Arbeitsrecht

Rückforderung von Dienstbezügen nach Entlassung aus Probebeamtenverhältnis, Klageverfahren, aufschiebende Wirkung, Tatsächlich geleisteter Dienst, Billigkeitsentscheidung

Aktenzeichen  B 5 K 20.38

Datum:
9.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 31079
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBesG Art. 15 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Mit Zustimmung der Beteiligten kann das Gericht nach § 101 Abs. 2 VwGO über die Verwaltungsstreitsache ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
I.
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Rückforderungsbescheid des Landesamtes für Finanzen vom 07.10.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO)
1. Rechtsgrundlage der Rückforderung ist Art. 15 Abs. 2 BayBesG. Nach Satz 1 dieser Vorschrift regelt sich die Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Dienstbezüge sind im Sinne dieser Norm zu viel gezahlt, wenn sie ohne rechtlichen Grund geleistet werden. Nach Art. 15 Abs. 2 Satz 2 BayBesG steht es der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger oder die Empfängerin ihn hätte erkennen müssen. Von der Rückforderung kann nach Satz 3 aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise abgesehen werden.
2. Im hier zu entscheidenden Fall liegt eine Zuvielzahlung von Bezügen vor, weil ein Rechtsgrund für die Zahlungen des Beklagten nicht besteht. Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage ist lediglich ein vorläufiger Rechtsgrund für die Fortzahlung der Dienstbezüge. Sie fingiert das vorläufige Fortbestehen des Beamtenverhältnisses, dessen Ausfluss die während des Rechtsbehelfsverfahrens fortwährende Fürsorgepflicht ist. Dieser vorläufige Rechtsgrund entfällt mit rechtskräftigem Abschluss des Klageverfahrens rückwirkend. Dass – wie im vorliegenden Fall – der Dienstherr zunächst die sofortige Vollziehung der Entlassungsverfügung angeordnet hat und erst aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage wiederhergestellt worden ist, macht rechtlich keinen Unterschied (BVerwG, U.v. 25.11.1982 – 2 C 12.81 – juris Rn. 14f.; B.v. 16.1.1992 – 2 CB 25.89 – juris Rn. 3; B.v. 3.2.2009 – 2 B 29.08 – juris Rn. 6).
Damit war der vorläufige Rechtsgrund der Fortzahlung der Bezüge an den Kläger der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 30.09.2013 – AN 1 S 13.01683, mit welchem die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt wurde, sowie der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 02.07.2014 – 3 AS 14.1352, mit dem die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung angeordnet wurde. Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13.01.2016 – 3 B 14.1487, durch das die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG rückwirkend ab dem 30.09.2013 Wirkung entfaltete, ist für diesen Zeitraum der Rechtsgrund für die Zahlung der Dienstbezüge entfallen. Aus diesem Grund steht fest, dass der Kläger für den Zeitraum nach dem 30.09.2013 seinen Anspruch auf Besoldung verloren und die gleichwohl geleisteten Bezüge im Sinne der Bereicherungsvorschriften ohne rechtlichen Grund erlangt hat.
3. Zudem bildet auch die weiterhin erfolgte faktische Erfüllung der Dienstpflichten durch den Kläger keinen Rechtsgrund für die Fortzahlung der beamtenrechtlichen Bezüge. Die Annahme eines faktischen Beamtenverhältnisses, auf das sich der Kläger analog dem zivilrechtlich anerkannten faktischen Arbeitsverhältnis beruft, scheidet jedenfalls vorliegend aus, weil die Bezüge für die Beteiligten ohne weiteres erkennbar allein aufgrund der durch die aufschiebende Wirkung bedingten verfahrensrechtlichen Fiktion eines fortdauernden Beamtenverhältnisses gezahlt worden sind. Gemäß der höchstrichterlichen Rechtsprechung bedarf es der Rechtsfigur des „faktischen Beamtenverhältnisses“ auch nicht als Rechtsgrundlage einer angemessenen Gegenleistung für einen während der aufschiebenden Wirkung faktisch geleisteten Dienst. Die vom Kläger durch Verrichtung des Polizeidienstes erbrachte Gegenleistung kann im Rahmen des Art. 15 Abs. 2 Satz 3 BayBesG berücksichtigt werden, wonach von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise abgesehen werden kann (BVerwG, U.v. 25.11.1982 – 2 C 12.81 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 6.4.2006 – 14 ZB 05.2474 – juris Rn. 13).
