Arbeitsrecht

Sozialversicherungsrechtlicher Entgeltbegriff

Aktenzeichen  13 K 2270/15

Datum:
15.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
StEd – 2021, 173
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 3 Nr. 62
BMSVG § 6 Abs. 1 S. 1, § 27 Abs. 8
FGO § 105 Abs. 3
ASVG § 49

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Das Verfahren befindet sich im 2. Rechtszug.
Die Beteiligten streiten darüber, ob Beiträge, die der österreichische Arbeitgeber des Klägers gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 österreichisches betriebliches Mitarbeiter und Selbständigen Vorsorgegesetz – BMSVG – in Höhe von jeweils 1,53% des Bruttoentgelts an eine österreichische betriebliche Vorsorgekasse (BV-Kasse) geleistet hat, gem. § 3 Nr. 62 Einkommensteuergesetz -EStGsteuerfrei sind.
Zum 1. August 2013 hatten die Kläger ihren Wohnsitz von Österreich nach Deutschland verlegt und dabei ihre Beschäftigung in Österreich beibehalten. Unstreitig ist auf sie die Grenzgänger-Regelung des Art. 15 Abs. 6 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen – DBA AUT – anzuwenden, so dass das Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus der nichtselbständigen Tätigkeit in den Streitjahren bei der Bundesrepublik Deutschland liegt.
Das Finanzamt rechnete dem vom Kläger als Grenzgänger bezogenen Bruttoarbeitslohn die Beiträge ab August 2013 hinzu, wodurch sich dessen Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, welche im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung 2013 vom 7. Juli 2014 und 2014 vom 9. Juli 2015 Berücksichtigung fanden entsprechend erhöhten.
Die hiergegen geführten Einspruchsverfahren (Einsprüche vom 11. Juli 2014 für 2013 und vom 17. Juli 2015 für 2014) blieben mit Einspruchsentscheidung vom 13. August 2015 ohne Erfolg.
Hiergegen wurde Klage erhoben.
Im ersten Rechtszug wurde mit Urteil des Bundesfinanzhofs -BFHvom 13. Februar 2017 VI R 20/17, BFH/NV 2020, 1026 bereits rechtlich entschieden, dass es sich bei den gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 BMSVG an den Kläger geleisteten Beiträgen um nach deutschem Recht steuerbaren Arbeitslohn gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG handelt, der dem Kläger in den Streitjahren gem. § 11 Abs. 1 EStG zugeflossen ist. Ebenso, dass für diese Beiträge eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 56 und Nr. 63 EStG nicht in Betracht kommt und dass, unabhängig vom Ausgang des streitgegenständlichen Verfahrens, keine Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu besorgen ist und eine Vorlage an den EuGH nicht in Betracht kommt.
An einer Entscheidung, ob die Beiträge unter die Steuerfreistellung des § 3 Nr. 62 EStG fallen, sah sich der BFH gehindert, da ausreichende Feststellungen zum ausländischen Recht fehlten.
Das österreichische „Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz“ -BMSVGhat zum 1.1.2003 das vorher leistungsorientierte Abfertigungssystem durch ein beitragsorientiertes System im Rahmen eines Kapitaldeckungsverfahrens ersetzt. Die Finanzierung der betrieblichen Vorsorge erfolgt dabei durch regelmäßige Beitragsleistungen der Arbeitgeber. Der regelmäßige (monatliche) Melde- und Beitragsweg vom Arbeitgeber zu einer betrieblichen Vorsorgekasse (BV-Kasse) läuft – so wie bei allen anderen österreichischen Beiträgen und Umlagen auch – über den gesetzlichen Krankenversicherungsträger, der auch die Einhaltung der Melde- und Beitragspflichten durch den Arbeitgeber im Zuge der Gemeinsamen Prüfung Lohnabgaben und Beiträge (GPLB) kontrolliert.
Das österreichische Recht verpflichtet gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 BMSVG jeden Arbeitgeber für jeden seiner Arbeitnehmer einen Beitrag in Höhe von 1,53% des monatlichen Entgelts, nebst Sonderzahlungen, an den für den Arbeitnehmer zuständigen Träger der Krankenversicherung zu leisten, sofern das Arbeitsverhältnis länger als einen Monat dauert. Meldepflichten, Fälligkeit und Beitreibung der Beiträge erfolgen nach Maßgabe des Allgemeines Sozialversicherungsgesetz Österreich -ASVG- (§ 6 Abs. 1 bis 3 BMSVG).
