Aktenzeichen M 12 K 16.2386
BayBeamtVG BayBeamtVG Art. 7 Abs. 2 S. 1 – 3, Art. 8 Abs. 1 S. 1, Art. 10 Abs. 2, Art. 84 Abs. 4, Art. 85 Abs. 1, Abs. 2 , Art. 114
BeamtVG BeamtVG § 55 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, § 57, § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 2
BGB BGB § 195, § 199 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4, § 242, § 818, § 819, § 820, § 1587b
AGBGB Art. 71 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2, S. 3
Leitsatz
1. Einer Berufung auf Wegfall der Bereicherung bei Rückforderung von Versorgungsbezügen steht sowohl ein den Ruhensvorschriften gesetzesimmanenter Vorbehalt (BayVGH BeckRS 1999, 26034), als auch ein ausdrücklicher Vorbehalt entgegen, wenn im Bescheid auf die Anlage “Vorbehalte und Anzeigepflichten” verwiesen wird. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Kenntnis für die dreijährige Erlöschensfrist iSv Art. 71 Abs. 1 S. 3 AGBGB setzt voraus, dass die Angaben des Versorgungsempfängers so konkret sind, dass die Behörde den Sachverhalt überprüfen, über die Anwendung der Ruhensregelungen entscheiden und hieran Rechtsfolgen, insbesondere die Kürzung der Versorgungsbezüge, knüpfen kann (ebenso BGH BeckRS 2013, 06617). (redaktioneller Leitsatz)
3. Von einer Kenntnis der Behörde in diesem Sinn kann nicht ausgegangen werden, wenn der Versorgungsempfänger der Behörde gegenüber erklärt, er habe einen Rentenantrag gestellt oder aber wenn der Behörde das Scheidungsurteil zur Kenntnis gegeben wird, da darin weder klar zum Ausdruck kommt, ab wann die Rente bezogen wird, noch in welcher Höhe sie im Zeitpunkt des Erstbezugs ausgezahlt wird; Kenntnis liegt erst mit Übersendung des Rentenbescheids vor. (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Behörde trifft keine Verpflichtung, das Bestehen eines etwaigen Rentenanspruchs von Amts wegen zu prüfen; die Behörde darf sich aufgrund der dem Versorgungsempfänger durch die Ruhensvorschriften gesetzlich eindeutig auferlegten Anzeigepflichten bei der Organisation und Gestaltung ihrer Arbeitsabläufe eines sogenannten “Massengeschäfts” an der Erwartung ausrichten, dass dieser seinen Pflichten nachkommt. (redaktioneller Leitsatz)
5. Auch bei der Billigkeitsabwägung kann sich der Versorgungsempfänger aufgrund seiner Mitteilungspflicht nicht auf ein Mitverschulden der Behörde mangels automatischen Datenaustauschs mit der gesetzlichen Rentenversicherung berufen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 27. Oktober 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 2. Mai 2016 in der Gestalt, die er in der mündlichen Verhandlung gefunden hat, ist rechtmäßig und verletzt der Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Rechtsgrundlage für die Rückforderung der Versorgungsbezüge ist Art. 7 Abs. 2 des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes (BayBeamtVG) i. V. m. §§ 818 ff. BGB.
