) zu. Der Gesetzgeber hat sich damit für den Fall eines noch zu Lebzeiten des Ausgleichsverpflichteten gestellten Antrags dafür entschieden, dass die Hinterbliebenen nur für einen begrenzten Zeitraum von der Anpassung profitieren können. Daraus ist zu schließen, dass der in Teilen der Literatur präferierte „Fortsetzungsanspruch“ dem gesetzgeberischen Willen nicht entspricht (vgl. zu all dem nur BayVGH, U.v. 18.7.2017 – 3 BV 16.590 – juris Rn. 32 m.w.N).
Diese einfachgesetzliche Rechtslage verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Die im Streitfall maßgeblichen Vorschriften, insbesondere §§ 37, 38 VersAusglG sowie § 55c SVG, sind verfassungsgemäß.
Art. 33 Abs. 5 GG schützt die Versorgungsanwartschaften der Beamten. Das System des Versorgungsausgleichs, also des hälftigen Ausgleichs der während der Ehezeit erworbenen Renten- und Versorgungsanwartschaften, wird seit seinem Bestehen vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als mit Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar angesehen. Das gilt gleichermaßen für das alte, bis zum 31. August 2009 geltende System des Splittings bzw. Quasisplittings als auch für das seither durchgeführte System, in dem wesentlich umfänglicher verschiedene Versorgungsarten beider Ehegatten jeweils hälftig dem anderen Ehegatten übertragen werden. Die in diesem Rahmen vorgenommenen Eingriffe in Art. 14 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 5 GG werden durch Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt (vgl. zu all dem nur BayVGH, U.v. 18.7.2017 – 3 BV 16.590 – juris Rn. 38 m.w.N.).
Dies gilt selbst dann, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte verstorben ist, ohne Renten- oder Versorgungsleistungen erhalten zu haben. Der Grund hierfür liegt in dem gemäß Art. 6 Abs. 1 GG gewährleisteten Institut der Ehe, das auch nach der Scheidung rechtliche Wirkungen entfaltet. Mit der familiengerichtlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich wird das individuelle Risiko des frühen Versterbens endgültig und dauerhaft auf beide Ehegatten verteilt. Vor diesem Hintergrund besteht kein Bedürfnis für eine Härtefallregelung. Denn die aufgeteilten Renten- bzw. Versorgungsanwartschaften unterliegen mit der Durchführung des Versorgungsausgleichs auch eigentums- bzw. beamtenrechtlich verschiedenen Schicksalen. Der Zweck des Versorgungsausgleichs wird hierdurch nicht verfehlt (vgl. BVerfG, B.v. 6.5.2014 – 1 BvL 9/12,1 BvL 1145/13 – juris Rn. 40 ff.). Seine frühere anderweitige Einschätzung (vgl. BVerfG, U.v. 28.2.1980 – 1 BvL 17/77 u.a. – juris Rn. 175), wonach für Fälle des bezugslosen Vorversterbens der ausgleichsberechtigten Person eine Härtefallregelung erforderlich war, hat das Bundesverfassungsgericht revidiert und zur Erläuterung angeführt, dass es die seinerzeit stark umstrittene Reform des Eherechts einschließlich der Einführung des Versorgungsausgleichs mit der Anmahnung einer Härtefallregelung abmildern wollte, um so deren Akzeptanz zu stärken (BVerfG, Beschluss vom 6. Mai 2014 – 1 BvL 9/12,1 BvL 1145/13 – juris Rn. 56 und 88: Härtefallregelung als „Abfederung des neuen Systems“). Die Regelungen der Art. 14 Abs. 1 GG und 33 Abs. 5 GG verlangen eine solche Härtefallregelung jedenfalls nicht. Das Bundesverfassungsgericht geht vielmehr davon aus, dass die in § 37 VersAusglG getroffene Anpassungsregelung „wünschenswert“, aber verfassungsrechtlich nicht geboten ist (vgl. BVerwG, U.v. 19.11.2015 – 2 C 48/13 – juris Rn. 20 m.w.N. aus der sozialgerichtlichen Rechtsprechung). Ist aber die Anpassung wegen Todes der ausgleichsberechtigten Person verfassungsrechtlich nicht geboten, durfte der Gesetzgeber die Hinterbliebenen von der Härtefallregelung im Sinne einer Fortsetzung der bereits erfolgten Anpassung ausnehmen. Diese Entscheidung trägt der sachgerechten Überlegung Rechnung, dass ein schutzwürdiges Interesse der Hinterbliebenen der ausgleichsberechtigten Person an der Rückgängigmachung der Versorgungskürzung nicht festzustellen ist. Anders als bei der gemeinsamen Lebensplanung aus der vorherigen Ehe, die mit dem Versorgungsausgleich diese Planung beendet, lag es im eigenen Verantwortungsbereich der Witwe oder des Witwers, vor der Ehe für eine (eigene) Versorgung zu sorgen (vgl. Bundesministerium der Justiz, Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) vom 29.8.2007, S. 142, abrufbar unter http://www.gesmat.bundesgerichtshof.de/gesetzesmaterialien/16_wp/vastrrefg/diske20070829.pdf) (vgl. zu all dem nur BayVGH, U.v. 18.7.2017 – 3 BV 16.590 – juris Rn. 39 m.w.N).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 Sätzen 1 und 2 ZPO.

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