Auch wenn der Arbeitgeber nicht ordnungsgemäß geleistet hat, ist der Träger der Krankenversicherung verpflichtet, den Beitrag zu einem festgelegten Zeitpunkt an die BV-Kasse weiterzuleiten (§ 27 Abs. 8 BMSVG). Der gesetzliche Krankenversicherungsträger kontrolliert dabei die Einhaltung der Melde- und Beitragspflichten durch den Arbeitgeber im Zuge der Gemeinsamen Prüfung Lohnabgaben und Beiträge (GPLB).
Beitragsgrundlage ist das monatliche Entgelt inklusive der Sonderzahlungen. Welche Leistungen als Entgelt zu verstehen sind, bestimmt sich nach dem sozialversicherungsrechtlichen Entgeltbegriff des § 49 ASVG. Die Höhe der Beiträge unterliegt weder einer Geringfügigkeits-, noch einer Höchstbetragsgrenze.
Die auf diese Weise geleisteten Beiträge fließen in eine Abfertigungsanwartschaft (§ 3 Nr. 3 BMSVG), zu der auch Verzugszinsen sowie Erträge aus der Anlage („Veranlagung“) der Beiträge zählen. Die Beiträge werden von dem Krankenversicherungsträger an eine BV-Kasse weitergeleitet, von denen, nach Angabe der Wirtschaftskammer Österreich, derzeit acht zur Wahl stehen. Die Auswahl der BV-Kasse erfolgt durch Betriebsvereinbarung mit dem Arbeitgeber oder durch Auswahl des Arbeitgebers (§ 9 BMSVG), hilfsweise im Wege der Zuweisung durch den Dachverband der Sozialversicherungskassen (§ 27a Abs. 3 BMSVG). Der Arbeitgeber hat nach Auswahl einen Beitrittsvertrag mit der gewählten BV-Kasse zu schließen (§ 11 BMSVG). Eine Beendigung des Rechtsverhältnisses zu einer BV-Kasse kommt nur in Betracht, wenn sichergestellt ist, dass die Abfertigungsanwartschaften bei einer anderen BV-Kasse sichergestellt ist (§ 12 BMSVG). Die Tätigkeit der BV-Kasse wird als Bankgeschäft qualifiziert (§ 1 Abs. 1 Nr. 21 Bankwesengesetz -BWG-, § 18 Abs. 1 BMSVG), wobei sich die Tätigkeit der BV-Kasse auf die Entgegennahme und Anlage („Hereinnahme“ und „Veranlagung“) der Abfertigungsbeiträge beschränkt (§ 19 BMSVG). Als Rechtsformen der Kassen sind die Aktiengesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung zugelassen Nach § 14 BMSVG kann (nur) der Arbeitnehmer die Leistung (Abfertigung = Abfindung) aus der betrieblichen Vorsorgekasse bei einem Ausscheiden aus dem Unternehmen einfordern. Der Leistung sollen drei Beitragsjahre vorangehen (§ 14 Abs. 2 Nr. 4 BMSVG). Die Leistung kann nicht gefordert werden im Falle einer eigenen Kündigung, bei verschuldeter Entlassung oder bei unberechtigtem vorzeitigem Austritt (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BMSVG). Die Leistung kann in jedem Fall bei Beendigung des Arbeitslebens (§ 14 Abs. 4 und 4a BMSVG) oder im Fall des Ablebens (§ 14 Abs. 5 BMSVG) eingefordert werden. Erfolgt die Beendigung wegen des Todes des Berechtigten steht die Abfindung dem Ehegatten/eingetragenen Lebenspartner und Kindern, für die Familienbeihilfe (Kindergeld) bezogen wird, zu gleichen Teilen zu (§ 14 Abs. 5 BMVG) sofern diese innerhalb von drei Monaten nach Eintritt des Todesfalls einen Anspruch geltend machen, ansonsten fällt der Anspruch in die allgemeine Erbmasse (§ 531 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch Österreich -ABGB-).
Nach § 8 BMSVG kann die Abfertigungsanwartschaft weder verpfändet noch abgetreten werden.
Tritt ein Leistungsfall ein (§ 17 BMSVG), kann die Auszahlung, ein Weiterführen des Anspruchs bei der ursprünglichen BV-Kasse, die Übertragung an eine andere BV-Kasse eines neuen Arbeitgebers oder die Einzahlung in eine Pensionszusatzversicherung oder Pensionskasse verlangt werden. Im Minimum sind die eingezahlten Beiträge zu leisten (§ 24 BMSVG).
