Arbeitsrecht

Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der Festlegung allgemeiner Kriterien für die Vergabe von Leistungsprämien an Beamte

Aktenzeichen  17 P 18.2596

Datum:
8.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DÖV – 2021, 131
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayPVG Art. 75 Abs. 4 S. 1 Nr. 4

 

Leitsatz

Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG ist nach seinem Sinn und Zweck – nämlich durch die Beteiligung des Personalrats im Interesse der Lohngerechtigkeit zu vermeiden, dass bei der Regelung von Fragen der Lohngestaltung die berechtigten Interessen der Beschäftigten der Dienststelle nicht hinreichend berücksichtigt werden – in Anbetracht der gesetzlichen Ausgestaltung der Leistungsprämie (Art. 67 BayBesG) so auszulegen, dass er sich nicht nur auf Arbeitnehmer, sondern auch auf Beamte bezieht. (Rn. 12)

Verfahrensgang

M 20 P 17.4071 2018-11-06 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die zwischen Antragsteller – dem Personalrat des Landgerichts München I – und Beteiligter – der Präsidentin des Landgerichts München I – umstrittene Frage, ob die Festlegung allgemeiner Kriterien für die Vergabe von Leistungsprämien an Beamte des Landgerichts München I der Mitbestimmung des Antragstellers nach Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG unterliegt.
Nachdem der Antragsteller der Dienststelle per E-Mail den Entwurf einer Dienstvereinbarung „Kriterien zur Vergabe von Leistungsprämien“ überlassen und daraufhin die Antwort erhalten hatte, es werde kein Bedürfnis für eine solche Dienstvereinbarung gesehen, weil Art. 77a BayPVG lex specialis zu Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG sei, konnte in darauffolgenden Monatsgesprächen keine Einigkeit zwischen Antragsteller und Dienststelle zur Frage erzielt werden, ob Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG auch für Beamte gilt und daher auch hinsichtlich dieser Gruppe taugliche Grundlage für eine Dienstvereinbarung sein kann. Daraufhin ließ der Antragsteller mit Schriftsatz vom 25. August 2017 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München beantragen, festzustellen, dass die Festlegung allgemeiner Kriterien für die Vergabe von Leistungsprämien an Beamte des Landgerichts München I der Mitbestimmung nach Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG unterfällt. Zur Begründung wurde ausgeführt, den Beamten des Landgerichts München I würden seit Jahren Leistungsprämien bezahlt. Nachdem das Haushaltsgesetz 2017/2018 für den Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz Mittel vorgesehen habe und diese auf die verschiedenen Organisationseinheiten bzw. Gerichte weiter verteilt worden seien, hätten dem Landgericht München I im Jahr 2017 für die Beamten 9.200 € für Leistungsprämien zur Verfügung gestanden. Auch Beamte fielen unter die Mitbestimmung zur Lohngestaltung.
Das Verwaltungsgericht stellte durch Beschluss vom 6. November 2018 fest, dass die Festlegung allgemeiner Kriterien für die Vergabe von Leistungsprämien an Beamte des Landgerichts München I der Mitbestimmung nach Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG unterfällt. Art. 77a BayPVG regele ein Erörterungsrecht bei personellen Einzelmaßnahmen, etwa der Vergabe von Leistungsprämien an bestimmte Personen, nicht aber die Mitbestimmung bei abstrakt-generellen Grundsätzen der Entgeltbestimmung und sei deshalb insoweit nicht lex specialis zu Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG. Zwar werde zum Teil vertreten, der Wortlaut dieser letztgenannten Norm („Fragen der Lohngestaltung“) könne sich nur auf Arbeitnehmer und nicht auf Beamte beziehen. Jedoch spreche die historische Entwicklung des Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG dafür, dass der Gesetzgeber auch Beamte in diese Regelung einbezogen habe. § 107 des Betriebsrätegesetzes vom 25. Oktober 1950 habe sich, sofern nicht ausdrücklich nur die einzelnen Beschäftigungsgruppen erwähnt worden seien, auf alle Arbeitnehmer bezogen. Auch Art. 67 Abs. 1 Buchst. f des nachfolgenden Bayerischen Personalvertretungsgesetzes vom 21. November 1958 habe als Mitbestimmungstatbestand für alle Bediensteten gelten sollen. Mit dem Bayerischen Personalvertretungsgesetz vom 1. Mai 1974 sei in den damaligen Art. 75 ff. die Unterteilung in Abschnitte für Beamte und Angestellte/Arbeiter ganz aufgegeben worden, weshalb sich Art. 75 Abs. 3 Nr. 4 dieses Gesetzes auch auf Beamte bezogen habe. Aufgrund dieser historischen Entwicklung gelte Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG auch für Beamte. Es bleibe Raum für die Mitbestimmung des Personalrats, weil es auch keine abschließenden gesetzlichen Regelungen nach Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG gebe. Die Kriterien für die Vergabe von Leistungsprämien würden weder durch Gesetz noch durch Rechtsverordnung geregelt.
