Arbeitsrecht

Mietwagen, Berufung, Fahrzeug, Unterlassungsbegehren, Auslegung, Fahrer, Wohnung, Parkplatz, Gefahr, Zinsen, Berufungsverfahren, Taxi, Mitarbeiter, Beklagte

Aktenzeichen  3 U 189/20

Datum:
16.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 53027
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

11 O 1772/19 2020-05-26 Endurteil LGWUERZBURG LG Würzburg

Tenor

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 26.05.2020 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
II. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis spätestens 18.08.2020.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Unterlassung im Zusammenhang mit der Beförderung von Personen mit Mietwagen.
Die Klägerin ist Inhaberin eines Mietwagenunternehmens mit Sitz in G.. Die Beklagte ist Inhaberin eines Taxi- und Mietwagenunternehmens mit Sitz in L.
Ein bei der Beklagten angestellter Mietwagenfahrer führte im August und September 2019 an insgesamt neun Tagen von seinem Wohnsitz in M. aus jeweils gegen 6.00 Uhr Mietwagenfahrten durch. Der Fahrer fuhr dabei jeweils von seinem Wohnsitz über F. nach U., wo er einen Fahrgast aufnahm und zum Bezirkskrankenhaus in L. beförderte.
Vor den einzelnen Fahrten war der Mietwagen jeweils auf einem öffentlichen Parkplatz oder im Hof des Hauses des angestellten Mietwagenfahrers geparkt. Der angestellte Mietwagenfahrer fuhr vor Ausführung des Beförderungsauftrages nicht zur Betriebsstätte der Beklagten. Bei dem beförderten Fahrgast handelte es sich stets um dieselbe Patientin, die zur ambulanten Tagesbehandlung gefahren wurde.
Die Klägerin trägt vor, dass bei den in der Klageschrift genannten Beförderungsfahrten jeweils gegen die Rückkehrpflicht gem. § 49 PBefG verstoßen wurde. Die Vorschrift des § 49 Abs. 4 S. 3 PBefG sei dahingehend auszulegen, dass die Ausführung des ersten Beförderungsauftrages nach Dienstbeginn vom Betriebssitz des Unternehmers aus erfolgen müsste.
Die Klägerin hat beantragt
1. Der Beklagten wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, im geschäftlichen Verkehr und zu Zwecken des Wettbewerbs Beförderungsaufträge mit Mietwagen von angestellten Fahrern ausführen zu lassen, denen sie den Mietwagen nach Dienstende zur privaten Heimfahrt überlässt, wenn der Fahrer mit dem Mietwagen zum erneuten Dienstantritt nicht zuvor zum Betriebssitz der Beklagten zurückkehrt.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.141,90 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte trägt vor, die jeweiligen Aufträge seien ihr bereits einige Tage vor der eigentlichen Durchführung der Beförderung erteilt und von ihr bei der Fahrzeugdisposition entsprechend berücksichtigt worden. Sie habe den gleichen Mietwagenfahrer mit der Durchführung der zuvor erteilten Beförderungsaufträge beauftragt. Die Beförderungsstrecke hätte bei vorheriger Rückkehr zum Betriebssitz statt 55 Kilometer 97 Kilometer betragen mit einer Fahrtzeit von 110 Minuten statt 65 Minuten.
Diesen jeweils neuen Beförderungsauftrag habe der eingesetzte Mietwagenfahrer am Vortag, also vor der Fahrt erhalten. Der Beförderungsauftrag sei zuvor am Betriebssitz der Beklagten eingegangen. In dieser Fallkonstellation bestehe keine Gefahr, dass der Mietwagen der Beklagten taxiähnlich bereitgehalten werde und für jeden vorbeikommenden Beförderungsinteressenten oder für die bei der Zentrale eingehenden Aufträge aus dem betreffenden Bezirk zur Verfügung stehe.
Der Umweg über den Betriebssitz würde eine erhebliche wirtschaftliche Belastung für den Betrieb der Beklagten darstellen, ohne dass durch die direkte Anfahrt zum Fahrgast wettbewerbsrechtlich geschützte Interessen der Klägerin betroffen wären. Hinzu komme eine nicht unerhebliche zusätzliche Umweltbelastung durch einen vermehrten Kraftstoffverbrauch und den damit verbundenen schädlichen Abgasfolgen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des Ersturteils Bezug genommen.
Das Landgericht Würzburg hat die Klage abgewiesen, weil kein Verstoß gegen die Rückkehrpflicht vorliege.
Hiergegen wendet sich die auf Rechtsausführungen gestützte Berufung der Klägerin, die ihr Unterlassungsbegehren weiterverfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze einschließlich der Anlagen Bezug genommen.
II.
Nach der einstimmigen Auffassung des Senats ist die Berufung offensichtlich unbegründet mit der Folge, dass das Rechtsmittel keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO bietet. Zu Recht und auch mit in jeder Hinsicht zutreffender Begründung hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Senat nimmt daher zunächst auf die zutreffenden Feststellungen im Ersturteil Bezug, die durch das Berufungsvorbringen auch nicht entkräftet werden. Zu den Berufungsangriffen sind lediglich die folgenden Anmerkungen veranlasst:
1. Das Landgericht hat festgestellt, dass bei allen Fahrten der Mitarbeiter der Beklagten am Abend vor der jeweiligen Fahrt von der Beklagten oder einem leitenden Angestellten den Auftrag zur Beförderung erhalten und immer dieselbe Patientin befördert hatte. Diese Feststellungen werden von der Berufung nicht angegriffen (vgl. Berufungsbegründung S. 2 = Bl. 82 R d.A.).
