Arbeitsrecht

Nichtzulassungsbeschwerde – grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache – soziales Entschädigungsrecht – Berufsschadensausgleich – Vergleichsgruppe – formeller Qualifikationsstatus für Beamtenlaufbahn – Geprüfter Technischer Betriebswirt – keine Gleichstellung mit Fachhochschulabschluss – Verfassungsrecht – Gleichheit – Darlegungsanforderung

Aktenzeichen  B 9 V 17/21 B

Datum:
18.11.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BSG
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BSG:2021:181121BB9V1721B0
Normen:
§ 160a Abs 2 S 3 SGG
§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG
§ 3 Abs 1 S 1 BSchAV
§ 3 Abs 2 S 2 BSchAV
§ 30 Abs 14 BVG
BBesG
Art 3 Abs 1 GG
Spruchkörper:
9. Senat

Verfahrensgang

vorgehend SG Karlsruhe, 30. Januar 2020, Az: S 8 VG 2523/18, Urteilvorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg, 1. März 2021, Az: L 6 VG 1432/20, Beschluss

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 1. März 2021 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Verfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1
I. In der Hauptsache begehrt der Kläger einen höheren Berufsschadensausgleich (BSchA) unter Berücksichtigung eines Vergleichseinkommens nach dem Grundgehalt der Stufe 8 der Besoldungsgruppe A 11 der Anlage I Bundesbesoldungsordnung (BBesO) zum Bundesbesoldungsgesetz (BBesG). Das LSG hat diesen Anspruch mit Beschluss vom 1.3.2021 verneint. Die Gewährung eines höheren BSchA unter Berücksichtigung eines Vergleichseinkommens nach dem Grundgehalt der Stufe 8 der Besoldungsgruppe A 11 komme nicht in Betracht. Der Kläger verfüge über einen Abschluss als Geprüfter Technischer Fachwirt und habe sich nach der Schädigung zum Geprüften Technischen Betriebswirt weitergebildet. Für eine Berücksichtigung des begehrten höheren Vergleichseinkommens sei jedoch nach § 3 Abs 1 Satz 1 der Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV) ein Fachhochschulabschluss erforderlich. Der Geprüfte Technische Betriebswirt sei eine kaufmännische Aufstiegsfortbildung, die mit einer öffentlich-rechtlich anerkannten Prüfung vor einem Ausschuss der Industrie- und Handelskammer abschließe. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 3 Abs 2 Satz 2 BSchAV (“gilt nur”) sei es unerheblich, ob die Weiterbildung zum Geprüften Technischen Betriebswirt ein einem Fachhochschulabschluss vergleichbares Bildungsniveau vermittele. Erforderlich sei das Vorliegen eines Fachhochschulabschlusses, über den der Kläger nicht verfüge. Die vom Kläger absolvierte Weiterbildung habe nicht die wesentlichen Inhalte in gleicher Breite und Tiefe wie ein (Fach-)Hochschulstudium vermittelt und sei auch nicht mit einer gleichwertigen Prüfung abgeschlossen worden. Aus der Einstufung der Weiterbildung des Klägers in das Bildungsniveau der Stufe 7 des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) folge nichts anderes. Schließlich könne der Kläger auch nicht deshalb die Ermittlung des BSchA unter Berücksichtigung eines höheren Vergleichseinkommens beanspruchen, weil sich im Ergebnis auf die Höhe des Vergleichseinkommens nicht sein über den Geprüften Technischen Fachwirt hinausgehender Abschluss als Geprüfter Technischer Betriebswirt erhöhend auswirke. Hierfür gebe es keine gesetzliche Grundlage. Das Recht des BSchA sei vom Pauschalierungsgrundsatz geprägt, wonach auch beim BSchA der Gesichtspunkt einer individuellen Entschädigung zugunsten eines generalisierten oder pauschalierten Schadensausgleichs zurücktrete. Der Verordnungsgeber habe eine nach dem Pauschalierungsprinzip zulässige durchschnittliche Besoldung als Vergleichsmaßstab bestimmt. Eine den BSchA erhöhende Berücksichtigung der Weiterbildung des Klägers zum Geprüften Technischen Betriebswirt möge zwar aus dessen Sicht wünschenswert sein, aus verfassungsrechtlichen Gründen sei der Gesetzgeber aber hierzu nicht verpflichtet.
2
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde und macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