Die Beteiligte hat Beschwerde erhoben. Sie beantragt zuletzt,
unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 6. November 2018 den Antrag abzulehnen.
Das vom Verwaltungsgericht angeführte historische Argument trage nicht. Im Gesetzgebungsverfahren zum Neuen Dienstrecht in Bayern habe der Deutsche Gewerkschaftsbund die Einführung eines neuen Mitbestimmungstatbestands gefordert, der normieren sollte, dass auch die Aufstellung allgemeiner Kriterien für die Vergabe von Leistungselementen an Beamte der Zustimmung des Personalrats unterliegt. Diese Forderung sei nicht in den Regierungsentwurf übernommen worden und ein entsprechender Änderungsantrag der SPD zum Gesetzentwurf habe im Bayerischen Landtag keine Mehrheit gefunden. Die vorgeschlagene Änderung sei mit der Begründung abgelehnt worden, es dürfe einen bestimmenden Einfluss bei Besoldungsfragen nicht geben. Das zeige, dass sich Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG nicht auf Beamte beziehe. Ausgehend von ihrem Wortlaut sei diese Norm nur auf Arbeitnehmer anwendbar, weil sich Fragen der Lohngestaltung nur auf Arbeitnehmer bezögen, da für Beamte die Besoldung gesetzlich durch das Bayerische Besoldungsgesetz (BayBesG) geregelt sei. Leistungsbezogene Entgelte stellten als ein Regelbeispiel nur eine Untergruppe der Lohngestaltung dar, so dass es auch systematisch dagegen spreche, nur dieses Regelbeispiel auf Beamte zu beziehen. Systematisch spreche auch Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BayPVG gegen eine Anwendbarkeit des Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG auf Beamte, weil diese letztgenannte Norm im Gegensatz zu Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BayPVG die Besoldung nicht erwähne. Das zeige, dass der Gesetzgeber bewusst zwischen Beamten und Arbeitnehmern unterschieden habe. Auch Art. 73 Abs. 1 Satz 1 BayPVG, welcher die Möglichkeit regele, auch im Bereich des Art. 75 Abs. 4 BayPVG Dienstvereinbarungen abzuschließen, spreche gegen die Anwendbarkeit des Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG auf Beamte, weil eine Dienstvereinbarung oder eine andere vertragliche Gestaltung dem Besoldungsrecht wesensfremd sei, welches durch Verwaltungsvorschriften geregelt werde. Gegen das historische Argument des Verwaltungsgerichts spreche, dass im geltenden Recht zwar die Unterteilung nach Abschnitten zwischen den verschiedenen Beschäftigtengruppen aufgegeben worden sei. Innerhalb der einzelnen Normen werde jedoch weiterhin nach der Art der Beschäftigten differenziert. So seien etwa Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a bis 5, Nr. 9, Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BayPVG nur auf Arbeitnehmer anwendbar. Andererseits bezögen sich Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 und 8 BayPVG nur auf Beamte. Dies zeige, dass die Beteiligungstatbestände nur neu gegliedert worden seien. Daher könne nicht geschlussfolgert werden, Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG beziehe sich zwingend auf Arbeitnehmer und Beamte. Auch ein Vergleich mit der Gesetzeslage in Nordrhein-Westfalen spreche gegen die Anwendbarkeit auf Beamte. Ein mit Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG gleichlautender Mitbestimmungstatbestand sei in § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 des Personalvertretungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (LPVG NW) geregelt. Um eine Gleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern und Beamten herzustellen, sei der Wortlaut der Norm mit der Novelle 2011 um einen ausdrücklich die Beamten einschließenden Zusatz erweitert worden. Dies zeige, dass ohne diesen ausdrücklichen Zusatz eine Erstreckung auf Beamte nicht gewollt sei.