Arbeitsrecht

Tarifgerechte Eingruppierung – Tarifgemeinschaft der Deutschen Rentenversicherung

Aktenzeichen  1 Sa 24/20

Datum:
22.6.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Thüringer Landesarbeitsgericht 1. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:LAGTH:2021:0622.1SA24.20.00
Spruchkörper:
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Verfahrensgang

vorgehend ArbG Erfurt, 21. November 2019, 6 Ca 2247/18, Urteilnachgehend BAG, 4. November 2021, 4 AZN 536/21, Beschluss: Verwerfung (nicht dokumentiert)nachgehend BAG, 4. November 2021, 4 AZN 539/21, Beschluss: Verwerfung (nicht dokumentiert)

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 21.11.2019 – 6 Ca 2247/18 teilweise abgeändert und die Feststellungsklage für den Zeitraum vor dem 01.01.2018 abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte 2/3.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die tarifgerechte Eingruppierung und Vergütung der Klägerin nach dem Tarifvertrag für die Verbandsmitglieder der Tarifgemeinschaft der Deutschen Rentenversicherung (TV-TgDRV) und dem Tarifvertrag über die Entgeltordnung der Deutschen Rentenversicherung (TVEntgO-DRV).
Die Klägerin ist seit 2003 bei der Beklagten auf Basis des Arbeitsvertrages vom 3. März 2003 (Blatt 25-26 der Akte) beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT-TgRV-O, der mit Wirkung zum 1.1.2006 durch den TV-TgDRV in Verbindung mit dem TVÜ-TgDRV ersetzt wurde. Zum 1.1.2015 trat die neue Entgeltordnung für die Deutsche Rentenversicherung (TVEntgO-DRV) in Kraft.
Seit dem 1.10.2005 ist die Klägerin als Hauptsachbearbeiterin im Bereich Rechtsbehelfe, Widerspruch und Klage am Dienstort … eingesetzt. Die Klägerin hat den Studiengang Rentenversicherung an der Fachhochschule für Verwaltung absolviert und ist Diplom-Verwaltungswirtin (FH). Nach Überleitung in den TVEntgO-DRV wurde die Klägerin in die Entgeltgruppe 10 des TVEntgO-DRV eingruppiert.
Mit Schreiben vom 26.11.2015 (Bl. 57 d.A.) stellte die Klägerin bei der Beklagten einen „Antrag auf Neubewertung der Stelle des Hauptsachbearbeiters Rechtsbehelfe“ und verlangte die Überprüfung und Neubewertung ihrer Stellenbewertung sowie ihre rückwirkende Eingruppierung in Entgeltgruppe 11 des TVEntgO-DRV.
§ 12 des TV-TgDRV bestimmt:
„(1) Die Eingruppierung der/des Beschäftigten richtet sich nach dem Tarifvertrag über die Entgeltordnung der Deutschen Rentenversicherung (TVEntgO-DRV). Die/Der Beschäftigte erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist.
(2) Die/Der Beschäftigte ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Kann die Erfüllung einer Anforderung in der Regel erst bei der Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden (z. B. vielseitige Fachkenntnisse), sind diese Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob diese Anforderung erfüllt ist, insoweit zusammen zu beurteilen. Werden in einem Tätigkeitsmerkmal mehrere Anforderungen gestellt, gilt das in Satz 2 bestimmte Maß, ebenfalls bezogen auf die gesamte auszuübende Tätigkeit, für jede Anforderung. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal ein von Satz 2 oder 4 abweichendes zeitliches Maß bestimmt, gilt dieses. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal als Anforderung eine Voraussetzung in der Person der/des Beschäftigten bestimmt, muss auch diese Anforderung erfüllt sein.
(3) Die Entgeltgruppe der/des Beschäftigten ist im Arbeitsvertrag anzugeben.
Protokollerklärungen zu Abs. 2:
1. Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis der/des Beschäftigten, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (z.B. unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs, eines Widerspruchs oder eines Antrags, Betreuung bzw. Pflege einer Person oder Personengruppe, Fertigung einer Bauzeichnung, Erstellung eines EKG, Durchführung einer Unterhaltungs- bzw. Instandsetzungsarbeit). Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden.
2. Eine Anforderung im Sinne der Sätze 2 und 3 ist auch das in einem Tätigkeitsmerkmal geforderte Herausheben der Tätigkeit aus einer niedrigeren Entgeltgruppe.“
Die für die tarifliche Bewertung der Tätigkeit der Klägerin relevanten Entgeltgruppen des TVEntgO-DRV haben folgenden Wortlaut:
„Entgeltgruppe 9b
Beschäftigte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst mit abgeschlossener Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.
Entgeltgruppe 9c
Beschäftigte, deren Tätigkeit sich dadurch aus der Entgeltgruppe 9b heraushebt, dass sie besonders verantwortungsvoll ist.
Entgeltgruppe 10
Beschäftigte der Entgeltgruppe 9c, deren Tätigkeit sich mindestens zu einem Drittel durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Entgeltgruppe 9c heraushebt.
Entgeltgruppe 11
Beschäftigte der Entgeltgruppe 9c, deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Entgeltgruppe 9c heraushebt.“
Eine Stellenbeschreibung vom 20.1.2011/28.11.2007, „gültig ab 1.1.2015“, (Bl. 432, 433 d.A.) weist drei Arbeitsvorgänge aus:
1.    