Zur Frage, ob es sich bei den Beiträgen, die ein österreichischer Arbeitgeber nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BMSVG an eine BV-Kasse leistet, um eine dem deutschen Sozialversicherungssystem vergleichbare Zukunftssicherungsleistung handelt, vertreten die Kläger die Auffassung, das Abfertigungssystem sei in die österreichische Sozialversicherung integriert, da die Beiträge gem. § 58 Abs. 1 bis 6 des österreichischen Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes -ASVGüber den zuständigen Träger der Krankenversicherung zu entrichten seien und die Krankenkasse die Beiträge weiterleite.
Die Kläger beantragen,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2013 vom 7. Juli 2014 und des Einkommensteuerbescheides 2014 vom 9. Juli 2015, beide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. August 2015, die Einkommensteuer 2013 auf X € und die Einkommensteuer 2014 auf Y € festzusetzen
Der Beklagte (das Finanzamt) beantragt,
Klage abzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, die Beitragszahlungen qualifizierten sich nicht als steuerfreie Einnahmen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG, da keine Vergleichbarkeit mit steuerfreien Zukunftssicherungsleistungen vorliege.
Die in Streit stehenden Beiträge des Arbeitgebers seien keine Gesamtversicherungsbeiträge im Sinne von Beiträgen zur Renten-, Kranken-, Pflege- oder Arbeitslosenversicherung.
Die Beiträge seien an eine BV-Kasse zu leisten. Die Hereinnahme und Veranlagung der Abfertigungsbeiträge sei als Bankgeschäft normiert, für welches das österreichische Bankwesengesetz -BWGanzuwenden sei. Die BV-Kasse sei nach § 19 BMSVG i.V.m. § 1 BWG keine Versicherung, sondern ein Kreditinstitut in Form einer AG oder GmbH.
Alles, was der Arbeitgeber in die BV-Kasse einzahle, könne der Arbeitnehmer zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausbezahlt bekommen, wobei nach § 24 BMSVG ein Verfall des eingezahlten Betrages ausgeschlossen sei.
Nach § 17 BMSVG gebe es ein Wahlrecht über die Verwendung des Betrages durch den Anwartschaftsberechtigten mit unterschiedlichen Möglichkeiten.
Der Beitrag sei am ehesten vergleichbar mit vermögenswirksamen Leistungen (VL) in Deutschland. VL seien zusätzliches Geld vom Arbeitgeber, welches der Arbeitnehmer zum Vermögensaufbau nutzen könne. Dabei habe der deutsche Steuerpflichtige die Wahl zwischen bestimmten Anlageformen, wobei Anlage und Emittentenrisiko bliebe. Der seitens des Arbeitgebers hierzu geleistete Betrag erhöhe den Bruttolohn und unterliege der Besteuerung. Bei Auszahlung seien nur Erträge aus dem angesparten Betrag steuerpflichtig. Auch die BV-Kasse verwalte die Beiträge im Interesse der Arbeitnehmer. Gleichwohl sei eine Bruttokapitalgarantie gewährt. Das Vermögen des Arbeitnehmers sei im Zeitpunkt der Beitragsleistung gemehrt.
Eine Vergleichbarkeit mit Zukunftssicherungsleistungen nach § 3 Nr. 62 EStG liege nicht vor. Es lägen keine Beiträge zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag vor, wie Renten-, ArbeitslosenKranken- oder Pflegeversicherung, sondern es werde an eine Körperschaft geleistet, die den Regularien des Bankwesens unterläge und Versorgungskasse sei. Es sei der volle Betrag zur Auszahlung garantiert, Renten-, ArbeitslosenKranken- oder Pflegeversicherung träten jedoch nur bei Ruhestand, Krankheit, Pflegebedürftigkeit und Arbeitslosigkeit ein. Es ergäben sich nur in Einzelpunkten Vergleichbarkeiten mit verschiedenen Vorsorgemöglichkeiten in Deutschland. Die Garantie des vollen Betrages stünde im Gegensatz zum deutschen Sozialversicherungssystem, welches auf dem Solidarprinzip beruhe und aus welchem der Einzelne nur eventuell einen Anspruch habe.
