Arbeitsrecht

Provisionszahlungen – kaufmännischer Angestellter – Erteilung eines Buchauszugs – Auskunft – Reichweite einer Kundenschutzvereinbarung

Aktenzeichen  1 Sa 177/20

Datum:
14.12.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Thüringer Landesarbeitsgericht 1. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:LAGTH:2021:1214.1SA177.20.00
Normen:
§ 87c Abs 2 HGB
§ 87 Abs 1 HGB
§ 59 HGB
§ 65 HGB
§ 133 BGB
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Spruchkörper:
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Verfahrensgang

vorgehend ArbG Nordhausen, 30. Januar 2020, 3 Ca 1083/18, Teilurteil

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 30.01.2020 – Az. 3 Ca 1083/18 – teilweise abgeändert und der Tenor zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen Buchauszug für die Zeit vom 14.04.2015 bis 14.11.2018 über sämtliche Geschäfte zu erteilen, die zwischen der Beklagten und folgenden Kunden, nämlich
– A…, Makler sowie
– B…, Handelsagentur, C…
zustande gekommen sind und die die Herstellung und Lieferung bzw. Abholung von Etiketten betreffen, die für Kunden vorgesehen sind, die in der Anlage 1 Tabelle 1 Seite 1 bis 7 und in der Anlage 2 Tabelle 1 Seite 1 zur Kundenschutzvereinbarung vom 29.01.2010 aufgeführt wurden.
Der Buchauszug hat Auskunft zu geben über:
a) Auftragsdatum und Auftragsnummer,
b) Auftragsumfang mit Angabe der Warenmenge und des Warenwerts laut Auftrag,
c) Rechnungsdatum und Rechnungsnummer sowie Rechnungsbetrag,
d) Kunden mit Kundennummer
e) Stadium der Ausführung des Geschäfts,
f) Zeitpunkt und Höhe der eingegangenen Zahlungen,
g) den Endkunden, für den die Etiketten gedacht sind sowie
h) Liefer-, Abholdatum, Lieferscheinnummer sowie Spezifikation der ausgelieferten Waren wie Artikelbezeichnung, Menge, Lieferort und Adressat.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 14.04.2015 bis zum 14.11.2018 Auskünfte dahingehend zu erteilen,
– welche Etikettenlieferungen an die Firmen D… und E… erfolgt sind und die
– auf eine Vermittlungstätigkeit mit den Firmen A… oder B… zurückzuführen sind,
– welche Warenmenge und welcher Warenwert hierbei geliefert wurde und welcher Betrag hierbei bezüglich der Warenlieferung abgerechnet worden ist.
3. Es wird festgestellt, dass zu Gunsten des Klägers kein Bezirksschutz für das mit den Postleitzahlen aufgeführte Vertragsgebiet gemäß Ziffer IV. der Kundenschutzvereinbarung vom 29.01.2010 (Anlage B1) besteht.
4. Im Übrigen werden Klage und Widerklage abgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 60 % und die Beklagte zu 40 %.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten Rahmen einer Stufenklage um Provisionszahlungen und um die Erteilung eines Buchauszugs und einer Auskunft sowie in diesem Zusammenhang um Umfang und Reichweite einer Kundenschutzvereinbarung. Gegenstand des Berufungsverfahrens sind lediglich die erste Stufe (Buchauszug und Auskunft) sowie Feststellungen im Rahmen einer Widerklage.
Die Beklagte betreibt eine Papierwarenfabrik. Der Kläger ist seit 1989 für die Beklagte bzw. deren Vorgängerfirmen tätig. Aufgabe des Klägers ist es, die von der Beklagten hergestellten Etiketten im Außendienst zu vertreiben. Die im Arbeitsvertrag (Bl. 266 d. A.) vorgesehene umsatzbezogene Leistungszulage wurde mittlerweile unstreitig durch eine Vermittlungsprovision von 3 % des vermittelten Umsatzes (Nettowarenwert) ersetzt. Inklusive des monatlichen Festgehalts von 1.378,00 € brutto bezog der Kläger auf diese Weise in den Jahren 2012 bis 2014 Jahresvergütungen von über 300.000,00 €, in den Folgejahren mehr als 400.000,00 €.
Anfang 2010 waren bei der Beklagten vier Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Alle vier Außendienstmitarbeiter und so auch der Kläger waren deutschlandweit im Einsatz. Eine räumliche Gebietszuweisung für die Außendienstmitarbeiter bestand nicht. Die Betreuung der gewonnenen Kunden intern erfolgte durch den Innendienst. Für den Innendienst bestanden keine Provisionsvereinbarungen. Der Kläger erhielt für den von ihm in Deutschland aufgebauten Kundenstamm die vereinbarte Provision für alle Geschäfte mit von ihm vermittelten Kunden, auch für Nachfolgebestellungen der jeweiligen Kunden direkt beim Innendienst.
Anfang 2010 initiierte die Beklagte eine Neuzuordnung der Vertriebsgebiete. Die Beklagte wollte dabei ausweislich der Einladung zu einer Vertriebstagung am 21.01.2010 (Bl. 272 d. A.) die bis dahin räumlich nicht beschränkte Tätigkeit der Außendienstmitarbeiter effektiver gestalten und ein systematisches Bearbeiten der Bundesländer erreichen. Hierzu wurde in der Vertriebssitzung eine Deutschlandkarte (Bl. 274 d. A.) vorgelegt mit der Vorgabe, dass die Gebiete unter den Außendienstmitarbeitern aufgeteilt werden sollten. Dieser Deutschlandkarte beigefügt war eine Auflistung der von den vier Außendienstmitarbeitern in den jeweiligen Bundesländern (mit Ausnahme der Stadtstaaten) gemachten Geschäfte (Bl. 295 – 297 d. A.).
Am 29. Januar 2010 schlossen die Parteien eine „Kundenschutzvereinbarung“ (Bl. 21 – 22 d. A.), die auf Initiative des Klägers zustande kam und unbestritten nicht von der Beklagten vorformuliert wurde. Die Vereinbarung lautet:
„I.) Einleitung
Zwischen den Parteien besteht ein Arbeitsvertrag. Der Mitarbeiter vertreibt – ohne eine räumliche Begrenzung – die Produkte der Firma und erhält hierfür neben seinem Grundgehalt Provisionen. Nun sollen einzelnen Mitarbeitern Gebiete zugeordnet werden, was letztlich zu einer räumlichen Beschränkung der Tätigkeit des Mitarbeiters führen wird.
Da der Mitarbeiter allerdings in langjähriger Tätigkeit einen nicht unerheblichen Kundenstamm aufgebaut hat, soll ihm, unabhängig von der Aufteilung der regionalen Gebiete, diesbezüglich Kundenschutz nach der nachfolgenden Regelung eingeräumt werden.
II.) Kundenschutz
Dem Mitarbeiter wird bezüglich der von ihm in den vergangenen Jahren akquirierten Kunden ein Kundenschutz dahingehend eingeräumt, dass diese exklusiv und ausschließlich weiterhin durch ihn betreut werden, unabhängig davon, ob sich der Firmensitz der Kunden in seinem zukünftigen Vertriebsgebiet oder in einem Gebiet eines anderen Außendienstmitarbeiters befindet.
Die Firma wird dafür Sorge tragen, dass die Mitarbeiter, die diese Gebiete zukünftig betreuen werden, hiervon Kenntnis erhalten und sich auch daran halten.
Der Kundenschutz bezieht sich sowohl auf Altkunden (Anlage 1 dieser Vereinbarung) als auch auf Neukunden (Anlage 2 dieser Vereinbarung), die bereits vom Mitarbeiter akquiriert worden sind und die in Kürze bestellen werden/wollen.
Bezüglich dieser Firmen, die in den Anlagen 1 und 2 benannt sind, vereinbaren die Parteien also die vorgenannte Kundenschutzvereinbarung.
III.) Provisionen
Dem Mitarbeiter stehen mithin für die Geschäfte, die mit den Kunden aus den oben genannten Anlagen getätigt werden, die vereinbarte Provisionszahlung zu. Dies gilt auch dann, sollte ein anderer Mitarbeiter Geschäfte mit diesen Kunden vermitteln.
IV.) Vertragsgebiet
Der Mitarbeiter wird ab sofort und exklusiv die Produkte der Firma in den Gebieten vertreiben, die sich aus den nachfolgenden Postleitzahlen ergeben:
30, 31, 32, 33, 34, 37, 38, 40, 41, 42, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 57, 58, 59
Er wird also dieses Gebiet neben den sich aus den Anlagen 1 und 2 ergebenden Firmen betreuen.