Bearbeiten von Widersprüchen:
55 %   
2.    
Bearbeiten von Klagen:
30 %   
3.    
Vertreten der DRV Mitteldeutschland und der DRV Bund vor den Sozialgerichten:
15 %   

Unstreitig erfüllt die Klägerin ab dem 1. Januar 2018 die Aufgaben der als Anlage K3 zur Akte gereichten Stellenbeschreibung „Hauptsachbearbeiter Rechtsbehelfe Widerspruch und Klage“, erstellt und bewertet am 12.09.2017, gültig ab 01.01.2018 (Bl. 28 ff. d.A.). Auch die dort enthaltene prozentuale Aufteilung der klägerischen Tätigkeit (s. Bl. 30 d.A.) ist zwischen den Parteien für den Zeitraum ab 1. Januar 2018 unstreitig:
1       
Bearbeiten von Widersprüchen
30 %   
2       
Bearbeiten von Klagen
35 %   
3       
Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren
20 %   
4       
Vertreten der DRV Mitteldeutschland und der DRV Bund vor den Sozialgerichten
15 %   

Die Anlage 1b zur Tätigkeitsbeschreibung vom 12.9.2017 (Bl. 35 ff d.A., Seite 11 wurde nachgereicht: Bl. 635 d.A.) lautet auszugsweise wie folgt:
2       
Bearbeiten von Klagen
…- Fertigen von Entscheidungsvorschlägen zu Vergleichsangeboten und Anerkenntnissen einschließlich Kostengrundentscheidung zur Vorlage an einen anderen Hauptsachbearbeiter gemäß dem 2-Personen-Prinzip nach interner Festlegung zu Anträgen und zu Ansprüchen in allen Renten-, Reha- und Versicherungsfällen eigener Zuständigkeit im Klageverfahren, auch zu schwierigen Sach- und Rechtslagen (insbesondere Fälle mit atypischen Fallgestaltungen bei Aufhebung von Bescheiden und Rückforderung überzahlter Leistungen; Fälle mit Ermessensausübung, z.B. bei Stundung und Niederschlagung; Fälle mit divergierender Rechtsprechung der Sozialgerichte aller Instanzen; Fälle mit Auslandsberührung, insbesondere mit Zeiten/Leistungen in verschiedenen Staaten), Fertigen der zugehörigen unterschriftsreifen Schriftsätze an die Gerichte- Fertigen von Vorlagen an den Teamleiter zur Entscheidung zu prozessualen bzw. sachleitenden Veranlassungen (z.B. Stellen eines Beweisantrages)…
3       
Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren
– Prüfen, Entscheiden und Zeichnen von Anerkenntnissen und Vergleichen zu Ansprüchen und Anträgen in allen Renten-, Reha- und Versicherungsfällen im Klageverfahren nach Vorlage durch einen anderen Hauptsachbearbeiter gemäß dem 2-Personen-Prinzip und nach interner Festlegung unter Berücksichtigung ständiger Rechtsprechung, auch zu schwierigen Sach- und Rechtslagen (insbesondere Fälle mit atypischen Fallgestaltungen bei Aufhebung von Bescheiden und Rückforderung überzahlter Leistungen; Fälle mit Ermessensausübung, z.B. bei Stundung und Niederschlagung; Fälle mit divergierender Rechtsprechung der Sozialgerichte aller Instanzen; Fälle mit Auslandsberührung, insbesondere mit Zeiten/Leistungen in verschiedenen Staaten) ggf. Festlegen von weiteren Ermittlungen (z.B. zum Eintritt des Leistungsfalles bei divergierenden Leistungseinschätzungen)…

Die Beklagte bewertet die von ihr gebildeten 4 Arbeitsvorgänge wie folgt:
Arbeitsvorgang
Prozentualer Zeitanteil
Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale
Bearbeiten von Widersprüchen
30 %   
besonders verantwortungsvolle Tätigkeit9c
Bearbeiten von Klagen
35 %   
besonders verantwortungsvolle Tätigkeit9c
Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren
20 %   
besondere Schwierigkeit und Bedeutung11
Vertreten der DRV Mitteldeutschland und anderer Rentenversicherungsträger vor den Sozialgerichten
15 %   
besondere Schwierigkeit und Bedeutung11

Mit ihrer am 18.12.2018 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 2. Januar 2019 zugestellten Klage hat die Klägerin ihre Eingruppierung in die Entgeltgruppe 11 des TV-EntgO-DRV ab dem 1.5.2015 sowie die Nachzahlung von Vergütungsdifferenzen ab diesem Zeitpunkt begehrt.
