Arbeitsrecht

Personalvertretungsrecht des Landes, Wahlanfechtung, Schriftliche Stimmenabgabe, (Fehlende) Erklärungen über die persönliche Stimmenabgabe, (Fehlende) Beschriftung des Rückumschlags durch den Wahlvorstand mit dem Absender

Aktenzeichen  M 20 P 21.3606

Datum:
3.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11677
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayPVG Art. 25
BayPVG Art. 17
WO-BayPVG § 56a

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Wahl zum örtlichen Personalrat beim …-theater … vom 22. Juni 2021 wird für ungültig erklärt.
II. Der Gegenstandswert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Gegenstand des Verfahrens ist eine Anfechtung der Wahl zum örtlichen Personalrat, die am 22. Juni 2021 im Wege schriftlicher Stimmenabgabe erfolgte.
Die Antragsteller haben am 7. Juli 2021 die Wahl angefochten und zahlreiche Mängel geltend gemacht. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Antragsschriftsatz Bezug genommen.
In der mündlichen Verhandlung am 3. Mai 2022 hat die Bevollmächtigte für die Antragsteller beantragt,
Die Wahl zum örtlichen Personalrat bei dem Beteiligten zu 7) vom 22. Juni 2021 wird für ungültig erklärt.
Der Beteiligte zu 1) hat zur Wahlanfechtung unter dem 26. Juli 2021 Stellung genommen. Der Beteiligte zu 2) übersandte zum Verfahren eine Stellungnahme des örtlichen Wahlvorstands vom 20. Juli 2021.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte mit der Niederschrift über die Anhörung am 3. Mai 2022 sowie die beigezogene Heftung des Wahlvorstands Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet. Bei der Wahl des örtlichen Personalrats wurde gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen, deren Einfluss auf das Wahlergebnis nicht ausgeschlossen ist, so dass die Wahl für ungültig zu erklären ist.
1. Die Wahlanfechtung wurde durch die Bevollmächtigte der fünf wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Dienststelle zulässig und insbesondere fristgerecht i.S.v. Art. 25 Abs. 1 Bayerisches Personalvertretungsgesetz (BayPVG) erhoben.
2. Bei der Wahl wurde gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen.
Den Wahlberechtigten wurde mit den Wahlunterlagen kein Formular über die Erklärung der persönlichen Stimmenabgabe ausgehändigt. Zudem wurden die Rückumschläge nicht bereits mit den jeweiligen Absendern gekennzeichnet.
a) Gemäß der Sonderregelungen für die regelmäßigen Wahlen 2021 in § 56a Abs. 2
Nr. 1 Halbsatz 2 der Wahlordnung zum Bayerischen Personalvertretungsgesetz (Wo-BayPVG) ist zusätzlich zu den in § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BayPVG vorgesehenen Unterlagen jedem Briefwähler eine vorgedruckte, vom Wähler abzugebende Erklärung, in der dieser gegenüber dem Wahlvorstand versichert, dass er den Stimmzettel persönlich gekennzeichnet hat, oder, soweit unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 BayPVG erforderlich, durch eine Person seines Vertrauens hat kennzeichnen lassen, auszuhändigen. Nach § 56a Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b) und c) WO-BayPVG gibt der Wähler seine Stimme ab, indem er u.a. die vorgedruckte Erklärung unter Angabe des Ortes und des Datums unterschreibt und den verschlossenen Wahlumschlag zusammen mit der unterschriebenen Erklärung in dem Freiumschlag verschließt.
Auf das Erfordernis der Abgabe der persönlichen Erklärung weist auch die Wahlvorbereitungsbekanntmachung-PersV2021 unter 4.10.2 Satz 2 und 4.10.3 ausdrücklich hin.
b) Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayPVG hat der Wahlvorstand bei schriftlicher Stimmenabgabe einen größeren Freiumschlag, der u.a. als Absender den Namen des Wahlberechtigten trägt, auszuhändigen oder zu übersenden.
3. Jedenfalls im Zusammenwirken der beiden Verletzungen der Wahlvorschriften ergibt sich ein derart wesentlicher Mangel, bei dem nicht ausgeschlossen werden kann, dass er das Ergebnis beeinflusst hat. Keiner Entscheidung bedarf daher, ob die Mängel bereits für sich jeweils für eine Wahlanfechtung ausgereicht hätten.