2. Die Berufung wird ausschließlich darauf gestützt, dass der Fahrer vor Ausführung des ersten Beförderungsauftrages nach Dienstbeginn nicht zum Betriebssitz der Beklagten gefahren war. Darin liege ein Verstoß gegen § 49 Abs. 4 S. 3 PBefG.
Nach § 49 Abs. 4 S. 3 PBefG hat der Mietwagen nach Ausführung des Beförderungsauftrags unverzüglich zum Betriebssitz zurückzukehren, es sei denn, er hat vor der Fahrt von seinem Betriebssitz oder der Wohnung oder während der Fahrt fernmündlich einen neuen Beförderungsauftrag erhalten.
Nach der im Ersturteil zutreffend wiedergegebenen Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 30. April 2015 – I ZR 196/13) soll das Rückkehrgebot verhindern, dass Mietwagen nach Beendigung eines Beförderungsauftrages taxiähnlich auf öffentlichen Straßen und Plätzen bereitgestellt werden und dort Beförderungsaufträge annehmen. Ein Mietwagen soll nicht, ohne dass er von einem konkreten Beförderungsauftrag in Anspruch genommen wird, an beliebiger Stelle anhalten und damit die Gefahr entstehen, dass er für jeden vorbeikommenden Beförderungsinteressenten oder für die bei der Zentrale eingehenden Aufträge aus dem betreffenden Bezirk zur Verfügung steht (BGH, Urteil vom 5. Mai 1988 – I ZR 124/86; Senat, Beschluss vom 14.07.2017, 3 U 25/17).
Wie die Klägerin in der Berufungsbegründung zutreffend ausführt (S. 3 = Bl. 83 d.A.), verstößt es nicht gegen die Rückkehrpflicht, wenn dem Fahrer nach Dienstende der Mietwagen für die Heimfahrt zur Verfügung gestellt wird und dieser das Fahrzeug dort abstellt, weil der Fahrer die dienstliche Tätigkeit für den jeweiligen Arbeitstag bereits beendet hat (vgl. auch BGH, Urteil vom 30. April 2015 – I ZR 196/13 Rn. 18).
Es stellt aber auch keinen Verstoß gegen das Rückkehrgebot dar, wenn der Fahrer – wie hier – von seiner Wohnung aus einen Beförderungsauftrag ausführt, den er bereits am Vorabend erhalten hat. Mit dieser Konstellation hat sich der BGH in der von der Klägerin referierten Entscheidung (BGH, Urteil vom 30. April 2015 – I ZR 196/13 Rn. 19) nicht auseinandergesetzt, gleichwohl aber darauf verwiesen, dass eine Rückkehrpflicht nur angenommen werden, solange der Mietwagen für Beförderungsaufträge bereit steht (BGH, a.a.O., Rn. 23). Vorliegend wurde das Fahrzeug an der Wohnung des Fahrers nicht bereitgestellt, um von dort aus Beförderungsaufträge anzunehmen. Vielmehr führte der Fahrer einen Auftrag aus, der ihm am Vorabend erteilt worden war.
Bei der Auslegung des § 49 Abs. 4 Satz 3 PBefG ist unter Berücksichtigung des Zwecks der gesetzlichen Regelung, einer taxiähnlichen Bereitstellung von Mietwagen entgegenzuwirken, zu gewährleisten, dass ein sinnvoller Einsatz des Mietwagens möglich ist und sachlich nicht gebotene Rückfahrten zum oder in Richtung auf den Betriebssitz vermieden werden (BGH, a.a.O., Rn 23).
Im Wege einer verfassungskonformen Auslegung der Vorschrift ist sicherzustellen, dass das Rückkehrgebot nicht über das zur Verwirklichung des Zwecks erforderliche Maß ausgedehnt wird. Danach muss es den Mietwagen erlaubt sein, nicht nur während der Beförderungsfahrt, sondern auch noch während der Rückfahrt per Funk übermittelte neue Aufträge, die etwa am Betriebssitz eingegangen waren, auszuführen und zu diesem Zwecke die Rückfahrt abzubrechen. Ist die Fortsetzung einer Rückfahrt nach Übermittlung eines neuen Auftrags zur Verfolgung des Zwecks der Vorschrift nicht mehr erforderlich, wäre eine auf § 49 Abs. 4 S. 3 PBefG gestützte Rückkehrpflicht von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nicht mehr gedeckt (BVerfG, Beschluss vom 14. November 1989 – 1 BvL 14/85 -, BVerfGE 81, 70-97, Rn. 67). Nichts anderes kann gelten, wenn der Mietwagen nicht taxiähnlich auf öffentlichen Straßen oder Plätzen bereitgestellt wird, um dort Beförderungsaufträge entgegenzunehmen, sondern seit dem jeweiligen Vorabend feststeht, welchen Beförderungsauftrag der Fahrer ausführen wird. Der Zweck des Rückfahrgebots wird in diesem Fall nicht berührt.
III.
1. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen vor. Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder anderer Obergerichte ab. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist geprägt durch die ihr innewohnenden Besonderheiten eines Einzelfalles. Alle Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sind bereits höchstrichterlich geklärt. Eine Zulassung der Revision wäre im Falle einer Entscheidung durch Urteil nicht geboten.
2. Auch eine mündliche Verhandlung ist in der vorliegenden Sache nicht veranlasst (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO). Es ist auszuschließen, dass in einer mündlichen Verhandlung neue, im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden können, die zu einer anderen Beurteilung führen.
3. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert des Berufungsverfahrens auf 20.000,- Euro festzusetzen.
Der Senat regt daher – unbeschadet der Möglichkeit zur Stellungnahme – die kostengünstigere Rücknahme des aussichtslosen Rechtsmittels an.


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