Arbeitsrecht

Rechtmäßigkeit der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit

Aktenzeichen  M 21 K 17.5797

Datum:
16.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 50079
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBG § 44 Abs. 1 S. 1 , S.3, Abs. 2, § 48 Abs. 1 S. 1, S. 2
EMRK Art. 6 Abs. 1
VwGO § 113 Abs. 4, § 117 Abs. 3 S. 2
GG Art. 3 Abs. 3
SGB IX § 2 Abs. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig. Dies gilt nach § 113 Abs. 4 VwGO auch für die mit der Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 20. Juli 2017 verbundenen Leistungsansprüche. Zwar ist dies bei Klagen gegen Bescheide über die Zurruhesetzung von Beamten unüblich, weil öffentliche Dienstherren erfahrungsgemäß nicht dazu verurteilt werden müssen, besoldungsrechtliche Folgewirkungen erstrittener Gerichtsentscheidungen mit statusrechtlicher Bedeutung zu beachten und umzusetzen – insbesondere durch Nachzahlung von gemäß § 47 Abs. 4 Satz 2 BBG einbehaltener, die Versorgungsbezüge übersteigender Besoldung, aber auch durch in der Regel amtsangemessene Weiterbeschäftigung des Beamten. Nachdem der Kläger allerdings die Zuverlässigkeit der Beklagten in dieser Hinsicht substantiiert in Abrede gestellt hat, kann ihm eine Klagebefugnis insoweit nicht abgesprochen werden.
Die Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid vom 20. Juli 2017, mit dem das D. den Kläger mit Ablauf jenes Monats wegen Dienstunfähigkeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt hat, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des B. vom 8. November 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung und Nachzahlung seiner die Versorgungsbezüge übersteigenden Besoldung (§ 113 Abs. 4 VwGO).
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 BBG ist u.a. ein Beamter auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn er wegen des körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Die Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzung eines Beamten wegen Dienstunfähigkeit ohne seinen Antrag beurteilt sich dabei danach, ob die zuständige Behörde im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier des am 13. November 2017 zugestellten Widerspruchsbescheids vom 8. November 2017, nach den ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnissen annehmen durfte, dass der Betroffene dauernd dienstunfähig ist (BVerwG vom 27.11.2008 – 2 B 32.08 – juris; vom 16.10.1997 – 2 C 7.97 – BVerwGE 105, 267 = DVBl 1998, 201 = DÖV 1998, 208 = Schütz BeamtR ES/A II 5.5 Nr. 24 = IÖD 1998, 98 = ZBR 1998, 176 = Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 22 = DÖD 1998, 208 = NVwZ-RR 1998, 572). Zur Beurteilung der Dienstfähigkeit eines Beamten ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf die Anforderungen des ihm zuletzt übertragenen abstrakt-funktionellen Amtes abzustellen (BVerwG vom 23.09.2004 – 2 C 27.03 – BVerwGE 122, 53 = IÖD 2005, 57 = NVwZ 2005, 458 = DokBer 2005, 122 = ZTR 2005, 384 = Schütz BeamtR ES/C II 3.5 Nr. 13 = Buchholz 239.1 § 36 BeamtVG Nr. 2), vorliegend also das eines … im D. Die Entscheidung, welcher Behörde das einem Beamten übertragene abstrakt-funktionelle Amt zugeordnet ist, liegt dabei im Organisationsermessen des Dienstherrn (BVerwG, ebenda).
Die Voraussetzungen der vorgenannten Vorschrift sind vorliegend gegeben. Das ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus dem Gutachten des als amtlicher medizinischer Sachverständiger im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 BBG zugelassenen Arztes Dr. S. vom 19. Januar 2017 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 13. April 2017. Dieser hat den körperlichen Zustand des Klägers zum Zeitpunkt der ambulanten Untersuchung vom 11. Januar 2017 mit einer Reihe von Funktionseinschränkungen (massiv reduzierte geistig-psychische Belastbarkeit, Störungen des Konzentrationsvermögens, des Reaktionsvermögens, des Umstellungs- und Anpassungsvermögens, der Eignung für Publikumsverkehr sowie des Überwachungs- und Steuerungsvermögens für kompliziertere Arbeitsvorgänge) beschrieben.
Die Prognose fiel dahin aus, dass mit einer Dienstaufnahme in absehbarer Zeit nicht zu rechnen sei.