Überdies fehlt es auch an der Voraussetzung der auf Weiterbeschäftigung gerichteten Willensübereinstimmung der Beteiligten. Liegt keine von beiden Parteien gewollte Beschäftigung des Arbeitnehmers vor, so sind auch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die rechtsgrundlos erhaltenen Leistungen nach den Bestimmungen über die ungerechtfertigte Bereicherung rückabzuwickeln (BAG, U.v. 30.4.1997 – 7 AZR 122/96 – juris Rn. 19ff.; OVG NW, B.v. 19.12.2005 – 1 E 1330/05 – juris Rn. 15). Wie der Bezügemitteilung vom 13.09.2013 zu entnehmen ist, wurde die Zahlung der Bezüge nach der Entlassung zunächst eingestellt. Infolge des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 30.09.2013 (Az.: AN 1 S 13.01683) und der dadurch gerichtlich angeordneten aufschiebenden Wirkung der Klage am 30.09.2013 wurden die Bezüge fortan wieder ausgezahlt. In der Bezügemitteilung vom 01.10.2013 fand sich jedoch ein mehrfach abgedruckter Hinweis, dass die Zahlung der Bezüge ab dem 01.10.2013 unter dem Vorbehalt der teilweisen oder vollständigen Rückforderung erfolge. Es kam also erst nach Ergreifung eines Rechtsbehelfes durch den Kläger seitens des Beklagten zur Weiterbeschäftigung und Fortzahlung unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der teilweisen oder vollständigen Rückzahlung. Dieser Verwaltungsvorgang sowie das weitere Vorbringen im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren machen deutlich, dass der Beklagte die Bezüge nur infolge der ihm gemäß § 80 Abs. 1 VwGO bzw. § 80 Abs. 5 VwGO obliegenden gesetzlichen Verpflichtung gezahlt hatte und keine Freiwilligkeit vorlag.
4. In nicht zu beanstandender Weise gelangt der Beklagte auch zu der Einschätzung, dass der Kläger sich – unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen einer Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB – nicht mit Erfolg auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann, denn er haftet verschärft. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass Dienstbezüge, die einem entlassenen Beamten aufgrund der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage bzw. seines Widerspruchs fortgezahlt worden sind, nach rechtskräftiger Abweisung der Klage gemäß § 12 Abs. 2 BBesG (dem Art. 15 Abs. 2 BayBesG entspricht) zurückzufordern sind und der verschärften Haftung des Empfängers unterliegen (BVerwG, U.v. 25.11.1982 – 2 C 12.81 – juris Rn. 14f.; BVerwG, B.v. 16.1.1992 – 2 CB 25.89 – juris Rn. 3; B.v. 20.3.1998 – 2 B 128.97 – juris Rn. 9; B.v. 3.2.2009 – 2 B 29.08 – juris Rn.6).
Die Fortzahlung der Bezüge aufgrund einer gerichtlichen Anordnung während des Klageverfahrens erfolgt unter dem Vorbehalt des rückwirkenden Wegfalls des Leistungsgrundes bei Abweisung der Klage. Die Zahlungen beruhten damit auf einem Rechtsgrund, dessen Wegfall im Sinne des § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als möglich angesehen worden und tatsächlich erfolgt ist. Der Kläger haftet damit gemäß § 820 Abs. 1 BGB i.V.m. § 818 Abs. 4 BGB verschärft, d.h. er kann sich nicht mehr auf den Wegfall der Bereicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB berufen (BVerwG, U.v. 25.11.1982 – 2 C 12.81 – juris Rn. 16; BVerwG, B.v. 16.1.1992 – 2 CB 25.89 – juris Rn. 6; B.v. 20.3.1998 – 2 B 128.97 – juris Rn. 9; B.v. 3.2.2009 – 2 B 29/08 – juris Rn. 7).
