Arbeitsrecht

Rentenversicherung, Abtretung, Rente, Betriebsrente, Altersrente, Regelaltersrente, Einkommen, Leistungen, Insolvenzverfahren, Bescheid, Abtretungsvereinbarung, Verwaltungsakt, Zahlung, Forderung, Deutsche Rentenversicherung, Sicherung des Lebensunterhalts, Deutsche Rentenversicherung Bund

Aktenzeichen  S 9 R 392/14

Datum:
2.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 164137
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 51.143,21 Euro festgesetzt.

Gründe

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist auch im Übrigen zulässig. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist gegeben, da sich die Eigenschaft des Rentenanspruchs als ein dem öffentlichen Recht zugehöriger Anspruch durch eine Abtretung nicht ändert (vgl. BSG vom 27.11.1991, Az.: 4 RA 80/90). Die von den Klägern erhobene allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die zutreffende Klageart, da über die Höhe des aus der Rente des Beigeladenen zu zahlenden Betrags den Klägern gegenüber kein Verwaltungsakt der Beklagten zu ergehen hat (vgl. BSG, a.a.O.).
Die Klage erweist sich jedoch als nicht begründet.
Die Übertragung von Ansprüchen ist in § 53 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) geregelt. Nach Abs. 3 der Vorschrift können Ansprüche auf laufende Geldleistungen, die der Sicherung des Lebensunterhalts zu dienen bestimmt sind, übertragen und verpfändet werden, soweit sie den für Arbeitseinkommen geltenden unpfändbaren Betrag übersteigen. Bei der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung handelt es sich um eine solche laufende der Sicherung des Lebensunterhalts dienende Geldleistung.
Die Regelung des § 53 SGB I entspricht der zivilrechtlichen Abtretung nach §§ 398 ff. BGB. Ziel des § 53 SGB I ist es, einerseits die Verkehrsfähigkeit von Sozialleistungen zu erhöhen, andererseits aber auch den notwendigen sozialen Schutz des Leistungsberechtigten zu wahren (vgl. BT-Drucks. 7/868). Ebenso wie die Abtretung nach § 389 BGB erfordert die Übertragung eines Anspruchs auf eine Geldleistung nach § 53 SGB I einen Vertrag zwischen den bisherigen und dem neuen Gläubiger. Die Abtretung wird mit Abschluss des Vertrages wirksam, soweit sie nach § 53 SGB I zulässig ist. Ein Abtretungsvertrag ist nur gegeben, wenn die Abtretung gegenüber dem Abtretungsempfänger erklärt wird und dieser die Abtretung annimmt. Ein derartiger Vertrag, der die Übertragung sozialrechtlicher Leistungsansprüche zum Gegenstand hat, greift in ein Rechtsverhältnis öffentlich-rechtlicher Art mit der Folge ein, dass auch der Vertrag selbst, obwohl regelmäßig zwischen zwei Privatpersonen geschlossen, öffentlich-rechtlicher Natur ist. Da jedoch die Vorschriften über öffentlich-rechtliche Verträge (§§ 53 – 61 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nicht für Privatpersonen gelten, sind auf eine solche Vereinbarung die Regelungen des BGB, dort insbesondere die §§ 398 – 413 BGB anwendbar, soweit sich aus § 53 SGB I nichts Abweichendes ergibt.
Die Abtretung ist nur wirksam, wenn sie hinreichend bestimmt ist. Dies setzt voraus, dass die betreffende Forderung und ihr Rechtsgrund so genau bezeichnet sind, dass bei verständiger Auslegung unzweifelhaft feststeht, welche Forderung Gegenstand der Abtretung sein soll (vgl. BSG vom 19.03.1992, Az.: 7 RAr 26/91). Abtretungen können sich dabei unter konkreter Bezeichnung des abgetretenen Anspruchs auf einzelne Ansprüche oder auf mehrere Ansprüche beziehen. Die den zuständigen Rentenversicherungsträger gegenüber bestehenden Ansprüche werden von der Abtretung erfasst, wenn sie konkret bezeichnet sind oder wenn sich der Anspruch gemäß § 133 BGB unter Auslegung der Abtretungserklärung einem in der Abtretungserklärung verwendeten Begriff zuordnen lässt. Dabei können auch zukünftige Ansprüche abgetreten werden. Dabei muss – anders als bei der Pfändung künftiger Ansprüche – die Rechtsbeziehung, in deren Rahmen der künftige Anspruch entstehen wird, im Zeitpunkt der Abtretung noch nicht bestehen. Es genügt, dass im Zeitpunkt der Abtretung die Möglichkeit des Entstehens des abgetretenen künftigen Anspruchs gegeben ist. Wirksam wird eine derartige Abtretung mit dem Entstehen des Anspruchs.