Bestätigt wird dieser Sachverhalt durch die in der Vergangenheit festgestellte, medizinisch bedingte langfristige Unmöglichkeit, den Kläger amtsangemessen zu beschäftigen. Dies hat sich letztendlich seit dem am 16. April 2015 abgebrochenen Arbeitsversuch als nicht mehr realisierbar herausgestellt, weil sein gesundheitlich-funktioneller Zustand mit einer nachhaltigen Intoleranz gegen von ihm als unberechtigt empfundene Führungsmaßnahmen und wohl auch Zurechtweisungen (unterhalb der Schwelle psychischer Misshandlung) einherging und damit Anforderungen an seine Beschäftigungsbedingungen stellte, die von der Beklagten nicht geschaffen werden konnten. So war es etwa dem Dienstherrn nicht verwehrt, den Kläger, der sein Amt bis dahin bereits seit dem 16. Januar 2015 nicht mehr ausgeübt hatte, Ende April 2015 auf einen anderen, aber gleichwohl amtsangemessenen Dienstposten umzusetzen, sein Dienstzimmer zu betreten, den Bestand dienstlicher Akten zu untersuchen und abschließend das Dienstzimmer unter sicherer Verwahrung des von dem Kläger eingebrachten Eigentums mit einem neuen Schloss auszustatten, um es einem anderen Beschäftigten zur Verfügung stellen zu können. Die von dem Kläger gegen diese Aktion ins Werk gesetzten Verhaltens- und Argumentationsweisen – etwa die Einlegung eines Widerspruchs, der u.a. damit begründet wurde, dass diese Eingriffe zu ihrer Rechtmäßigkeit eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses bedürften -, lassen in der Tat darauf schließen, dass der bereits damals erreichte Zustand der Zerrüttung des Verhältnisses zum Dienstherrn und die Fixierung des Klägers auf seine dauernde Krankschreibung ohne absehbares Ende keine Aussicht auf eine von Störungen ungetrübte Weiterbeschäftigung als juristischer Funktionsträger mehr bot. Anhaltspunkte dafür, dass Schritte des guten Willens zur Behebung dieser „Leistungsfunktionsstörung“ – etwa das ernsthafte Angebot des Klägers, ohne Wenn und Aber wieder in eine vom Dienstherrn zu bestimmende dienstliche Funktion zurückzukehren – unternommen wurden, lassen sich nicht finden, so dass das ärztliche Urteil, der Kläger sei weder an seinem angestammten Dienstposten noch an jedem anderen Arbeitsplatz im Geschäftsbereich einsetzbar, letztlich nachvollziehbar erscheint.
Das amtliche Gutachten von Dr. S. vom 19. Januar 2015 und die ergänzende Stellungnahme vom 13. April 2017, zu deren Einholung die Beklagte als Auftraggeberin der Begutachtung selbstverständlich auch ohne vorherige weitere Anhörung des Klägers befugt war – unter dem 15. Mai 2017 wurde ihm ausdrücklich Gelegenheit gegeben, sich dazu zu äußern -, genügen im vorliegenden Fall den an sie zu stellenden Anforderungen. Damit steht, ohne dass es noch weiterer vertiefender medizinischer Aussagen bedürfte, fest, dass der Kläger bei abstrakter Betrachtungsweise, also losgelöst von seinen konkreten persönlichen Bedürfnissen, in der Funktion eines … auf Dauer nicht verwendbar ist.
Einwendungen gegen die Richtigkeit des Gutachtens von medizinischem Gewicht wurden nicht erhoben.
