Arbeitsrecht

PKH-Bewilligungsvoraussetzungen: Einsatz einer Abfindung nach einem gerichtlichen Vergleich als Vermögen

Aktenzeichen  7 Ta 94/14

Datum:
7.1.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2016, 150277
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 115 Abs. 3 S. 2
SGB XII SGB XII § 90 Abs. 2 Nr. 9
BarbetrV § 1

 

Leitsatz

1. Erhält der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess eine Abfindung, stellt dies grundsätzlich einzusetzendes Vermögen dar. Neben dem Schonvermögen verbleibt dem Arbeitnehmer, der arbeitslos und auf Arbeitssuche ist, zum Ausgleich der damit verbundenen Aufwendungen ein weiterer Betrag in Höhe des Schonvermögens. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer erklärt, er wolle seine bereits bestehende selbstständige Tätigkeit ausweiten. In diesem Fall können Aufwendungen, insbesondere Anschaffungskosten, die dem Arbeitnehmer für berufliches Equipment entstehen, in Abzug gebracht werden. (amtlicher Leitsatz)
2. Als Anhaltspunkt für die Höhe der dem Arbeitnehmer durch den Verlust des Arbeitsplatzes typischerweise entstehenden Kosten kann die Höhe des Schonbetrages für Ledige nach der Durchführungsverordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII (BarbetrV) dienen (Anschluss an BAG BeckRS 2006, 41970; LAG SchlH BeckRS 2010, 75140). (red. LS Alke Kayser)