Was die Gehalts- und Provisionszahlungen angeht, so bleibt es bei den bisherigen Regelungen sowohl was die bisherigen Kunden (Anlagen 1 und 2) angeht, als auch bezüglich der neu zu akquirierenden Kunden im oben genannten Vertragsgebiet.
V.) Vertragliche Regelungen
Ansonsten bleibt es bei den bisherigen vertraglichen Regelungen.“
Wegen der Kunden laut Anlagen 1 und 2 zur Kundenschutzvereinbarung wird auf Blatt 23 – 30 d. A. Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 04.10.2018 (Bl. 7 d. A.) forderte der Kläger die Beklagte vergeblich auf, bis zum 12.10.2018 einen Buchauszug zu erteilen.
Mit seiner am 16.11.2018 beim Arbeitsgericht Nordhausen eingegangenen Klage hat der Kläger einen Buchauszug für die Zeit vom 14.04.2015 bis zum 14.11.2018 sowie Auskunftserteilung begehrt.
Der Kläger hat hierzu die Auffassung vertreten, die Beklagte umgehe durch den Einsatz von Drittfirmen die mit ihm geschlossene Kundenschutzvereinbarung. Zum Beleg führt der Kläger folgende Vorgänge an, die für sich genommen unstreitig sind:
– Die Firma Verpackungskontor F… wurde von der Beklagten mit Etiketten beliefert und veräußerte diese an die Firma G… sowie an die Firma H… weiter.
– Die Firma D… bezog Etiketten der Beklagten über den Makler A….
– Die Firma E… bezog Etiketten der Beklagten über die C… Firma B… Handelsagentur.

Die Firma G… befindet sich in der Auflistung der Anlage 2 zur Kundenschutzvereinbarung (Bl. 30 d. A.). Die Firmen H…, D… und E… sind in der Anlage 1 zur Kundenschutzvereinbarung genannt (Bl. 24 und 27 d. A.).
Der Kläger führt an, er habe als kaufmännischer Angestellter mit Provisionsvereinbarung einen Anspruch auf Erteilung von Buchauszug und Auskunft im Zusammenhang mit den genannten Vorgängen aus § 87c Abs. 2 und 3 HGB. Die Kundenschutzvereinbarung greife auch für Umgehungsgeschäfte. Mit dem Einsatz von Drittfirmen versuche die Beklagte, den Provisionsanspruch des Klägers zu vereiteln.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen Buchauszug für die Zeit vom 14.04.2015 bis 14.11.2018 über sämtliche Geschäfte zu erteilen, die zwischen der Beklagten und folgenden Kunden, nämlich
– Firma F…, I…,
– A…, Makler sowie
– B…, Handelsagentur, C…
zustande gekommen sind und die die Herstellung und Lieferung bzw. Abholung von Etiketten betreffen, die für Kunden vorgesehen sind, die ihren Betriebssitz in den Postleitzahlenregionen 30, 31, 32, 33, 34, 37, 38, 40, 41, 42, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 57, 58 sowie 59 haben oder die für Kunden vorgesehen sind, die in der Anlage 1 Tabelle 1 Seite 1 bis 7 und in der Anlage 2 Tabelle 1 Seite 1 zur Kundenschutzvereinbarung vom 29.01.2010 aufgeführt wurden.
Der Buchauszug hat Auskunft zu geben über:
a) Auftragsdatum und Auftragsnummer,
b) Auftragsumfang mit Angabe der Warenmenge und des Warenwerts laut Auftrag,
c) Rechnungsdatum und Rechnungsnummer sowie Rechnungsbetrag,
d) Kunden mit Kundennummer
e) Stadium der Ausführung des Geschäfts,
f) Zeitpunkt und Höhe der eingegangenen Zahlungen,
g) den Endkunden, für den die Etiketten gedacht sind sowie
h) Liefer-, Abholdatum, Lieferscheinnummer sowie Spezifikation der ausgelieferten Waren wie Artikelbezeichnung, Menge, Lieferort und Adressat.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 14.04.2015 bis zum 14.11.2018 Auskünfte dahingehend zu erteilen:
a) an welche vom Kläger betreute Kunden, insbesondere den Firmen G…, H…, D… sowie die Firma E…, Etiketten geliefert worden sind,
b) Welche Lieferungen auf einem Kaufvertrag mit den Firmen Verpackungskontor F…, A… oder B… zurückzuführen sind und welche auf eine reine Vermittlungstätigkeit,
c) welche Warenmenge und welcher Warenwert an die vom Kläger betreuten Kunden geliefert worden sind und welcher Betrag bezüglich der Warenlieferung abgerechnet worden ist, entweder gegenüber den vom Kläger betreuten Kunden oder aber den Firmen Verpackungskontor F…, A… sowie B…,
d) welche Provisionen an die Firma A… für derartige Vermittlungstätigkeit und welche Zahlungen durch die Firmen Verpackungskontor F… sowie A… aufgrund der Kaufverträge gezahlt worden sind und wann die Zahlung für die Beklagte eingegangen ist.
3. Die Beklagte wird weiter verurteilt, die sich aus dem Buchauszug ergebenden Provisionen an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Widerklagend hat die Beklagte beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass sich der zugunsten des Klägers vereinbarte Kundenschutz aus der Kundenschutzvereinbarung vom 29.01.2010 nebst Anlage 1 und 2 (Anlage B1) ausschließlich auf Vermittlungsgeschäfte bezieht, die durch Arbeitnehmer der Beklagten mit den gemäß der Anlage 1 und 2 geschützten Kunden des Klägers getätigt werden, nicht jedoch auf solche Geschäfte, die die Beklagte mit Dritten, die nicht zu ihrem Arbeitnehmerkreis gehören, tätigt.
2. Es wird festgestellt, dass zugunsten des Klägers kein Kundenschutz für das mit den Postleitzahlen ausgeführt Vertragsgebiet gemäß Ziffer IV. Der Kundenschutzvereinbarung vom 29.01.2010 (Anlage B1) besteht.
Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Widerklageantrag zu 2),
3. festzustellen, dass der Kläger keinen Anspruch auf Provisionen für solche Geschäfte hat, die andere Mitarbeiter, Handelsvertreter oder sonstige Dritte für die Beklagte im Vertragsgebiet (sog. Postleitzahlengebiet) gemäß Ziffer IV. der Kundenschutzvereinbarung vom 29.01.2010 (Anlage B1) vermittelt oder vermittelt haben.
Der Kläger hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Kundenschutzvereinbarung betreffe nach ihrem Wortlaut eindeutig lediglich Ansprüche, die bei einem Einsatz eigener Mitarbeiter der Beklagten bei geschützten Kunden entstehen. Setze die Beklagte außenstehende Firmen oder Handelsvertreter ein, greife die Kundenschutzvereinbarung nicht. Hätte sich der Kläger einen weitergehenden Kundenschutz sichern wollen, hätte dies explizit geregelt werden müssen. Bei der seinerzeit abgeschlossenen Kundenschutzvereinbarung sei es lediglich darum gegangen, eine Abgrenzung der Einsatzgebiete der Außendienstmitarbeiter vorzunehmen. Zweck sei nicht gewesen, die Provisionsvereinbarung mit dem Kläger auszuweiten. Aufgrund des Streits der Parteien über Umfang und Reichweite der abgeschlossenen Kundenschutzvereinbarung habe sie, die Beklagte, ein Interesse daran, diese Fragen durch eine Feststellungsklage klären zu lassen.
Mit Teilurteil vom 30.01.2020 (Bl. 101 ff. d. A.) hat das Arbeitsgericht Nordhausen der Klage auf der ersten Stufe (Buchauszug und Auskunft) weitestgehend stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.