3
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
4
1. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 30.9.2021 – B 10 ÜG 2/21 B – juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 29.12.2015 – B 9 V 62/15 B – juris RdNr 6, jeweils mwN). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.
5
Der Kläger hält folgende Frage für eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung:
“Konnte der nach § 30 Absatz 14 BVG ermächtigte Verordnungsgeber – jedenfalls spätestens ab dem 01.05.2013 – ohne Überschreiten des ihm zugestandenen Ermächtigungsrahmens in § 3 Absatz 2 Satz 2 BSchAV bei der Berechnung des Durchschnittseinkommens eine Beschränkung auf eine Fachhochschulausbildung vorsehen, deren Abschluss eine Voraussetzung für die Einstellung in den gehobenen oder höheren Dienst im Sinne des Beamtenrechts ist?”
6
Vorliegend fehlt es schon an hinreichenden Ausführungen des Klägers zur Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtfrage. Zutreffend ist, dass der in § 30 Bundesversorgungsgesetz (BVG) geregelte BSchA zum 1.7.2011 eine Neuordnung erfahren hat und in diesem Zuge auch die BSchAV neu gefasst worden ist (vgl insgesamt BGBl I 2011, 1114 und 1273). Der Kläger zitiert in seiner Beschwerdebegründung auch hiermit im Einklang die Ermächtigungsnorm in § 30 Abs 14 BVG sowie die §§ 2 und 3 der BSchAV. Er rügt, bei der Feststellung einer Vergleichsgrundlage müsse es zuerst um Qualifikations-, und nicht um Einstellungs- und Zugangsfragen gehen. Die Heranziehung einer Grundlage, die als Voraussetzung für die Einstellung in den Beamtendienst gelte, sei sachfremd. Zudem finde dadurch eine gleichheitswidrige Bevorzugung junger Menschen statt, die noch eine Fachhochschule besuchen könnten. Damit habe der Verordnungsgeber in § 3 Abs 2 BSchAV seine Kompetenzen überschritten, da die von ihm gewünschten Einschränkungen als statusbildende Norm im Gesetz selbst hätten geregelt werden müssen. Hierzu führt er zwei Urteile des 2. und 6. Senats des BSG vom 20.3.2007 (Az B 2 U 9/06 R) und 9.12.2004 (Az B 6 KA 44/03 R) sowie eine Entscheidung des BVerfG vom 9.5.1972 (Az 1 BvR 518/62) an.
7
Mit diesen Ausführungen stellt der Kläger jedoch die höchstrichterliche Klärungsbedürftigkeit im vorliegenden Fall nicht hinreichend dar. Hierzu hätte er neben der Darstellung der materiell-rechtlichen Regelungen im Einzelnen ausführen müssen, inwiefern die Rechtsfrage vom BSG bisher noch nicht entschieden ist. Hierzu gehört auch die Prüfung, ob sich aus der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung schon ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der aufgeworfenen Problemstellung ergeben. Ist dies aber der Fall, so gilt eine Rechtsfrage als höchstrichterlich geklärt (vgl stRspr; zB BSG Beschluss vom 22.3.2018 – B 9 SB 78/17 B – juris RdNr 12 mwN). Dies hat der Kläger jedoch versäumt. Er behauptet zwar, dass die von ihm aufgeworfene Frage vom BSG noch nicht entschieden sei. Die Beschwerdebegründung beschäftigt sich aber an keiner Stelle damit, ob und inwieweit sich aus der vorhandenen – vom LSG zT auch zitierten – höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits Anhaltspunkte zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragestellung entnehmen lassen.
8
Wie der Beklagte in seiner Beschwerdeerwiderung zu Recht ausführt, hat das BSG sich in seiner bisherigen Rechtsprechung wiederholt mit der Vorschrift des § 5 BSchAV aF befasst, wonach selbst das Vergleichsaufkommen bei selbstständig Tätigen schon vor der Neuregelung des BSchA zum 1.7.2011 unter Berücksichtigung der Schul- und Berufsausbildung nach der Besoldungsordnung für Beamte festgelegt wurde. Es hat entschieden, dass diese Versorgungsregelung auch hinsichtlich der typisierenden Zuordnung zu den Besoldungsgruppen der Beamtenlaufbahn mit der gesetzlichen Ermächtigung vereinbar gewesen ist und keine höherrangigen Rechtsnormen verletzt hat (BSG Urteil vom 15.2.1989 – 9/4b RV 5/87 – BSGE 64, 272 = SozR 3642 § 5 Nr 1 – juris RdNr 15, 18; BSG Urteil vom 15.12.1970 – 10 RV 849/68 – juris RdNr 16; BSG Urteil vom 7.8.1969 – 8 RV 305/68 – juris RdNr 16). Zudem hat die Rechtsprechung des BSG eine weitgehende Pauschalierung des BSchA auch in den Sonderfällen des § 6 BSchAV aF für zulässig gehalten (vgl BSG Beschluss vom 21.9.2015