Das neue Vorbringen des Klägers im Klageverfahren, seine derzeitige Dienstunfähigkeit sei im Wesentlichen durch schikanöse Personalführungsmaßnahmen bedingt, unter denen er seinen Dienst zu verrichten gezwungen sei, stellt die medizinische Begutachtung nicht in Frage und gibt keinen Anlass zu weiteren Sachverhaltsermittlungen; es kann auf sich beruhen. Würde diese von der Beklagten bestrittene Behauptung der Wahrheit entsprechen, könnte das möglicherweise anderweitige Ansprüche des Klägers zur Folge haben. Die Ursache des die Dienstunfähigkeit begründenden körperlichen Zustandes ist jedoch – gleichviel, ob sie in einem von dem Kläger behaupteten Mobbing oder in anderen ihn krank machenden Umständen zu finden sein sollte – nicht Bestandteil des gesetzlichen Tatbestandes, der die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit rechtfertigt. Da im Mittelpunkt der Dienstunfähigkeitsprüfung nicht die vergangenheitsbezogene Aufarbeitung etwa erlittenen fürsorgepflichtwidrigen Unrechts oder die gegenwartsbezogene Heilung eines krankhaften Zustands steht, sondern die in die Zukunft gerichtete Frage, ob der Beamte die Gewähr bietet, seine Dienstaufgaben zu erfüllen und dabei der ihm auferlegten Verantwortung gerecht zu werden, und ob er infolge seines gesundheitlichen Zustands bei der weiteren Dienstausübung an Leib, Seele oder Geist Schaden nehmen könnte, wovor ihn die Zurruhesetzung bewahren will, kommt es nach zutreffender verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung, welcher sich das Gericht wiederholt angeschlossen hat, für die Versetzung in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit regelmäßig nicht darauf an, worauf die Dienstunfähigkeit zurückzuführen ist (vgl. z.B. VG München vom 12.10.2010 – M 21 K 10.373, unter Hinw. auf VG Saarlouis vom 10.02.2009 – 2 K 175/08 – juris, bestätigt durch BayVGH vom 05.04.2011 – 6 ZB 10.3159 – juris).
Auch das Vorbringen des Klägers, er sei zumindest nicht „dauernd“ dienstunfähig, zu dessen Begründung er darauf verweist, dass er bei Änderung seiner dienstlichen Verwendung, wenn also die Beklagte ihr ihn krank machendes Verhalten ändern würde, alsbald wieder dienstfähig sein würde, verhilft seiner Klage nicht zum Erfolg. Diese Argumentation ist durch das Ergebnis der richtigerweise auf das abstrakt-funktionelle Amt abstellenden medizinischen Begutachtung widerlegt. Ihr liegt nicht zuletzt eine grundlegende Verkennung der berufsbezogenen Umstände des Klägers zugrunde, also dessen, was er berechtigterweise vom Dienstherrn zur Bewältigung seiner Erkrankung verlangen oder erwarten kann. Auf die Bereitstellung eines selbst ausgesuchten und gebilligten konkreten Dienstpostens hat der Kläger keinen Anspruch. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BVerwG vom 22.05.1980 – 2 C 30.78 – BVerwGE 60, 144 = DVBl 1980, 882 = DÖD 1980, 203 = DÖV 1981, 98 = BayVBl 1981, 57 = ZBR 1981, 28 = NJW 1981, 67 = Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 20; vom 28.11.1991 – 2 C 41.89 – BVerwGE 89, 199 = DokBer B 1992, 57 = DÖV 1992, 493 = NVwZ 1992, 572 = ZBR 1992, 175 = DVBl 1992, 899 = DÖD 1992, 279 = IÖD 1992, Nr. 2, 2-3 = Schütz BeamtR ES/A II 1.1 Nr. 5 = Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 34) hat der Beamte keinen Anspruch auf unveränderte und ungeschmälerte Ausübung des ihm übertragenen konkret-funktionellen Amts. Er muss vielmehr eine Änderung seines dienstlichen Aufgabenbereichs durch Umsetzung oder andere organisatorische Maßnahmen nach Maßgabe seines Amts im statusrechtlichen Sinne hinnehmen. Danach kann der Dienstherr aus jedem sachlichen Grund den Aufgabenbereich des Beamten verändern, solange diesem ein amtsangemessener Aufgabenbereich verbleibt. Besonderheiten des bisherigen Aufgabenbereichs des dem Beamten übertragenen Amts, wie beispielsweise der Vorgesetztenfunktion, Beförderungsmöglichkeiten oder einem etwaigen gesellschaftlichen Ansehen, kommt keine das Ermessen des Dienstherrn bei der Änderung des Aufgabenbereichs einschränkende Wirkung zu (BVerwG vom 28.11.1991, a.a.O.).