Es hat ausgeführt, der Kläger könne nach § 87c Abs. 2 und 3 HGB von der Beklagten im Zusammenhang mit den genannten Vorgängen einen Buchauszug sowie Auskunft im begehrten Umfang verlangen. Nur auf die Frage, welche Provisionen an die Firma A… gezahlt worden seien, bezöge sich der Auskunftsanspruch nicht. Für die Erteilung eines Buchauszugs müsse ein Provisionsanspruch zumindest möglich sein. Ausweislich der Kundenschutzvereinbarung sei sowohl in Hinblick auf die bisherigen Kunden des Klägers laut Anlagen 1 und 2 als auch in Hinblick auf das Vertragsgebiet ein Exklusivrecht des Klägers vereinbart worden. Zwar regele die Kundenschutzvereinbarung ihrem Wortlaut nach nur das Verhältnis zu anderen Mitarbeitern und nicht auch das Verhältnis zu Drittfirmen, zum Beispiel zu selbstständigen Handelsvertretern. Nach § 133 BGB sei bei der Auslegung von Willenserklärungen indes der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Unter Berücksichtigung der Interessenlage umfasse der Kundenschutz auch etwaige Umgehungsgeschäfte, etwa wenn die Beklagte selbständige Handelsvertreter einsetze, um den Provisionsanspruch des Klägers zu schmälern. Ohne eine solche Ausdehnung auch auf Umgehungsgeschäfte mit Drittfirmen würde die Vereinbarung weitestgehend ins Leere laufen.
Die Widerklage sei als sogenannte Elementenfeststellungsklage zulässig. Da dem Kläger aus der Kundenschutzvereinbarung ein umfassender Kundenschutz auch für Geschäfte mit Dritten, die nicht zum Arbeitnehmerkreis der Beklagten gehören, zustehe und dieser umfassende Kundenschutz nicht nur mit Blick auf die Bestandskunden des Klägers sondern auch mit Blick auf das Vertragsgebiet greife, sei die Widerklage jedoch unbegründet.
Gegen das ihr am 26.05.2020 zugestellte erstinstanzliche Teilurteil hat die Beklagte mit bei Gericht am 08.06.2020 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 26.08.2020 mit bei Gericht am 13.08.2020 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Die Beklagte führt an, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei die Kundenschutzvereinbarung bereits nicht auslegungsbedürftig. Vielmehr beziehe sie sich nach ihrem eindeutigen Wortlaut und ihrem Zweck nach nur auf die Aufteilung der Vertriebsgebiete im Verhältnis der Außendienstmitarbeiter zueinander. Auf außenstehende Firmen oder Handelsvertreter beziehe sich die Kundenschutzvereinbarung nicht. Es sei zu berücksichtigen, dass der Inhalt und der Wortlaut der Vereinbarung – insoweit unbestritten – aus der Sphäre des Klägers stamme. Der Kläger selbst hätte daher für einen weitreichenderen Schutz sorgen können, dies aber nicht getan. Zudem finde sich in der Kundenschutzvereinbarung an keiner Stelle ein Hinweis darauf, dass diese auch dann greifen solle, wenn Geschäfte nicht vermittelt, sondern Etiketten an einen Händler verkauft würden. Auf Kaufgeschäfte zwischen der Beklagten und einem Dritten sei die Kundenschutzvereinbarung von vornherein nicht anwendbar. Darauf, ob die Endabnehmer des Kaufgeschäfts geschützte Kunden des Klägers seien, komme es nicht an.
Auch in Bezug auf das Postleitzahlengebiet sei gerade nicht vereinbart worden, dass auch solche Kundenumsätze für den Kläger zu verprovisionieren seien, die ein anderer Mitarbeiter mit einem Kunden im Vertriebsgebiet des Klägers tätige. In dieser Hinsicht unterscheide sich der Kundenschutz bei Bestandskunden des Klägers laut Ziffer II. und III. von der Vereinbarung in Ziffer IV. bezogen auf das neue Vertriebsgebiet. Ein Exklusivrecht im Sinne eines Gebietsschutzes sei nicht vereinbart worden. Hierzu behauptet die Beklagte, der Kläger sei gar nicht in der Lage, das gesamte ihm zugewiesene Postleitzahlengebiet im Sinne einer tatsächlichen Betreuung allein abzudecken.
Die Beklagte führt an, bereits vor Abschluss der Kundenschutzvereinbarung am 29.01.2010 seien Vertriebsfirmen für die Beklagte tätig gewesen. Zumindest elf Firmen (Auflistung auf Seite 4/5 des Schriftsatzes vom 19.07.2021, Bl.285/286 d. A.) hätten zu diesem Zeitpunkt Etiketten und sonstige Druckerzeugnisse extern vertrieben. Vor diesem Hintergrund sei für eine ergänzende Vertragsauslegung dahingehend, dass die Kundenschutzvereinbarung neben der Abgrenzung zu anderen Außendienstmitarbeitern der Beklagten auch dem Schutz vor einem Vertrieb durch externe Dritte habe dienen sollen, kein Raum.
Die Beklagte beantragt,
das Teilurteil des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 31.01.2020 (Az 3 Ca 1083/18) abzuändern und die Klage abzuweisen.
Widerklagend beantragt die Beklagte nach Hinweisen der erkennenden Kammer im Termin zur mündlichen Verhandlung am 5. Oktober 2021 in leicht geänderter Form,
1. festzustellen, dass sich der zu Gunsten des Klägers vereinbarte Kundenschutz aus der Kundenschutzvereinbarung vom 29.01.2010 nebst Anlagen 1 und 2 (Anlage B1) ausschließlich auf Geschäfte bezieht, die durch Arbeitnehmer der Beklagten mit diesen geschützten Kunden des Klägers getätigt werden, nicht jedoch auch auf solche Geschäfte, die die Beklagte mit Dritten, die nicht zu ihrem Arbeitnehmerkreis gehören, tätigt.
2. festzustellen, dass zu Gunsten des Klägers kein Bezirksschutz für das mit den Postleitzahlen aufgeführte Vertragsgebiet gemäß Ziffer IV. der Kundenschutzvereinbarung vom 29.01.2010 (Anlage B1) besteht.
Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Widerklageantrag zu 2)
3. festzustellen, dass der Kläger keinen Anspruch auf Provisionen für solche Geschäfte hat, die andere Mitarbeiter, Handelsvertreter oder sonstige Dritte für die Beklagte im Vertragsgebiet (sog. Postleitzahlengebiet) gemäß Ziffer IV. der Kundenschutzvereinbarung vom 29.01.2010 (Anlage B1) vermitteln oder vermittelt haben.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach Hinweisen durch die erkennende Kammer hat er ferner seinen Klageantrag zu 2) (Auskunft) im Termin zur mündlichen Verhandlung wie folgt konkretisiert:
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 14.04.2015 bis zum 14.11.2018 Auskünfte dahingehend zu erteilen,
– welche Etikettenlieferungen an die Firmen G…, H…, D… und E… erfolgt sind und die
– auf einen Kaufvertrag bzw. auf eine Vermittlungstätigkeit mit den Firmen Verpackungskontor F…, A… oder B… zurückzuführen sind,
– welche Warenmenge und welcher Warenwert hierbei geliefert wurde und welcher Betrag hierbei bezüglich der Warenlieferung abgerechnet worden ist, entweder gegenüber den im ersten Spiegelstrich genannten Kunden des Klägers oder aber gegenüber den im zweiten Spiegelstrich genannten Firmen sowie
– welche Zahlungen durch die Firmen Verpackungskontor F… sowie B… aufgrund der Kaufverträge an die Beklagte gezahlt worden sind sowie wann die Zahlungen für die Beklagte eingegangen sind.
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Zu Recht habe das Arbeitsgericht die Kundenschutzvereinbarung dahingehend ausgelegt, dass auch Umgehungsgeschäfte der Beklagten durch den Einsatz von Drittfirmen – sei es durch vermittelnde Handelsvertreter, sei es durch Kaufgeschäfte mit Drittfirmen – erfasst seien. Die Kundenschutzvereinbarung sei vor dem Hintergrund der Aufteilung des Bundesgebietes unter den Außendienstlern als Ausgleich für die durch die Verkleinerung des Vertriebsgebiets drohende Beschränkung der Provisionsansprüche abgeschlossen worden. Es sei ein umfassender Kundenschutz bezweckt gewesen, was sich aus den Worten „exklusiv und ausschließlich“ in Ziffer II. der Vereinbarung ergebe. Der Begriff des „Mitarbeiters“ in der Vereinbarung sei umfassender und nicht im Sinne des Arbeitnehmerbegriffs zu verstehen. Vielmehr erfasse „Mitarbeiter“ auch arbeitnehmerähnliche Personen, zum Beispiel Handelsvertreter. Provisionen seien nach dem Inhalt der Vereinbarung laut Ziffer III. für alle Geschäfte zu zahlen, die von seinen Bestandskunden „getätigt“ würden. Solche Geschäfte umfassten auch Direktbestellungen oder die Zwischenschaltung von Drittfirmen.