– B 9 V 29/15 B – juris RdNr 9; BSG Urteil vom 28.4.2005 – B 9a/9 VJ 1/04 R – SozR 4-3100 § 30 Nr 2 – juris RdNr 28 ff). Auch das BVerfG hat dies für vereinbar mit dem GG erachtet (vgl bereits Beschluss vom 14.5.1969 – 1 BvR 615/67 – BVerfGE 26, 16). Die Beschwerdebegründung setzt sich jedoch mit diesen Entscheidungen, wonach beim BSchA der Gesichtspunkt einer individuellen Entschädigung zu Gunsten eines generalisierten und pauschalierten Schadensausgleichs zurücktritt (vgl BSG Beschluss vom 20.12.2018 – B 9 V 13/18 B – juris RdNr 11 mwN), nicht auseinander und prüft demzufolge auch nicht, ob sich bereits aus dieser Rechtsprechung hinreichende Anhaltspunkte für die Beantwortung der gestellten Frage ergeben.
9
Soweit der Kläger schließlich einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG rügt, hat er die behauptete Verfassungswidrigkeit nicht substantiiert aufgezeigt. Wer im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde eine Verfassungsverletzung geltend macht, muss unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu der gerügten Verfassungsnorm und den ihr zugrunde liegenden Prinzipien und Grundsätzen in substantieller Argumentation darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der infrage stehenden einfachgesetzlichen Norm aufgezeigt, die Sachgründe ihrer Ausgestaltung erörtert und die geltend gemachte Verletzung der konkreten Regelung des GG im Einzelnen dargetan werden (stRspr; zB BSG Beschluss vom 18.4.2019 – B 10 EG 20/18 B – juris RdNr 7 mwN). Es ist aufzuzeigen, dass der Gesetzgeber die gesetzlichen Grenzen seines Gestaltungsspielraums überschritten und in unzulässiger Weise verletzt hat (vgl BSG Beschluss vom 8.9.2016 – B 9 V 13/16 B – juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 8.2.2017 – B 13 R 294/16 B – juris RdNr 6). Eine solche substantiierte Erörterung bezogen auf die hier maßgeblichen einfachgesetzlichen Bestimmungen und die von der Klägerin als verletzt bezeichnete verfassungsrechtliche Norm (Art 3 Abs 1 GG) lässt die Beschwerdebegründung vermissen. Der Kläger setzt sich ausgehend von der von ihm problematisierten Ungleichbehandlung und den von ihm benannten Vergleichsgruppen schon nicht damit auseinander, dass er nach den Feststellungen des LSG – worauf der Beklagte in seiner Beschwerdeerwiderung zutreffend hinweist – im Hinblick auf die vergleichsweise kurze Dauer der Weiterbildung, des Fokus der Wissensvermittlung auf Anwendungsschwerpunkte in der betriebswirtschaftlichen Praxis sowie die nur zum Teil durch Hochschulpersonal erfolgte Wissensvermittlung nicht zu dem Personenkreis gehört, der eine inhaltlich vergleichbare Ausbildung zu einer “Fachhochschulausbildung” absolviert hat.
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Da vorliegend bereits die Klärungsbedürftigkeit der vom Kläger bezeichneten Rechtsfrage nicht hinreichend aufgezeigt worden ist, kann offenbleiben, ob er darüber hinaus in gebotenem Maße aufgezeigt hat, dass der Senat diese Frage in einem Revisionsverfahren auf der Grundlage der für ihn nach § 163 SGG bindenden Tatsachenfeststellungen des LSG klären könnte, die Frage also überhaupt klärungsfähig ist. Zweifel bestehen hier schon deshalb, weil nach den Feststellungen des LSG der Kläger weder über einen Fachhochschulabschluss noch über eine inhaltlich vergleichbare Ausbildung verfügt.
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2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
12
3. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).
13
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.


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