Sie hat die Rechtsauffassung vertreten, der Arbeitsvorgang „Bearbeiten von Klagen“ mit einem prozentualen Zeitanteil von 35 % erfülle das Heraushebungsmerkmal „besondere Schwierigkeit und Bedeutung“ und sei daher ebenfalls der Entgeltgruppe 11 zuzuordnen. Insoweit unbestritten prüfe sie, die Klägerin, im Rahmen der Bearbeitung von Klagen sämtliche rechtlichen Voraussetzungen zur Zulässigkeit und Begründetheit der Klage und fertige die kompletten Schriftsätze an die Gerichte und die sonstige Korrespondenz mit den Verfahrensbeteiligten. Sie hat behauptet, diese Tätigkeit erfolge selbstständig und ohne Zuarbeit oder Aufsicht übergeordneter Dienststellen. Die Bearbeitung der Klagen erfordere umfassende Kenntnisse in sämtlichen sozialrechtlichen Rechtsgebieten und auch fachübergreifend Kenntnisse beispielsweise des Zivilrechts, des Arbeitsrechts und des Steuerrechts. Für den anzustellenden wertenden Vergleich verweist Klägerin auf die von der Beklagten mit der Entgeltgruppe 9c bewertete Tätigkeit des Sachbearbeiters Rente und verweist auf eine entsprechende Stellenbeschreibung (Bl. 188 d.A.). Insbesondere hebe die besondere Selbstständigkeit der klägerischen Tätigkeit im Zusammenhang mit der Bearbeitung der sozialgerichtlichen Klagen, die erforderlichen umfassenden Fachkenntnisse sowie die nur von ihr, nicht aber vom Sachbearbeiter Rente verlangte Würdigung medizinischer Unterlagen und die Beurteilung berufskundlicher Fragen die klägerische Tätigkeit durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Entgeltgruppe 9c heraus. Aus einem Überprüfungsprotokoll der Beklagten aus Juni 2017 (Bl. 182 d.A.) ergebe sich, dass die Beklagte anlässlich der Überprüfung der Stellenbewertung der Hauptsachbearbeiter selbst davon ausgeht, dass es zahlreiche Klageverfahren gebe, die als schwierig einzustufen seien. Wegen des erstinstanzlichen Vortrags der Klägerin zum Erfüllen des Heraushebungsmerkmals „besondere Schwierigkeit und Bedeutung“ durch die Tätigkeit „Bearbeiten von Klagen“ wird auf ihre schriftsätzlichen Ausführungen insbesondere im Schriftsatz vom 30. April 2019 (Bl. 165-175 d.A.) Bezug genommen.
Erstinstanzlich hat die Klägerin ferner die Auffassung vertreten, die Arbeitsvorgänge „Bearbeiten von Klagen“ und „Vertreten der DRV Mitteldeutschland und anderer Rentenversicherungsträger vor den Sozialgerichten“ bildeten im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen einheitlichen Arbeitsvorgang. Dieser einheitliche Arbeitsvorgang sei insgesamt mit E11 zu bewerten. Arbeitsergebnis sei die Beendigung des Rechtsstreits, unabhängig davon, ob dieses Arbeitsergebnis durch ein Urteil nach mündlicher Verhandlung, durch Anerkenntnis oder auf sonstige Weise erreicht werde. Unter Beachtung dieses Arbeitsergebnisses könne die Bearbeitung von Klagen nicht von der anschließenden gerichtlichen Vertretung getrennt werden. Der Annahme eines einheitlichen Arbeitsvorgangs stehe auch nicht entgegen, dass die Beklagte unbestritten die Vertretung vor Gericht so organisiert hat, dass jeweils ein Hauptsachbearbeiter sämtliche am Verhandlungstag stattfindenden Termine wahrnimmt, also nicht ausschließlich die von ihm selbst zuvor bearbeiteten Verfahren.
Die Klägerin hat sich erstinstanzlich in Bezug auf die mit Beklagtenschriftsatz vom 24.9.2019 vorgelegte Stellenbeschreibung vom 20. Januar 2011, gültig ab 1.1.2005, mit drei gebildeten Arbeitsvorgängen (Bl. 432 d.A.) auf Verspätung berufen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin für die Zeit ab dem 1.5.2015 nach der Entgeltgruppe 11 des Tarifvertrages über die Entgeltordnung der Deutschen Rentenversicherung in der jeweils geltenden Fassung zu vergüten und die sich zur bezahlten Vergütung ergebenden Differenzbeträge nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin erfülle mit der Bearbeitung von Klagen nicht die Heraushebungsmerkmale der „besonderen Schwierigkeit und Bedeutung“ der Entgeltgruppe 11. Hierzu hat sie im Wesentlichen ausgeführt, entgegen der Darstellung der Klägerin erfordere die Tätigkeit als Hauptsachbearbeiterin im Vergleich zu der Tätigkeit eines Sachbearbeiters Rente keine besonderen Fachkenntnisse. Die von der Klägerin angeführten Fachkenntnisse würden im Rahmen des einschlägigen Fachhochschulstudiums gelehrt. Dieses wiederum sei bereits Voraussetzung einer Zuordnung zur Entgeltgruppe 9b und könne daher nicht als Beleg für die „besondere Schwierigkeit“ der Tätigkeit herangezogen werden. Mit Fragen der Berufskunde und den einzuholenden Gutachten des sozialmedizinischen Dienstes habe sich auch der Sachbearbeiter Rente zu befassen. Im Übrigen finde sehr wohl bei der Bearbeitung von Klagen eine Kontrolle durch den Teamleiter statt. Dies ergebe sich unter anderem daraus, dass ausweislich der Anlage zur Tätigkeitsbeschreibung (Bl. 635 d.A.) ausschließlich der Teamleiter, nicht der Hauptsachbearbeiter, über prozessuale Veranlassungen wie etwa das Stellen eines Beweisantrages entscheide. Auch bestehe die Befugnis des Teamleiters, über Vergleiche oder Anerkenntnisse zu entscheiden, wenn Uneinigkeit oder fachliche Unsicherheit zwischen den Hauptsachbearbeitern im Rahmen des 2-Personen-Prinzips besteht.