Dieses weite Verständnis sei auch für den Gebietsschutz in Ziffer IV. der Vereinbarung zugrunde zu legen. Das Vertragsgebiet sei ihm „exklusiv“ zugewiesen worden, so dass ihm nach § 87 Abs. 2 HGB Provisionen auch für solche Geschäfte zustünden, die ohne seine Mitwirkung in seinem Vertriebsgebiet abgeschlossen werden.
Der Kläger behauptet, zum Zeitpunkt des Abschlusses der Kundenschutzvereinbarung sei der Vertrieb der Etiketten der Beklagten nur über Außendienstmitarbeiter erfolgt. Weder habe es bei der Beklagten einen Direktvertrieb gegeben noch seien externe Dritte wie etwa Handelsvertreter eingesetzt worden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat der Kläger hierzu klargestellt, dass einige der von der Beklagten genannten externen Vertriebler als Kunden des Klägers auf der Kundenliste Anlage 1 zur Kundenschutzvereinbarung auftauchen – so etwa die Firmen Papierverarbeitungswerk J…, K…, Firma L… und M…. Mit einem erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 3. November 2021 hat der Kläger hierzu weiter ausgeführt, bei diesen „externen Vertrieblern“ handele es sich um Kunden, die diese Etiketten bei der Beklagten im eigenen Namen verwertet, nicht jedoch für die Beklagte vertrieben hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Protokolle der zweitinstanzlichen mündlichen Verhandlungen vom 23.03.2021 (Bl. 213 d. A.) und vom 05.10.2021 (Bl. 293 d. A.) sowie auf den am 28.04.2021 verkündeten Hinweis- und Auflagenbeschluss (Bl. 225 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm § 520 Abs. 3 ZPO.
II. Die Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.
Erfolg hat sie, soweit dem Kläger erstinstanzlich Ansprüche auf Buchauszug und Auskunft auch für Vorgänge des Weiterverkaufs unter Einschaltung von Drittfirmen zugesprochen wurden. Keinen Erfolg hat die Berufung in Bezug auf die Vermittlung von Etikettengeschäften zwischen der Beklagten und geschützten Kunden des Klägers durch den Einsatz von selbständigen Handelsvertretern bzw. Handelsagenturen. Bei solchen Vorgängen die Bestandskunden des Klägers betreffend ist ein Provisionsanspruch des Klägers zumindest möglich, so dass er diesbezüglich einen Anspruch auf Buchauszug und Auskunft hat. Da dem Kläger indes kein Bezirksschutz im Sinne von § 87 Abs. 2 HGB zukommt, bleibt das Begehren des Klägers auf Erteilung eines Buchauszugs in Bezug auf nicht von ihm vermittelte Kunden in seinem Vertriebsgebiet ohne Erfolg. Spiegelbildlich hat die Berufung der Beklagten in Bezug auf die Widerklage ebenfalls nur teilweise Erfolg. Das Teilurteil des Arbeitsgerichts Nordhausen war entsprechend abzuändern und der Tenor zur Klarstellung neu zu fassen.
1. Die Klageanträge zu 1) und 2) gerichtet auf die Erteilung eines Buchauszugs sowie einer Auskunft sind als erste Stufe einer Stufenklage zulässig und wurden auf Hinweis der erkennenden Kammer im Termin zur mündlichen Verhandlung nach §§ 533 Nr. 1, 264 Nr. 2 ZPO durch den Kläger zulässigerweise geschärft und konkretisiert.
2. Der Klageantrag zu 1) (Buchauszug) ist nur teilweise begründet.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts hat der Kläger keinen umfassenden Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs mit dem von ihm laut Klageantrag zu 1) begehrten Inhalt. Sein Anspruch bezieht sich nur auf etwaige von den Firmen A… und B… vermittelte Etikettengeschäfte zwischen der Beklagten und den Kunden D… und E… bzw. sonstige Bestandskunden laut Anlagen 1 und 2 der Kundenschutzvereinbarung. Der Kläger kann jedoch keinen Buchauszug in Bezug auf den Kauf bzw. Weiterverkauf durch die Firma Verpackungskontor F… verlangen. Sein Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs bezieht sich ebenso wenig auf solche Kunden in seinem Vertriebsgebiet, die nicht durch ihn geworben wurden.
a) Zutreffend verweist das Arbeitsgericht auf § 87c Abs. 2 HGB, wonach der Handelsvertreter bei der Abrechnung einen Buchauszug über alle Geschäfte verlangen kann, für die ihm nach § 87 HGB eine Provision gebührt. Diese Regelung ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß §§ 59, 65 HGB anwendbar, denn der Kläger ist als Handlungsgehilfe mit einer Provisionsvereinbarung im Sinne einer Vermittlungsprovision (§ 87 Abs. 1 HGB) tätig. Dies steht zwischen den Parteien auch nicht im Streit.
b) Der Buchauszug dient dem Zweck, dem Handelsvertreter bzw. dem kaufmännischen Angestellten mit Provisionsvereinbarung die Möglichkeit zu verschaffen, Klarheit über die Provisionsansprüche zu gewinnen, damit er seinen Anspruch richtig beziffern kann (OLG Bamberg 16.05.2003 – 6 U 62/02, Rn. 27). Der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs ist ein Hilfsanspruch, so dass er entfällt, wenn die Voraussetzungen für einen Provisionsanspruch nicht vorliegen (BGH 11.05.2016 – VII ZR 64/15, Juris Rn. 29; ErfK-Oetker, 21. Auflage 2021, § 87c HGB Rn. 4). Wer einen Buchauszug nach § 87c Abs. 2 HGB verlangt, muss daher darlegen, dass nach § 87 HGB oder nach den vertraglichen Vereinbarungen provisionspflichtige Geschäfte jedenfalls zustande gekommen sein können. Bei zweifelsfrei nicht provisionspflichtigen Geschäften ist der Buchauszug ausgeschlossen (BGH 11.05.2016 – VII ZR 64/15, Juris Rn. 29; BGH 23.02.1989 – I ZR 203/87, Juris Rn. 14).
c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann der Kläger entgegen der Auffassung des Erstgerichts keinen Buchauszug über die in der Zeit vom 14.4.2015 bis 14.11.2018 zwischen der Beklagten und der Firma Verpackungskontor F… zustande gekommenen Geschäfte über Etikettenlieferungen verlangen. Denn ein Provisionsanspruch des Klägers diese Firma betreffend ist zur Überzeugung der erkennenden Kammer ausgeschlossen.
Nach Auslegung der zwischen den Parteien abgeschlossenen Kundenschutzvereinbarung vom 29.01.2010 ergibt sich, dass dem Kläger mit dem Bestandskundenschutz laut Ziffern II. und III. der Vereinbarung kein Schutz auch für solche Geschäfte eingeräumt werden sollte, die die Beklagte mit nicht vom Kläger geworbenen Drittfirmen in der Konstellation des Weiterverkaufs abschließt.
aa) Die zu dieser Fallkonstellation genannte Firma Verpackungskontor F… gehört unbestritten nicht zu den geschützten Kunden des Klägers laut Anlagen 1 und 2 der Kundenschutzvereinbarung.
bb) Die Auslegung der Vereinbarung richtet sich – da ein Vertrag vorliegt – nach §§ 133, 157 BGB. Danach ist der wirkliche Wille der Vertragsparteien zu erforschen und der Inhalt der Vereinbarung so auszulegen, wie Treu und Glauben es mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Ebenso sind die bestehende Interessenlage und der mit der Vereinbarung verfolgte Zweck zu berücksichtigen (st. Rspr. vgl. z.B. BAG 23.06.2016 – 8 AZR 643/14, Juris Rn. 26; BAG 10.12.2014 – 10 AZR 63/14, Juris Rn. 21).
cc) In Anwendung dieser Auslegungsmethoden ergibt sich, dass der in den Ziffern II. und III. der Kundenschutzvereinbarung vereinbarte Schutz in Bezug auf die Bestandskunden des Klägers laut Anlagen 1 und 2 der Vereinbarung keinen umfassenden Kundenschutz auch vor dem Verkauf an weiterverkaufende Drittfirmen bietet.