a) Es wurden Versorgungsbezüge (Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 BayBeamtVG) überbezahlt i. S. d. Art. 7 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG. Versorgungsbezüge sind „zu viel gezahlt“ in diesem Sinne, wenn sie ohne rechtlichen Grund gezahlt wurden (vgl. BayVGH, B. v. 14.2.2011 – 14 B 10.567 – juris Rn. 23, zum BBesG). Nach Art. 85 Abs. 1 BayBeamtVG werden Versorgungsbezüge neben Renten nur bis zum Erreichen der sich aus Art. 85 Abs. 2 BayBeamtVG ergebenden Höchstgrenze gezahlt. Als Renten gelten gem. Art. 85 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayBeamtVG Renten der gesetzlichen Rentenversicherungen. Vor Inkrafttreten des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes ergibt sich aus § 55 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) in der jeweils gültigen Fassung nichts anderes. Die dem Kläger mit Bescheid vom 27. Oktober 2004 seit 1. November 2004 bewilligte Rente der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet im vorliegenden Fall in voller Höhe die maßgebliche Höchstgrenze. Da zwischen dem 1. November 2004 und dem 1. März 2015 die jeweiligen Rentenzahlungen der gesetzlichen Rentenversicherung nicht berücksichtigt wurden, wurden die Versorgungsbezüge des Klägers falsch berechnet und über die Höchstgrenze des Art. 85 Abs. 2 BayBeamtVG bzw. des § 55 Abs. 2 BeamtVG hinaus ausbezahlt. Hierdurch ergab sich in der Zeit vom 1. November 2005 bis 28. Februar 2015 eine ohne rechtlichen Grund geleistete Überzahlung i. H. v. insgesamt 21.936,20 €. Die Höhe der Überzahlung ergibt sich durch Addition der von der Deutschen Rentenversicherung für den Zeitraum vom 1. November 2005 bis 28. Februar 2015 gezahlten monatlichen Rentenbeträge. Berechnungsfehler sind weder ersichtlich noch vorgetragen worden.
b) Der Kläger ist nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG i.V.m. § 818 Abs. 1 BGB zur Rückzahlung des überzahlten Betrags i. H. v. 21.936,20 € verpflichtet. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Kläger entreichert i. S. d. § 818 Abs. 3 BGB ist. Denn der Beklagte hat vorliegend unabhängig vom Wegfall der Bereicherung des Klägers einen Anspruch auf Rückzahlung der überzahlten Bezüge.
Der Kläger haftet verschärft nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG i. V. m. §§ 818 Abs. 4, 820 Abs. 1 BGB und kann sich somit nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Denn die Überzahlungen wurden unter dem Vorbehalt der Rückforderung bzw. Rückzahlung geleistet.
Nach §§ 818 Abs. 4, 820 Abs. 1 Satz 2 BGB haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften, wenn die Leistung aus einem Rechtsgrund, dessen Wegfall nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als möglich angesehen wurde, erfolgt ist und der Rechtsgrund wegfällt. Diese Norm umfasst auch den Fall einer Überzahlung von unter Vorbehalt gezahlten Versorgungsbezügen (vgl. BayVGH, B. v. 31.3.2011 – 3 CS 11.165 – juris Rn. 21). Der Ruhegehaltsfestsetzung und der Zahlung von Versorgungsbezügen ist hinsichtlich der Ruhensvorschriften ein gesetzlicher Vorbehalt immanent. Auch ohne dass es eines ausdrücklichen Vorbehalts bedarf, stehen Zahlungen, für die – wie hier – aufgrund der Ruhensvorschriften rückwirkend eine Anrechnung von Einkommen in Betracht kommt, unter dem immanenten Vorbehalt der Rückforderung (vgl. BayVGH, B. v. 31.3.2011 – 3 CS 11.165 – juris Rn. 21; BayVGH v. 27.10.1999 – 3 B 96.3205 – juris Rn. 16, jeweils zum BeamtVG). Unabhängig von dem immanenten Vorbehalt wurden die Zahlungen an den Kläger auch ausdrücklich unter den Vorbehalt der Rückforderung gestellt. Im Bescheid vom 13. September 2004 wird ausdrücklich auf die Anlage „Vorbehalte und Anzeigepflichten“ verwiesen, die zum Bestandteil des Bescheids erklärt wurde. Dies führt zur verschärften Haftung nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG i. V. m. §§ 818 Abs. 4, 820 Abs. 1 BGB, so dass sich der Kläger nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann.
c) Der Rückforderungsanspruch ist im streitgegenständlichen Zeitraum auch nicht verjährt, unabhängig davon, ob der Rückforderungsanspruch vor dem 1. Januar 2011 entstanden ist.
Wann der Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Versorgungsbezüge wegen deren Zusammentreffen mit einer Altersrente aufgrund der Ruhensregelung entsteht, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten.
aa) Nach einer Ansicht entsteht der Anspruch mit der Überzahlung im jeweiligen Auszahlungsmonat, ohne dass es hierfür eines Ruhensbescheids bedarf (vgl. OVG Saarland, B. v. 29.4.2015 – 1 A 307/14 – juris). Danach wäre der streitgegenständliche Rückforderungsanspruch jedenfalls teilweise vor dem Inkrafttreten des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes zum 1. Januar 2011 entstanden.