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Arbeitsvorgänge „Bearbeiten von Klagen“ und „Vertretung vor den Sozialgerichten“ stellten keinen einheitlichen Arbeitsvorgang dar. Zum Einen ergebe sich eine Zäsur durch das Sozialgerichtsgesetz selbst, da es im Falle einer Erledigung des Rechtsstreits noch vor Beginn der mündlichen Verhandlung gar nicht zu einer Vertretung der Beklagten vor den Sozialgerichten durch die Hauptsachbearbeiter komme. Zum Anderen sei bei der Bildung von Arbeitsvorgängen die vom Arbeitgeber vorgegebene Organisation der Fallbearbeitung zu beachten. So sei zu beachten, dass die tatsächliche Organisation der Vertretung der Beklagten vor den Sozialgerichten der Region Thüringen ab dem Eingang der Ladung durch eine Servicemitarbeiterin und nicht durch die Hauptsachbearbeiter erfolge. Die Tätigkeit der Servicemitarbeiterin erfasse – insoweit unbestritten – sowohl das Zeichnen der Empfangsbekenntnisse, die Bestimmung des konkreten Terminsvertreters und das Bereitstellen der für die mündliche Verhandlung erforderlichen Akten. Diese Koordination der Sozialgerichtstermine stelle eine tatsächliche Zäsur dar, die die Arbeitsvorgänge „Bearbeiten von Klagen“ und „Vertretung vor den Sozialgerichten“ zu abgrenzbaren, eigenständigen Arbeitsvorgängen mache. Die Prozessvertretung vor den Sozialgerichten der Region Thüringen sei – insoweit unstreitig – dahingehend organisiert, dass ein Hauptsachbearbeiter sämtliche an einem Terminstag terminierte Rechtsstreitigkeiten unter Beteiligung der Beklagten wahrnehme. Zwar seien darunter auch zuvor selbst zuständigkeitshalber bearbeitete Klageverfahren, dies erfolge aber zufällig und in geringem Umfang. Auf Basis entsprechender Vereinbarungen mit anderen Rentenversicherungsträgern nehme die Klägerin ebenso wie die anderen Terminsvertreter unbestritten auch die gerichtliche Vertretung in solchen Rechtsstreitigkeiten wahr, die zuvor durch die Deutsche Rentenversicherung Bund oder andere Rentenversicherungsträger bearbeitet worden waren. Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass die Klägerin unbestritten im Zeitraum vom 22.9.2017 bis 7.3.2019 in 10 Gerichtsterminen insgesamt 52 Fälle vertreten hat – darunter 8 Fälle der DRV Bund, 4 Fälle der DRV Knappschaft-Bahn-See und ein Fall der DRV Baden-Württemberg. Von den verbleibenden 39 Fällen der Beklagten gehörten lediglich drei Fälle zur Zuständigkeit der Klägerin.
Mit Schriftsatz vom 24.09.2019 (Bl. 430 d.A.) hat die Beklagte unter Vorlage der Stellenbeschreibung vom 20.1.2011/28.11.2017 „gültig ab 1.1.2015“ (Bl. 432 d.A.) angeführt, die Klägerin könne mit ihrer Argumentation allenfalls für den Zeitraum ab 1.1.2018 durchdringen. Ausweislich der vorgelegten Stellenbeschreibung habe der Arbeitsvorgang „Bearbeiten von Widersprüchen“ vor dem 1.1.2018 einen prozentualen Anteil von 55 % eingenommen. Die Erfüllung der Voraussetzungen der Entgeltgruppe 11 in einem zeitlichen Anteil von mehr als der Hälfte sei daher für Zeiten vor dem 1.1.2018 ausgeschlossen. Denn das „Bearbeiten von Widersprüchen“ erfülle nicht die Heraushebungsmerkmale der Entgeltgruppe 11, worüber zwischen den Parteien kein Streit herrscht.
Mit Urteil vom 21.11.2019 (Bl. 467-482 d.A.) hat das Arbeitsgericht Erfurt der Klage vollumfänglich stattgegeben.
Es hat im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei den von der Beklagten gebildeten Arbeitsvorgängen „Bearbeiten von Klagen“, „Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren“ und „Vertreten der DRV Mitteldeutschland und der DRV Bund vor den Sozialgerichten“ um einen einheitlichen Arbeitsvorgang handele, der zusammengenommen einen Zeitanteil von 70 % ausmache. Einheitliches Arbeitsergebnis sei die Klagebearbeitung vom Eingang der Klage bis zu deren Abschluss. Eine Zäsur durch die tatsächliche Organisation der Prozessvertretung durch die Servicemitarbeiterin finde nicht statt. Entscheidungsunerheblich sei auch der Einwand der Beklagten, die Trennung zwischen den Arbeitsvorgängen der Klagebearbeitung und der Gerichtsvertretung sei deshalb vorzunehmen, weil die Klägerin zum größten Teil keine eigenen Klageverfahren vor Gericht vertrete. Da nach den übereinstimmenden Angaben beider Parteien die Arbeitsvorgänge „Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren“ sowie „Vertreten der DRV Mitteldeutschland und anderer Rentenversicherungsträger vor den Sozialgerichten“ die Tätigkeitsmerkmale der besonderen Schwierigkeit und Bedeutung erfüllen, sei der einheitliche Arbeitsvorgang mit seinem Anteil von über 50% insgesamt der Entgeltgruppe 11 zuzuordnen.