Verfahrensgang

1 Ca 1174/13 2014-04-08 Bes ARBGWUERZBURG ArbG Würzburg

Gründe

LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG
7 Ta 94/14
Beschluss
Datum: 07.01.2016
1 Ca 1174/13 (Arbeitsgericht Würzburg)
Rechtsvorschriften:
Leitsatz:
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I. Die Parteien stritten in der Hauptsache über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung.
Dem Kläger wurde mit Beschluss vom 18.10.2013 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Herr Rechtsanwalt Dr. D. beigeordnet.
Das Verfahren endete am 10.12.2013 mit dem Abschluss eines Vergleichs, nach dessen Ziffer 2 dem Kläger eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes in Höhe von 16.500,00 € brutto zu zahlen war.
Der Kläger wurde mit Beschluss des Arbeitsgerichts vom 26.02.2014 darauf hingewiesen, dass sich seine Einkommensverhältnisse im Hinblick auf die vereinbarte Abfindungssumme in Höhe von 16.500,00 € brutto verbessert hätten, so dass die Prozesskostenhilfe aufgehoben oder geändert werden müsse.
Mit Schriftsatz vom 01.04.2014 machte der Kläger geltend, er habe von der im Vergleich vereinbarten Abfindung lediglich 14.571,09 € erhalten.
Der Kläger kaufte im Musikhaus T. laut der von ihm vorgelegten Rechnungen im Zeitraum 10.01.2014 bis 31.03.2014 Gitarren sowie elektronisches und sonstiges Zubehör. Ferner kaufte er beim Musikhaus B. zwei Gitarren.
Mit Beschluss vom 08.04.2014 änderte das Arbeitsgericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe ab und setzte als einmalige vom Kläger zu leistende Zahlung 2.134,47 € fest. Der Betrag ergibt sich aus der aus der Staatskasse geleisteten Zahlung der Anwaltsgebühren in Höhe von 1.454,30 €, einer weiteren Vergütung des Rechtsanwalts von 678,42 € und Gerichtskosten in Höhe von 1,75 €.
Der Beschluss wurde dem Kläger am 14.04.2014 zugestellt.
Der Kläger legte gegen den Beschluss am 24.04.2014 sofortige Beschwerde ein.
Der Kläger macht geltend, bei der Abfindung handele es sich um nicht einsetzbares Vermögen, da er berufsbedingte Betriebsausgaben in Höhe von 9.610,38 € habe tätigen müssen. Er verweist hierzu auf die unter dem 02.04.2014 gefertigte Aufstellung (Bl. 101 d. A.).
Der Kläger führt aus, es sei eine Musikausrüstung vorhanden gewesen. Es seien aber einerseits Ersatzbeschaffungen notwendig gewesen, andererseits Neuinvestitionen, da er langfristig vom Unterricht wegkommen und sein Tätigkeitsfeld auf das Erstellen von Kompositionen und Live Auftritte verlagern wolle. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 30.07.2015 Bezug genommen.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, § 127 Absatz 2 Satz 2 ZPO, sowie form- und fristgerecht eingelegt worden, § 569 ZPO.
Die sofortige Beschwerde ist im Ergebnis nicht begründet.
Der Kläger hat die im Rechtsstreit infolge des Vergleichs erhaltene Abfindung teilweise als Vermögen einzusetzen.
Gemäß § 115 Absatz 3 ZPO hat die Partei u. a. zur Prozessführung ihr Vermögen einzusetzen, soweit ihr dies zumutbar ist. Zum Vermögen in diesem Sinne gehören grundsätzlich auch Abfindungen (netto), die nach einem Kündigungsschutzprozess aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs gezahlt werden (vgl. Bundesarbeitsgericht – Beschluss vom 24.04.2006 – 3 AZB 12/05); juris).
Von der tatsächlich zugeflossenen Nettoabfindung muss der Prozesspartei allerdings ein sogenanntes Schonvermögen im Sinne von § 115 Absatz 3 Satz 2 ZPO i. V. m. § 90 Absatz 2 Ziffer 9 und § 1 der Verordnung vom 11. Februar 1988 zur Durchführung des § 90 Absatz 2 Ziffer 9 SGB XII verbleiben. Das sind bei Personen, die anderen nicht unterhaltspflichtig sind, Barbeträge, die 2.600,00 € nicht überschreiten.
Grundsätzlich muss dem Arbeitnehmer, der seinen Arbeitsplatz verliert und der noch keine neue Stelle im selben Ort gefunden hat, ein weiterer Betrag aus der geleisteten Nettoabfindung verbleiben, der die Kosten ausgleicht, die durch den Verlust des Arbeitsplatzes entstanden sind. Als Anhaltspunkt für die Höhe der dem Arbeitnehmer durch den Verlust des Arbeitsplatzes typischerweise entstehenden Kosten kann die Höhe des Schonbetrages für Ledige nach der Durchführungsverordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB X dienen (BAG a. a. O.; Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein – Beschluss vom 10.11.2010 – 3 Ta 159/10; juris).
Nach den Angaben des Klägers ist ihm von der Abfindung ein Betrag in Höhe von 14.571,09 € zugeflossen. Hiervon ist der Schonbetrag abzuziehen, der dem Kläger gemäß § 90 Absatz 2 Ziffer 9 SGB XII zusteht. Dieser beträgt, da der Kläger alleinstehend ist, 2.600,00 €.
Ein weiterer Betrag in Höhe des Schonvermögens ist nicht abzuziehen. Nach der oben zitierten Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein gilt dies in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer, der seinen Arbeitsplatz verloren hat, noch keinen neuen Arbeitsplatz gefunden hat. Vorliegend führt der Kläger aus, er wolle seine Tätigkeit von der Unterrichtsstätigkeit auf Komposition und Live Auftritte verlagern. Vor diesem Hintergrund ist es nicht erforderlich, einen weiteren Schonbetrag in Abzug zu bringen.
Es liegt indes eine besondere Notlage des Klägers vor, die es rechtfertigt, die von ihm geltend gemachten Anschaffungskosten für das beruflich notwendige Material abzuziehen, § 90 Absatz 2 Ziffer 9 SGB XII. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger sein Tätigkeitsfeld verlagern möchte.
Der Kläger hat dargelegt und unter Vorlage der Rechnungen belegt, dass er von der Abfindung 9.510,88 € aufgewendet hat, um sein vorhandenes Equipment zu erneuern bzw. zu ergänzen. Soweit der Kläger einen Betrag von 99,50 € in Ansatz gebracht hat, handelt es sich offensichtlich um ein Bußgeld, das von der Zentralen Bußgeldstelle V. verhängt worden ist. Insoweit findet eine Anrechnung nicht statt.
Nach Abzug des anrechnungsfähigen Betrags verbleibt ein einzusetzender Teil der Abfindung in Höhe von 2.460,21 €. Dieser Betrag übersteigt die zu erstattenden Kosten von 2.134,47 €.
Die sofortige Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.
Die Rechtsbeschwerde wird gemäß §§ 78 Satz 2, 72 Absatz 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss kann der Kläger Rechtsbeschwerde einlegen.Die Rechtsbeschwerde muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt und begründet werden.
Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des Beschlusses.
Die Rechtsbeschwerde muss beim Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt, Postanschrift: Bundesarbeitsgericht, 99113 Erfurt, Telefax-Nummer:0361 2636-2000 eingelegt und begründet werden.
Die Rechtsbeschwerdeschrift und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
Es genügt auch die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten der Gewerkschaften und von Vereinigungen von Arbeitgebern sowie von Zusammenschlüssen solcher Verbände
– für ihre Mitglieder
– oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder oder von juristischen Personen, deren Anteile sämtlich in wirtschaftlichem Eigentum einer der im vorgenannten Absatz bezeichneten Organisationen stehen,
– wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt
– und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In jedem Fall muss der Bevollmächtigte die Befähigung zum Richteramt haben.
Zur Möglichkeit der Rechtsbeschwerdeeinlegung mittels elektronischen Dokuments wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I, 519 ff.) hingewiesen. Einzelheiten hierzu unter http://www.bundesarbeitsgericht.de.


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