Arbeitsrecht

Sonderzahlung – billiges Ermessen – betriebliches Entlohnungssystem

Aktenzeichen  10 AZR 136/17

Datum:
23.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2017:230817.U.10AZR136.17.0
Normen:
§ 315 BGB
§ 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG
Spruchkörper:
10. Senat

Verfahrensgang

vorgehend Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven, 11. Februar 2016, Az: 1 Ca 1204/15, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Bremen, 8. Dezember 2016, Az: 2 Sa 42/16, Urteil

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 8. Dezember 2016 – 2 Sa 42/16 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um die Zahlung eines weiteren halben Bruttogehalts in rechnerisch unumstrittener Höhe von 924,00 Euro als Sonderzahlung für das Jahr 2014.
2
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1. Dezember 1991 aufgrund des schriftlichen Anstellungsvertrags vom 15. November 1991 (im Folgenden Arbeitsvertrag) als CON-Operator beschäftigt. Der mit „Entgelt“ überschriebene § 3 Arbeitsvertrag lautet wie folgt:
        
„Das monatliche Bruttogehalt – zahlbar am 1. des folgenden Monats – beträgt DM 2,812,00 zuzüglich Schichtzulage DM 280,00. … Zusätzlich zum Grundgehalt wird – nach Ablauf der Probezeit – als freiwillige Leistung – eine Weihnachtsgratifikation gezahlt, deren Höhe jeweils jährlich durch den Arbeitgeber bekanntgegeben wird und deren Höhe derzeit ein volles Monatsgehalt nicht übersteigt.
        
Sofern das Arbeitsverhältnis vor dem 01. April eines Jahres begonnen hat, soll auf die vorstehende Gratifikation im Juni dieses Jahres ein Vorschuß in Höhe von bis zu einem halben Monatsgehalt gezahlt werden. Sofern zwischen Beginn des Arbeitsverhältnisses und dem 30. November eines Jahres weniger als 11 Monate liegen, beträgt die Gratifikation 1/12 für jeden Monat des Arbeitsverhältnisses.
        
Endet das Arbeitsverhältnis bis zum 31.03. des Folgejahres, ist das Unternehmen berechtigt, die geleistete Gratifikation von der letzten Gehaltszahlung im Rahmen der Pfändbarkeit einzubehalten. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, den dann noch offenen Restbetrag an die Gesellschaft zurückzuzahlen.
        
…“    
3
Die Beklagte vereinbarte seit Gründung des Betriebs im Jahre 1984 mit allen Arbeitnehmern zusätzlich zum Grundgehalt die Leistung einer Sonderzahlung in der im Arbeitsvertrag des Klägers bezeichneten Art und Weise. Hieran änderte sich nach der erstmaligen Konstituierung eines Betriebsrats im Jahre 1989 nichts.
4
Bis einschließlich des Jahres 2013 leistete die Beklagte an den Kläger in jedem Kalenderjahr eine Sonderzahlung in Höhe eines ganzen Bruttogehalts. Eine Hälfte wurde als „Urlaubsgeld“ mit der Vergütung für Mai und die andere als „Weihnachtsgeld“ mit der Vergütung für November abgerechnet und gezahlt. Außerhalb der Verdienstabrechnungen erfolgten seitens der Beklagten keine Mitteilungen über die Weihnachtsgratifikation.
5
In der Verdienstabrechnung des Klägers für Mai 2014 war neben dem Gehalt in Höhe von 1.847,57 Euro ein als „Abschl. J-gratifikat.“ bezeichneter Betrag in Höhe eines halben Bruttogehalts ausgewiesen, der nach Abzug von Steuern und Beiträgen netto an den Kläger ausgezahlt wurde.
6
Nachdem die Beklagte im August 2014 bei einem geschätzten Aufwand von 320.000,00 bis 350.000,00 Euro für die „zweite Hälfte“ der Weihnachtsgratifikation ein negatives Betriebsergebnis vor Steuern prognostiziert hatte, entschied sie im September 2014, keine weitere Gratifikation an die Belegschaft zu zahlen. Im Oktober 2014 unterrichtete sie den Kläger schriftlich darüber, dass „aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Lage …[der Beklagten] die Zahlung des zweiten Teils der Jahresendgratifikation mit der Novemberabrechnung 2014 nicht erfolgen“ könne. Mit Schreiben vom 30. Januar 2015 erhob der Kläger „Einspruch gegen das … angekündigte Entfallen der Auszahlung der vertraglich vereinbarten Gratifikation im November 2014.“
7
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe unter dem Gesichtspunkt einer betrieblichen Übung Anspruch auf ein halbes Bruttogehalt als Weihnachtsgeld, da er in der Vergangenheit abweichend von der vertraglichen Regelung weder einen „Vorschuss“ im Juni noch eine Weihnachtsgratifikation zum Jahresende, sondern vielmehr jeweils ein halbes Bruttogehalt als „Urlaubsgeld“ im Mai und als „Weihnachtsgeld“ im November erhalten habe. Außerdem habe sich sein vertraglicher Gratifikationsanspruch durch die jahrelange vorbehaltlose Auszahlung der Sonderzahlung in zwei Hälften auf insgesamt ein Monatsgehalt konkretisiert. Ein ihr etwa nach § 3 Arbeitsvertrag zustehendes Leistungsbestimmungsrecht habe die Beklagte bereits durch die in der Maximalhöhe erbrachte „Abschlagszahlung“ im Mai 2014 ausgeübt. Dadurch habe sie zu erkennen gegeben, dass sie im November – wie in den Vorjahren – ein zweites halbes Gehalt zahlen werde. Die Beklagte habe zudem das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verletzt.
8
Der Kläger hat beantragt,
        
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 924,00 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszins seit dem 1. Dezember 2014 zu zahlen.
9
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, § 3 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsvertrag räume ihr in Bezug auf die endgültige Anspruchshöhe ein Leistungsbestimmungsrecht ein, das sie im September 2014 aufgrund des damals prognostizierten Betriebsergebnisses vor Steuern nach billigem Ermessen ausgeübt habe. Das Geschäftsergebnis sei seit Jahren rückläufig gewesen und es habe im Jahre 2014 erstmals ein Abrutschen in die Verlustzone gedroht. Dies habe allein dadurch verhindert werden können, dass sie beschlossen habe, die zweite Hälfte der Weihnachtsgratifikation nicht auszuzahlen.
10
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.


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