Wegen der Annahme des einheitlichen Arbeitsvorgangs mit insgesamt 70 % war aus Sicht des Arbeitsgerichts entscheidungsunerheblich, ob – wie von der Klägerin angeführt – der mit 35 % angesetzte Arbeitsvorgang „Bearbeiten von Klagen“ für sich genommen die Heraushebungsmerkmale der besonderen Schwierigkeit und Bedeutung für eine Zuordnung zu E11 erfüllt.
Das Arbeitsgericht hat ferner ausgeführt, der Hinweis der Beklagten auf eine für den Zeitraum vor 1.1.2018 maßgebliche Stellenbeschreibung mit lediglich drei Arbeitsvorgängen ändere nichts am Ergebnis. Die Beklagte habe nicht substantiiert ausgeführt, wann, unter welchen Umständen und für welche Zeiträume die mit Beklagtenschriftsatz vom 24.9.2019 überreichte Stellenbeschreibung vom 20.1.2011/28.11.2017 gefertigt worden sei.
Gegen das ihr am 22.1.2020 zugestellte erstinstanzliche Urteil hat die Beklagte mit bei Gericht am 13.2.2020 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 20.4.2020 mit bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 8.4.2020 begründet.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag zur Trennung der Arbeitsvorgänge „Bearbeiten von Klagen“, „Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse“ und „Vertreten vor den Sozialgerichten“.
Sie führt an, unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach Einzeltätigkeiten dann nicht zusammengefasst werden können, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind, hätte es das Arbeitsgericht bei den in der Stellenbeschreibung für Hauptsachbearbeiter Rechtsbehelfe Widerspruch und Klage beschriebenen vier Arbeitsvorgängen belassen müssen. Bei der Bestimmung der Arbeitsvorgänge komme es maßgeblich auf die Organisation des Arbeitgebers an, insbesondere dann, wenn in den organisatorischen Ablauf der erforderlichen Arbeitsschritte eine Zäsur eingefügt sei.
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben sei der in der Stellenbeschreibung Hauptsachbearbeiter genannte Arbeitsvorgang „Bearbeiten von Klagen“ vom Arbeitsvorgang „Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren“ zu trennen. Aus der für den Zeitraum ab 1.1.2018 maßgeblichen Tätigkeitsbeschreibung ergebe sich, dass die Klägerin im Rahmen des Arbeitsvorgangs „Bearbeiten von Klagen“ lediglich Entscheidungsvorschläge zu Vergleichsangeboten und Anerkenntnissen zur Vorlage an den zweiten Hauptsachbearbeiter zu fertigen habe. Im Rahmen des Arbeitsvorgangs „Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren“ entscheide der Hauptsachbearbeiter jeweils ausschließlich über den fremden Vergleichs- oder Anerkenntnisvorschlag eines anderen Hauptsachbearbeiters. Dieser Sachbearbeiterwechsel stelle eine Zäsur in der Arbeitsorganisation der Klagebearbeitung dar. Anders als in den vom Erstgericht herangezogenen Entscheidungen des LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 26.7.2016 – 5 Sa 226/15 und des LAG Köln vom 8.6.1016 – 11 Sa 16/16 liege bezogen auf das jeweilige Klageverfahren gerade keine einheitliche Klagebearbeitung beginnend mit dem Klageeingang bis zum Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens vor. Die Beklagte führt ferner an, die Arbeitsaufgabe „Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse“ habe vor Übertragung dieser Tätigkeit auf die Hauptsachbearbeiter zum 1.1.2018 ausschließlich den Teamleitern oblegen. Die Übertragung dieser Entscheidungsbefugnis – die als solche von der Klägerin nicht bestritten wird – sei erfolgt, um den Hauptsachbearbeitern nach Neubewertung der Tätigkeit und neuer Aufteilung der Arbeitsvorgänge weiterhin eine tarifgerechte Eingruppierung nach der Entgeltgruppe 10 zu sichern. Die Beklagte verweist diesbezüglich auf den Inhalt des Überprüfungsprotokolls der Stellenbewertung vom 19.6.2017 (Bl. 182 d.A.). Die vormalige Zuständigkeit der Teamleiter für die Entscheidung über Anerkenntnis und Vergleich zeige, dass der Arbeitsvorgang „Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse“ seit jeher organisatorisch von der Klagebearbeitung getrennt gewesen sei.
Wegen der rechtserheblichen Zäsur durch die Tätigkeit der die Gerichtsvertretung organisierenden Servicemitarbeiterin sowie auch der unstreitigen Vertretung von Klageverfahren anderer Rentenversicherungsträger durch die Klägerin sei auch der Arbeitsvorgang „Vertreten vor den Sozialgerichten“ getrennt zu betrachten.
In Bezug auf den Arbeitsvorgang „Bearbeiten von Klagen“ habe die Klägerin eine besondere Schwierigkeit und Bedeutung im Sinne der Entgeltgruppe 11 nicht dargetan.