Die Begutachtung entspricht im konkreten Einzelfall, auf dessen Eigenheiten es bei dieser Frage stets ankommt (BVerwG vom 20.01.2011 – 2 B 2.10 – juris), den zu stellenden Anforderungen. Danach muss ein im Zwangspensionierungsverfahren verwendetes amtliches Gutachten nicht nur das Untersuchungsergebnis mitteilen, sondern auch die das Ergebnis tragenden Feststellungen und Gründe, allerdings nur, soweit deren Kenntnis für die Behörde unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für die Entscheidung über die Zurruhesetzung erforderlich ist. Das Gutachten muss sowohl die notwendigen Feststellungen zum Sachverhalt, d.h. die in Bezug auf den Beamten erhobenen Befunde enthalten, als auch die aus medizinischer Sicht daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen für die Fähigkeit des Beamten, sein abstrakt-funktionelles Amt weiter auszuüben. Wie detailliert die Ausführungen sein müssen, ist im Hinblick auf die Funktion des Gutachtens zu beantworten. Eine amtsärztliche Stellungnahme im Zwangspensionierungsverfahren soll dem Dienstherrn die Entscheidung darüber ermöglichen, ob der Beamte zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist und ggf. welche Folgerungen aus einer bestehenden Dienstunfähigkeit zu ziehen sind (etwa: Reduzierung der Arbeitszeit, Übertragung eines anderen Amtes derselben, einer entsprechenden gleichwertigen oder einer anderen Laufbahn oder Versetzung in den Ruhestand). Zugleich muss das Gutachten es dem Beamten ermöglichen, sich mit den Feststellungen und Schlussfolgerungen des amtlichen Gutachters bzw. mit der darauf beruhenden Entscheidung des Dienstherrn auseinanderzusetzen und sie ggf. substantiiert anzugreifen. Deshalb darf sich das Gutachten nicht auf die bloße Mitteilung einer Diagnose und eines Entscheidungsvorschlags beschränken, sondern muss die für die Meinungsbildung des Amtsarztes wesentlichen Entscheidungsgrundlagen erkennen lassen. Dabei sind Verweise auf an anderer Stelle erhobene Befunde bzw. formulierte Bewertungen zulässig, wenn deutlich wird, in welchem Umfang sich der Amtsarzt ihnen anschließt (zu allem: BVerwG vom 20.01.2011, a.a.O.).
Diesen Anforderungen hält die amtliche Begutachtung stand, auch wenn sie sich kurz fasst und auf medizinische Fachausdrücke zur Charakterisierung der beschriebenen Funktionseinschränkungen verzichtet. Auch mit der Aussage, ein leidensgerechter Dienstposten sei nicht ersichtlich, maßt sich der medizinische Sachverständige nicht etwa die dem Dienstherrn vorbehaltene Kompetenz zur Beurteilung der nach § 44 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 bis 4 BBG zu beantwortenden Frage an, sondern stellt lediglich vorsorglich fest, dass sich aufgrund des Sitzes der Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers in seiner psychischen Verfassung die mangelnde Verwendbarkeit auf jeden vorstellbaren konkreten Dienstposten innerhalb des von seinem abstrakt-funktionellen Amt eines … bei dem D. auszufüllenden Spektrums beziehe.
Gegen die Eignung des Arztes Dr. S, vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) als Gutachter im Zurruhesetzungsverfahren bestehen keine Bedenken. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 BBG kann die zuständige Behörde in den Fällen der §§ 44 bis 47 BBG die ärztliche Untersuchung des Beamten zur Beurteilung der Frage, ob er (dauernd) dienstunfähig ist, nur einem Amtsarzt oder einem als Gutachter zugelassenen Arzt übertragen. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 BBG bestimmt die oberste Dienstbehörde, welche Ärztin oder welcher Arzt mit der Fertigung von Gutachten beauftragt werden kann. Die Zulassung in Betracht kommender Ärzte kann dabei entweder generell oder im Einzelfall ausgesprochen werden, ohne dass es dafür einer bestimmten Form bedürfte (Plog/Wiedow, BBG, zu § 48 BBG 2009, Rn. 22). Das Bundesministerium des Innern hat sich ausweislich seines Rundschreibens zur Dienstunfähigkeit (§§ 44 bis 49 BBG) vom 4. Mai 2016 (Az. D1 – 30101/5 #1) zu der Zulassung von Ärzten, die als Gutachter tätig sein können, für den Bereich der Bundesverwaltung wie folgt geäußert (vgl. Plog/Wiedow, a.a.O., Rn. 23): Für die Erstellung des Gutachtens besteht für den Bereich der Bundesverwaltung die Möglichkeit, sich an den Sozialmedizinischen Dienst der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zu wenden. … Die Ärztinnen und Ärzte der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See sind bei Inanspruchnahme nach § 48 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BBG als Gutachter zuzulassen. Ab dem 1. Juni 2016 können daneben ärztliche Gutachten auch von den Medizinischen Diensten der Krankenversicherung (MDK) erstellt werden. Hierzu haben BMI und Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS) gemäß § 275 Abs. 4a SGB V eine Vereinbarung geschlossen. … Entscheidet sich die jeweilige Behörde für den MDK als einen der nach Nr. 4 des Rundschreibens vom 26. April 2016 zugelassenen Gutachter, erteilt sie den Begutachtungsauftrag nach § 48 BBG an den örtlich zuständigen MDK. Mit der Beauftragung sind die benannten Ärztinnen oder Ärzte als Gutachterin oder Gutachter durch die Behörde zugelassen. Der beauftragte MDK informiert die Behörde unverzüglich darüber, welche Ärztin oder welcher Arzt mit der Untersuchung beauftragt worden ist. Da nach der vorgelegten Behördenakte genau dieser Weg zur Bestellung von Dr. S. geführt hat, folgt daraus, dass es sich bei diesem Arzt um einen für die medizinische Fragestellung geeigneten amtlichen Sachverständigen handelt.
Die früheren Gutachten des Landratsamtes M. vom 4. November 2015 und vom 10. Mai 2016 sind unbrauchbar und ohne jeden Beweiswert, weil die begutachtende Ärztin trotz hinreichender Anleitung durch die Beklagte offensichtlich nicht in der Lage war, bei ihren Betrachtungen die konkreten Beschwerden des Klägers über seinen Arbeitsplatz außer Acht zu lassen und auf sein abstrakt-funktionelles Amt abzustellen. Eine Verengung der medizinischen Fragestellung auf den bisherigen oder einen x-beliebigen anderen konkreten Dienstposten im D. kommt aber angesichts der Anamneseangabe des Klägers, dass er diese als krankmachend und unzumutbar empfinde, zwangsläufig zu einem unzutreffenden Ergebnis, weil dadurch der bestehende Arbeitsplatzkonflikt in seinen konkreten Auswirkungen auf die Dienstfähigkeit des Klägers zum Gegenstand der Beurteilung gemacht wird. Dieser fehlerhafte Ansatz ist bei dem gebotenen Abstellen auf das abstrakt-funktionelle Amt ausgeschlossen, weil ein abstraktes Amt begrifflich nicht mit einem persönlichen Arbeitsplatzkonflikt belastet sein kann.
Ob das im vorliegenden Fall dem Kläger angebotene und teilweise auch angegangene Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ordnungsgemäß durchgeführt wurde, kann auf sich beruhen. Denn es ist nach der Rechtsprechung keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Versetzung eines Beamten in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit (BVerwG vom 05.06.2014 – 2 C 22.13 – BVerwGE 150, 1 = IÖD 2014, 196 = NVwZ 2014, 1319 = ZTR 2014, 635 = ZBR 2014, 343 = RiA 2014, 269 = DokBer 2015, 1 = PersR 2014, 52 = Buchholz 232.0 § 44 BBG 2009 Nr. 4). Was als BEM veranlasst ist, darf im Übrigen begrifflich nicht vermischt werden mit der Suchpflicht des Dienstherrn nach dem Grundsatz „Weiterverwendung vor Versorgung“ gemäß § 44 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 bis 4 BBG.