Hat die regelmäßige Verjährungsfrist von Ansprüchen auf Versorgungsbezüge und auf Rückforderung zu viel gezahlter Versorgungsbezüge, die vor Inkrafttreten des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes entstanden sind, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes noch nicht begonnen, wird die Frist gem. Art. 114 Satz 1 Hs. 1 BayBeamtVG nach Art. 8 BayBeamtVG vom 1. Januar 2011 an berechnet; die Verjährung tritt spätestens mit Ablauf der bisherigen Höchstfrist, die ohne Rücksicht auf Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis begonnen hat, ein (Art. 114 Satz 1 Hs. 2 BayBeamtVG). Hat die Verjährungsfrist vor dem 31. Dezember 2010 begonnen, ist für den Fristablauf gem. Art. 114 Satz 2 BayBeamtVG das zum 31. Dezember 2010 geltende Recht maßgebend.
Art. 114 BayBeamtVG enthält eine Übergangsvorschrift für alle vor dem 1. Januar 2011 entstandenen versorgungsrechtlichen Ansprüche. Aufgrund der durch Art. 8 BayBeamtVG kenntnisunabhängigen Ausgestaltung des Verjährungsbeginns ist eine Übergangsregelung erforderlich, wenn die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist von Ansprüchen (§ 195 BGB), die vor Inkrafttreten des BayBeamtVG entstanden sind (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB), mangels Vorliegens der subjektiven Voraussetzungen (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB) noch nicht begonnen hat. Dann beginnt die Verjährungsfrist nach Art. 8 BayBeamtVG kenntnisunabhängig am 1. Januar 2011. Hat die ebenfalls kenntnisunabhängige Höchstfrist nach dem bisherigen Recht (§ 199 Abs. 4 BGB) bereits begonnen, so verjähren die Ansprüche spätestens mit Ablauf dieser Frist. Hat die Verjährungsfrist dagegen vor dem 31. Dezember 2010 begonnen, so ist das bis zum 31. Dezember 2010 geltende Recht anzuwenden (vgl. LT-Drs. 16/3200 S. 535).
Nach früherer Rechtslage war allerdings umstritten, ob auf versorgungsrechtliche Ansprüche die §§ 194 ff. BGB entsprechend anwendbar waren oder ob diesen die Erlöschensvorschrift des Art. 71 AGBGB vorging (Kazmaier/Schilder in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht, Art. 8 BayBeamtVG Rn. 2). Art. 71 AGBGB wurde dabei jedenfalls auf Rückforderungsansprüche des Dienstherrn für anwendbar gehalten (vgl. BayVGH, B. v. 26.11.2008 – 3 BV 07.1268 – juris Rn. 18). Da vor dem 1. Januar 2011 entstandene Rückforderungsansprüche des Dienstherrn somit nach Art. 71 AGBGB erlöschen, ist Art. 114 BayBeamtVG so zu lesen, dass an die Stelle der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist die regelmäßige dreijährige Erlöschensfrist des Art. 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGBGB tritt (Kazmaier/Schilder a. a. O. Art. 114 BayBeamtVG Rn. 7). In der Sache ergeben sich dabei keine Unterschiede (vgl. BayVGH, B. v. 24.9.2015 – 3 ZB 12.2556 – juris).