Jedenfalls für den Zeitraum bis 31.12.2017 sei ein etwaiger klägerischer Anspruch unbegründet. Der für diesen Zeitraum maßgeblichen Stellenbeschreibung vom 20.1.2011/28.11.2017 mit Gültigkeit ab 1.1.2015 (Bl. 432 d.A.) habe das Arbeitsgericht zu Unrecht keine Bedeutung beigemessen. Die insoweit darlegungsbelastete Klägerin habe nicht dargelegt, welche Aufgaben ihr in welchem zeitlichen Umfang für den Zeitraum vom 1.5.2015 bis 31.12.2017 übertragen waren bzw. welche (andere) Stellenbeschreibung für ihre Tätigkeit vor dem 1.1.2018 hätte gelten sollen. Auf die ausdrücklich nur für den Zeitraum ab 1.1.2018 geltende Stellenbeschreibung vom 12.09.2017 (Anlage K3 – Bl. 28 ff. d.A.) – später ersetzt durch die Stellenbeschreibung vom 20.03.2018 (Anlage B37, Bl. 402 ff. d.A.) – und die darin dargestellten Arbeitsaufgaben könne sich die Klägerin für den Zeitraum bis zum 31.12.2017 nicht berufen. Im Übrigen habe die Klägerin für den Zeitraum bis 31.12.2017 keinen ausschlussfristwahrenden Höhergruppierungsantrag im Sinne von § 26 TVÜ-TgDRV gestellt. Hierzu führt die Beklagte auf den Seiten 22-25 ihres Schriftsatzes vom 14.06.2021 aus (Bl. 606-609 d.A.).
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 21.11.2019 (Aktenzeichen: 6 Ca 2247/18) abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Die organisatorische Entscheidung zur Bildung von Arbeitsvorgängen im Tarifsinne stünde nicht im Ermessen des Arbeitgebers. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Bildung von Arbeitsvorgängen seien bei der Klägerin nur zwei abgrenzbare Arbeitsergebnisse gegeben: der Abschluss des Widerspruchsverfahrens auf der einen und der Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens auf der anderen Seite. Letzteres beinhalte die von der Beklagten als eigenständige Arbeitsvorgänge betrachteten Arbeitsschritte „Bearbeiten von Klagen“, „Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse“ und „Vertreten vor den Sozialgerichten“. Diese Arbeitsschritte beinhalteten eine durchgängige Bearbeitung der Klageverfahren durch den Hauptsachbearbeiter. Eine getrennte Betrachtung der Arbeitsschritte durch die Organisation des Sitzungsdienstes bei der Beklagten sei nicht gerechtfertigt. Die Bearbeitung einer Klage durch den Hauptsachbearbeiter ende regelmäßig nicht mit der Übergabe der Akte an den Terminsvertreter. Für die einheitliche Betrachtung des Arbeitsvorgangs „Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens“ sei es zudem unerheblich, dass die Klägerin auch die Verfahren anderer Rentenversicherungsträger vor Gericht vertrete. Auch durch die Organisation des 2-Personen-Prinzips bei der Entscheidung über Vergleiche und Anerkenntnisse finde eine Zäsur nicht statt. Zu berücksichtigen sei, dass der Hauptsachbearbeiter zunächst in alleiniger Zuständigkeit den Vergleichstext bzw. das Anerkenntnis ausarbeite. Die Vorlage an einen anderen Hauptsachbearbeiter diene lediglich Kontrollzwecken und ändere nichts an der Entscheidungskompetenz des originären Hauptsachbearbeiters.
Für den Zeitraum vor dem 1.1.2018 führt die Klägerin an, bis zum erstinstanzlichen Beklagtenschriftsatz vom 24.09.2019 (Bl. 430 d.A.) sei zwischen den Parteien unstreitig gewesen, dass die der Klage beigefügte Stellenbeschreibung mit den dort aufgeführten Zeitanteilen für die klägerische Tätigkeit zutreffend sei. Insofern habe sie sich zu Recht auf Verspätung berufen. Unabhängig davon belegten die Feststellungen der Bewertungskommission im Abschlussbericht vom 19.6.2017 (Bl. 182 d.A.), dass die Arbeitsvorgänge in der Stellenbeschreibung vom 20.1.2011/28.11.2017 (Bl. 432 d.A.) nicht zutreffend dargestellt seien. Dies betreffe insbesondere den Zeitanteil von 55 % für das Bearbeiten von Widersprüchen. Zudem sei der Vortrag der Beklagten zu dieser Stellenbeschreibung nicht substantiiert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm § 520 Abs. 3 ZPO.
II. Die Berufung ist jedoch nur teilweise begründet.
Erfolg hat sie bezogen auf das klägerische Begehren auf eine Vergütung nach Entgeltgruppe 11 des TVEntgO-DRV für den Zeitraum vor dem 1.1.2018. Diesbezüglich war das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt abzuändern und die Klage abzuweisen. Für den Zeitraum ab 1.1.2018 hat das Arbeitsgericht Erfurt indessen zu Recht festgestellt, dass die Klägerin eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 11 des TVEntgO-DRV beanspruchen kann.
1. Die Eingruppierungsklage der Klägerin ist nach § 256 Abs. 1 ZPO als allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage (stRspr, s. BAG v. 14.10.2020 – 4 AZR 252/19; BAG v. 27.2.2019 – 4 AZR 562/17 Rn. 14; BAG v. 28.2.2018 – 4 AZR 816/16) zulässig.
2. Für den Zeitraum ab 1. Januar 2018 ist die Eingruppierungsfeststellungsklage begründet. Die Klägerin kann ab 1.1.2018 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 11 des TVEntgO-DRV sowie die Zahlung von Differenzvergütung inklusive Zinsen beanspruchen.
a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme nach Überleitung aus dem BAT-TgRV-O auf Basis des TVÜ-TgDRV der Tarifvertrag für die Verbandsmitglieder der Tarifgemeinschaft der Deutschen Rentenversicherung (TV-TgDRV) sowie die Entgeltordnung für die Deutsche Rentenversicherung (TVEntgO-DRV) Anwendung.