Dies war für den Kläger auch klar ersichtlich. Zudem war es für den Kläger aufgrund der ihm mitgeteilten Einstellung der Zahlungen in der Bezügemitteilung vom 13.09.2013 und der Fortzahlung der Bezüge ab dem 01.10.2013 ohne weiteres erkennbar, dass die Bezüge fortan gezahlt worden sind, um der durch die aufschiebende Wirkung bedingten verfahrensrechtlichen Fiktion eines fortdauernden Beamtenverhältnisses gerecht zu werden. Hierfür ist auch nicht notwendig, dass der Vorbehalt der vollständigen oder teilweisen Rückforderung in jeder Bezügemitteilung aufgeführt wird. In hinreichender Weise wurde durch den Beklagten in der Mitteilung vom 01.10.2013 darauf hingewiesen, dass die Zahlung ab dem 01.10.2013 unter diesem Vorbehalt erfolgt und somit die folgenden Zeiträume umfasse.
5. Gleichwohl ist auch in den Fällen der verschärften Haftung eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung nicht schlechthin ausgeschlossen. Umstände, die den Verbrauch der zu Unrecht gezahlten Bezüge im Sinne dieser Rechtsprechung ausnahmsweise unter Berücksichtigung des auch im öffentlichen Recht anwendbaren Grundsatzes von Treu und Glauben als gerechtfertigt erscheinen lassen könnten, sind indes vom Kläger weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich (BVerwG, U.v. 27.1.1994 – 2 C 19/92 – juris Rn. 20). Ein Rechtsgrundsatz, dass der seine Entlassung anfechtende Beamte in jedem Falle die einstweilen fortgezahlten Bezüge in Höhe des notwendigen Lebensbedarfs ersatzlos verbrauchen dürfe, besteht nicht. Die Bestimmung der fortgezahlten Bezüge ist zwar der Verbrauch, aber nicht der in jedem Falle von einer Ersatzleistung befreiende Verbrauch. Anderenfalls wäre die verschärfte Haftung gem. § 820 Abs. 1 BGB nahezu gegenstandslos (BVerwG, U.v. 25.11.1982 – 2 C 12/81 – juris Rn. 17; B.v. 3.2.2009 – 2 B 29/08 – juris Rn. 9).
6. Auch die nunmehr im Rückforderungsbescheid vom 07.10.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2019 getroffene Billigkeitsentscheidung gemäß Art. 15 Abs. 2 Satz 3 BayBesG begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Gemäß Art. 15 Abs. 2 Satz 3 BayBesG kann aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise von der Rückforderung abgesehen werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der gleichlautenden Vorschrift in § 12 Abs. 2 Satz 3 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) bezweckt die Billigkeitsentscheidung eine allen Umständen des Einzelfalls gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Beamten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Sie ist Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben und stellt eine sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung dar, so dass sie vor allem in Fällen der verschärften Haftung von Bedeutung ist. Dabei ist jedoch nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des Beamten abzustellen (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 15/10 – NVwZ-RR 2012, 930/932). Dafür kommt es nicht auf die Lage in dem Zeitraum an, für den die Überzahlung geleistet worden ist, sondern auf die Lage im Zeitpunkt der Rückabwicklung (BVerwG, U.v. 21.9.1989 – 2 C 68.86 – juris Rn. 21). Da die Billigkeitsentscheidung zu Gunsten des Schuldners den Rückzahlungsanspruch modifiziert, beurteilt sich deren Rechtmäßigkeit nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (BVerwG, U.v. 8.10.1998 – 2 C 21.97 – juris Rn. 22; U.v. 25.1.2001 – 2 A 7.99 – juris Rn. 23; U.v. 28.2.2002 – 2 C 2.01 – juris Rn. 21).