(1) Der Wortlaut der Vereinbarung und der von den Parteien mit ihr verfolgte Zweck sprechen dafür, dass mit der Kundenschutzvereinbarung ausschließlich ein Schutz der Außendienstmitarbeiter untereinander bezweckt war. Anlass für den Abschluss der Kundenschutzvereinbarung war nach den übereinstimmenden Angaben der Parteien die innerhalb des Unternehmens vorgesehene Neuzuordnung der Vertriebsgebiete. Während zuvor sämtliche Außendienstmitarbeiter im gesamten Bundesgebiet tätig waren, sollte nunmehr laut Ziffer I. der Vereinbarung „…einzelnen Mitarbeitern Gebiete zugeordnet werden, was letztlich zu einer räumlichen Beschränkung der Tätigkeit des Mitarbeiters führen wird.“ Dem Kläger sollte dabei ausweislich Ziffer II. der Vereinbarung für seinen bislang auch außerhalb seines künftigen Vertriebsgebiets aufgebauten Kundenstamm ein Kundenschutz eingeräumt werden, „unabhängig von der Aufteilung der regionalen Gebiete“.
Wie die Kammer bereits im Hinweis- und Auflagenbeschluss vom 28.04.2021 (Bl. 225 ff. d. A.) ausgeführt hat, wird dieses Auslegungsergebnis durch die Ausgestaltung der Kundenschutzklausel in Ziffer II. gestützt. Danach sollen die Bestandskunden des Klägers „exklusiv und ausschließlich weiterhin durch ihn betreut werden, unabhängig davon, ob sich der Firmensitz der Kunden in seinem zukünftigen Vertriebsgebiet oder in einem Gebiet eines anderen Außendienstmitarbeiters befindet.“ Der Kläger sollte daher auch dann Provisionen erhalten, wenn seine Bestandskunden Geschäfte mit der Beklagten abschließen, sei es (wie bisher) durch Direktbestellungen im Innendienst oder bei Vermittlung von Geschäften durch andere Außendienstmitarbeiter.
Anhaltspunkte dafür, dass nicht nur ein Schutz vor Vermittlungsgeschäften der eigenen Außendienstmitarbeiter vereinbart sein sollte, sondern auch ein umfassender Kundenschutz bei solchen Geschäften, die durch ihrerseits weiterverkaufende Drittfirmen zustande kommen, bestehen nicht. Vielmehr spricht der Wortlaut dafür, dass nur ein Schutz vor der Vermittlung von Geschäften durch andere „Mitarbeiter“ der Beklagten bezweckt war. Es werden in Ziffer II. 1. Absatz das Gebiet „eines anderen Außendienstmitarbeiters“, in Ziffer II. 2. Absatz „die Mitarbeiter“ und in Ziffer III. Geschäfte „anderer Mitarbeiter“ angesprochen.
Auch Satz 1 der Ziffer III. verhilft dem Kläger nicht zu dem von ihm gewünschten weiten Verständnis. Zwar wird dort davon gesprochen, dass dem Kläger für „die Geschäfte, die … getätigt werden“ die vereinbarte Provisionszahlung zustehen soll. Dieser Satz wiederholt aber letztlich nur das, was auch das Gesetz in § 87 Abs. 1 HGB für eine Provisionspflichtigkeit voraussetzt: Den Abschluss eines Geschäfts zwischen dem Kunden und dem provisionspflichtigen Unternehmen (der Beklagten). Satz 1 ist deshalb weiter gefasst als die Klarstellung in Satz 2, da Satz 1 alle getätigten Geschäfte des geschützten Kunden umfasst: vom Kläger vermittelte Geschäfte, Folgegeschäfte wie z. B. Nachbestellungen direkt beim Innendienst der Beklagten sowie – und das stellt Satz 2 noch einmal klar – Geschäfte nach Vermittlung durch einen anderen (Außendienst)Mitarbeiter. Ein darüber hinausgehender, im Sinne des Klägers umfassenderer Inhalt hätte in der Vereinbarung deutlicher niedergelegt werden müssen.
Aus Sicht der Kammer kann im Fall der Firma Verpackungskontor F… in den Konstellationen des Weiterverkaufs auch deshalb nicht von einem für den Kläger provisionspflichtigen Geschäft ausgegangen werden, da die Firma F… in diesen Konstellationen selbst Etiketten bei der Beklagten kauft. Nur zwischen der Firma F… und der Beklagten existiert daher ein potenziell provisionspflichtiger Geschäftsabschluss. Das Geschäft, an dem die geschützten Kunden des Klägers G… und H… beteiligt sind, besteht demgegenüber nicht mit der Beklagten, sondern nur mit der Firma F…. In den Fällen des Weiterverkaufs „tätigen“ die geschützten Endkunden kein Geschäft mit der Beklagten im Sinne der Ziffer III. der Kundenschutzvereinbarung. Ein Geschäftsabschluss unter Beteiligung der Beklagten scheidet in der Konstellation des Weiterverkaufs aus – ein „vermitteltes“ Geschäft liegt nicht vor.
Aus Sicht der Kammer kommt in diesem Zusammenhang auch der in Ziffer IV. der Vereinbarung in Bezug genommenen Provisionsregelung entscheidendes Gewicht zu: explizit haben die Parteien vereinbart, dass es in Bezug auf die Provisionszahlungen bei den „bisherigen Regelungen“ verbleiben soll. Darin wird noch einmal deutlich, dass die Parteien gerade keine Ausdehnung der Provisionspflichtigkeit gewünscht haben – weder was die Art der provisionspflichtigen Geschäfte anbelangt noch in Bezug auf die erfassten Vertriebswege. Die bisherige Handhabung – Provisionspflichtigkeit bei vermittelten Geschäften inklusive Folgebestellungen – sollte vielmehr fortgeschrieben und dem Kläger, auch unabhängig von dem zukünftigen Zuschnitt der Vertriebsgebiete, für seinen Kundenstamm erhalten bleiben.
(2) Entgegen der Auffassung des Erstgerichts ist die Vereinbarung auch nicht dahingehend zu erweitern, dass sie auch sämtliche sogenannte „Umgehungsgeschäfte“ erfasst. Dies hat das Erstgericht ohne nähere Begründung angenommen, da ansonsten die Kundenschutzvereinbarung „leer liefe“.
Eine solche Erfassung auch von Geschäften zwischen Kunden des Klägers und Drittfirmen (Weiterverkauf) ist nach Anwendung anerkannter Auslegungsmethoden – wie oben dargestellt – der Vereinbarung selbst nicht zu entnehmen.
Auch nach einer ergänzenden Vertragsauslegung ergibt sich zugunsten des Klägers kein Schutz auch bei einem Ankauf durch Drittfirmen und einem Weiterverkauf an geschützte Bestandskunden.
Wie die Kammer bereits im Hinweis- und Auflagenbeschluss vom 28.4.2021 ausgeführt hat, kommt eine ergänzende Vertragsauslegung dann in Betracht, wenn die zwischen den Parteien geschlossene Vereinbarung eine (planwidrige) Vertragslücke aufweist. Eine planwidrige Vertragslücke ist dadurch gekennzeichnet, dass die Parteien mit der getroffenen Regelung ein bestimmtes Ziel erreichen wollten, dies aber wegen der Lückenhaftigkeit des Vereinbarten nicht gelungen ist. Bei der ergänzenden Auslegung ist darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall bedacht hätten. Dabei ist zunächst an den Vertrag selbst anzuknüpfen; die darin enthaltenen Regelungen und Wertungen, sein Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung. Sie findet ihre Grenze an dem im – wenn auch lückenhaften – Vertrag zum Ausdruck gekommenen Parteiwillen. Die ergänzende Vertragsauslegung darf nicht zu einer Abänderung oder Erweiterung des Vertragsgegenstandes führen und sie muss in dem Vertrag auch eine Stütze finden (vgl. hierzu BGH 12.10.2012 – V ZR 222/11, Rn. 12). Für die Tatsachen, nach der eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht kommen könnte, trägt nach allgemeinen Voraussetzungen der sich darauf berufende Kläger die Darlegungs- und Beweislast.
Für die Konstellation des Weiterverkaufs durch nicht vom Kläger geworbene Drittfirmen stellt sich die Vereinbarung aus Sicht der Kammer bereits nicht als lückenhaft dar. Die die Etiketten zum Weiterverkauf ankaufende Drittfirmen sind „Kunden“ der Beklagten. Der maßgebliche Geschäftsabschluss findet zwischen der Drittfirma und der Beklagten statt. Diese Drittfirmen hätte der Kläger auch vor Abschluss der Kundenschutzvereinbarung als Kunden werben können. Damit diese Teil des Kundenschutzes werden können, hätten sie in die Auflistung der Anlagen 1 oder 2 aufgenommen werden müssen. Dies wird auch vom Kläger bestätigt, wenn er angibt, dass einige der von der Beklagten benannten, bereits bei Abschluss der Kundenschutzvereinbarung für sie tätigen „externen Vertriebler“ als „Kunden“ in den Anlagen auftauchen. Die Fallgestaltung des Ankaufs durch Drittfirmen unterscheidet sich nicht von anderen, zuvor nicht vom Kläger als Neukunden geworbenen Kunden. Der Umstand, dass diese Drittfirmen ihrerseits die Etiketten an Bestandskunden des Klägers weiterveräußern, entfernt sich zu weit von dem auch nach dem Gesetz für eine Provisionspflichtigkeit vorausgesetzten direkten Geschäftsabschluss zwischen dem Unternehmer und dem vom provisionsberechtigten Arbeitnehmer gewonnenen Kunden, als dass hierzu eine explizite Regelung in einer Kundenschutzvereinbarung zu erwarten wäre.