Nach § 12 Abs. 2 TV-TgDRV ist die Beschäftigte in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht danach den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Gemäß der Protokollerklärung zu § 12 Abs. 2 sind Arbeitsvorgänge Arbeitsleistungen, die zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen. Nach der Protokollerklärung ist jeder einzelne Arbeitsvorgang als solcher zu bewerten und darf hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden.
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die erkennende Kammer anschließt, ist für die Bestimmung eines Arbeitsvorgangs im Tarifsinne das Arbeitsergebnis maßgebend (st. Rspr., etwa BAG 9.9.2020 – 4 AZR 195/20 – Rn. 28; BAG 16.10.2019 – 4 AZR 284/18 – Rn. 17; BAG 28.2.2018 – 4 AZR 816/16 – Rn. 24; BAG 21.8.2013 – 4 AZR 933/11 – Rn. 13). Erforderlich ist, dass es sich bei der dem Beschäftigten tatsächlich zugewiesenen Tätigkeit um eine einheitliche Aufgabe handelt, die bei natürlicher Betrachtung einem abgrenzbaren Arbeitsergebnis dient (BAG 28.2.2018 – 4 AZR 816/16 Rn. 27; LAG Schleswig-Holstein 15.8.2019 – 5 Sa 40 öD/19 Rn. 34). Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden. Einzeltätigkeiten können jedoch dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vorneherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind. Dafür reicht die theoretische Möglichkeit nicht aus, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte übertragen zu können, solange sie nach der tatsächlichen Arbeitsorganisation des Arbeitgebers als einheitliche Arbeitsaufgabe einer Person real übertragen sind (BAG 16.10.2019 – 4 AZR 284/18 – Rn. 17; BAG 28.2.2018 – 4 AZR 816/16 – Rn. 24). Die tarifliche Wertigkeit der verschiedenen Einzeltätigkeiten oder Arbeitsschritte bleibt bei der Bestimmung der Arbeitsvorgänge außer Betracht. Erst nachdem der Arbeitsvorgang bestimmt ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals zu bewerten (BAG 9.9.2020 – 4 AZR 195/20 – Rn. 27; BAG 28.2.2018 – 4 AZR 816/16 – Rn. 25; BAG 18.3.2015 – 4 AZR 59/13 – Rn. 17).
c) Vor diesem Hintergrund hat das Arbeitsgericht Erfurt zu Recht die beiden von der Beklagten als eigenständige Arbeitsvorgänge betrachteten Arbeitsschritte „Bearbeiten von Klagen“ und „Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren“ als auf das gleiche Arbeitsergebnis gerichtete Teile eines einheitlichen Arbeitsvorgangs angesehen.
Unstreitig ist für die Tätigkeit der Klägerin ab dem 1.1.2018 die Stellenbeschreibung vom 12.09.2017 (Bl. 28 d.A.) maßgeblich. Hiernach entfallen 35 % der Arbeitszeit der Klägerin auf die Tätigkeit „Bearbeiten von Klagen“ und 20 % auf das „Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren“. Unerheblich ist, dass die Beklagte auf eine weitere Stellenbeschreibung vom 20.03.2018 Bezug nimmt. Denn in Bezug auf die hier interessierenden Zeitanteile der klägerischen Tätigkeit ergeben sich keine Unterschiede.
Maßgebliches Arbeitsergebnis der Arbeitsschritte „Bearbeiten von Klagen“ und „Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren“ ist die Betreuung des sozialgerichtlichen Verfahrens bis zu seiner rechtskräftigen Beendigung. Dieses Verfahren kann sowohl durch Anerkenntnis oder Vergleich oder aber durch Urteil oder auf sonstige Weise beendet werden. Die Klägerin ist mit allen auf dieses Arbeitsergebnis gerichteten Arbeitsschritten befasst – sie erstellt die maßgeblichen Schriftsätze, wertet medizinische und berufskundliche Gutachten aus und entscheidet über Vergleiche und Anerkenntnisse. Eine Aufteilung nach der Art der Beendigung sowie nach der Frage, ob das Verfahren noch vor oder nach der mündlichen Verhandlung vor Gericht abgeschlossen wird – wie die Beklagte unter Hinweis auf das Sozialgerichtsgesetz anführt – käme einer unnatürlichen Aufspaltung gleich. Erst mit rechtskräftiger Beendigung des sozialgerichtlichen Verfahrens ergibt sich bei natürlicher Betrachtung ein für die Beteiligten greifbares Ergebnis.
Gegen eine Zusammenfassung der Arbeitsschritte spricht nicht eine etwaige unterschiedliche tarifliche Wertigkeit der einzelnen Tätigkeiten. Die Beklagte führt an, das Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse habe vor dem 1.1.2018 – insoweit unbestritten – den Teamleitern oblegen. Die Tätigkeit des Entscheidens bewertet die Beklagte als von besonderer Schwierigkeit und Bedeutung und ordnet diese der Entgeltgruppe 11 zu. Nach Auffassung der Beklagten erfüllt der Arbeitsschritt „Bearbeiten von Klagen“ das Heraushebungsmerkmal nicht. Für die Frage der Zusammenfassung zu einem Arbeitsvorgang kann die tarifliche Bewertung der einzelnen Arbeitsschritte allerdings zunächst offenbleiben. Denn ob eine oder mehrere Einzeltätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führen, ist anhand einer natürlichen Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der durch den Arbeitgeber vorgegebenen Arbeitsorganisation zu beurteilen, nicht jedoch anhand der tariflichen Wertigkeit. Bei der Bestimmung des Arbeitsvorgangs bleibt die tarifliche Wertigkeit der einzelnen Tätigkeiten oder Arbeitsschritte zunächst außer Betracht. Ein Arbeitsvorgang kann daher auch Einzeltätigkeiten enthalten, die bei gesonderter Beurteilung unterschiedlich zu bewerten wären. Erst nachdem die Bestimmung des Arbeitsvorgangs erfolgt ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals zu bewerten (BAG 9.9.2020 – 4 AZR 195/20 – Leitsatz nach Juris).