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beschwerde sei unzulässig, weil ihre Begründung keine Erklärung dazu enthalte, inwieweit das Urteil angefochten werde und welche Abänderungen beantragt würden. Außerdem sei auch im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren im Einzelnen eine Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung erforderlich, an welcher es der Beschwerdebegründung mangele. Die Beschwerde sei auch unbegründet, weil die Argumente der Beteiligten nicht durchgreifend seien. Weil die von ihr angeführte Landtags-Drucksache 16/3200 nicht einmal ein Dokument der Legislative sei und es sich dabei auch nicht um Gesetzesmaterialien zu Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG handele, welcher damals bereits existiert habe, dürfe diese Drucksache nicht zur Auslegung herangezogen werden. Die Ablehnung eines Änderungsantrags der SPD-Fraktion zur Einführung eines Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4a BayPVG habe keine Aussagekraft im Hinblick auf Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG, weil es sich auch dabei nicht um Gesetzesmaterialien zur streitgegenständlichen Norm handele. Der Begriff der Lohngestaltung umfasse nicht nur Arbeiter, sondern auch Angestellte und Beamte. Die Heranziehung eines Lohnbegriffs, der sich nur auf Arbeitnehmer beziehe, widerspräche auch dem Sinn der Mitbestimmung, welcher darin bestehe, bei der Verteilung finanzieller Mittel, die nicht durch Vertrag, Tarifvertrag oder Gesetz vorgegeben sei, eine Gerechtigkeitskontrolle durchzuführen. Auch der Verweis auf die Gesetzeslage in Nordrhein-Westfalen sei verkürzt und könne das gewünschte Ergebnis nicht stützen. Insbesondere nach Einführung von leistungsbezogenen Besoldungsbestandteilen könne man auch im Beamtenrecht nicht mehr von einer reinen Alimentierung sprechen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II.
1. Es kann offenbleiben, ob die Beschwerde schon deshalb zurückzuweisen war, weil die Beteiligte in der mündlichen Anhörung vor dem Senat bei ihrer dort erstmals ausdrücklich erfolgten Beschwerdeantragstellung mangels Vollmacht der für sie handelnden Beschäftigten nicht ordnungsgemäß vertreten war (Art. 82 Abs. 2 Satz 1 BayPVG, § 87 Abs. 2 Satz 2, § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Halbs. 2 ArbGG). Ebenso kann offen bleiben, ob die Beschwerde unzulässig war, weil die Beschwerdebegründung – wie jeweils vom Antragsteller gerügt – möglicherweise keinen ordnungsgemäßen Beschwerdeantrag enthält und es der Beschwerdebegründung an einer hinreichenden Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die die Rechtsverletzung und deren Entscheidungserheblichkeit ergibt, fehlt (Art. 82 Abs. 2 Satz 1 BayPVG, § 87 Abs. 2 Satz 1, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 ZPO sowie BAG, B.v. 3.12.1985 – 4 ABR 60/85 – BAGE 50, 258 Rn. 13; B.v. 30.10.2012 – 1 ABR 64/11 – NZA 2013, 287 Rn. 11).
2. Die Beschwerde war jedenfalls in der Sache zurückzuweisen, weil das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht festgestellt hat, dass die Festlegung allgemeiner Kriterien für die Vergabe von Leistungsprämien an Beamte des Landgerichts München I der Mitbestimmung nach Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG unterliegt. Der Mitbestimmungstatbestand des Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG bezieht sich nach seinem Sinn und Zweck – nämlich durch die Beteiligung des Personalrats im Interesse der Lohngerechtigkeit zu vermeiden, dass bei der Regelung von Fragen der Lohngestaltung die berechtigten Interessen der Beschäftigten der Dienststelle nicht hinreichend berücksichtigt werden – in Anbetracht der gesetzlichen Ausgestaltung der Leistungsprämie (Art. 67 BayBesG) auch auf Beamte.
a) Der Wortlaut des Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG („Fragen der Lohngestaltung“) spricht entgegen der Ansicht der Beteiligten nicht dagegen, diesen Mitbestimmungstatbestand so auszulegen, dass er sich nicht nur auf Arbeitnehmer, sondern auch auf Beamte bezieht.