Von einem Umgehungsgeschäft, ohne dessen Erfassung die Kundenschutzvereinbarung „leer liefe“ kann auch deshalb nicht gesprochen werden, weil nicht erkennbar ist, dass die Konstellation des Weiterverkaufs mit Blick auf eine Belieferung des geschützten Endkunden von der Beklagten initiiert worden wäre. Denn darauf, was ihre Kunden (hier die Firma F…) mit der erworbenen Ware tun, hat die Beklagte als Erstverkäufer in aller Regel gar keinen Einfluss. Und eine echte Gefahr für den mit der Kundenschutzvereinbarung verfolgten Zweck wäre allenfalls erkennbar, wenn eine ins Gewicht fallende Umstellung des Vertriebssystems hin zu einem Weiterverkauf durch Drittfirmen festzustellen wäre. Hier hat der Kläger jedoch nur Einzelfälle eines Weiterverkaufs durch die Firma F… an geschützte Kunden angeführt. Diese Einzelfälle schmälern den Jahres-Provisionsverdienst des Klägers nicht so wesentlich, dass von einer rechtserheblichen Störung der Provisionsvereinbarung der Parteien auszugehen wäre.
(3) Ein Zweifelsschutz zugunsten des Klägers folgt nicht aus der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB. Denn bei der Kundenschutzvereinbarung handelt es sich nicht um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB. Nach übereinstimmendem Vortrag der Parteien wurde die Kundenschutzvereinbarung auf Betreiben des Klägers abgeschlossen. Der Inhalt stammte darüber hinaus aus seiner Sphäre. Der Text der Vereinbarung war daher von der Beklagten weder vorformuliert noch für eine Vielzahl von Verträgen vorgesehen im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB.
d) Einen Buchauszug kann der Kläger allerdings in Bezug auf eine etwaige Vermittlung von Geschäften mit „seinen“ Kunden laut Anlagen 1 und 2 – einschließlich D… und E… – durch die Firmen A… und B… verlangen. Denn bei einem von freien Handelsvertretern bzw. Handelsagenturen vermittelten Geschäft zwischen der Beklagten und Kunden laut Anlagen 1 und 2 der Kundenschutzvereinbarung ist eine Provision an den Kläger im vereinbarten Umfang zu zahlen.
aa) Die Kunden D… und E… gehören zu den laut Anlage 1 der Kundenschutzvereinbarung geschützten Bestandskunden des Klägers.
bb) Dieser Schutz des Klägers auch bei einem Einsatz von Handelsvertretern ergibt sich allerdings nicht unmittelbar aus der zwischen den Parteien abgeschlossenen Vereinbarung.
Wie oben (s. Ziffer 2. c) cc) (1) der Gründe) bereits ausgeführt, wird in der Vereinbarung ausschließlich von einem Schutz gegenüber der Vermittlung anderer „Mitarbeiter“ gesprochen. Gemeint sind ausschließlich Mitarbeiter der Beklagten, wobei sowohl Außendienstmitarbeiter in Betracht kommen als auch Innendienstmitarbeiter bei entsprechenden Nachbestellungen. Abwegig erscheint es, im Sinne des Klägers davon auszugehen, der Begriff „Mitarbeiter“ sei weit zu verstehen und erfasse auch freie Handelsvertreter. Gegen ein solches Verständnis spricht der Anlass der Vereinbarung und auch der Umstand, dass nach Darstellung des Klägers zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung keine freien Handelsvertreter für die Beklagte tätig waren. Vor diesem Hintergrund wäre es widersprüchlich, wenn der Kläger, aus dessen Sphäre der Text der Vereinbarung stammt, mit dem Wort „Mitarbeiter“ auch freie Handelsvertreter hätte umfasst wissen wollen.
Dass nur ein Schutz vor der Vermittlung durch andere Mitarbeiter bezweckt war, klingt auch in Ziffer II. Absatz 2 der Vereinbarung an. Dort hat sich die Beklagte verpflichtet, die Mitarbeiter, die zukünftig solche Gebiete betreuen, in denen Bestandskunden des Klägers ihren Firmensitz haben, von der zugunsten des Klägers eingeräumten Kundenschutzklausel in Kenntnis zu setzen. Hätte ein umfassenderer Schutz auch vor dem Einsatz freier Mitarbeiter eingeräumt werden sollen, hätte es nahegelegen, entsprechende Verpflichtungen der Beklagten an dieser Stelle aufzunehmen. Dies haben die Parteien jedoch unterlassen.
cc) Nach Auffassung der Kammer ergibt sich ein Schutz des Klägers im Sinne einer Provisionspflichtigkeit auch für solche Geschäfte mit geschützten Bestandskunden, die durch Vermittlung von externen Handelsvertretern zustande kommen, aus der gesetzlichen Ausgestaltung der Vermittlungsprovision, jedenfalls aber aus ergänzender Vertragsauslegung.
Zu beachten ist, dass das Gesetz in § 87 Abs. 1 HGB bei einer hier auch zwischen den Parteien vereinbarten Vermittlungsprovision auch sogenannte „Geschäfte der gleichen Art“ als provisionspflichtig ansieht. Provisionspflichtig sind daher auch solche Geschäfte, die nicht unmittelbar auf die Tätigkeit des Vertreters zurückzuführen sind, die aber mit Kunden abgeschlossen werden, die der Vertreter als Kunden für Geschäfte der gleichen Art geworben hat, § 87 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. HGB. Das Gesetz enthält in § 87 Abs. 1 HGB einen gesetzlichen Kundenschutz zugunsten des Provisionsberechtigten (ErfK-Oetker, 21. Auflage 2021, § 87 HGB Rn. 11). Sinn der gesetzlichen Regelung ist, dass solche Geschäfte provisionspflichtig sein sollen, bei denen die bei der Werbung des Kunden entfaltete Tätigkeit des Vertreters jedenfalls mitwirkt (ErfK-Oetker aaO. § 87 HGB Rn. 12). Über § 65 HGB findet § 87 Abs. 1 HGB auch auf Handlungsgehilfen Anwendung.
Dieser gesetzliche Umfang einer Vermittlungsprovision führt dazu, dass die Beklagte dann provisionspflichtig ist, wenn sie mit vom Kläger geworbenen Kunden einen Geschäftsabschluss tätigt. Die Mitursächlichkeit der Werbung des Kunden durch den Kläger lässt „Geschäfte der gleichen Art“ auch ohne eine auf den konkreten Geschäftsabschluss bezogene Tätigkeit des Klägers provisionspflichtig werden. Die Mitursächlichkeit der klägerischen Kundenwerbung ist bezogen auf sämtliche Bestandskunden laut Anlagen 1 und 2 der Kundenschutzvereinbarung gegeben. Bei einem Geschäftsabschluss der Beklagten mit diesen Kunden wirkt die ursprüngliche Kundenwerbung des Klägers noch nach. Dem entspricht es, das die Beklagte stets auch bei Nachbestellungen von durch den Kläger zugeführten Kunden eine Provision an den Kläger gezahlt hat und auch weiterhin zahlt. Zwar ist es der Beklagten nicht untersagt, Geschäfte unmittelbar mit Kunden des Klägers – ggf. nach Vermittlung durch freie Handelsvertreter oder Handelsagenturen – abzuschließen. Die gesetzliche Regelung in § 87 Abs. 1 HGB führt jedoch dazu, dass sie für diese „Geschäfte der gleichen Art“ dem Kläger die vereinbarte Provision schuldet.