Die Billigkeitsentscheidung kann darin bestehen, dass von der Rückforderung insgesamt oder teilweise endgültig abgesehen, dass die Rückforderung ganz oder teilweise erst für einen späteren Zeitpunkt verlangt oder dass die Rückzahlung in Teilbeträgen (Ratenzahlung) gestattet wird (BVerwG, U.v. 21.10.1999 – 2 C 27.98 – juris Rn. 28; U.v. 25.1.2001 – 2 A 7.99 – juris Rn. 22). Insoweit ist von besonderer Bedeutung, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden hierfür ursächlich war. Ein Mitverschulden der Behörde an der Überzahlung ist daher grundsätzlich in die Ermessensentscheidung nach Art. Art. 15 Abs. 2 Satz 3 BayBesG einzubeziehen (BVerwG, U.v. 21.4.1982 – 6 C 112.78 – juris Rn. 19; B.v. 11.2.1983 – 6 B 61.82 – juris Rn. 20; U.v. 27.1.1994 – 2 C 19.92 – juris Rn. 22; U.v. 26.4.2012 – 2 C 15.10 – juris Rn. 25ff.; U.v. 26.4.2012 – 2 C 4.11 – juris Rn. 19ff.).
Der Beklagte ermittelte im Rahmen der Billigkeitsentscheidung die Vermögensverhältnisse des Klägers im Zeitpunkt der Rückforderung, um letztlich festzustellen, in welcher Höhe der Kläger leistungsfähig ist. Weil im Rahmen der Billigkeitsentscheidung auf die Lage des Rückzahlungspflichtigen im Zeitpunkt der Rückabwicklung abzustellen ist (vgl. BVerwG, U.v. 8.10.1998 – 2 C 21/97 – juris Rn. 21), ist dieses Vorgehen nicht zu beanstanden.
Die Billigkeitsentscheidung leidet nicht – wie die Klägerseite meint – an einer übermäßigen Betonung der objektiv-rechtlichen Rückzahlungspflicht. Sie bleibt hinsichtlich der berechtigten Interessen des Klägers nicht einseitig, sondern berücksichtigte dessen derzeitige Lebens- und Vermögensverhältnisse. Dass die insoweit zugrunde gelegten Annahmen unzutreffend wären, hat die Klägerseite nicht geltend gemacht. Auch drängt sich nicht der Eindruck auf, dass der Kläger nachträglich für sein zur Entlassung führendes Verhalten sanktioniert werden soll; dies wäre auch nicht die Aufgabe der Billigkeitsentscheidung (vgl. OVG NW, B.v. 19.12.2005 – 1 E 1330/05 – juris Rn. 32).
Weiterhin hat der Beklagte im Rahmen der Ermittlung der Höhe des belassenen Bezügeanteils ausweislich der Ausführungen des angefochtenen Bescheids keine Bewertung der Qualität der Arbeit des Klägers in der Zeit der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen seine Entlassung aus dem Probebeamtenverhältnis vorgenommen. Die Klägerseite weist zutreffend darauf hin, dass in einem „normalen“ Beamtenverhältnis die Alimentation, die auch dem Kläger aus dem Probebeamtenverhältnis geschuldet war, grundsätzlich nicht von Umfang und Qualität der Arbeitsleistung abhängig ist. Diese Erwägung muss jedenfalls in gewissem Umfang auch im vorliegenden Fall zum Tragen kommen, wenngleich das Pflichtenverhältnis nach der Entlassung auf einer anderen Grundlage beruhte. Dies hat das Landesamt für Finanzen im angegriffenen Bescheid jedoch berücksichtigt.
