Arbeitsrecht

Sozialversicherungspflicht eines Geschäftsführers

Aktenzeichen  S 11 R 2481/12

Datum:
13.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB IV SGB IV § 7, § 7a
SGB X SGB X § 24

 

Leitsatz

Die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses wird grundsätzlich nicht dadurch ausgeschlossen, dass jemand für seinen Ehe- oder Lebenspartner tätig ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage gegen den Bescheid vom 23.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.11.2012 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Das Sozialgericht München ist sachlich und örtlich zuständig. Die form- (§ 90 SGG) und fristgerecht (§ 87 SGG) erhobene Klage ist auch im Übrigen zulässig.
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Die Feststellung im Bescheid vom 23.07.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2012 hinsichtlich der abhängigen sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit des Klägers ist nicht zu beanstanden.
Der Bescheid ist nicht formell rechtswidrig, eine ordnungsgemäße Anhörung hat stattgefunden, die Argumente wurden im Ausgangsbescheid berücksichtigt, auch wenn die Beklagte aufgrund der Äußerung der Klägerseite zur Anhörung nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers kam. Im Übrigen kann eine fehlende Anhörung nachgeholt werden.
Der Bescheid ist auch materiell-rechtlich rechtmäßig. Der Kläger unterliegt ab 01.01.2012 bis zur Aufgabe der Tätigkeit am 19.01.2014 als Beschäftigter der Sozialversicherungspflicht.
Im Rahmen des Anfrageverfahrens nach § 7a SGB IV hat die Beklagte zutreffend festgestellt, dass der Kläger seit 01.01.2012 – die Voraussetzungen für einen späteren Beginn der Versicherungspflicht nach § 7a Abs. 6 SGB IV liegen aufgrund des nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellten Antrags nicht vor – als gegen Arbeitsentgelt Beschäftigter in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht und der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt. Der Kläger hat diese abhängige Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 7 SGB IV bis zur Aufgabe der Tätigkeit am 19.01.2014 ausgeübt.
Gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – insbesondere bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein (BSG vom 28.09.2011 – B 12 R 17/09 R).
Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. BSG vom 24.01.2007 – B 12 KR 31/06 R).
Ausgangspunkt für die Beurteilung ist zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, wie es sich aus den Vereinbarungen und dem Arbeitsvertrag ergibt. Die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses wird grundsätzlich nicht dadurch ausgeschlossen, dass jemand für seinen Ehe- oder Lebenspartner tätig ist. Bei einem Arbeitsverhältnis unter Ehegatten ist allerdings die Feststellung erforderlich, dass es sich um ein von diesen ernsthaft gewolltes und vereinbarungsgemäß durchgeführtes entgeltliches Beschäftigungsverhältnis handelt. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass die Abhängigkeit der Ehegatten im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt und das Weisungsrecht deshalb möglicherweise nur mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (BSG v. 30.01.1990, 11 RAr 47/88; BSG vom 08.08.1990, 11 RAr 77/89 in SozR 3-2400 § 7 Nr. 1 und 4).).
Die Beigeladene zu 1) hat mit dem Kläger am 15.12.2011 einen Arbeitsvertrag geschlossen. Darin wird der Kläger als Arbeitnehmer, Geschäftsführer, eingestellt. Auf die Einhaltung einer Probezeit wird unter Anrechnung des bisherigen Anstellungsverhältnisses – der Kläger war zuvor als Stationsleiter für die Beigeladene zu 1) tätig – verzichtet. Des Weiteren ist eine feste Vergütung von 2.400.- Euro brutto im Monat vorgesehen sowie die Zurverfügungstellung eines Firmenwagens, eines Laptops sowie eines Handys. Durch die bis zum 31.12.2012 erfolgte feste Vergütung als Geschäftsführer in Höhe von 2.400.- Euro (bis September 2012) sowie 2.164.- Euro bis Dezember 2012 unter Berücksichtigung von Sonntags- und Nachtzuschlägen trägt der Kläger kein Unternehmerrisiko. Aus den vorgelegten Brutto-Netto-Bezügeabrechnungen geht hervor, dass der Kläger Weihnachtsgeld, Zuschläge für Sonntagsarbeit, Nachtzuschläge und Feiertagszuschläge erhalten hat. Dies ist bei Arbeitnehmern üblich und entspricht den gesetzlichen Bestimmungen.
Der Zusatz in § 5 des Arbeitsvertrages von 2011, dass sämtliche Vergütung abhängig vom wirtschaftlichen Erfolg des gemeinsamen Unternehmens ist, ist zu unbestimmt und nicht geeignet, den Rechtsanspruch des Klägers auf ein festes monatliches Gehalt zu beeinträchtigen (vgl. hierzu aus LSG Baden-Württemberg vom 29.09.2015 – L 11 R 2762/14).