Der in Streit stehende Beitrag qualifiziere sich dagegen als Anlage im Kapitaldeckungsverfahren. Er sei unverfallbar, individualisiert und schaffe eine vererbbare Vermögensanlage. Die von § 3 Nr. 62 EStG umfassten Zukunftssicherungsansprüche verfielen dagegen mit dem Tod.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, sowie auf die vorgelegten Unterlagen und Akten gemäß § 105 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung – FGO – verwiesen.
II.
Die Klage ist nicht begründet.
1. Nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG sind Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers steuerfrei, soweit der Arbeitgeber dazu nach sozialversicherungsrechtlichen oder anderen gesetzlichen Vorschriften oder nach einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung verpflichtet ist, und es sich nicht um Zuwendungen oder Beiträge des Arbeitgebers nach den Nummern 56 und 63 des § 3 EStG handelt.
Nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG steuerfrei sind die in Streit stehenden Beiträge dann, wenn sie an die österreichische BV-Kasse geleistet werden, um eine dem deutschen Sozialversicherungssystem vergleichbare Zukunftssicherungsleistung zu gewähren (BFH, Urteil vom 13. Februar 2020 VI R 20/17, BFH/NV 2020, 1026). Voraussetzung hierfür ist, dass die österreichische BV-Kasse nach ihrer Struktur und den von ihr im Versorgungsfall zu erbringenden Leistungen auf der Grundlage einer rechtsvergleichenden Qualifizierung mit der Absicherung über die inländische Sozialversicherung vergleichbar ist, ohne dass es auf eine – in der Praxis unwahrscheinliche bzw. kaum denkbare – Identität ankäme (zur Vergleichbarkeitsprüfung vgl. z.B. BFH-Urteile vom 17. Mai 2017 X R 10/15, BFHE 259, 59, BStBl II 2017, 1251; vom 26. November 2014 VIII R 38/10, BFHE 249, 22, BStBl II 2016, 657, und vom 14.07.2010 X R 37/08, BFHE 230, 361, BStBl II 2011, 628; BFH in BFH/NV 2020, 1026).
Die Vergleichbarkeit hat unter Vermeidung einer Überprivilegierung von im Ausland beschäftigten Arbeitnehmern in Bezug zu nehmen, inwieweit andersartige Arbeitgeberleistungen der Zukunftssicherung, die verpflichtend zu erbringen sind, eine Grundversorgung wie im deutschen Sozialversicherungssystem gewährleisten (vgl. BTDrucks 8/2501, 18¸BFH, Urteil vom 24. September 2013 VI R 6/11, BFHE 243, 210, BStBl II 2016, 650, Rn. 18).
Vorstehende Auslegungsgrundsätze berücksichtigend vermögen sich die seitens des österreichischen Arbeitgebers nach dem BMSVG geleisteten Beiträge nicht als nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG steuerfrei zu qualifizieren.
2. Bei den in Streit stehenden Beiträgen handelt es sich zwar um nach ausländischem Recht gesetzlich verpflichtend zu leistende Beiträge, die sich für den jeweiligen Arbeitnehmer auch zukunftssichernd auswirken. Auch sind die Beitragszahlungen in ein System der staatlich garantierten, respektive staatlich veranlassten Zukunftssicherung integriert. Jedoch gewähren sie, anders als die inländischen Sozialversicherungssysteme, nicht nur eine Grundversorgung des begünstigten Arbeitnehmers bei Eintritt eines Sicherungsfalls, sondern qualifizieren sich – verglichen mit den inländischen Regelungen – insoweit als überobligatorisch und damit der inländischen sozialrechtlichen Grundversorgung wirtschaftlich nicht vergleichbar, als eine Leistungserbringung nicht zwingend mit einem bestimmten Sicherungsereignis einhergeht, sondern auch durch Zeitablauf eintreten kann, eine Garantie auf Rückgewähr der geleisteten Beiträge besteht und, unabhängig vom Eintritt eines Sicherungsfalls, ein vererbbarer Vermögensaufbau bewirkt wird.
a) Der österreichische Arbeitgeber des Klägers ist nach einer anderen gesetzlichen Vorschrift (vgl. zur Auslegung BTDrucks 12/1108, 51), namentlich § 6 Abs. 1 Satz 1 BMSVG verpflichtet, den in Streit stehenden Beitrag an den für den Arbeitnehmer zuständigen Träger der Krankenversicherung zu leisten.
