Arbeitsrecht

Mitbestimmung bei Abordnungen mit dem Ziel der Versetzung auch bei Einverständnis des Beschäftigten

Aktenzeichen  17 P 15.1211

Datum:
15.3.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DÖV – 2016, 617
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayPVG BayPVG Art. 75 I 1 Nr. 6 u. 7

 

Leitsatz

1. Auch bei Zustimmung des Beschäftigten zu einer Abordnung, die der Vorbereitung einer Versetzung dient, ist die Personalvertretung in der gleichen Form zu beteiligen, wie an der Versetzung selbst. Hier bedürfen – unabhängig vom Betroffenen – die in der abgebenden und der aufnehmenden Dienststelle von der Maßnahme berührten weiteren Beschäftigten des kollektivrechtlichen Schutzes gerade zu dem Zeitpunkt, in dem die auf Dauer angelegten Veränderungen wirksam werden, mag ihre formelle rechtliche Verfestigung auch noch ausstehen. (amtlicher Leitsatz)

Tenor

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 28. April 2015 wird festgestellt, dass der Beteiligte zu 1 das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers bei den Abordnungen mit dem Ziel der Versetzung von Herrn H. zum 1. Oktober 2013 und von Frau S. zum 1. September 2014 verletzt hat.

Gründe

I. Der Antragsteller, die Stufenvertretung bei der Regierung von Oberbayern, begehrt die Feststellung der Verletzung seines Mitbestimmungsrechts.
Dem Begehren liegen folgende Vorkommnisse zugrunde:
Der Beamte H. wurde zum 1. September 2014 von einem Staatlichen Bauamt zur Obersten Baubehörde versetzt. Der Zustimmungsantrag des Beteiligten zu 1, des Dienststellenleiters der Regierung von Oberbayern, vom 6. August 2014 enthielt den Vermerk, dass der Beamte seit 1. Oktober 2013 mit dem Ziel der Versetzung an die aufnehmende Behörde abgeordnet war. Über die Abordnung des Beamten war der Antragsteller nicht unterrichtet worden.
Die Beamtin S. sollte zum 1. September 2014 vom Staatlichen Bauamt München 2 an das Staatliche Bauamt Freising versetzt werden. Als der Antragsteller gegenüber dem Beteiligten zu 1 einen weitergehenden Unterrichtungsanspruch geltend machte, legte dieser dem Antragsteller die Bewerbungsunterlagen nicht vor. Daraufhin lehnte der Antragsteller gegenüber dem Beteiligten zu 1 eine Beschlussfassung zum Zustimmungsantrag ab. Der Beteiligte zu 1 teilte dem Antragsteller mit E-Mail vom 1. September 2014 mit, dass die Beamtin nunmehr ab 1. September 2014 an das Staatliche Bauamt Freising abgeordnet werde. Eine Mitbestimmung des Antragstellers sei wegen der Zustimmung der Beamtin zur Abordnung nicht notwendig. Für welchen Zeitraum die Abordnung vorgesehen war, gab der Beteiligte zu 1 in der E-Mail nicht an.
Mit Schriftsatz vom 26. November 2014 beantragte der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München die Feststellung, dass der Beteiligte zu 1 das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers bei den Abordnungen mit dem Ziel der Versetzung von Herrn H. zum 1. Oktober 2013 und von Frau S. zum 1. September 2014 verletzt hat. Mit Beschluss vom 28. April 2015 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers aus Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes (BayPVG) scheide aus, da im Zeitpunkt der Abordnungen eine den Mitbestimmungstatbestand auslösende Versetzung nicht vorliege. Die beiden Abordnungen unterlägen aber auch nicht der Mitbestimmung des Antragstellers gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BayPVG, da nach dem Wortlaut dieser Bestimmung dies nur dann zu bejahen sei, wenn der Beschäftigte mit der Abordnung nicht einverstanden sei. Das Einverständnis der Beschäftigten habe in beiden Fällen vorgelegen. Von dieser Auslegung der Vorschrift sei auch dann nicht abzuweichen, wenn mit der Abordnung eine Versetzung vorbereitet werden solle. Die dem Bundesverwaltungsgericht im Beschluss vom 18. September 1984 – 6 P 19.83 – (PersR 1986, 36) zugrundeliegende Fallkonstellation weiche insoweit von der vorliegenden ab, als dort das Bundesverwaltungsgericht über eine Abordnung ohne Zustimmung der Beschäftigten zu entscheiden gehabt habe. Auch habe das Bundesverwaltungsgericht wesentlich auf das Moment der zeitlichen Befristung der Abordnung abgestellt. