Arbeitsrecht

Nachweis der Vertretungsmacht eines Gemeindebeamten für den Vollzug von Grundstücksgeschäften

Aktenzeichen  34 Wx 145/20

Datum:
30.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZfIR – 2020, 590
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BayGO Art. 37 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1, Art. 39 Abs. 2 S. 2
GBO § 18 Abs. 1, § 29 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Zum Erfordernis des Nachweises der Vertretungsmacht eines Gemeindebediensteten einer bayerischen Gemeinde beim Vollzug von Grundstücksgeschäften (hier: Freigabeerklärung) gegenüber dem Grundbuchamt. (Rn. 19 – 22)

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Starnberg – Grundbuchamt – vom 19. Dezember 2019 aufgehoben.

Gründe

I.
Die Beteiligte zu 1 ist als Eigentümerin von Grundbesitz im Grundbuch eingetragen. Dieser ist bezüglich einer Teilfläche mit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (Gasrohreinlegungs-, -belassungs- und -betreibungsrecht) für die Landeshauptstadt M. belastet, die am 16.6.1961 aufgrund Bewilligung vom 28.6.1957 in Abteilung II lfd. Nr. 3 des Grundbuchs eingetragen wurde.
Mit notariellem Vertrag vom 16.1.2019 verkaufte die Beteiligte zu 1 eine Teilfläche ihres Grundbesitzes an die Gemeinde T (Beteiligte zu 2). Die Beteiligte zu 1 hat nach dem Vertrag der Beteiligten zu 2 lastenfreies Eigentum zu verschaffen.
Am 1.8.2019 hat der Notar die Löschung der in Abt. II lfd. Nr. 3 eingetragenen beschränkten persönlichen Dienstbarkeit beantragt und dabei eine Pfandfreigabeerklärung vom 18.7.2019 vorgelegt. Diese ist vom Kommunalreferat – Immobilienservice Kaufmännische Dienstleistungen Grundstücksverkehr Süd der Landeshauptstadt ausgestellt und mit Dienstsiegel und Unterschrift einer Oberverwaltungsrätin X. versehen.
Mit Zwischenverfügung vom 19.12.2019 hat das Grundbuchamt Frist bis zum 10.2.2020 zur Vorlage eines Stadtratsbeschlusses gesetzt, wonach Frau Oberverwaltungsrätin X. zur Abgabe der Pfandfreigabeerklärung befugt sei. Falls es einen solchen Beschluss nicht gebe, sei die Genehmigung des Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt nebst eines Stadtratsbeschlusses bzw. die Genehmigung eines beschließenden Ausschusses nebst des Nachweises, dass er dazu befugt ist, vorzulegen. Die Vertretungsmacht nach außen hänge nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayGO von der Zustimmung des Stadtrats ab. Habe ein bevollmächtigter Bediensteter der Stadt gehandelt, sei eine Vollmacht nach Art. 39 Abs. 2 Satz 2 BayGO vorzulegen.
Die Beteiligten zu 1 und 2 erklärten daraufhin, es handele sich bei dem Geschäft um laufende Angelegenheiten, die der Bürgermeister nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayGO in eigener Zuständigkeit erledige. Eine Delegation der Aufgabe sei möglich, eine wirksame Bevollmächtigung wegen § 29 Abs. 3 GBO aber nicht nachzuweisen.
Daraufhin teilte das Grundbuchamt am 19.2.2020 mit, der Nachweis einer lückenlose Bevollmächtigungskette vom Bürgermeister auf die handelnde Gemeindebedienstete in der Form des § 29 GBO sei für eine Eintragung ausreichend.
Mit Schreiben des Notars vom 19.3.2020 haben die Beteiligten zu 1 und 2 gegen die Zwischenverfügung Beschwerde eingelegt. Diese begründen sie damit, dass nur eine Teilfläche von 34 qm vom Gasleitungsrecht freigegeben worden sei, so dass es sich eindeutig um eine laufende Angelegenheit handele. Nach § 29 Abs. 3 GBO sei das Handeln der Kommune vom Grundbuchamt nicht zu überprüfen.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
1. Das Rechtsmittel gegen die Zwischenverfügung (§ 18 Abs. 1 GBO) ist als unbeschränkte Grundbuchbeschwerde (§ 11 Abs. 1 RPflG mit § 71 Abs. 1 GBO) zulässig. Die Beschwerde wurde auch im Übrigen in zulässiger Weise eingelegt (§§ 73, 15 Abs. 2 GBO).
2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, denn die Beteiligten haben zu erkennen gegeben, dass sie nicht gewillt sind, das in der Zwischenverfügung genannte Hindernis zu beseitigen, so dass die Zwischenverfügung nicht aufrechtzuerhalten ist.