Zwar kann der umfassende Kundenschutz aus § 87 Abs. 1 HGB abbedungen werden (ErfK-Oetker, 21. Auflage 2021, § 87 HGB Rn. 11). Ein expliziter Ausschluss einer Provisionspflicht von Geschäftsabschlüssen zwischen der Beklagten und Bestandskunden des Klägers bei einer Vermittlung durch freie Handelsvertreter ist der Vereinbarung jedoch nicht zu entnehmen. Für einen solchen Ausschluss reicht es nicht, dass die Parteien in ihrer Vereinbarung nach dem zuvor unter aa) Ausgeführten nur die Vermittlung von Geschäften durch andere Mitarbeiter der Beklagten im Blick hatten. Das Abbedingen einer gesetzlich vorgesehenen Provisionspflichtigkeit hätte ausdrücklich geregelt werden müssen.
Selbst wenn zugunsten der Beklagten unterstellt würde, dass sich der Umfang der Provisionspflicht in Bezug auf die Kunden laut Anlagen 1 und 2 nicht bereits aus dem Gesetz ergibt, folgt die Erfassung auch von Vermittlungsgeschäften durch freie Handelsvertreter bei Bestandskunden jedenfalls aus den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung. Unter Anwendung der oben (s. Ziffer 2. c) cc) (2) der Gründe) dargestellten Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung ergibt sich, dass die Parteien für den von ihnen zugunsten des Klägers bezweckten Schutz auch die Fallgestaltung einer Vermittlung von Geschäften durch freie Handelsvertreter geregelt hätten, wenn sie diese Fallgestaltung bei Abschluss der Vereinbarung bedacht hätten. Auch bei einer Vermittlung durch freie Handelsvertreter findet der für eine Provisionszahlung ausschlaggebende Geschäftsabschluss direkt zwischen der Beklagten und dem vom Kläger geworbenen Bestandskunden statt. Anders als bei einem Weiterverkauf durch nicht vom Kläger geworbene Drittfirmen nimmt die Beklagte bei der Einschaltung von freien Handelsvertretern unmittelbar Einfluss auf das Geschäft mit dem Bestandskunden des Klägers. Mit der Auffassung des Erstgerichts liegt hier ein Umgehungsgeschäft vor. Mit Einschaltung eines Handelsvertreters zur Vermittlung von Geschäften mit Bestandskunden des Klägers umgeht die Beklagte aktiv den mit dem Kläger vereinbarten Kundenschutz. Würde bei einem solchen Umgehungsgeschäft keine Provision fällig, widerspräche dies dem in § 87 Abs. 1 HGB vom Gesetzgeber vorgesehenen Kundenschutz. Unter Berücksichtigung der Interessenlage und dieses gesetzlichen Leitbilds hätten die Parteien bei Abschluss der Kundenschutzvereinbarung die Fallgestaltung einer Vermittlung von Geschäftsabschlüssen mit Bestandskunden durch freie Handelsvertreter bzw. Handelsagenturen in ihre Vereinbarung mit aufgenommen. Da für dieses lückenfüllende Auslegungsergebnis der gesetzliche Umfang der Vermittlungsprovision ausschlaggebend ist, kommt es nach Auffassung der Kammer nicht entscheidend darauf an, ob zum Zeitpunkt des Abschlusses der Kundenschutzvereinbarung bereits freie Handelsvertreter für die Beklagte tätig waren oder nicht.
e) Der Kläger kann allerdings keinen Buchauszug verlangen, soweit er sich ausschließlich auf das in Ziffer IV. der Kundenschutzvereinbarung zugewiesene Vertragsgebiet beruft und auch solche Geschäfte erfasst sehen will, die mit vom Kläger nicht geworbenen Kunden in seinem Postleitzahlengebiet abgeschlossen werden. Da die Parteien nach Auffassung der Kammer keinen Bezirksschutz nach § 87 Abs. 2 HGB vereinbart haben, kann der Kläger keine Provision beanspruchen, wenn ohne sein Zutun bzw. ohne sein Anwerben mit Firmen in seinem Vertragsgebiet Geschäfte über Etiketten zustande kommen. Ist ein wenigstens mitursächliches Tätigwerden des Klägers in Bezug auf Neukunden im Vertragsgebiet nicht ersichtlich, kann dahinstehen, auf welche Weise (Einsatz von weiterverkaufenden Drittfirmen, Einsatz von freien Handelsvertretern oder Vermittlung durch andere Außendienstler der Beklagten) das Geschäft zustande kommt.
aa) Die Parteien haben keine Bezirksprovision im Sinne des § 87 Abs. 2 HGB vereinbart. Nach dieser Vorschrift hat ein Handelsvertreter Anspruch auf Provision auch für die Geschäfte, die ohne seine Mitwirkung mit Personen seines Bezirkes während des Vertragsverhältnisses abgeschlossen sind, wenn ihm ein bestimmter Bezirk zugewiesen ist.
Eine derartige Bezirksprovision kann der Kläger nicht bereits deshalb beanspruchen, weil ihm nach Ziffer IV. der Kundenschutzvereinbarung ein nach Postleitzahlen konkretisiertes Vertragsgebiet zugewiesen wurde. Denn der Kläger ist kein selbstständiger Handelsvertreter, sondern Arbeitnehmer der Beklagten. Die Regelung des § 87 Abs. 2 HGB für Handelsvertreter gilt nicht für Arbeitsverhältnisse. § 65 HGB nimmt Bezug nur auf § 87 Abs. 1 und 3 sowie auf §§ 87a bis 87c HGB, nicht jedoch auf § 87 Abs. 2 HGB. Das bedeutet, dass beim Arbeitnehmer – anders als beim Handelsvertreter – die Zuweisung eines bestimmten Bezirks allein nicht zum Entstehen eines Anspruchs auf Bezirksprovision führt. Hierzu sind weitere Abreden erforderlich. Bei einem Arbeitnehmer setzt ein Anspruch auf Bezirksprovision voraus, dass neben der Zuweisung des Bezirks eine Provisionsvereinbarung hinsichtlich der Zahlung einer Bezirksprovision getroffen wird (LAG Rheinland-Pfalz 12.01.2012 – 10 Sa 419/11, zu II.2 der Gründe; LAG Hamm 01.10.1991 – 15 Sa 605/91 unter Berufung auf BAG 13.12.1965 – 3 AZR 446/64).
bb) Vorliegend ergibt sich, dass dem Kläger keine Bezirksprovision im Sinne des § 87 Abs. 2 HGB zugesagt wurde. Vielmehr haben die Parteien – nach der zuvor auf das gesamte Bundesgebiet bezogenen Tätigkeit des Klägers – in Ziffer IV. der Vereinbarung lediglich das Vertragsgebiet auf das neue, nach Postleitzahlen zugeschnittene Gebiet verengt, ohne an der vereinbarten Vermittlungsprovision etwas zu ändern.
Dies ergibt sich zum einen daraus, dass die Parteien in Ziffer I. der Vereinbarung ausdrücklich davon ausgehen, dass die Zuordnung der Gebiete zu einer „räumlichen Beschränkung der Tätigkeit des Mitarbeiters führen wird“. Gerade zur Kompensation dieser räumlichen Beschränkung sollte dem Kläger der in Ziffer II. und III. der Vereinbarung geregelte Bestandskundenschutz zukommen. Zum anderen haben die Parteien in Ziffer IV. Absatz 4 niedergelegt, dass es in Bezug auf die Provisionszahlungen bei den „bisherigen Regelungen“ bleiben soll – und zwar nicht nur in Bezug auf die bisherigen Kunden laut Anlagen 1 und 2, sondern auch „bezüglich der neu zu akquirierenden Kunden im oben genannten Vertragsgebiet“. Eine Abkehr von der zwischen den Parteien vereinbarten Vermittlungsprovision für vom Kläger zuzuführende Neukunden haben die Parteien ersichtlich nicht vereinbaren wollen.