Nach Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG hat der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen über Fragen der Lohngestaltung innerhalb der Dienststelle, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen, die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden und deren Änderung sowie die Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte einschließlich der Geldfaktoren. Der Wortlaut ist praktisch gleichlautend mit der bundesrechtlichen Regelung des § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG (vgl. BVerwG, B.v. 12.9.2014 – 5 PB 8.14 – juris Rn. 3).
Das Bundesverwaltungsgericht hat geklärt, dass sich der eine kollektive (generelle) Regelung als Anknüpfungstatbestand voraussetzende (vgl. nur BVerwG, B.v. 12.9.2014 – 5 PB 8.14 – juris Rn. 8 m.w.N.) Mitbestimmungstatbestand („Fragen der Lohngestaltung innerhalb der Dienststelle“) des damals inhaltlich mit § 75 Abs. 3 Nr. 4 des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) übereinstimmenden § 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 LPVG NW a.F. nicht nur auf Beschäftigte im Arbeiter-, sondern auch auf Beschäftigte im Angestelltenverhältnis bezieht (so bereits BVerwG, B.v. 6.2.1987 – 6 P 8.84 – BVerwGE 75, 365/367 ff.). Damit hat es insbesondere dem Begriff „Lohn“ einen spezifisch personalvertretungsrechtlichen Bedeutungsgehalt gegeben, der weiter reicht als derjenige des bis dahin vom ihm für maßgeblich gehaltenen allgemeinen Sprachgebrauchs (vgl. BVerwG, B.v. 6.2.1987 a.a.O. S. 368 f.). Der so ausgeweitete, spezifisch personalvertretungsrechtliche Sprachgebrauch des Wortes „Lohn“ (vgl. hierzu auch etwa BVerwG, B.v. 20.11.2008 – 6 P 17.07 – NZA-RR 2009, 283 Rn. 27) steht daher der Anwendbarkeit des streitgegenständlichen Mitbestimmungstatbestands auch auf Beamte nicht von vornherein entgegen. Im Einklang mit diesem personalvertretungsrechtlichen Wortlautverständnis des Bundesverwaltungsgerichts hat der Senat bereits entschieden, dass von Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG alle vermögenswerten Leistungen des Dienstherrn unabhängig davon erfasst werden, ob sie gesetzlich oder tariflich festgelegt oder übertariflich und freiwillig sind (vgl. BayVGH, B.v. 10.11.2004 – 17 P 03.2122 – juris Rn. 29 ff; B.v. 8.2.2010 – 17 P 09.1217 – PersR 2010, 452 Rn. 16; ebenso SächsOVG, B.v. 2.2.2018 – 9 A 684/16.PL – PersV 2019, 24 Rn. 21 explizit für Zahlungen wie die Leistungsprämie).
b) Die systematische Auslegung spricht dafür, Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG auch auf Beamte zu beziehen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 6. Februar 1987 betont, dass die in § 72 Abs. 3 LPVG NW a.F. geregelten Mitbestimmungstatbestände grundsätzlich für alle Beschäftigten der Dienststelle gelten, wenn nicht im Einzelfall – wie insbesondere bei den Beamten – eine Regelung durch Gesetz vorgeschrieben ist oder sich das Mitbestimmungsrecht des Personalrats von der Natur der Sache her nur auf bestimmte Gruppen von Beschäftigten beziehen kann (BVerwG, B.v. 6.2.1987 – 6 P 8.84 – BVerwGE 75, 365/370).
Diese höchstrichterlichen Erwägungen zur Systematik des damals streitgegenständlichen Mitbestimmungstatbestands können zur Auslegung des praktisch mit § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG wortgleichen Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG herangezogen werden (vgl. BVerwG, B.v. 24.1.2019 – 5 PB 4.18 – juris Rn. 16). Denn im Einleitungssatz des Art. 75 Abs. 4 Satz 1 BayPVG („…, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, …“) kommt ebenfalls zum Ausdruck, dass die in dieser Vorschrift nachfolgend geregelten Mitbestimmungstatbestände im Ausgangspunkt grundsätzlich für Arbeitnehmer und Beamte gelten sollen.