a) Voraussetzung einer Zwischenverfügung ist, dass ein Eintragungshindernis und unter Setzung einer Frist das Mittel zu dessen Beseitigung unmissverständlich benannt werden (Senat vom 11.4.2011, 34 Wx 160/11 = FGPrax 2011, 173; Wilke in Bauer/Schaub GBO 4. Aufl. § 18 Rn. 9 ff.; Demharter GBO 31. Aufl. § 18 Rn. 29 ff.; Hügel/Zeiser GBO 4. Aufl. § 18 Rn. 32). Auf die Angabe, wie das angegebene Hindernis beseitigt werden kann, kann auch dann nicht verzichtet werden, wenn der Adressat anwaltlich oder durch einen Notar vertreten ist und sich daher juristisch über die Möglichkeiten der Beseitigung beraten lassen kann (Senat vom 23.5.2014, 34 Wx 135/14 in NotBZ 2014, 348 Hügel/Zeiser § 18 Rn. 34).
Prüfungsgegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nicht der Eintragungsantrag, sondern nur die angegriffene Zwischenverfügung (BGH FGPrax 2014, 2; BayObLG NJW-RR 1987, 1204; Demharter § 77 Rn. 15). Beanstandungen, die nicht Gegenstand der Zwischenverfügung sind, sind auch nicht Gegenstand der Überprüfung im Beschwerdeverfahren (OLG Schleswig Rpfleger 2005, 356).
b) Vorliegend geht die Zwischenverfügung davon aus, dass die Abgabe der Pfandfreigabeerklärung eine Aufgabe des Stadtrats der Landeshauptstadt sei, so dass ein Beschluss des Stadtrates oder eines Ausschusses für erforderlich gehalten wurde.
Insofern hat der Notar aber klargestellt, dass nach seiner Ansicht eine laufende Angelegenheit, die dem Oberbürgermeister zugewiesen ist, vorliege. Damit steht auch fest, dass die Beteiligten nicht gewillt sind, die Beschlüsse des Stadtrates oder Ausschusses, die das Grundbuchamt für erforderlich hält, vorzulegen. In diesem Falle ist aber für eine Aufrechterhaltung der Zwischenverfügung kein Raum mehr (OLG Düsseldorf MDR 2012, 274).
c) Soweit das Grundbuchamt durch Schreiben vom 19.2.2020 den Nachweis einer lückenlose Bevollmächtigungskette vom Bürgermeister auf die handelnde Gemeindebedienstete in der Form des § 29 GBO anfordert, stellt sich das Schreiben nicht als Zwischenverfügung dar, sondern als bloße Meinungsäußerung. Das Grundbuchamt hat nämlich keine Frist zur Behebung des angenommenen Hindernisses gesetzt. Mangels einer anfechtbaren Entscheidung war daher über das in dem Schreiben angezeigte Mittel der Behebung des vom Grundbuchamt angenommenen Hindernisses nicht zu befinden.
3. Der Senat weist für das weitere Verfahren – ohne Bindungswirkung – auf folgendes hin:
Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO soll eine Eintragung nur vorgenommen werden, wenn die entsprechende Grundbucherklärung durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wird. Unter den Begriff der Eintragung fällt, wie sich aus § 46 Abs. 1 GBO ergibt, auch eine Löschung (Weber in Bauer/Schaub § 46 Rn. 1; Demharter § 19 Rn. 3; KEHE/Keller GBO 8. Aufl. § 46 Rn. 1).
Bewilligungsberechtigt ist dabei gemäß § 19 GBO derjenige, dessen Recht von der Eintragung betroffen wird. Dies ist hier die Landeshauptstadt als eingetragene Inhaberin der Dienstbarkeit. Eine Eintragung ist nur abzulehnen, wenn das Grundbuchamt berechtigte Zweifel hat, dass die Landeshauptstadt die Bewilligung durch die Oberverwaltungsrätin X. wirksam erklären konnte.
a) Nach § 29 Abs. 3 Satz 1 GBO sind Erklärungen und Ersuchen einer Behörde, auf Grund deren die Eintragung vorgenommen werden soll, zu unterschreiben und zu siegeln. Zweck ist dabei zum einen, dem Grundbuchamt die Prüfung zu ersparen, ob der Erklärung überhaupt die Eigenschaft einer öffentlichen Urkunde zukommt (Bayer/Meier-Wehrsdorfer in Bauer/Schaub § 19 Rn. 151). Zum anderen soll damit aber den Behörden auch der Nachweis der Legitimation der Personen, die für sie Erklärungen unterzeichnen, erleichtert werden (Demharter § 29 Rn. 45). Daher ist die unterschriebene und mit dem Gemeindesiegel versehene Freigabeerklärung einer Gemeinde eine öffentliche Urkunde, die für das Grundbuchamt die Vermutung begründet, dass der Unterzeichner der Urkunde zur Vertretung der Gemeinde befugt ist. Diese darf das Grundbuchamt nur in Zweifel ziehen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine mangelnde Vertretungsbefugnis des Unterzeichners bestehen (BayObLG MittBayNot 1978, 10/11). Zweifel können sich dabei für das Grundbuchamt ergeben, wenn nicht feststeht, dass es sich überhaupt um eine laufende Angelegenheit im Sinne von Art. 37 BayGO handelt. Zudem können sich Zweifel unter anderem dann ergeben, wenn nur bekannt ist, dass ein anderer Gemeindebediensteter den Handelnden bevollmächtigt hat, ohne dass formgerecht nachgewiesen wäre, dass wiederum der Bevollmächtigende seinerseits in Vollmacht gehandelt hat. In einem solchen Fall kann etwa ergänzend die fehlende Vollmacht, aus der sich dann eine Vollmachtskette ergibt, zum Nachweis der ordnungsgemäßen Bevollmächtigung erforderlich sein (vgl. Senat vom 28.1.2013, 34 Wx 390/12 = NJOZ 2013, 1046/1047).
b) Vorliegend wird es daher darauf ankommen, ob für das Grundbuchamt schon feststeht, dass es sich bei der Freigabeerklärung – wie geltend gemacht – um eine laufende Angelegenheit nach Art. 37 BayGO handelt oder Tatsachen bekannt sind, die die Bevollmächtigung der Gemeindebediensteten in Zweifel ziehen.
aa) Nach Art. 29 BayGO wird die Gemeinde durch den Gemeinderat verwaltet, soweit nicht der Bürgermeister nach Art. 37 BayGO selbständig entscheidet. Nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayGO erledigt der Bürgermeister in eigener Zuständigkeit die laufenden Angelegenheiten, die für die Gemeinde keine grundsätzliche Bedeutung haben und keine erheblichen Verpflichtungen erwarten lassen. Nach dessen Satz 2 kann der Gemeinderat Richtlinien für diese laufenden Angelegenheiten aufstellen und nach Art. 37 Abs. 2 Satz 1 BayGO weitere Angelegenheiten übertragen. Ist nicht offenkundig, dass es sich bei der Freigabeerklärung um eine Angelegenheit der laufenden Verwaltung handelt und das Handeln eines bevollmächtigten Gemeindebediensteten daher möglich war, muss dies in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden (OLG Nürnberg MittBayNot 2019, 621). Regelt eine Geschäftsordnung des Gemeinderates die laufenden Angelegenheiten, so kann die Vorlage einer formgerechten Abschrift dieser Geschäftsordnung jedenfalls dann vom Grundbuchamt gefordert werden, wenn diese nicht offenkundig oder aktenkundig ist. Dabei erscheint fraglich, ob die Veröffentlichung einer Geschäftsordnung des Gemeinderats im Internet schon zur Offenkundigkeit führen kann (OLG Zweibrücken FGPrax 2013, 162). Allerdings ist nicht auszuschließen, dass die Geschäftsordnung dem Grundbuchamt jedenfalls aktenkundig ist. Davon wäre auszugehen, wenn die Gemeinde für den betreffenden Zeitraum dem Grundbuchamt schon einmal die Geschäftsordnung formgerecht vorgelegt hat.
bb) Soweit eine Zuweisung von Aufgaben an den Bürgermeister durch oder gemäß Art. 37 BayGO erfolgt ist, gibt Art. 38 Abs. 2 Satz 3 BayGO diesem die Möglichkeit, einzelne Gemeindebedienstete zu bevollmächtigen, Erklärungen, durch welche die Gemeinde verpflichtet werden soll, zu unterzeichnen. Dies gilt auch im Fall von Verfügungen über dingliche Rechte (BGH NJW 2017, 2412). In einem solchen Fall wird bei gesiegelten und unterschriebenen Erklärungen eines Gemeindebediensteten die Erteilung der Vollmacht vermutet. Soweit sich für das Grundbuchamt Zweifel ergeben, weil etwa aktenkundig oder auch nachgewiesen ist, dass ein anderer Gemeindebediensteter vom Bürgermeister zu diesen Geschäften bevollmächtigt wurde oder der Handelnde nicht vom Bürgermeister selbst bevollmächtigt war, hat das Grundbuchamt diese konkret darzulegen. Es würde dann nämlich der Nachweis der wirksamen Vollmachtserteilung nach § 29 Abs. 3 GBO oder die Vorlage der fehlenden Bevollmächtigung genügen; der Vorlage aller Vollmachten zum Nachweis der vollständigen Vollmachtskette bedürfte es hingegen nicht. Das vorliegende Schreiben vom 19.2.2020 wäre daher insofern bei weitem nicht ausreichend.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich, da die Beschwerde – jedenfalls einstweilen – Erfolg hat.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG)


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