b) Die Beiträge sind Teil des sozialen Sicherungssystems Österreichs, da sie an den zuständigen Träger der Krankenversicherung als Teil der allgemeinen Sozialabsicherung zu leisten sind, wobei Meldepflichten, Fälligkeit und Beitreibung der Beiträge nach Maßgabe des Allgemeine Sozialversicherungsgesetzes Österreich erfolgen und der gesetzliche Krankenversicherungsträger die Einhaltung der Melde- und Beitragspflichten durch den Arbeitgeber im Zuge der Gemeinsamen Prüfung Lohnabgaben und Beiträge (GPLB) kontrolliert.
c) Die Beiträge sind jedoch wirtschaftlich den – steuerfreien – Arbeitgeberbeiträgen zur inländischen Sozialversicherung nicht vergleichbar.
aa) Die inländischen sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften umfassen die Beiträge des Arbeitgebers zur Krankenversicherung (z.B. §§ 249, 257 SGB V, 61 SGB XI, 8, 8a SGB IV), zur gesetzlichen Pflegeversicherung (§ 58 SGB IX), zur gesetzlichen Unfallversicherung (§ 150 SGB VII), zur gesetzlichen Rentenversicherung, zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen (§ 168, 172 SGB VI) sowie die Beiträge zur Arbeitsförderung nach § 346 SGB III, welche zur Finanzierung von Arbeitslosen- und Insolvenzgeld zu leisten sind. Mit den Beiträgen werden solidarisch zu erbringende Leistungen finanziert, die eine Grundversorgung im Sicherungsfall von Krankheit, Pflegebedürftigkeit, eines Unfalls, der Arbeitslosigkeit, zur Überbrückung einer Insolvenz und letztlich ein Auskommen nach dem altersveranlassten Ende des Arbeitslebens gewähren. Die mit inländischen Beiträgen zur Sozialversicherung erworbenen Ansprüche sind nur im Rahmen der ihnen zugeordneten und definierten Sicherungsleistungen, nach Eintritt des konkreten Sicherungsfalles abrufbar und dienen einer definierten Risikoabsicherung. Sie sind nicht variabel nutzbar, eine Nutzungsgewähr besteht nur insoweit, als bei Eintritt eines Sicherungsfalls Anspruch auf einen gesetzlich definierten Leistungskatalog besteht. Eine Garantie auf individuelle Rückgewähr der geleisteten Beiträge bei ausbleibender Inanspruchnahme durch fehlenden Eintritt eines Leistungsfalls besteht nicht. Ebenso wenig können die geleisteten Beiträge individuell als mögliche Investitionssumme abgerufen werden, zur Verbesserung der Altersversorgung, zum Vermögensaufbau nach Ende des Erwerbslebens, als Nachlassvermögen im Todesfall oder in beliebiger Weise genutzt werden.
bb) Demgegenüber gewähren die in Streit stehenden Beiträge nur ein Angebot, um Zeiten unverschuldet eingetretener Erwerbslosigkeit zu überbrücken oder zu gestalten. Gleichermaßen können sie, nach Wahl des Arbeitnehmers, ebenso zur Verbesserung der Altersversorgung, zum Aufbau von Vermögen, aber auch ohne Zweckbindung, beispielweise als Investitionsmittel zum Aufbau einer Selbständigkeit oder letztlich auch völlig losgelöst von irgendwelchen Sicherungszwecken genutzt werden. Durch die breit angelegte, nur geringfügig restriktiv ausgestaltete Zweckbindung der Beitragsnutzung steht weniger die Absicherung einer Grundversorgung, als vielmehr der Aufbau eines Grundstockvermögens zum variablen Einsatz im Mittelpunkt. Dem inländischen Sozialversicherungssystem fremd ist dabei ebenfalls der Umstand, dass eine Deckelung der Beiträge nicht erfolgt und dergestalt keine gleichmäßige, gegebenenfalls durch solidarische Verteilung erfolgende Grundversorgung gewährleistet wird, sondern eine rein von der persönlichen Entlohnungshöhe abhängige Zusatzversorgung aufgebaut wird. In der Summe erweist sich die Beitragsleistung daher mit dem inländischen Sozialversicherungssystem als nicht vergleichbar, so dass sich eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 62 EStG nicht rechtfertigt.
3. Der entscheidende Senat hält es für sachgerecht gem. § 90 a FGO durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.
4. Die Kosten des Verfahrens tragen gem. § 135 Abs. 1 FGO die Kläger.


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