c) Der Möglichkeit, Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG nach Wortlaut und Systematik so auszulegen, dass er sich nicht nur auf Arbeitnehmer, sondern auch auf Beamte bezieht, steht auch weder ausnahmsweise eine anderweitige gesetzliche Regelung noch die „Natur der Sache“ des streitgegenständlichen Mitbestimmungstatbestands entgegen. Der im Zuge der Regelung des Neuen Dienstrechts in Bayern eingeführte Art. 67 BayBesG, der im Wesentlichen die bereits zuvor geltenden Regelungen der Bayerischen Leistungsprämien- und Leistungszulagenverordnung vom 15. Dezember 1998 (GVBl S. 1020), die auf § 42a des Bundesbesoldungsgesetzes a.F. beruhten, übernimmt, nennt bewusst keine Kriterien dazu, wann eine im Sinne des Art. 67 Abs. 1 BayBesG honorierungsfähige Einzelleistung vorliegt, sondern überlässt dies der Einschätzung der zuständigen behördlichen Entscheidungsberechtigten (vgl. LT-Drs. 16/3200 S. 413). Auch die in Art. 67 Abs. 2 Satz 1 BayBesG nur im Punkt einer maximalen Obergrenze geregelte Höhe der gesetzlich im Übrigen nur als grundsätzlich möglich normierten Leistungsprämie soll sich nach der Bewertung der honorierungsfähigen Leistung richten (vgl. LT-Drs. 16/3200 S. 414), die nach den Vorstellungen der einschlägigen Verwaltungsvorschriften (Nr. 68 Abs. 2 Satz 2 BayVwVBes, Bekanntmachung des StMF v. 22.12.2010 – Az. 23 – P 1502/1 – 022 – 16997/10 – StAnz. 2011 Nr. 2) jedenfalls in der Regel im Zusammenhang mit der Aufstellung allgemeiner Grundsätze zur Vergabe von Leistungsprämien zu sehen ist. Somit stehen weder gesetzliche Vorschriften noch die „Natur der Sache“ des streitgegenständlichen Mitbestimmungstatbestands der Auslegung entgegen, dass er sich nicht nur auf Arbeitnehmer, sondern auch Beamte bezieht.
d) Entscheidend sprechen schließlich Sinn und Zweck des Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG dafür, diesen Mitbestimmungstatbestand in Anbetracht der dargelegten gesetzlichen Ausgestaltung der Leistungsprämie (Art. 67 BayBesG) so auszulegen, dass er sich auch auf Beamte bezieht.
Das Bundesverwaltungsgericht interpretiert das Mitbestimmungstatbestandsmerkmal „Fragen der Lohngestaltung“ funktional im Sinne eines Oberbegriffs und versteht daher einen Mitbestimmungstatbestand wie Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG als ein umfassendes Beteiligungsrecht der Personalvertretung in allen Fragen der Lohngestaltung (vgl. BVerwG, B.v. 9.12.1998 – 6 P 6.97 – BVerwGE 108, 135/145). Es hat auch in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass es Zweckbestimmung einer Vorschrift wie Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG ist, durch die Beteiligung des Personalrats im Interesse der Lohngerechtigkeit zu vermeiden, dass bei der Regelung von Fragen der Lohngestaltung die berechtigten Interessen der Beschäftigten der Dienststelle nicht hinreichend berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, B.v. 6.2.1987 – 6 P 8.84 – BVerwGE 75, 365/370; B.v. 9.12.1998 – 6 P 6.97 – BVerwGE 108, 135/148; B.v. 20.11.2008 – 6 P 17.07 – NZA-RR 2009, 283 Rn. 11; B.v. 25.4.2014 – 6 P 17.13 – NZA-RR 2014, 503 Rn. 14; B.v. 24.1.2019 – 5 PB 4.18 – juris Rn. 16).
Dieser höchstrichterlichen Judikatur ist der Senat bereits gefolgt (vgl. BayVGH, B.v. 10.11.2004 – 17 P 03.2122 – juris Rn. 29 ff.; B.v. 8.2.2010 – 17 P 09.1217 – PersR 2010, 452 Rn. 16 ff.), weswegen sie auch für die streitgegenständliche Auslegung des Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG zugrunde gelegt wird, und zwar unabhängig von dem – teils in der bundespersonalvertretungsrechtlichen Literatur (Kaiser/Annuß in Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Aufl. 2020, § 75 Rn. 296) als Beleg für die Anwendbarkeit des § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG auch auf Beamte angeführten – Beschluss des Senats vom 18. Juli 1991 – 17 P 91.941 – (n.v.), der sich nicht mit der streitgegenständlichen Auslegungsfrage beschäftigt, sondern zu der Frage ergangen ist, ob Reisekostenzahlungen unter die Begriffe „Dienstbezüge bzw. Arbeitsentgelte“ i.S.d. Art. 75 Abs. 4 Nr. 2 BayPVG a.F. fallen.