Die Vereinbarung in § 1 des Vertrages, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, sämtliche Beschlüsse des Unternehmens betreffend ausschließlich gemeinsam zu fassen, wird dadurch relativiert, dass dem Kläger außerordentlich gekündigt werden kann (§ 4 des Vertrages).
Die vom Kläger und der Beigeladenen zu 1) angegebene (Innen-)GbR ist insoweit unbedeutend. Es liegen keine Hinweise dafür vor, dass ein Gesellschaftervertrag zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) geschlossen wurde. Im Übrigen würde eine Innen GbR nicht die Außenrechtsbeziehungen zu den einzelnen Sozialversicherungsträgern berühren, sodass selbst bei Annahme einer Innengesellschaft das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht ausgeschlossen ist (BSG vom 26.08.1975 – 1 RA 93/73). Die möglicherweise im Innenverhältnis bestehende GbR ist nach außen hin nicht dokumentiert und kann somit nichts an der Außenrechtsbeziehung ändern.
Allein aus der Tatsache, dass der Kläger die Tätigkeit als Geschäftsführer weitgehend weisungsfrei ausüben konnte, kann nicht auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen werden. Bei Ehegatten ist das Weisungsrecht in aller Regel weniger stark ausgeprägt und wird nicht oder nur mit gewissen Einschränkungen ausgeübt (vgl. BSG v. 30.01.1990 und 08.08.1990 a.a.O).
Die Lohnzahlung für den Kläger wurde von der Beigeladenen zu 1) als Betriebsausgabe angesetzt. Die Beigeladene zu 1) ging also davon aus, dass das gezahlte Arbeitsentgelt entsprechend den steuerrechtlichen Bestimmungen als Betriebsausgabe anzusehen ist. Dies ist ein Indiz dafür, dass zwischen der Arbeitgeberin und dem Arbeitnehmer – dem Kläger – ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestand. Im Übrigen besteht keine vollständige Unabhängigkeit zwischen der steuerrechtlichen und der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung einer beruflichen Tätigkeit (vgl. hierzu BayLSG vom 11.12.2008 – L 4 KR 55/07).
Auch die Bestimmung, dass der Kläger und die Beigeladene zu 1) sämtliche Beschlüsse das Unternehmen betreffend ausschließlich gemeinsam fassen (§ 1 des Arbeitsvertrages), kommt nur eine untergeordnete Bedeutung zu, da die Beigeladene zu 1) als Vertragspartnerin des Mineralölkonzerns fungierte und somit für die Entscheidungen allein verantwortlich gegenüber dem Konzern war. Im Übrigen ist es nicht unüblich, Geschäftsführer in Entscheidungen den Betrieb betreffend mit einzubinden.
Der Gewinnbeteiligung in Höhe von 5% des Jahresüberschusses (§ 5 des Arbeitsvertrages) steht kein Verlustrisiko gegenüber, da der Kläger nicht am Verlust beteiligt ist. Das unternehmerische Risiko trägt – wie es für Einzelunternehmen typisch ist – allein die Beigeladene zu 1).
Dass der Kläger ab 01.01.2013 bis zum Ausscheiden am 19.01.2014 als Aushilfe beschäftigt wurde, ändert nichts am Status eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Die Beigeladene zu 1) hat den Kläger ab Januar 2013 bei der Bundesknappschaft als Aushilfe angemeldet und entsprechende Beiträge bezahlt. Aus der Abrechnung der Brutto-Netto-Bezüge geht hervor, dass dem Kläger 20 Stunden pro Monat à 8,00 Euro vergütet wurden.
Ob eine Beschäftigung von Familienangehörigen als abhängiges Beschäftigungsverhältnis oder als familienhafte Mitarbeit zu werten ist, hängt von den Gesamtumständen des Einzelfalles ab. Hierbei ist ein wesentliches Kennzeichen, ob ein in etwa leistungsgerechtes Entgelt gezahlt und Steuern abgeführt wurden (vgl. Kassler-Kommentar § 7 SGB IV, Rd.Nr. 104). Die Beigeladene zu 1) hat den Kläger als Aushilfe bei der Bundesknappschaft angemeldet und pauschal versteuert. Dabei entspricht der Lohn von 8,00 Euro in etwa dem üblichen Aushilfslohn.
Die erkennende Kammer ist daher zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger auch in der Zeit vom 01.01.2013 bis 19.01.2014 als abhängig Beschäftigter für die Beigeladene zu 1) tätig war. Auch wenn die Entlohnung von 8,00 Euro pro Stunde in der Zeit vom 01.01.2013 bis 19.01.2014 geringer ist als der Stundenlohn als Geschäftsführer für die Zeit vom 01.01.2012 bis 31.12.2012, so schließt eine untertarifliche Bezahlung des Ehegatten die Annahme eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht aus (BSG vom 17.12.2002 – B 7 AL 34/02 R).
In der Gesamtwürdigung aller oben ausgeführten Punkte kommt die erkennende Kammer zum Ergebnis, dass der Kläger in der Zeit vom 01.01.2012 bis 19.01.2014 bei der Beigeladenen zu 1) in einem abhängigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und orientiert sich am Ausgang des Rechtsstreits. Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da sie keinen Antrag gestellt haben.

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