Arbeitsrecht

Sofortige Beschwerde- Aufhebung einer bewilligten Prozesskostenhilfe wegen Nichtauskunft

Aktenzeichen  2 Ta 31/19

Datum:
16.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 21252
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 115 Abs. 3 S. 1 u. 2, § 120a Abs. 1 S. 3, § 124 Abs. 1 Nr. 2
SGB XII § 90 Abs. 2 Nr. 9
BarbetrV § 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

9 Ca 6464/17 2018-10-23 Bes ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 23.10.2018, Az. 9 Ca 6464/17, aufgehoben.
2. Das Verfahren wird an das Arbeitsgericht Nürnberg zurückverwiesen.

Gründe

I.
Die Parteien stritten um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Weiterbeschäftigung und Zeugniserteilung.
Mit Beschluss vom 05.02.2018 bewilligte das Arbeitsgericht der Klägerin Prozesskostenhilfe für die 1. Instanz für Verfahren und Vergleich ohne Ratenzahlung.
Das Verfahren endete durch gerichtlich festgestellten Vergleich vom 20.02.2018. Darin einigten sich die Parteien auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2018 und die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 17.000,00 € brutto.
Mit Beschluss vom 13.03.2018 setzte das Arbeitsgericht den Wert des Streitgegenstandes für das Verfahren auf 6.092,00 €, den überschießenden Vergleichswert auf 1.532,00 € fest.
Mit Beschluss vom 01.04.2018 setzte das Arbeitsgericht die der Klägerinvertreterin aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf 1.219,16 € fest.
Mit Schreiben vom 06.08., 05.09. und 02.10.2018 wurde die Klägerin um Mitteilung gebeten, ob und welcher Höhe die Abfindung zur Auszahlung gelangt ist. Da die Klägerin auf keines der Schreiben antwortete, hob das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 23.10.2018, zugestellt am 29.10.2018, die der Klägerin bewilligte Prozesskostenhilfe wegen Nichtauskunft gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO auf.
Hiergegen legte die Klägerinvertreterin mit Schreiben vom 19.11.2018, per Telefax am selben Tag eingegangen, sofortige Beschwerde ein und sicherte die umgehende Einreichung der Unterlagen zu.
Mit Beschluss vom 04.03.2019 half das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht ab und legte das Verfahren dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur weiteren Entscheidung vor, da die Klägerin trotz mehrfacher Fristverlängerung keine Erklärung darüber abgegeben hat, ob die Abfindung bereits zur Auszahlung gelangt ist. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Nichtabhilfebeschluss verwiesen (Bl. 46 d.A.).
Mit Schreiben vom 18.03.2019 teilt die Klägervertreterin mit, die Klägerin sei davon ausgegangen, dass die im Parallelverfahren 10 Ca 5271/14 abgegebenen Erklärungen ausreichend seien. Nach Gewährung einer weiteren Schriftsatzfrist bis zum 08.04.2019 übermittelte die Klägerin mit am 11.04.2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schreiben eine neue Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und teilte mit, dass sie Mitte Juli 2018 ca. 12.000,00 € aus der Abfindung erhalten habe und hiervon die Schulden bei den Eltern beglichen habe (Bl. 59 d.A.). Ausweislich der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 27.10.2017 betrugen die Schulden gegenüber ihren Eltern ca. 5.500,00 €, nach der Erklärung vom 05.04.2019 noch 1.450,- €. Angaben zur Rückzahlungsverpflichtung (Fälligkeit, Raten etc) machte die Klägerin nicht. Aus der ebenfalls vorgelegten Abrechnung vom März 2019 ergibt sich, dass die Klägerin in einem neuen Arbeitsverhältnis steht und Entgelt in Höhe von 1406,02 € netto erhalten hat.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und Zurückverweisung an das Arbeitsgericht.
1. Das Arbeitsgericht hat die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach § 120 a i.V.m. § 124 Abs. 1 Nr. 2 2. Alternative ZPO zu Recht aufgehoben, da die Klägerin im Hinblick auf die im Vergleich vereinbarte Abfindung keine genügende Erklärung nach § 120 a Abs. 1 S. 3 ZPO abgegeben hat.
2. Im Beschwerdeverfahren kann das ursprünglich fehlende Vorbringen noch nachgeholt werden. Dies hat die Klägerin nunmehr zum Teil getan. Allerdings wird das Arbeitsgericht noch näher zu überprüfen haben, inwieweit insbesondere die behaupteten Schulden gegenüber den Eltern und deren Tilgung zutreffend sind und entsprechende Belege einfordern müssen. Erst dann kann entschieden inwieweit der Klägerin der Einsatz der erhaltenen Abfindung, deren genaue Höhe ebenfalls noch belegt werden sollte, als Vermögen zumutbar ist. Im Hinblick auf das nunmehr erzielte Einkommen der Klägerin kommt möglicherweise auch eine Ratenzahlung in Betracht.
3. Im Hinblick auf den Einsatz der erhaltenen Abfindung als Vermögen wird auf folgendes hingewiesen:
Die Klägerin nach ihren eigenen Angaben eine Abfindungszahlung in Höhe von 12.000,00 € im Juli 2018 tatsächlich erhalten. Dies hätte sie unverzüglich dem Gericht mitteilen müssen (§ 120 a Abs. 2 S. 1). Hierüber ist sie sowohl im Formular über die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, das die Klägerin am 14.12.2017 ausgefüllt hat, belehrt worden, als auch im Bewilligungsbeschluss vom 05.02.2018.
Eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes ist grundsätzlich als Bestandteil des nach § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO einzusetzenden Vermögens anzusehen, wenn diese – wie hier – der Prozesskostenhilfeantragstellerin zugeflossen ist. Jedoch sind nach § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO in Verbindung mit § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII kleine Barbeträge nicht zur Begleichung der Prozesskosten einzusetzen. Nach § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII sind kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte für jede volljährige Person 5.000,00 EUR.
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss 24.04.2006 (3 AZB 12/05) entschieden, dass neben dem Schonvermögen dem Antragsteller ein weiterer Betrag von der Abfindung verbleiben muss. Denn dem von der Kündigung betroffenen Arbeitnehmer drohten durch den Verlust des Arbeitsplatzes typischerweise Kosten, etwa für Bewerbungen, Fahrten sowie unter Umständen auch Schulungen und Umzug. Diese Kosten ließen im Regelfall den Einsatz der gesamten Abfindung als unzumutbar im Sinne von § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO erscheinen. Kein Regelfall liege vor, wenn der Arbeitnehmer kurz nach dem Beendigungszeitpunkt bereits eine neue Stelle im selben Ort gefunden habe. Ob dies der Fall ist, steht nicht fest. Allerdings in den vorgelegten Entgeltabrechnungen vom Februar und März 2019 als Datum des Eintritts der 11.01.2016 vermerkt.
Liegt hingegen der Regelfall der Arbeitssuche vor, so bliebe nach Ansicht der erkennenden Beschwerdekammer aus der Abfindung ein weiterer Betrag von 2.600,- € anrechnungsfrei.
Ob und in welcher Höhe die Abfindung anrechnungsfrei bleibt, ist allerdings umstritten.
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 24.04.2006 (3 AZB 12/05) entschieden, dass als Anhaltspunkt für die aus Gründen der Praktikabilität notwendige Typisierung der durch den Arbeitsplatzverlust entstehenden Kosten auf die Höhe des Schonbetrages (kleiner Barbetrag) nach der Durchführungsverordnung abzustellen ist.
Das LAG Rheinland-Pfalz (17.04.2018 – 7 Ta 37/18, juris) und das LAG Hamm (26.01.2018 – 5 Ta 561/17, juris) sind der Auffassung, dass auch nach der Neufassung des § 1 BarbetrV mit Geltung ab dem 01.04.2017 weiterhin als Anhaltspunkt für die Höhe der dem Arbeitnehmer durch den Verlust des Arbeitsplatzes typischerweise entstehenden Kosten die Höhe des Schonbetrages für eine volljährige Person dienen kann. Dies soll nach dieser Aufforderung weiterhin gelten trotz der nicht unerheblichen Anhebung des Freibetrages gemäß § 1 Ziffer 1 der BarbetrV zu § 90 Abs. 2 SGB XII. Mit dieser Anhebung seien insbesondere für Menschen mit Bedarf in besonderen Lebenslagen erhöhte Freibeträge für vorhandenes Vermögen eingeführt worden, die eine selbstständige Lebensführung, Alterssicherung und Förderung der Erwerbsfähigkeit erleichtern sollten. In diesem Zusammenhang scheine die Verdoppelung des Schonbetrages gemäß § 1 Ziffer 1 der Verordnung zu § 90 Abs. 2 Ziffer 9 SGB XII angemessen, um die Förderung der Aufnahme der weiteren Erwerbstätigkeit auch im Hinblick auf die aus der Arbeitslosigkeit resultierenden Einkommenseinbußen zu gewährleisten (LAG Hamm,- 5 Ta 561/17 -Rn 15, juris).
Das Landesarbeitsgericht Köln (24.05.2018 – 9 Ta 22/18 – juris) lehnt die Verdoppelung ab und berücksichtigt nur noch das Schonvermögen und anders als das Bundesarbeitsgericht überhaupt keinen weiteren zusätzlichen Betrag.
Das LAG Schleswig-Holstein (30.08.2018 – 4 Ta 96/18, juris) vertritt eine vermittelnde Auffassung und lässt einen weiteren Betrag von 2.400,- € anrechnungsfrei. Dem folgt das Beschwerdegericht.
Danach ist auszugehen von dem erhöhten Schonvermögen von 5.000,00 EUR. Allerdings bestehen keine Anhaltspunkte, dass damit auch bereits die vom Bundesarbeitsgericht erwähnten typisierten Kosten der Arbeitsplatzsuche erfasst sind. Diese sind über das Schonvermögen hinaus zu berücksichtigen, allerdings nicht zusätzlich in Höhe des Schonvermögens für Ledige. Denn es ist nicht erkennbar, dass sich mit der Erhöhung des Schonvermögens typisierend die Kosten der Arbeitsplatzsuche erhöht haben. Diese dürften – typisierend – in der Höhe unverändert sein. Das Beschwerdegericht berücksichtigt daher den Wert zusätzlich, den das Bundesarbeitsgericht bisher typisierend akzeptiert hat, nämlich 2.600,00 EUR.
Bei einer Abfindung von 12.000,- € betrüge das bei Vorliegen des Regelfalls einzusetzende Vermögen 4.400,- €. Aus den Erklärungen der Klägerin ergibt sich, dass sie Schulden gegenüber den Eltern in Höhe von 4.050,- € getilgt hat. Ob ein Regelfall vorliegt und die Klägerin tatsächlich ein elterliches Darlehen erhalten und zurückgeführt hat, wird das Arbeitsgericht näher klären müssen. Ebenso ist zu klären, ob es sich um fällige Schulden handelte. Denn nur die tatsächliche Tilgung fälliger Schulden vermindert das einzusetzende Vermögen (Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl., § 115 ZPO Rn 46).
4. Der Beschwerde war somit stattzugeben und das Verfahren zur weiteren Klärung an das Arbeitsgericht zurückzugeben.
Da sich die Entscheidung in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts befindet (Erhöhung des Schonbetrags um 2.600,- €), bestand kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.


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