Vorliegend hat die regelmäßige Erlöschensfrist des Art. 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGBGB mangels Vorliegens der subjektiven Voraussetzungen (Art. 71 Abs. 1 Satz 2 AGBGB) nicht vor dem 31. Dezember 2010 begonnen, so dass sich die Verjährung des Rückzahlungsanspruchs nicht nach Art. 114 Satz 2 BayBeamtVG, sondern nach Art. 114 Satz 1 BayBeamtVG richtet:
Nach Art. 71 Abs. 1 Satz 2 AGBGB beginnt die dreijährige Erlöschensfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Berechtigte von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Verpflichteten Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, jedoch nicht vor dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Nach Art. 71 Abs. 1 Satz 3 AGBGB ist hierfür die Kenntnis der zuständigen Behörde erforderlich, vorliegend die des Landesamts für Finanzen (vgl. BayVGH, B. v. 26.11.2008 – 3 BV 07.1268 – juris Rn. 19). Dieses hat jedoch erst durch das Schreiben des Klägers vom 18. Februar 2015, mit dem dieser den Rentenbescheid vom 27. Oktober 2004 vorgelegt hat, definitiv Kenntnis von allen anspruchsbegründenden Tatsachen erhalten, da nur aus diesem sowohl der genaue Zeitpunkt, ab dem dem Kläger eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bewilligt worden ist (1. November 2004), als auch die konkrete Höhe der von dem Kläger ab diesem Datum bezogenen Altersrente (121,23 €) entnommen werden konnten. Die Angaben müssen so konkret sein, dass die Behörde den Sachverhalt überprüfen, über die Anwendung der Ruhensregelungen entscheiden und hieran Rechtsfolgen – insbesondere die Kürzung der Versorgungsbezüge – knüpfen kann (vgl. BGH, B. v. 21.2.2013 – 1 StR 633/12 – juris Rn. 32). Dass der Kläger im Rahmen der Erklärung über den Rentenbezug vom … August 2004 an das Landesamt für Finanzen angab, einen Rentenantrag gestellt zu haben, führt daher nicht zur Kenntnis des Landesamtes für Finanzen. Genauso verhält es sich mit der Übertragung von Rentenanwartschaften im Scheidungsurteil des AG … vom … Dezember 1987. Durch das Urteil war weder klar, ab wann eine Rente bezogen wird, noch in welcher Höhe die Rente im Zeitpunkt des Erstbezugs ausgezahlt wird. Erst mit der Übersendung des Rentenbescheids wurde das Landesamt für Finanzen in die Lage versetzt, eine konkrete Ruhensberechnung nach § 55 BeamtVG (Art. 85 BayBeamtVG) vorzunehmen, um überprüfen zu können, ob die vom Kläger bezogene Altersrente zusammen mit den Versorgungsbezügen die Höchstgrenze des § 55 Abs. 2 BeamtVG (Art. 85 Abs. 2 BayBeamtVG) übersteigt, um überzahlte Versorgungsbezüge ggf. zurückzufordern.
Dem Beklagten kann insoweit auch keine grob fahrlässige Unkenntnis vorgeworfen werden. Grob fahrlässige Unkenntnis i. S. d. Art. 71 Abs. 1 Satz 2 AGBGB liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden ist und der Gläubiger auch nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BGH, U. v. 27.9.2011 – VI ZR 135/10 – juris Rn. 10 zu § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Diesbezüglich ist es nicht als grob fahrlässig zu werten, wenn es das Landesamt für Finanzen unterlassen hat, weitere Nachforschungen über etwaige Rentenansprüche des Klägers, etwa durch nochmalige Nachfrage bei dem Kläger oder der Rentenversicherung, anzustellen. Den Beklagten trifft keine Verpflichtung, das Bestehen etwaiger Rentenansprüche von Amts wegen zu prüfen und ggf. Indizien hierfür nachzugehen (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 7.8.2013 – 5 LA 291/12 – juris Rn. 23; BayVGH, B. v. 24.9.2015 – a. a. O.). Vielmehr war der Kläger selbst nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG (Art. 10 Satz 1 BayBeamtVG) verpflichtet, den Bezug sowie jede Änderung von Renten i. S. d. § 55 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG (Art. 85 Abs. 1 Satz 2 BayBeamtVG), die zu einer Ruhensregelung führen, unverzüglich mitzuteilen (vgl. HessVGH, U. v. 18.4.2012 – 1 A 1522/11 – juris Rn. 39).