Ein bezogen auf das abstrakt-funktionelle Amt des Klägers feststellbares Restleistungsvermögen, welches die Beklagte nach dem vorgenannten Grundsatz zur Suche einer anderweitigen Verwendung für ihn verpflichten könnte, scheidet aus. Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen der genannten Vorschriften. Nach § 44 Abs. 1 Satz 3 BBG wird in den Ruhestand nicht versetzt, wer anderweitig verwendbar ist. Eine anderweitige Verwendung ist nach § 44 Abs. 2 Satz 1 BBG möglich, wenn ein anderes Amt, auch einer anderen Laufbahn, übertragen werden kann. Im Gegensatz zu der als bloße Sollvorschrift ausgestalteten Vorläuferregelung des § 42 Abs. 3 Satz 1 BBG in der bis zum 11. Februar 2009 geltenden Fassung enthält § 44 Abs. 1 Satz 3 BBG nunmehr die gesetzliche Verpflichtung, von der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit abzusehen, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist. Damit erhält der Grundsatz „Rehabilitation vor Versorgung“ eine größere rechtliche Verbindlichkeit (BT-Drs. 16/7076, S. 111). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts obliegt dem Dienstherrn gemäß § 44 Abs. 3 BBG die Suche nach einer anderweitigen Verwendung für einen dienstunfähigen Beamten. Die Suche nach einer § 44 Abs. 3 BBG entsprechenden anderweitigen Verwendung ist regelmäßig auf den gesamten Bereich des Dienstherrn zu erstrecken. Sie muss sich auch auf Dienstposten erstrecken, die in absehbarer Zeit voraussichtlich neu zu besetzen sind; eine Beschränkung auf aktuell freie Stellen ist nicht zulässig. Allerdings begründet § 44 Abs. 3 BBG keine Verpflichtung des Dienstherrn, personelle oder organisatorische Änderungen vorzunehmen, um eine Weiterverwendung zu ermöglichen. Es liegt im Organisationsermessen des Dienstherrn, welche und wie viele Ämter im abstrakt-funktionellen und im konkret-funktionellen Sinn er bei den Behörden einrichtet und aus welchen Gründen er diese Ämterstruktur ändert. Ebenso wenig ist der Dienstherr verpflichtet, Dienstposten im Wege personeller Änderungen freizumachen. Kann ein schwerbehinderter Beamter die Anforderungen eines nach der Wertigkeit für ihn in Betracht kommenden Dienstpostens gerade aufgrund seiner Behinderung nicht erfüllen, so folgt aus dem unmittelbar geltenden Benachteiligungsverbot gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, dass die gesundheitliche Eignung nur verneint werden darf, wenn im Einzelfall zwingende Gründe für das Festhalten an den allgemeinen Anforderungen sprechen. Es muss geprüft werden, ob die dienstlichen Bedürfnisse eine entsprechend eingeschränkte dauerhafte Verwendung des Beamten zwingend ausschließen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, ob und inwieweit der Arbeitsplatz mit zumutbarem Aufwand behindertengerecht gestaltet werden kann. Es ist Sache des Dienstherrn, schlüssig darzulegen, dass er bei der Suche nach einer anderweitigen Verwendung für den dienstunfähigen Beamten die Vorgaben des § 44 Abs. 3 BBG beachtet hat. Denn es geht um Vorgänge aus dem Verantwortungsbereich des Dienstherrn, die dem Einblick des betroffenen Beamten in aller Regel entzogen sind. Daher geht es zulasten des Dienstherrn, wenn nicht aufgeklärt werden kann, ob die Suche den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat (zu allem: BVerwG vom 26.03.2009 – 2 C 46.08 – ZTR 2009, 555).
Im vorliegenden Fall hat zum einen der begutachtende Arzt, ausgehend von den Anforderungen, die das abstrakt-funktionelle Amt eines – im Wesentlichen geistig arbeitenden – … stellt, ein Restleistungsvermögen sowie die Möglichkeit, den Kläger auf einem leidensgerechten konkreten Dienstposten weiterzuverwenden, verneint. Da nach den gutachtlichen Aussagen vom 19. Januar und 13. April 2017 die zu beklagenden Funktionsstörungen des Klägers ihren Sitz jedenfalls im Wesentlichen in seiner mentalen und psychischen Konstitution haben und damit seine Fähigkeit, sein von Geistesarbeit und Kommunikation geprägtes Amt auszuüben, insgesamt erfassen, erscheint es deshalb nachvollziehbar, dass der Kläger in Funktionsbereichen, auf die sich die Suchpflicht der Beklagten erstreckt, für geeignete Tätigkeiten nicht einsetzbar ist. Die Suchpflicht ist insofern auf null reduziert.
