Arbeitsrecht

Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte bei Abschluss eines Arbeitsvertrages unabhängig von tatsächlicher Durchführung

Aktenzeichen  20 O 16319/19

Datum:
14.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 37156
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GVG § 13, § 17a
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. c, lit. d, § 5 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

Haben die Parteien des Rechtsstreits einen Arbeitsvertrag geschlossen, steht der Annahme eines Arbeitsverhältnisses nicht entgegen, dass der Arbeitgeber sein Weisungsrecht nicht ausübt. Die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses ist nur maßgebend, wenn die Parteien ein Vertragsverhältnis nicht als Arbeitsverhältnis, sondern zum Beispiel als freies Dienstverhältnis bezeichnen, der Beschäftigte jedoch tatsächlich weisungsgebundene Tätigkeiten verrichtet. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist unzulässig.
2. Der Rechtsstreit wird an das zuständige Arbeitsgericht München verwiesen.

Gründe

Die Entscheidung beruht auf §§ 13, 17 a Abs. 2 GVG.
Gemäß § 2 Abs. 1 Nummer 3 c und d ArbGG ist das Arbeitsgericht ausschließlich zuständig.
I.
Der Kläger übernahm 2016 die Position eines Chief Financial Officers (CFO) bei der Beklagten. Seine Aufgabe war es Kapital zu beschaffen für die Beklagte.
Der Kläger behauptet, von Anfang an sei ihm versprochen worden, dass er nach einer gewissen Zeit auf jeden Fall eine marktübliche Vergütung erhalten werde.
2015 sei klar gewesen, dass die Beklagte keine marktgerechte Vergütung für den Kläger beibringen konnte. Deshalb habe er damals abgelehnt.
Seit 2016 waren die Parteien zunächst durch befristete Beraterverträge verbunden, vergleiche Anlage K9.
Am 27.2.2018 schlossen die Parteien den als Anlage K 13 vorgelegten Anstellungsvertrag.
Im Juli 2019 kündigte die Beklagte die Anstellung. Das Anstellungsverhältnis endete Ende Oktober 2019.
In den Beraterverträgen war ein monatliches Honorar von 5000 € vereinbart; im Anstellungsvertrag ein Jahreshonorar von 200.000 €.
Die Parteien kannten sich schon seit ihrer Tätigkeit bei dem …, in dem der Kläger von 1998 bis 2004 CFO gewesen war und die heutigen Geschäftsführer der Beklagten Abteilungsleiter.
Der Kläger behauptet, er habe auf die wiederholten Zusagen einer marktgerechten Vergütung vertraut. Deshalb sei er bei der Beklagten eingestiegen und auch weiter verblieben. Eine marktgerechte Vergütung enthalte zusätzlich zur Grundvergütung entsprechend erhöhte Zusatzleistungen wie Boni, Anteile am Unternehmen und weitere Nebenleistungen. Wäre er seit April 2016 bei einem Konkurrenten der Beklagten eingestiegen, hätte er im Monat über 26.000 € erzielt. Darüber hinaus hätte er weitere Zuflüsse erhalten können.
Der Kläger behauptet, er habe erfolgreich Fundraising für die Beklagte betrieben.
Seinen gesamten Vertrauensschaden berechnet der Kläger mit 644.247,16 €.
Er sei keinen Weisungen unterworfen gewesen und von Anfang an nach außen als Mitglied der Geschäftsleitung dargestellt worden. Daher gehe es nicht um Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis.
Die Beklagte macht geltend, der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten sei nicht eröffnet. Der Kläger sei Arbeitnehmer gewesen. Für die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien gälten abschließend die Regelungen des Anstellungsvertrages. Alle etwaigen im Vorfeld getroffenen schriftlichen oder mündlichen Abreden wurden nach dem klaren Wortlaut des Anstellungsvertrages aufgehoben. Im Übrigen seien dem Kläger auch die darüber hinaus behaupteten Zusagen nicht gemacht worden.
Der Kläger war nie Organ der Beklagten.
Die Anwerbung von neuen Investoren sei nicht durch den Kläger erfolgt. Der Kläger stelle seinen Beitrag zu den Kapitalerhöhungen und den neuen Projekten sowie der Gründung einer Firma in den USA zu positiv dar.
II.
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist eröffnet, weil die Parteien zuletzt durch ein Arbeitsverhältnis verbunden waren, vergleiche Anlage K 13.
„Haben die Parteien einen Arbeitsvertrag geschlossen, steht der Annahme eines Arbeitsverhältnisses nicht entgegen, dass der Arbeitgeber sein Weisungsrecht nicht ausübt. Die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses ist nur maßgebend, wenn die Parteien ein Vertragsverhältnis nicht als Arbeitsverhältnis, sondern zum Beispiel als freies Dienstverhältnis bezeichnen, der Beschäftigte jedoch tatsächlich weisungsgebundene Tätigkeiten verrichtet. Wollen die Parteien eines Arbeitsverhältnisses ihre Rechtsbeziehungen künftig als freies Dienstverhältnis fortsetzen, müssen sie das hinreichend klar unter Beachtung von § 623 BGB vereinbaren.“ So das Bundesarbeitsgericht im Beschluss vom 25.1.2007, Aktenzeichen 5AZB49/06.
So liegt der Fall hier. Der Kläger macht als ehemaliger Arbeitnehmer der Beklagten einen Vertrauensschaden aus behaupteten mündlichen Zusagen geltend.
Der Kläger war nicht Geschäftsführer oder Organ der Beklagten. § 5 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsgerichtsgesetz trifft auf ihn somit nicht zu.
Zu seinem Vertrauensschaden hat der Kläger vorgetragen, dass er darauf vertraute, dass ihm als CFO eine sogenannte marktgerechte Vergütung ausbezahlt werde.
Auch ein CFO kann aber Arbeitnehmer sein und ist nicht zwangsläufig Organ oder Geschäftsführer einer Firma. Dass ihm zugesagt wurde, er werde Geschäftsführer oder Vorstand im Falle einer Umwandlung der Beklagten in eine Aktiengesellschaft, hat er nicht vorgetragen.
Daher sind die Ansprüche, die er geltend macht, als solche aus dem Arbeitsverhältnis zu qualifizieren.


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