Demgemäß ist es nicht grob fahrlässig i. S. d. Art. 71 Abs. 1 Satz 2 AGBGB, dass der Beklagte im Folgenden darauf vertraut hat, dass dem Kläger seiner gesetzlichen Anzeigepflicht nachkommt. Damit wird nicht etwa ein grob fahrlässiges Verhalten des Beklagten dadurch kompensiert, dass der Kläger seinerseits grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist; vielmehr handelt der Beklagte nicht grob fahrlässig, wenn er sich darauf verlässt, dass der Kläger seine Pflichten einhält. Der Grad der von der Versorgungsbehörde anzuwendenden Sorgfalt hängt ebenso wie das Maß des Vorwurfs im Fall eines Sorgfaltspflichtverstoßes davon ab, welche Pflichten dem Versorgungsempfänger seinerseits obliegen. Gesetzliche Mitteilungspflichten des Versorgungsempfängers und Sorgfaltspflichten der Behörde stehen in Korrelation zueinander. Hinsichtlich der Ruhensvorschriften hat der Gesetzgeber den Versorgungsempfängern eindeutige Anzeigepflichten auferlegt. Angesichts dessen durfte das Landesamt für Finanzen seine Organisation und die Gestaltung seiner Arbeitsabläufe im Rahmen eines sog. „Massengeschäfts“ deshalb an der Erwartung ausrichten, dass der Kläger seinen Pflichten aus § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG (Art. 10 Abs. 2 BayBeamtVG) nachkommen wird (vgl. BayVGH, B. v. 24.9.2015 – a. a. O.; VG Frankfurt, U. v. 17.11.2011 – 9 K 1109/11.F – juris Rn. 15).
Nachdem die regelmäßige Erlöschensfrist des Art. 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGBGB somit nicht vor dem 31. Dezember 2010 begonnen hat, richtet sich die Verjährung nach § 114 Satz 1 i. V. m. Art. 8 Satz 1 Hs. 2 BayBeamtVG. Danach verjähren Ansprüche in zehn Jahren, wenn durch vorsätzlich oder leichtfertig unrichtige oder unvollständige Angaben oder das vorsätzliche oder leichtfertige pflichtwidrige Unterlassen von Angaben die Gewährung oder Belassung von Versorgungsbezügen bewirkt wurde. Der Kläger hat es vorliegend pflichtwidrig unterlassen, seinen Rentenbezug anzugeben, und dadurch die Gewährung und Belassung von Versorgungsbezügen bewirkt, da dem Beklagten dadurch eine Ruhensberechnung nicht möglich war. Dieses Unterlassen war auch leichtfertig. Leichtfertig ist eine Verletzung der gebotenen Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße und insoweit der groben Fahrlässigkeit vergleichbar. Im vorliegenden Fall hat der Kläger die Angaben nicht nur entgegen seiner gesetzlichen Verpflichtung gem. § 62 Abs. 2 BeamtVG (Art. 10 Abs. 2 BayBeamtVG) unterlassen. Er wurde vielmehr in jeder Bezügemitteilung über seine diesbezügliche Mitteilungspflicht informiert. Dass er dennoch die Mitteilung seines Rentenbezugs an den Beklagten unterlassen hat, stellt eine Verletzung der gebotenen Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße dar. Denn vor dem Hintergrund der zahlreichen Hinweise auf die Mitteilungspflicht – nicht zuletzt in jeder Bezügemitteilung – hätte jedermann erkennen müssen, dass er zur Meldung des Rentenbezugs verpflichtet ist.
Nach Art. 114 Satz 1 Hs. 1 BayBeamtVG hat die zehnjährige Verjährungsfrist des Art. 8 Satz 1 Hs. 2 BayBeamtVG am 1. Januar 2011 begonnen, die durch Erlass des Rückforderungsbescheids vom 27. Oktober 2015 gemäß Art. 53 Abs. 1 BayVwVfG gehemmt wurde; die zehnjährige kenntnisunabhängige Höchstfrist nach bisherigem Recht (Art. 71 Abs. 1 Satz 4 AGBGB) war zu diesem Zeitpunkt ebenfalls noch nicht abgelaufen. Für den ab dem 1. Januar 2011 entstandenen Rückforderungsanspruch ist Art. 8 Satz 1 Hs. 2 BayBeamtVG direkt anwendbar, so dass der Rückforderungsanspruch für den gesamten noch geltend gemachten Zeitraum ab 1. November 2005 noch nicht verjährt war.