Rechtlich maßgebend ist jedoch, dass der abzutretende Anspruch bestimmt oder bestimmbar sein muss. Die abgetretene Forderung und ihr Rechtsgrund müssen hinreichend genau bestimmt sein (vgl. Kasseler-Kommentar, SGB I § 53 Rn. 7, 8). Vorliegend geht der geschlossene Abtretungsvertrag von seinem Wortlaut nur von der Abtretung von einer Altersrente bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente der Deutschen Rentenversicherung Bund aus. Die Betriebsrente der Firma A. Deutschland AG wird in der geschlossenen Vereinbarung nicht erwähnt. Auch wird nicht ansatzweise thematisiert, dass der Beigeladene andere bestehende oder zukünftige Ansprüche zur Absicherung seines Lebensunterhalts als Rentner hat bzw. haben könnte, die zu berücksichtigen seien. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Abtretungsvertrages war die Vereinbarung über die Betriebsrente bereits geschlossen. Laut Vortrag des Beigeladenen im Termin zur mündlichen Verhandlung am 13.05.2016 war sowohl ihm als auch den Klägern die Tatsache des Anspruchs auf eine Betriebsrente sowie deren Abtretungsverbot bekannt. Der Bevollmächtigte der Kläger bestätigte dies ebenfalls. Der Beigeladene ging davon aus, dass er aufgrund des Abtretungsverbotes eine Abtretungsvereinbarung nur für seine gesetzlichen Rentenansprüche unterschreibe. Ihm war nicht bewusst, dass er durch die abgeschlossene Abtretungsvereinbarung mit den Klägern auch über seine Betriebsrente in gewisser Weise verfügen soll. Er ging zudem davon aus, dass die Formulierung „soweit gesetzlich zulässig“ die Bereiche Pfändung, Sozialversicherungsabgaben, Steuer und Ähnliches betreffe. Der Beigeladene war daher entsprechend seiner eigenen Aussage der Ansicht, dass ihm die Betriebsrente für seinen Lebensunterhalt zu Verfügung steht.
Sowohl aus dem Wortlaut der geschlossenen Abtretungsvereinbarung zwischen dem Beigeladenen und den Klägern wie auch aus der geschilderten Intention bei Abschluss der Vereinbarung lässt sich nicht entnehmen, dass von den Beteiligten beabsichtigt war, die vorhandene Betriebsrente mit der Altersrente der Beklagten zusammenzurechnen und die Pfändungsfreibeträge bei der Betriebsrente zu berücksichtigen. Bei verständiger Auslegung der Abtretungsvereinbarung lässt sich daher ein Anspruch auf Abtretung der Altersrente des Beigeladenen bei der Beklagten unter Hinzurechnung der Betriebsrente der Firma A. Deutschland AG nicht erkennen. Auch die Formulierung „soweit gesetzlich zulässig“ führt nicht zu diesem Ergebnis. Denn maßgebend ist bei der Auslegung nach herrschender Meinung und Rechtsprechung nicht der innere, sondern der geäußerte Wille, wie er aus der Erklärung und den gesamten Umständen erkennbar wird (BGH NJW 1981, 2816, 2817; BVerwG JZ 1990, 824).
Auch die Tatsache, dass im Rahmen der Schuldentilgung des Beigeladenen bei anderen Gläubigern eine Zusammenrechnung beider Renten stattfand, ist vorliegend nicht relevant. Die im Beschluss des Amtsgerichts C-Stadt vom 02.09.2008 vorgenommene Zusammenrechnung beider Einkommen hat Auswirkungen nur auf die Forderung dieser Pfändungsgläubiger. Die Kläger haben im vorliegenden Verfahren selbst keine Pfändung und keine Zusammenrechnung der Renten beantragt. Die bloße Tatsache des Bestehens einer Pfändung sowie einer Zusammenrechnung beider Renten im Rahmen dieser Pfändung sowie die Kenntnis der Beklagten von dieser Pfändung kann nicht im Rahmen der Auslegung in der Abtretungsvereinbarung dazu führen, dass auch hier eine Zusammenrechnung beider Renten vorgenommen werden muss. Die Auslegung erfolgt nach objektiven, normativen Kriterien. D.h., es ist auf die Verständnismöglichkeiten des Empfängers der relevanten Erklärung Rücksicht zu nehmen. Sofern dieser nicht weiß oder erkennt, was der Erklärende gemeint hat, kommt es darauf an, wie die Erklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte von denen verstanden werden muss, für die sie bestimmt war (vgl. Staudinger/Singer (2017) BGB § 133). Insoweit kann nicht nur aufgrund der bloßen Tatsache einer Zusammenrechnung der zwei Renten in einem anderen Verfahren auch auf den Wunsch bzw. Willen einer Zusammenrechnung in einem weiteren Verfahren geschlossen werden.
Nach alledem war die Klage daher als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 197a SGG in Verbindung mit § 52 Gerichtskostengesetz (GKG).


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