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. September 2010 – OVG 62 PV 1.09 – zur Auslegung des § 75 Abs. 1 Nr. 4 des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) könne ebenfalls nicht herangezogen werden, da diese die Mitbestimmung bei Abordnungen regelnde Vorschrift keinen Zustimmungsvorbehalt enthalte. Auch das Argument der „Vorwegnahme“ der (Versetzungs-)Entscheidung und das damit verbundene teilweise „Leerlaufen“ der Mitbestimmung der Personalvertretung im Fall der der Abordnung nachfolgenden Versetzung überzeuge nicht, da der bayerische Gesetzgeber durch den ausdrücklich geregelten gesetzlichen Ausschluss der Mitbestimmung bei einer Abordnung mit Zustimmung des Beschäftigten erkennbar davon ausgegangen sei, dass eine frühzeitige Beteiligung der Personalvertretung im Wege der Mitbestimmung nicht notwendig sei.
Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Ziel weiter und beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 28. April 2015 festzustellen, dass der Beteiligte zu 1 das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers bei den Abordnungen mit dem Ziel der Versetzung von Herrn H. zum 1. Oktober 2013 und von Frau S. zum 1. September 2014 verletzt hat.
Eine Abordnung mit dem Ziel der Versetzung könne nicht als „einfache“ Abordnung im Sinn des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BayPVG angesehen werden. Vielmehr ergebe sich hier ein Mitbestimmungsrecht aus Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BayPVG, da es sich bei der beabsichtigten Maßnahme (Versetzung) um einen beteiligungspflichtigen Tatbestand handele, der in zwei Vorgänge aufgespalten werden könne, wobei der erste Vorgang eine Vorentscheidung über die beabsichtigte Maßnahme sei. Die Befugnis der Personalvertretung dürfe nicht durch Vorentscheidungen unterlaufen werden, welche die endgültige Entscheidung weitgehend vorwegnehme.
Der Beteiligte zu 1 stellt den Antrag,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beteiligte zu 1 auf seine Stellungnahme im erstinstanzlichen Verfahren und auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Beschluss vom 28. April 2015.
Die Beteiligte zu 2, die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses, stellt keinen eigenen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II. Die gemäß Art. 81 Abs. 2 Satz 1 BayPVG i. V. m. § 87 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG zulässige Beschwerde ist begründet. Der Feststellungsantrag ist begründet. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts war daher abzuändern und es war festzustellen, dass der Beteiligte zu 1 das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers bei den Abordnungen mit dem Ziel der Versetzung von Herrn H. zum 1. Oktober 2013 und von Frau S. zum 1. September 2014 verletzt hat.
1. Der konkrete Feststellungsantrag ist zulässig, auch wenn die in Rede stehenden Abordnungen bereits umgesetzt und nicht mehr rückgängig zu machen sind. Da sich die zwischen den Beteiligten bestehende Streitfrage bei künftigen Abordnungen mit dem Ziel der Versetzung jederzeit wieder stellen kann, ist von einer Wiederholungsgefahr auszugehen und somit das Rechtsschutzbedürfnis vorliegend zu bejahen.
2. Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Der Beteiligte zu 1 hat bei den streitgegenständlichen Abordnungen mit dem Ziel der Versetzung das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers verletzt.
a. Grundlage für das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers ist allerdings nicht Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BayPVG in der hier maßgeblichen Fassung vom 24. Juli 2013 (GVBl S. 450). Insoweit teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts. Denn nach dem Wortlaut der Vorschrift ist eine Mitbestimmung nicht vorgeschrieben bei einer Abordnung für eine Dauer von mehr als drei Monaten, wenn der Beschäftigte mit der Anordnung einverstanden ist. In beiden Fällen haben die betroffenen Beschäftigten zugestimmt.
b. Das begehrte Mitbestimmungsrecht bei Abordnungen mit dem Ziel der Versetzung lässt sich jedoch aus Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BayPVG herleiten. Danach hat der Personalrat u. a. bei Versetzungen mitzubestimmen. Zwar handelt es sich bei den streitigen Abordnungen formal noch nicht um Versetzungen, da damit noch kein dauerhafter Wechsel der Dienststelle bzw. des übertragenen Amtes verbunden ist. Allerdings hat der Personalrat bei der Aufspaltung personalvertretungsrechtlich relevanter Vorgänge in einen nicht mitbestimmungspflichtigen und einen mitbestimmungspflichtigen Teil bereits bei der ersten Maßnahme mitzubestimmen, sofern diese als maßgebliche Vorentscheidung für die endgültige Maßnahme anzusehen ist, da andernfalls die Personalvertretung in der Ausübung ihrer Rechte mehr oder weniger stark beschränkt wird (st. Rspr. des BVerwG, vgl. statt aller B. b. 11.10.1972 – VII P 2.72 – BVerwGE 41, 30 zur Vergabe eines ausgeschriebenen Dienstpostens vor Versetzung und Beförderung). Es soll also einer faktischen Entwertung und Aushöhlung der Mitbestimmung vorgebeugt werden (BVerwG, B. b. 16.9.1994 – 6 P 32.92 – BVerwGE 96, 355).
Auch Abordnungen mit dem erklärten Ziel der späteren Versetzung nehmen die endgültige Maßnahme weitgehend vorweg, indem sie die Versetzung vorbereiten und teilweise schon festlegen. Der Beschäftigte wird in die neue Dienststelle eingegliedert und eingearbeitet, hat die Möglichkeit der Bewährung und somit auch die Chance auf einen „Bewährungsvorsprung“. Folglich bedürfen in diesen Fällen nicht nur der Betroffene, sondern ebenso die in der abgebenden und der aufnehmenden Dienststelle von der Maßnahme berührten weiteren Beschäftigten des kollektivrechtlichen Schutzes gerade zu dem Zeitpunkt, in dem die auf Dauer angelegten Veränderungen wirksam werden, mag ihre formelle rechtliche Verfestigung auch noch ausstehen (vgl. BVerwG, B. b. 18.9.1984 – 6 P 19.83 – PersR 1986, 36 mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass das Beschwerdegericht zu Recht § 78 Abs. 1 Nr. 4 Nds.PersVG i. d. F. vom 9. Januar 1981 und somit den Tatbestand der Versetzung als die personalvertretungsrechtliche Grundlage des von ihm zutreffend bejahten Mitbestimmungsrechts des dortigen Antragstellers bezeichnet hat). Die Personalvertretung hat somit bei Abordnungen mit dem Ziel der Versetzung sowohl bei der Abordnung als auch bei der dann folgenden Versetzung mitzubestimmen (vgl. Ballerstedt/Schleicher/Faber, BayPVG, Stand November 2015, Art. 75 Rn. 132; Rehak in Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, BPersVG, Stand Dezember 2015, § 75 Rn. 65a und Baden in Altvater/Baden/Berg/Kröll/Noll/Seulen, BPersVG, 9. Aufl. 2016, § 76 Rn. 43, jeweils zu den entsprechenden bundesrechtlichen Vorschriften; OVG Berlin-Bbg, B. b. 20.9.2012 – OVG 62 PV 3.12 – juris Rn. 20; OVG Berlin, B. b. 27.2.2001 – 60 PV 14.99 – PersR 2001, 477).