Die Ausführungen des Gutachters zum Restleistungsvermögen sind entgegen dem Vorbringen des Klägers nicht in sich widersprüchlich. In der ausdrücklichen Verneinung des Restleistungsvermögens liegt die eigentliche abschließende Aussage des Gutachters. Dass er auf dem Weg dahin zahlreiche Funktionseinschränkungen, welche in der Rubrik „2. Gesundheitliche Beeinträchtigungen (negatives Leistungsbild)“ abgefragt wurden, gleichwohl verneint hat, darunter einige, die bei dem Kläger bereits aufgrund seines dienstlichen Profils als juristischer Funktionsträger von vornherein keine Rolle spielen werden, aber auch solche, welche in einem unauflösbaren Widerspruch zu den obigen funktionsbezogenen Feststellungen zu stehen scheinen (Publikumsverkehr, häufig wechselnde Arbeitsanforderungen), lässt aufgrund der klarstellenden ergänzenden Äußerung vom 13. April 2017, dass es sich bei den Feststellungen in Abschnitt 2 um die Niederschrift eigener Angaben des Klägers handle, welche das Gesamturteil des Sachverständigen zum Restleistungsvermögen nicht in Frage stellten, nicht auf eine Mangelhaftigkeit des Gutachtens schließen. Zwar hat diese Betrachtungsweise den Kläger bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht zu überzeugen vermocht. Dem Gericht ist aber bekannt, dass es sich bei dem in vielen amtlichen Gutachten über die Dienstfähigkeit vorkommenden Abschnitt „negatives Leistungsbild“ oft um eine – dem juristischen Denken fremde – unreflektierte und in sich nicht abgestimmte Sammlung von Feststellungen handelt, der keine gleich- oder gar vorrangige Wirkung gegenüber der abschließenden abwägenden Gesamtbeurteilung des medizinischen Sachverständigen zugedacht ist.
Die zu beteiligenden Stellen wurden gehört. Insoweit verweist das Gericht unter Absehen von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die in jedem Punkt zutreffenden Ausführungen der Beklagten in der Klageerwiderung vom 16. Februar 2018 (S. 7 unten bis 9) und folgt ihnen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Die Ausführungen der Schwerbehindertenvertretung waren ebenfalls wegen des unzulässigen Abstellens auf den konkreten Dienstposten nicht zu berücksichtigen. Dadurch wurde von der Schwerbehindertenvertretung zwangsläufig auch die Reichweite der bestehenden Suchpflicht verkannt. Da eine solche zu verneinen ist (vgl. oben), kommt es auch nicht auf die problematisierte Frage an, ob der Kläger den ihm zugewiesenen Arbeitsplatz als …prüfer unter Hinweis auf seine Sehbehinderung ablehnen konnte, weil diese keine 100-prozentige Bildschirmarbeit zulasse.
Eine weitere Beweisaufnahme von Amts wegen im gerichtlichen Verfahren war nicht erforderlich; mithin war auch der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag des Klägers abzulehnen, ihm noch Gelegenheit zu geben, eine Stellungnahme seines behandelnden Arztes mit dem Ziel der Erschütterung oder Widerlegung des Gutachtens von Dr. S. vom 19. Januar 2017 einzuholen. Eine weitere Beweisaufnahme ist nur dann veranlasst, wenn sie sich dem Gericht im Sinne der zu § 86 Abs. 1 VwGO von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze aufdrängt. Danach ist die Tatsacheninstanz verfahrensrechtlich nicht daran gehindert, auch die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten und Äußerungen im Wege des Urkundenbeweises bei der Urteilsfindung zu verwerten (BVerwG vom 04.12.1991 – 2 B 135.91 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 238). Die Unterlassung der Einholung eines Obergutachtens, mit der der Kläger aufgrund der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stets rechnen musste, stellt nur dann einen Verfahrensmangel dar, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen, weil die bereits vorliegenden Gutachten nicht den ihnen obliegenden Zweck zu erfüllen vermochten, ihm die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. In diesem Sinne kann ein Sachverständigengutachten für die Überzeugungsbildung des Gerichts ungeeignet oder jedenfalls unzureichend sein, wenn es grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, wenn es von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht (st. Rspr. des BVerwG, z.B. vom 04.12.1991, a.a.O.). Das ist hier, wie oben im Einzelnen dargestellt, nicht gegeben.
Da die angefochtene Zurruhesetzungsverfügung rechtmäßig ist, besteht auf Dauer kein Anspruch des Klägers auf Nachzahlung der gemäß § 47 Abs. 4 Satz 2 BBG einbehaltenen, die Versorgungsbezüge übersteigenden Besoldung, deren Verzinsung wegen Verzugs im Übrigen durch § 3 Abs. 5 BBesG ausgeschlossen ist.
Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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