Arbeitsrecht

Sozialplan – Ungleichbehandlung wegen des Alters

Aktenzeichen  1 AZR 102/13

Datum:
9.12.2014
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 75 Abs 1 BetrVG
§ 10 S 3 Nr 6 Alt 2 AGG
§ 10 S 1 AGG
§ 3 Abs 1 AGG
§ 7 Abs 1 AGG
Art 6 Abs 1 EGRL 78/2000
Art 267 Abs 3 AEUV
§ 308 Abs 1 S 1 ZPO
Spruchkörper:
1. Senat

Leitsatz

In einem Sozialplan können Arbeitnehmer von Abfindungsleistungen ausgeschlossen werden, die nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I rentenberechtigt sind und zuvor die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses an einem anderen Unternehmensstandort abgelehnt haben.

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Dortmund, 22. Februar 2011, Az: 5 Ca 3925/10, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), 29. August 2012, Az: 4 Sa 668/11, Urteil

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten und unter Zurückweisung der Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 29. August 2012 – 4 Sa 668/11 – aufgehoben, soweit es der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 22. Februar 2011 – 5 Ca 3925/10 – entsprochen hat.
Die Berufung des Klägers gegen das vorgenannte Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund wird insgesamt zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über eine Sozialplanabfindung.
2
Der im April 1947 geborene Kläger war bis zum 30. April 2011 bei der Beklagten in deren D Betrieb beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung im Rahmen von Umstrukturierungsmaßnahmen. Der Kläger hatte zuvor eine Weiterbeschäftigung am Standort in F zu ansonsten unveränderten Bedingungen abgelehnt.
3
In dem am 16. Juni 2010 zwischen der Beklagten und ihrem Gesamtbetriebsrat sowie den betroffenen Einzelbetriebsräten vereinbarten Sozialplan (SP 2010) ist bestimmt:
        
„2.4. 
Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis
        
        
Es werden keine Abfindungen gewährt, wenn ein Beschäftigter in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis weiterbeschäftigt werden kann und die Weiterbeschäftigung ablehnt. …
        
        
…       
        
        
Beschäftigte, die zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet haben, fallen ausschließlich unter die Regelung der Ziffer 2.5.“
4
Die Abfindungen nach Nr. 2.4. SP 2010 berechnen sich aus einem einheitlichen Grundbetrag von 2.500,00 Euro sowie einem Steigerungsbetrag, der von der Dauer der Betriebszugehörigkeit, dem Lebensalter und dem Bruttomonatsentgelt abhängt (Nr. 2.4.1. SP 2010). Beschäftigte, die zum Zeitpunkt des Ausscheidens das 58. Lebensjahr vollendet haben, erhalten nach den Regelungen in Nr. 2.5.2. SP 2010 bis zum frühestmöglichen Eintritt in die gesetzliche Altersrente 85 % des um die gesetzlichen Abzüge verminderten Bruttomonatsentgelts unter Anrechnung des voraussichtlichen Arbeitslosengelds für 24 Monate. Die Summe wird mit einem pauschalen Zuschlag von 15 % als Bruttoabfindungssumme gezahlt.
5
Nr. 2.5.3. SP 2010 lautet:
        
„2.5.3.
Für die Milderung oder den Ausgleich etwaiger weiterer Nachteile, die im Einzelfall durch das vorzeitige Ausscheiden eintreten können, sind weitere Verhandlungen zwischen dem Beschäftigten und der Personalabteilung möglich. Es ist den betroffenen Beschäftigten unbenommen, zu diesen Verhandlungen ein Betriebsratsmitglied hinzuzuziehen.“
6
Nach der Anlage 1 SP 2010 war ein Arbeitsplatzwechsel unzumutbar, wenn der Beschäftigte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplans das 58. Lebensjahr vollendet hat oder im Einzelnen normierte familien- oder personenbezogene Gründe vorlagen.
7
Die Beklagte zahlte dem Kläger, der im Mai 2011 eine vorzeitige Altersrente beanspruchen konnte, keine Abfindung. Der Kläger bezog bis zum Bezug der Regelaltersrente am 1. Juni 2012 ein monatliches Arbeitslosengeld iHv. 2.021,40 Euro sowie eine Betriebsrente iHv. rund 400,00 Euro.
8
Der Kläger hat die Sonderregelung in Nr. 2.5. SP 2010 für unwirksam gehalten. Diese bewirke eine unzulässige Ungleichbehandlung wegen des Alters.
9
Der Kläger hat – soweit für die Revisionsinstanz von Interesse – beantragt,
        
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 307.585,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2011 zu zahlen.
10
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
11
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr teilweise entsprochen und die Beklagte zu einer Abfindung iHv. 16.950,46 Euro verurteilt. Mit den im Umfang ihres wechselseitigen Unterliegens eingelegten Revisionen verfolgen die Parteien ihre zuletzt gestellten Anträge weiter.


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