Diesem Befund steht nicht entgegen, dass der bayerische Gesetzgeber in Art. 75 BayPVG diejenigen Tatbestände, in denen dem Personalrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht, abschließend aufgeführt hat; er hat sich weder für ein System entschieden, in welchem das Mitbestimmungsrecht aus einer abstrakt formulierten Generalklausel abgeleitet wird, noch für ein solches, in welchem konkreten Mitbestimmungstatbeständen lediglich die Funktion von Regelbeispielen zukommt. Dieses geschlossene System abschließend aufgeführter und konkreter Mitbestimmungstatbestände hindert jedoch nicht die restriktive oder – wie hier – extensive Auslegung eines Mitbestimmungstatbestands je nach Sachzusammenhang und damit verfolgtem Sinn und Zweck (BayVGH, B. b. 28.7.2008 – 17 P 06.3243 – juris Rn. 32 m. w. N.).
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, dass – wie vom Beteiligten zu 1 vorgetragen – nicht in jedem Fall der Abordnung mit dem Ziel der Versetzung tatsächlich eine Versetzung nachfolgt, mag dies aus persönlichen oder aus dienstlichen Gründen im Einzelfall auch so sein. Denn bei jeder zustimmungspflichtigen Maßnahme besteht aus vielfältigen Gründen die Möglichkeit, dass diese nicht umgesetzt wird, maßgeblich ist allein, ob mit der vorbereitenden Maßnahme der Abordnung die endgültige Maßnahme der Versetzung beabsichtigt war. Dies steht hier nicht im Streit.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der bayerische Gesetzgeber – anders als der Bundesgesetzgeber oder (beispielsweise) der niedersächsische Landesgesetzgeber – gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BayPVG Abordnungen für die Dauer von mehr als drei Monaten dann nicht als mitbestimmungspflichtig geregelt hat, wenn der betroffene Beschäftigte zustimmt. Denn für die Frage der Mitbestimmung bei Abordnungen mit dem Ziel der Versetzung steht nicht der Tatbestand nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BayPVG inmitten, sondern der der Versetzung nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BayPVG. Die Abordnung kann in diesen Fällen eben nicht isoliert für sich betrachtet werden, weil durch sie die spätere Versetzung vorbereitet und letztlich schon festgelegt wird. Daher bedürfen hier nicht nur der Betroffene, sondern ebenso die in der abgebenden und aufnehmenden Dienststelle von der Maßnahme berührten weiteren Beschäftigten des kollektivrechtlichen Schutzes bereits zum Zeitpunkt der Abordnung (vgl. BVerwG, B. b. 18.9.1984 – 6 P 19.83 – PersR 1986, 36). Der bayerische Gesetzgeber hat das Mitbestimmungsrecht für die Personalvertretung bei Versetzung und Umsetzung im Rahmen der Novellierung 2007 erweitert und auch für die Fälle vorgesehen, in denen der betroffene Beschäftigte mit der Versetzung oder Umsetzung einverstanden ist. Die Einbeziehung der Personalvertretung soll hier gerade auch dem Schutz der anderen in der Dienststelle tätigen Beschäftigten dienen (vgl. LT-Drs. 15/6238 S. 16 und Rundschreiben des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen vom 25.4.2007, abgedruckt in Ballerstedt/Schleicher/Faber, BayPVG, Anh. D. 19). Dieser kollektivrechtliche Schutzzweck der Mitbestimmung bei einer eine Versetzung vorbereitenden Abordnung ist unabhängig davon zu wahren, ob der betroffene Beschäftigte der Abordnung zustimmt oder nicht.
Nach alledem war dem Antrag stattzugeben.
Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich (Art. 81 Abs. 2 BayPVG i. V. m. § 80 Abs. 1, § 2a Abs. 1 ArbGG, § 2 Abs. 2 GKG).
Diese Entscheidung ist endgültig (Art. 81 Abs. 2 Satz 2 BayPVG).


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