Ein Widerspruch zu dem Gesichtspunkt der Fürsorge ist auch deswegen nicht auszumachen, weil der Beklagte dem Kläger während des Laufs der aufschiebenden Wirkung die Bezüge jedenfalls in Höhe der Sozialleistungen belassen hat. Denn durch die kraft Gesetzes erforderliche fortwährende Bezügezahlung wurde dem Kläger während dieses Zeitraums die Möglichkeit genommen, nicht rückzahlbare Sozialhilfe zu erhalten, die er jedenfalls bei später bestandkräftig werdender Entlassung nicht hätte zurückzahlen müssen. Da Sozialhilfe bzw. Arbeitslosengeld II jedenfalls nicht für zurückliegende Zeitraume gezahlt wird, hat der Beklagte mit der Belassung der Bezüge in Höhe von ca. 60% den Kläger während des Laufs der aufschiebenden Wirkung nicht einkommenslos gestellt, sondern ihm finanzielle Mittel belassen, die er zur Deckung seines allgemeinen Lebensbedarfs benötigte. Auch hat der Beklagte insoweit zutreffend berücksichtigt, dass der Kläger auch während der gerichtlicherseits angeordneten aufschiebenden Wirkung und deswegen fortwährender Bezügezahlung nach seiner Entlassung tatsächlich Dienst geleistet hat. Der Umstand, dass der Kläger seine Arbeitskraft dem Dienstherrn tatsächlich zur Verfügung gestellt und Leistungen erbracht hat, floss ausweislich der Ausführungen des angegriffenen Bescheids in die Billigkeitserwägungen des Beklagten ein. Einen Rechtsgrundsatz dahingehend, dass in Fällen tatsächlicher Dienstleistung eines entlassenen Beamten nach Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen seine Entlassung diesem die vollen Bezüge zu belassen wären, gibt es nicht und kann auch dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.10.1999 – 2 C 11/99 – juris Rn. 26 nicht entnommen werden. Dieser Entscheidung ist letztlich nur zu entnehmen, dass der Dienstherr bei der Ausübung des Ermessens in die Abwägung einstellen muss, dass der rechtsfehlerhaft ernannte Beamte ebenso wie der wirksam ernannte Beamte seine Arbeitskraft dem Dienstherrn tatsächlich zur Verfügung gestellt und ebenso Leistungen erbracht hat. Als Ergebnis der Ermessensausübung wird deshalb in den meisten Fällen die grundsätzlich volle Belassung der gezahlten, dem vermeintlichen Beamtenverhältnis entsprechenden Bezüge nahe liegen (vgl. auch Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht, 20. Edition, Stand: 01.04.2020, § 15 BBG, Rn. 13). Dies dürfte zwar grundsätzlich auch auf die hier vorliegende Konstellation einer Rückforderung rechtsgrundlos erlangter Bezüge infolge einer wiederhergestellten aufschiebenden Wirkung der Klage gegen eine Entlassverfügung nach deren Bestandskraft übertragbar sein. Jedoch erscheint es sachgerecht, dass seitens des Beklagten in der hier vorliegenden Fallgestaltung der Umstand berücksichtigt wurde, dass an der Dienstleistung des Klägers im verfahrensgegenständlichen Zeitraum kein Interesse mehr bestand. Zu beachten ist weiterhin, dass eine volle Bezügebelassung bei tatsächlicher Dienstleistung jedenfalls nicht für Zeiträume gilt, in denen der vermeintliche bzw. entlassene Beamte nicht gearbeitet hat. So hat es das Bundesverwaltungsgericht in der vorzitierten Entscheidung nicht beanstandet, dass die ab dem Zeitpunkt einer dauernden Erkrankung gezahlten Bezüge zurückgefordert wurden. Auch hier hat der Kläger in den Jahren 2014 und 2015 mit 42 bzw. 74 Krankheitstagen (vgl. Bl. 75ff. der Besoldungsakte, Band I) nicht gänzlich unerhebliche Fehlzeiten aufgewiesen, in denen er keine Dienstleistung erbracht hat.
Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf die höchstrichterliche Rechtsprechung stützen, wonach aus Gründen der Billigkeit in der Regel von der Rückforderung teilweise abzusehen ist, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt, weil ein Beamter, der nur einen untergeordneten Verursachungsbeitrag für die Überzahlung gesetzt hat, besser stehen müsse als ein Beamter, der die Überzahlung allein zu vertreten hat, so dass in diesen Fällen regelmäßig ein Absehen von der Rückforderung in der Größenordnung von 30 Prozent des überzahlten Betrages angemessen erscheint (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 15.10 – juris Rn. 26; U.v. 26.4.2012 – 2 C 4.11 – juris Rn. 20).
Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil sich hier die Frage eines überwiegenden Mitverschuldens des Beklagten an der Entstehung der Überzahlung nicht stellt. Die klassischen Fallkonstellationen, in denen die Annahme eines überwiegenden Mitverschuldens der Behörde in Betracht kommt und die auch den o.g. Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.04.2012 zugrunde lagen, sind diejenigen einer fehlerhaften Bezügefestsetzung, bei denen der Beamte nach § 818 Abs. 4, § 819 BGB in Verbindung mit (z. B.) § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG verschärft haftet, weil der Mangel des rechtlichen Grundes so offensichtlich war, dass er ihn hätte erkennen müssen. Insoweit kommt die Annahme eines überwiegenden behördlichen Mitverschuldens an der Entstehung einer Überzahlung etwa dann in Betracht, wenn die Ursache für die Überzahlung auf einem Fehler des von der Bezügestelle verwendeten Computersystems oder auf einem Eingabefehler beruht und wenn weitere verschärfende Umstände – etwa ein Unbemerktbleiben des Fehlers auch bei nachfolgenden Kontrollen bzw. Eingaben in das System oder aber über längere Zeit (so in den Fällen BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 15.10; U.v. 26.4.2012 – 2 C 4.11) hinzutreten (vgl. auch Nds. OVG, B.v. 24.7.2013 – 5 LB 85/13 – juris; B.v. 5.3.2014 – 5 LA 177/13).
Mit einer solchen Fallkonstellation sind die Fälle der von einer Behörde von vornherein unter dem gesetzlichen Vorbehalt des rückwirkenden Fortfalls des Leistungsgrundes erbrachten Leistung jedoch nicht vergleichbar. Denn hier ist die Überzahlung als solche entstanden, weil der Beklagte der ihm gemäß § 80 Abs. 1 VwGO bzw. § 80 Abs. 5 VwGO obliegenden gesetzlichen Verpflichtung nachgekommen ist. Damit liegt die wesentliche Ursache der Überzahlung als solche weder in einem sorgfaltswidrigen Verhalten des Klägers noch in einem fehlerhaften Verhalten des Beklagten, sondern ist allein der gesetzgeberischen Entscheidung in § 80 Abs. 1 VwGO bzw. § 80 Abs. 5 VwGO geschuldet (vgl. Nds. HOVG, B.v. 1.9.2014 – 5 LA 240/13 – ZBR 2014, 422/424).
Auch wird der im streitgegenständlichen Bescheid enthaltene Ratenzahlungsplan hinsichtlich der Höhe der einzelnen Raten den derzeitigen und absehbaren wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers gerecht. Das Landesamt für Finanzen setzte sich im angegriffenen Rückforderungsbescheid dezidiert mit den Ausgaben und Einnahmen des Klägers auseinander und ermittelte eine Ratenhöhe, bei der es dem Kläger und seiner Familie unter Deckung ihres Lebensbedarfes möglich ist, die laufenden Verbindlichkeiten zu begleichen. Gegenteiliges wurde von Klägerseite auch nicht vorgebracht. Darüber hinaus ist insoweit ein Interesse der öffentlichen Hand an baldiger und vollständiger Realisierung von Forderungen anzuerkennen, wie es von Beklagtenseite zutreffend in die Ermessenserwägungen einbezogen wurde.
II.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO. Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch die Beklagte vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.


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