a) Enthalten die vom Wahlvorstand den Briefwählern übermittelten Wahlbriefumschläge nicht den Namen des wahlberechtigten Beschäftigten liegt ein wesentlicher Verstoß über das Wahlverfahren vor (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 25.10.1994 – PL 15 S 1057/94 – juris Rn. 39; VG Karlsruhe, B.v. 1.3.2021 – PL 15 K 6844/19 – juris Rn. 21 ff.; vgl. a. BVerwG, B.v. 14.8.1959 – VII P 15.58 – Die Personalvertretung 1959, 308). Die Wahlvorschrift soll u.a. dazu beitragen, zu verhindern, dass Nichtwahlberechtigte an der Wahl teilnehmen oder Wahlberechtigte doppelt wählen (VGH Baden-Württemberg a.a.O.). Dabei hat diese Vorschrift vorbeugende Bedeutung, indem sie schon im Vorfeld der Wahlhandlung Ansätzen für eine Störung des Wahlgeschehens begegnet, die durch Missbrauch von Wahlunterlagen eintreten kann (VGH Baden-Württemberg, a.a.O.).
b) Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat jedoch angenommen, dass dieser Verstoß gegen eine wesentliche Wahlvorschrift das zustande gekommene Wahlergebnis in der ihm vorliegenden Konstellation nicht beeinflussen konnte, da alle Wahlbriefe unabhängig vom Fehlen einer vom Wahlvorstand stammenden Absenderangabe anhand der in ihnen enthaltenen Erklärungen über die persönliche Stimmenabgabe den entsprechenden Wahlberechtigten zuzuordnen waren (VGH Baden-Württemberg, a.a.O. Rn. 40; ablehnend insoweit VG Karlsruhe, a.a.O. Rn. 24). An solchen Erklärungen fehlt es bei der vorliegend angefochtenen Wahl – wie dargestellt – aber gerade.
Das Bundesverwaltungsgericht hat vielmehr bereits im Beschluss vom 14. August 1959 – VII P 15.58 – betont, bei der Briefwahl müsse die Übereinstimmung der Identität des Empfängers der Wahlpapiere und des Übersenders des den Stimmzettel enthaltenen Wahlumschlags mit dem zur schriftlichen Stimmabgabe ermächtigten Wähler anderweitig als bei der persönlichen Stimmengabe im Wahlraum gewährleistet werden. Dies ist bei der vorliegend angefochtenen Wahl gerade nicht möglich.
Darüber hinaus gehender konkreter Anhaltspunkte dafür, dass tatsächlich ein entsprechender Missbrauch bei der Stimmenabgabe erfolgte, bedarf es nach Ansicht des Gerichts hingegen nicht. Vielmehr ist vorliegend nicht ausgeschlossen, dass diese wesentlichen Verstöße gegen Wahlvorschriften Auswirkungen auf das Wahlergebnis hatten.
Folglich war die Wahl für ungültig zu erklären.
4. Dahinstehen kann daher insoweit, dass in tatsächlicher Hinsicht ungeklärt ist, ob beim Aushang der Wahlbekanntmachung nicht Seiten überlappend aufgehängt wurden, mit der Folge, dass wesentliche Informationen – u.a. über die Zeit und Ort der Sitzung, in der das Wahlergebnis festgestellt wird, sowie den Ort, an dem Einsprüche, Wahlvorschläge und andere Erklärungen gegenüber dem Wahlvorstand abzugeben sind – damit nicht hinreichend bekannt gegeben wurden. Auf den antragstellerisch vorgelegten Fotos lässt sich eine solche Überlappung erkennen. Auf den Fotos in der Heftung des Wahlvorstands hingegen sind die Seiten hingegen anderweitig im Schaukasten verteilt.
Ebenso bedarf es keiner näheren Befassung mit den weiteren geltend gemachten Mängeln bei der angefochtenen Wahl. Auf die Erörterung in der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.
5. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Da in dem Rechtsstreit Gerichtskosten nicht erhoben werden, war der Gegenstandswert gemäß § 33 Abs. 1 RVG auf erfolgten Antrag der Bevollmächtigten der Antragsteller hin festzusetzen. Die Höhe des Gegenstandswerts richtet sich nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG. Der objektive Charakter des Beschlussverfahrens gebietet es in aller Regel beim Gegenstandswert den Regelstreitwert (ggf. erhöht oder erniedrigt) festzusetzen. Nach der hier maßgeblichen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 5.10.2007 – 18 C 07.1214, 18 C 07.1215) ist grundsätzlich von einem Gegenstandswert von 5.000,- EUR auszugehen. Das gilt auch für den hier vorliegenden Fall.


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