bb) Soweit man davon ausgeht, dass der Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Versorgungsbezüge wegen deren Zusammentreffen mit einer Altersrente erst mit Erlass des Ruhensbescheids entsteht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 27.2.2015 – OVG 7 B 16.14 – juris), ist der streitgegenständliche Rückforderungsanspruch nicht vor dem Inkrafttreten des BayBeamtVG zum 1. Januar 2011 entstanden. Die Verjährung richtet sich in diesem Fall nach Art. 8 BayBeamtVG, so dass der Rückforderungsanspruch im Zeitpunkt der Geltendmachung ebenfalls noch nicht verjährt war (s.o.).
cc) Darüber hinaus kann sich der Kläger nicht auf die Einrede der Verjährung berufen. Sie stellt sich als unzulässige Rechtsausübung entsprechend § 242 BGB dar. Denn der Kläger war gemäß § 62 Abs. 2 Satz Nr. 2 BeamtVG (Art. 10 Abs. 2 BayBeamtVG) verpflichtet, dem Beklagten Mitteilung über den Bezug einer Rente zu machen. Die Nichteinhaltung dieser Verpflichtung war ursächlich dafür, dass der Beklagte von der Entstehung seines Erstattungsanspruchs verspätet Kenntnis erlangt hat (vgl. VG Frankfurt, U. v. 14.12.2011 – 9 K 4645/10.F – juris)
d) Die Billigkeitsentscheidung des Beklagten i. S. d. Art. 7 Abs. 2 Satz 3 BayBeamtVG ist nicht zu beanstanden.
Art. 7 Abs. 2 Satz 3 BayBeamtVG ermöglicht es, eine allen Umständen des Einzelfalls gerecht werdende, für den Beklagten zumutbare und für der Kläger tragbare Lösung zu entwickeln (vgl. BVerwG, U. v. 26.4.2012 – 2 C 15/10 – juris Rn. 24, zum BBesG). Bei dieser Entscheidung ist nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des Bereicherungsschuldners abzustellen. Es kommt auf die Lage des Klägers im Zeitpunkt der Rückabwicklung, v.a. auf seine wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, sowie auf den Grund der Überzahlung, insbesondere auf ein etwaiges Mitverschulden der leistenden Behörde, an (vgl. BayVGH, B. v. 14.2.2011 – 14 B 10.567 – juris Rn. 31; vgl. BayVGH, B. v. 31.3.2011 – 3 CS 11.165 – juris Rn. 24).
Der Beklagte geht zu Recht davon aus, dass keine Billigkeitsgründe vorliegen, aufgrund derer von der Rückforderung ganz oder teilweise abgesehen werden könnte. Von der Rückforderung ist in der Regel teilweise abzusehen, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt (vgl. BVerwG, U. v. 26.4.2012 – 2 C 15/10 – juris Rn. 26, zum BBesG). Dies ist hier nicht der Fall. Vielmehr liegt die Überzahlung im Verantwortungsbereich des Klägers. Aus § 62 Abs. 2 BeamtVG (Art. 10 Abs. 2 BayBeamtVG) ergibt sich die Verpflichtung des Klägers zur Mitteilung des Rentenbezugs. Er kann sich nicht auf ein Mitverschulden oder Organisationsverschulden der Behörde mangels automatischen Datenaustauschs mit der gesetzlichen Rentenversicherung berufen. Es lag vielmehr an dem Kläger, seine eigene Mitteilungspflicht zu erfüllen und für die rechtzeitige und vollständige Mitteilung sämtlicher Änderungen Sorge zu tragen.
Aus den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen des Klägers ergeben sich keine Billigkeitsgründe, aufgrund derer nach Art. 7 Abs. 2 Satz 3 BayBeamtVG von der Rückforderung teilweise abgesehen werden könnte. Dass der Kläger durch die Rückforderung der überzahlten Bezüge unzumutbar belastet ist, ist nicht vorgetragen worden und angesichts der Höhe seiner Versorgungsbezüge auch nicht ersichtlich. Darüber hinaus wurde ihm seitens der Behörde eine Ratenzahlung angeboten.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.