Auch aus dem Wort „exklusiv“ folgt nicht ohne weiteres die Vereinbarung eines Bezirksschutzes im Sinne des § 87 Abs. 2 HGB. Zwar gibt es Rechtsprechung, die besagt, dass es sich in der Regel um einen Bezirksschutz im Sinne von § 87 Abs. 2 HGB handelt, wenn dem Handelsvertreter in einer Vertriebsvereinbarung ein bestimmtes Gebiet „exklusiv“ zugewiesen wird (OLG Karlsruhe 06.11.2014 – 9 U 58/14, Leitsatz 1). Die zitierte Entscheidung betraf jedoch einen Handelsvertreter, auf den § 87 Abs. 2 HGB unmittelbar Anwendung findet. Wie aufgezeigt findet § 87 Abs. 2 HGB nach der gesetzlichen Verweisung in § 65 HGB auf Arbeitnehmer gerade keine direkte Anwendung (s. ErfK-Oetker, 21. Auflage 2021, § 87 HGB Rn. 15). Für die Annahme einer gesondert zu vereinbarenden Bezirksprovision sind daher höhere Anforderungen zu stellen als die bloße Aufnahme des Wortes „exklusiv“. Zudem lag der zitierten Entscheidung des OLG Karlsruhe eine Fallgestaltung zugrunde, in welchem in der maßgeblichen Vertriebsvereinbarung nicht nur das Wort „exklusiv“ auftauchte, sondern zusätzlich geregelt war, dass das Verkaufsgebiet „somit in jedem Fall verprovisionierungspflichtig“ sein sollte. Eine solche Formulierung fehlt im Text der Kundenschutzvereinbarung vom 29.01.2010. Davon abgesehen lässt sich das Wort „exklusiv“ ohne weiteres als bloßer Hinweis auf die Exklusivität der zugewiesenen Vertragsgebiete im Verhältnis der Außendienstler zueinander verstehen. Durch die Aufteilung des Bundesgebiets in die neuen Vertriebsgebiete sollten die Außendienstler jeweils exklusiv – im Sinne von alleine – die Berechtigung erhalten, Neukunden in ihrem Vertragsgebiet zu werben.
Für die Vereinbarung eines Bezirksschutzes im Sinne von § 87 Abs. 2 HGB kann der Kläger auch nicht erfolgreich anführen, dass nach Abschluss der Kundenschutzvereinbarung für Geschäfte mit Neukunden in seinem Postleitzahlengebiet Provisionen an ihn geflossen sind. Nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten handelte es sich hierbei um vom Kläger vermittelte Geschäfte. Diese Handhabung entspricht jedoch gerade der zwischen den Parteien vereinbarten Vermittlungsprovision und ist daher kein Indiz für das Vorliegen eines Bezirksschutzes im Sinne von § 87 Abs. 2 HGB. Eine Zahlung von Provisionen an den Kläger auch für Geschäfte mit nicht von ihm geworbenen Kunden seines Vertragsgebiets behauptet auch der Kläger nicht.
Das Argument des Klägers, die Provisionsvereinbarung zwischen den Parteien sei durch die Neuzuordnung des Vertragsgebiets in Ziffer IV. nicht aufgehoben worden, verfängt ebenfalls nicht. Die Nicht-Aufhebung der Provisionsvereinbarung allein führt nicht zu der Vereinbarung einer Bezirksprovision. Vielmehr hätte es gerade einer neuen Provisionsvereinbarung bedurft, um im Vertragsgebiet nicht die zuvor vereinbarte Vermittlungsprovision fortgelten zu lassen, sondern eine Bezirksprovision im Sinn des § 87 Abs. 2 HGB neu zu vereinbaren. An einer solchen neuen Provisionsvereinbarung fehlt es jedoch. Vielmehr haben die Parteien am Ende der Ziffer IV. ausdrücklich vereinbart, dass es bei den bisherigen Regelungen zur Provisionszahlung bleiben soll.
3. Einen Auskunftsanspruch hat der Kläger nach dem Vorstehenden ebenfalls nur in Bezug auf die Vermittlung von Geschäften mit den Kunden D… und E… durch die Firmen A… und B…, nicht jedoch bezogen auf den Weiterverkauf durch die Firma F….
a) Auch der Auskunftsanspruch nach § 87c Abs. 3 HGB ist ein Hilfsanspruch zur Durchsetzung des Provisionsanspruchs. Der Handelsvertreter bzw. der kaufmännische Angestellte, der Anspruch auf eine Provision hat, kann neben der Provisionsabrechnung und dem Buchauszug vom Unternehmer Mitteilung über alle Umstände verlangen, die für den Provisionsanspruch, seine Fälligkeit und dessen Berechnung wesentlich sind (Baumbach/Hopt, HGB, 40. Auflage 2021, § 87c Rn. 23). Zwischen den Ansprüchen auf Erteilung eines Buchauszugs und demjenigen auf Auskunftserteilung besteht keine zwingend vorgegebene Reihenfolge. Sie können daher nebeneinander geltend gemacht werden. Der Auskunftsanspruch ist nicht nachrangig (LAG Hessen 30.11.2015 – 10 Ta 328/15, Rn. 25; Baumbach/Hopt aaO. § 87c Rn. 23).
b) Der Auskunftsanspruch des Klägers besteht bezogen auf solche Geschäfte, die zwischen der Beklagten und Bestandskunden des Klägers zustande kommen, auch wenn diese Geschäfte durch Einschaltung von externen Handelsvertretern oder Handelsagenturen zustande kommen. Auf die obigen Ausführungen in Ziffer 2. d) der Entscheidungsgründe wird verwiesen. Voraussetzung ist stets ein unmittelbarer Geschäftsabschluss zwischen Bestandskunde (hier D… und E…) und provisionspflichtigem Unternehmen (Beklagte). Genau hierzu verlangt der Kläger die in seinem Antrag zu 2) bezeichneten Informationen.
c) Keinen Auskunftsanspruch hat der Kläger jedoch bezogen auf die Kaufgeschäfte der Firma F…, da es hier an einem unmittelbaren Geschäftsabschluss zwischen der Beklagten und Bestandskunden des Klägers fehlt. Auf die Ausführungen in Ziffer 2. c) der Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
4. Die Widerklage ist zulässig.
Auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts zur Zulässigkeit der sogenannten „Elementenfeststellungsklage“ wird verwiesen.
Die im Termin zur Verhandlung vor der Kammer erfolgte Schärfung der Feststellungsanträge zu 1 und 2 erfolgte auf Anraten des Gerichts. An der Zulässigkeit dieser sachdienlichen Konkretisierung bestehen nach §§ 533 Nr. 1, 264 Nr. 2 ZPO keine Bedenken.
5. Die Widerklage ist nur teilweise begründet.
a) Mit ihrem Widerklageantrag zu 1) bleibt die Beklagte ohne Erfolg. Denn die Kundenschutzvereinbarung bezieht sich nicht nur auf Vermittlungsgeschäfte, die durch Arbeitnehmer der Beklagten mit den gemäß Anlage 1 und 2 der Kundenschutzvereinbarung geschützten Kunden des Klägers getätigt werden. Vielmehr werden – wie in Ziffer 2. d) der Entscheidungsgründe dargelegt – von der Kundenschutzvereinbarung auch solche Geschäfte erfasst, die nach Vermittlung durch externe Handelsvertreter oder Handelsagenturen unmittelbar zwischen der Beklagten und Bestandskunden des Klägers zustande kommen.
b) Mit ihrem Widerklageantrag zu 2) begehrt die Beklagte zu Recht die Feststellung, dass zu Gunsten des Klägers kein Bezirksschutz für das mit den Postleitzahlen aufgeführte Vertragsgebiet gemäß Ziffer IV. der Kundenschutzvereinbarung besteht. Einen Bezirksschutz im Sinne einer Bezirksprovision nach § 87 Abs. 2 HGB haben die Parteien nicht vereinbart. Auf die obigen Ausführungen in Ziffer 2. e) der Entscheidungsgründe wird verwiesen.
c) Der Hilfsantrag (Widerklageantrag zu 3) ist wegen des Obsiegens der Beklagten mit ihrem Widerklageantrag zu 2) nicht zur Entscheidung angefallen.
III. Die Kostenentscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.
Die Kosten des Berufungsverfahrens waren verhältnismäßig zu teilen. Die Berufung der Beklagten hatte nur teilweise Erfolg. In Bezug auf die Feststellung eines nicht bestehenden Bezirksschutzes in Ziffer IV. war die Beklagte mit ihrem Rechtsmittel erfolgreich. In Bezug auf die Reichweite des Bestandskundenschutzes nach den Ziffern II. und III. der Kundenschutzvereinbarung und in Bezug auf die darauf gestützten Auskunfts- und Buchauszugsansprüche hatte die Berufung der Beklagten nur teilweise Erfolg. Denn entsprechende Ansprüche des Klägers bestehen nur bei der Fallgestaltung einer Vermittlung von Geschäften mit Bestandskunden, nicht jedoch bei einem Weiterverkauf. Eine Kostenquotelung von 60 % zulasten des Klägers und 40 % zulasten der Beklagten erscheint daher angemessen.
Die Kostenentscheidung in Bezug auf die erstinstanzlichen Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
IV. Anlass für die Zulassung der Revision bestand nicht. Die Entscheidung erschöpft sich in der Auslegung der Kundenschutzvereinbarung unter Anwendung allgemein anerkannter Auslegungsmaßstäbe.


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