Weil den für die Gewährung der Leistungsprämie zuständigen behördlichen Entscheidungsberechtigten im Rahmen dafür bereit gestellter Haushaltsmittel nach den gesetzlichen Regelungen zur Leistungsprämie (siehe oben II.2.a)) regulatorische Spielräume verbleiben, nach welchen Kriterien und in welcher Höhe Leistungsprämien vergeben werden, und diese Spielräume für die Entwicklung „genereller“ Vergabekriterien im Prinzip geeignet sind, ist der genannte Regelungszweck – durch die Beteiligung des Personalrats im Interesse der Lohngerechtigkeit zu vermeiden, dass bei der Regelung von Fragen der Lohngestaltung die berechtigten Interessen der Beschäftigten der Dienststelle nicht hinreichend berücksichtigt werden – im Rahmen des streitgegenständlichen Mitbestimmungstatbestands des Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG realisierbar und daher für seine Auslegung als maßgeblich zugrunde zu legen. Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG bezieht sich deshalb nicht nur auf Arbeitnehmer, sondern auch auf Beamte (ebenso Aufhauser/Warga/Schmitt-Moritz, BayPVG, 9. Aufl. 2019, Art. 75 Rn. 651; a.A. Ballerstedt/Schleicher/Faber, BayPVG, Stand 1.6.2020, Art. 75 Rn. 466a).
e) Dem besagten Auslegungsergebnis, das für das Bundesrecht durchweg Zustimmung in der Literatur erfährt (vgl. Schlatmann, PersV 1999, 109/115 ff; llbertz/Widmaier/Sommer, BPersVG, 14. Aufl. 2018, § 75 Rn. 105; Berg in Altvater/Baden/Berg u.a., BPersVG, 10. Aufl. 2019, § 75 Rn. 143; Kaiser/Annuß in Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 5. Aufl. 2020, § 75 Rn. 296; Rehak in Lorenzen/Etzel/Gerhold u.a., BPersVG, Stand August 2020, § 75 Rn. 403; Ollmann in BeckOK BPersVG, Stand 1.8.2020, § 75 Rn. 81), stehen die von der Beteiligten angeführten Gesetzesmaterialien des bayerischen Landesrechts nicht entgegen.
Diese Gesetzesmaterialien (LT-Drs. 16/3200, 16/4957, 16/5553) stehen dem besagten Auslegungsergebnis schon deshalb nicht entgegen, weil sie nicht dem Gesetzgebungsverfahren entstammen, das zum streitgegenständlichen Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG geführt hat, sondern zu dem dieser Norm zeitlich nachfolgenden und sie inhaltlich nicht verändernden Gesetzgebungsverfahren zum Neuen Dienstrecht in Bayern gehören. Somit können diese Gesetzesmaterialien nicht zu einer historischen Auslegung des Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG herangezogen werden. Gegen eine solche Heranziehung dieser Gesetzesmaterialien spricht auch der verfassungsrechtliche Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG, Art. 5 BV). Denn die verbindliche Auslegung von Rechtssätzen ist allein Aufgabe der Gerichte. Eine vom Gesetzgeber etwa beanspruchte Befugnis zu „authentischer“ Interpretation – etwa einer rückwirkend geänderten Norm – ist daher nicht anzuerkennen (vgl. BVerfG, B.v. 21.7.2010 – 1 BvL 8/07 – BVerfGE 126, 369/392; B.v. 2.5.2012 – 2 BvL 5/10 – BVerfGE 131, 20/37 f.). Deshalb kann auch vorliegend zur Auslegung des Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BayPVG nicht auf Gesetzesmaterialien aus dem dieser Norm zeitlich nachfolgenden und diese inhaltlich nicht verändernden Gesetzgebungsverfahren zum Neuen Dienstrecht in Bayern zurückgegriffen werden.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich (Art. 82 Abs. 2 Satz 1 BayPVG i.V.m. § 2 Abs. 2 GKG).
Diese Entscheidung ist endgültig (Art. 82 Abs. 2 Satz 2 BayPVG).


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