Arbeitsrecht

Rechtmäßiger Rückforderungsbescheid wegen Überzahlung von Dienstbezügen

Aktenzeichen  Au 2 K 15.682

Datum:
15.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBesG BBesG § 12 Abs. 2
BGB BGB § 818 Abs. 3

 

Leitsatz

Zu den Sorgfaltspflichten eines Soldaten gehört es aufgrund seiner soldatenrechtlichen Treuepflicht auch, die Besoldungsmitteilung bei besoldungsrelevanten Änderungen im dienstlichen oder persönlichen Bereich auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und auf Überzahlungen zu achten. (redaktioneller Leitsatz)
Wird Auslandstrennungsgeld und Aufwandsentschädigung im Hinblick auf eine in Ausbildung befindliche Tochter gewährt und beendet diese ihre Ausbildung vorzeitig, muss sich dem Trennungsgeld- und Aufwandsentschädigungsempfänger aufdrängen, dass hierdurch die Bewilligung (vorzeitig) endet und er diesen Umstand umgehend seinem Dienstherrn anzuzeigen hat. (redaktioneller Leitsatz)
Bei der Rückforderung von Bezügen muss sich in der zu treffenden Billigkeitsentscheidung eine behördliche (Mit-)Verantwortung für die Überzahlung niederschlagen, da der Beamte oder Soldat, der nur einen untergeordneten Verursachungsbeitrag für die Überzahlung gesetzt hat, besser stehen muss als derjenige Besoldungsempfänger, der die Überzahlung allein zu verantworten hat. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Gemäß § 101 Abs. 2 VwGO konnte die Entscheidung im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergehen.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Rückforderungsbescheid vom 11. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Das Bundesverwaltungsamt durfte den Rückforderungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides für die Beklagte erlassen, da die Überzahlung rechtsgrundlos erfolgte und ein Rückforderungsanspruch nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG i. V. m. §§ 812 ff. BGB besteht.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger tatsächlich entreichert ist. Auf den Wegfall der Bereicherung kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen (§ 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG i. V. m. § 818 Abs. 3 BGB), weil er gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG i. V. m. § 818 Abs. 4, § 819 Abs. 1 BGB verschärft haftet. Nach § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG steht es der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 4.11 – NVwZ-RR 2012, 930). Zu den Sorgfaltspflichten eines Soldaten gehört es aufgrund seiner soldatenrechtlichen Treuepflicht auch, die Besoldungsmitteilung bei besoldungsrelevanten Änderungen im dienstlichen oder persönlichen Bereich auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und auf Überzahlungen zu achten. Er darf sich insbesondere dann, wenn er ohne erkennbaren Grund höhere Leistungen erhält, nicht ohne weiteres auf die Rechtmäßigkeit der Zahlung verlassen. Offensichtlichkeit im Sinn von § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG liegt vor, wenn dem Soldaten aufgrund seiner Kenntnisse auffallen muss, dass die ausgewiesenen Beträge nicht stimmen können. Ihm muss sich aufdrängen, dass die Besoldungsmitteilungen fehlerhaft sind; nicht ausreichend ist, wenn Zweifel bestehen und es einer Nachfrage bedarf. Nicht erforderlich ist hingegen, dass außerdem die konkrete Höhe der Überzahlung offensichtlich ist (BVerwG a. a. O.).
Vorliegend hätte der Kläger erkennen müssen, dass er das Auslandstrennungsgeld (…) und die Aufwandsentschädigung (…) für seinen Aufenthalt in Italien für den Zeitraum 1. April 2012 bis 30. September 2012 zu Unrecht erhielt. Grund für die Bewilligung der vorgenannten Dienstbezüge für diesen Zeitraum war die Ausbildung seiner Tochter L. als Polizeimeisteranwärterin. Da die Bewilligung bis zum Ende der Ausbildung am 30. September 2012 befristet war, hätte dem Kläger klar sein müssen, dass bei einer vorzeitigen Beendigung der Ausbildung auch der Grund für die Bewilligung wegfällt, denn auch für juristische Laien ist erkennbar, dass die Gewährung von … und … an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist und einer Bewilligung bedarf. Die Entlassung seiner Tochter L. aus dem Polizeidienst zum 31. März 2012 war dem Kläger bekannt, wie sich aus dem Schreiben des Klägers an die Beklagte vom 9. Juli 2012 ergibt. Damit musste sich ihm aufdrängen, dass auch die Bewilligung von … und … mit Ablauf des 31. März 2012 enden werde. Das heißt gleichzeitig, dass es für den Kläger offensichtlich war, dass die Weiterzahlung von … und … über den 31. März 2012 hinaus ohne Rechtsgrund erfolgte.
Die von der Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG getroffene Billigkeitsentscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Diese Vorschrift eröffnet der Behörde die Möglichkeit, aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise von einer Rückforderung abzusehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bezweckt die Billigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG, eine allen Umständen des Einzelfalls gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Beamten bzw. Soldaten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Für das Ergebnis der Billigkeitsentscheidung ist von besonderer Bedeutung, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden hierfür ursächlich war. Ein Mitverschulden der Behörde an der Überzahlung ist in die Ermessensentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG einzubeziehen. Deshalb ist aus Gründen der Billigkeit in der Regel von der Rückforderung teilweise abzusehen, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt. In diesen Fällen ist der Beamte bzw. Soldat in der Regel entreichert, kann sich aber, wie dargelegt, auf den Wegfall der Bereicherung nicht berufen. Dann muss sich die behördliche Verantwortung für die Überzahlung aber in der Billigkeitsentscheidung niederschlagen. Das ist auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten geboten. Der Beamte oder Soldat, der nur einen untergeordneten Verursachungsbeitrag für die Überzahlung gesetzt hat, muss besser stehen als derjenige Besoldungsempfänger, der die Überzahlung allein zu verantworten hat (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 4.11 – NVwZ-RR 2012, 930).
Vorliegend hat die Beklagte ein behördliches Mitverschulden (Aufrechterhalten der Überzahlung für die Monate August und September 2014) eingeräumt und daher im Rahmen der Billigkeitsprüfung auf 5% (415,67 EUR) der Rückforderungssumme verzichtet, sowie ab Januar 2015 eine Ratenzahlung 300,00 EUR pro Monat gewährt. Ab Mai 2015 wurde die Ratenzahlung auf 150,00 EUR monatlich reduziert. Diese Entscheidung ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles nicht zu beanstanden. Für ein weiteres oder vollständiges Absehen von der Rückforderung, wie von der Klägerseite gefordert, besteht kein Anlass. Die verspätete Mitteilung des vorzeitigen Ausbildungsendes seiner Tochter L. lag allein im Verantwortungsbereich des Klägers. Ergänzend wird zur weiteren Begründung der Entscheidung auf die zutreffenden Ausführungen im Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 11. November 2014 sowie im Widerspruchsbescheid vom 21. April 2015 Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor (§ 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 und 4, § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).


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