Für die Bestimmung des Arbeitsvorgangs ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht jedes einzelne Klageverfahren zu betrachten. Zu Unrecht beruft sie sich auf die Verwendung des „Singular“ im Klammerzusatz der Protokollnotiz zu § 12 Abs. 2 TV-TgDRV („unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs, eines Widerspruchs oder eines Antrags“). Denn nach den oben zitierten Grundsätzen können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zu einem Arbeitsvorgang zusammengenommen werden. Und bei der großen Anzahl der von der Klägerin zu bearbeitenden Klageverfahren wäre es widersinnig und der Vermeidung von Atomisierungen zuwiderlaufend, in jedem einzelnen Klageverfahren je einen getrennt zu betrachtenden Arbeitsvorgang zu sehen. Hiervon geht auch Beklagte selbst nicht aus, da sie das „Bearbeiten von Klagen“ als einen Arbeitsvorgang ansieht und nicht die einzelnen Klageverfahren jeweils getrennt betrachtet.
Entgegen der Auffassung der Beklagten findet eine rechtserhebliche Zäsur auch nicht durch den von ihr angeführten Sachbearbeiterwechsel im Zusammenhang mit dem 2-Personen-Prinzip bei der Entscheidung über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren statt. Zwar ist für die Bestimmung des Arbeitsvorgangs und bei der Frage der Zusammenfassung von Einzeltätigkeiten zu einem einheitlichen Arbeitsvorgang sehr wohl und entgegen der Auffassung der Klägerin die vom Arbeitgeber vorgegebene Arbeitsorganisation zu beachten. Hierbei geht es nicht darum, die Bildung von Arbeitsvorgängen etwa in das Ermessen des Arbeitgebers zu legen, wie offenbar die Klägerin meint. Vielmehr zeigt der Bezug zu dem „Aufgabenkreis der Beschäftigten“, dass die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit anhand der durch den Arbeitgeber gewählten Organisationsform und die Art der Zuweisung von Tätigkeiten (zB einheitlich oder getrennt) für die Bestimmung der Arbeitsergebnisse zu berücksichtigen sind (vgl. BAG 9.9.2020 – 4 AZR 195/20 – Rn. 29). Der Beklagten ist zuzugeben, dass sie durch das 2-Personen-Prinzip die Erarbeitung des Entscheidungsvorschlags für einen Vergleich oder ein Anerkenntnis in die Hand eines Hauptsachbearbeiters legt und die Entscheidung hierüber einem anderen Hauptsachbearbeiter zuweist. Bezogen auf das einzelne Klageverfahren findet daher tatsächlich der von der Beklagten angeführte Sachbearbeiterwechsel statt. Dieser Sachbearbeiterwechsel führt jedoch entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu der von ihr angeführten rechtlichen Zäsur. Hierbei ist zu beachten, dass, wie oben ausgeführt, für die Zuordnung zu einem einheitlichen Arbeitsvorgang nicht das einzelne Klageverfahren zu betrachten ist, sondern die Bearbeitung von Klageverfahren insgesamt. Bezogen auf die zu bearbeitenden Klageverfahren insgesamt ist die Klägerin unbestritten sowohl für das Anfertigen von Entscheidungsvorschlägen zu Vergleichen und Anerkenntnissen als auch für das Entscheiden hierüber zuständig. Dass sie die eine Tätigkeit in „eigenen“ Klageverfahren, die andere im Rahmen des 2-Personen-Prinzips in „fremden“ Klageverfahren vollbringt, ändert an dem engen sachlichen und inhaltlichen Zusammenhang nichts. Die rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen, anhand derer der Entscheidungsvorschlag entweder erarbeitet oder entschieden wird, sind identisch. Auch die hierarchische Ebene beider Seiten des Entscheidungsprozesses im Rahmen des 2-Personen-Prinzips ist die gleiche. Die Hauptsachbearbeiter entscheiden letztlich gemeinsam über die Frage einer Beendigung des Klageverfahrens durch Vergleich oder Anerkenntnis. Dies bestätigt die Beklagte selbst, wenn sie davon spricht, dass die Befugnis der Teamleiter zur Entscheidung über Vergleiche und/oder Anerkenntnisse dann weiterhin besteht, wenn es Uneinigkeit oder fachliche Unsicherheit zwischen den beiden Hauptsachbearbeitern gibt. Eine rechtserhebliche Zäsur mag bei der vor dem 1.1.2018 geltenden Organisation einer Entscheidungsbefugnis auf Teamleiter-Ebene vorhanden gewesen sein. Denn dort gab es mit Blick auf sämtliche Klageverfahren eine organisatorische, hierarchische Trennung der Arbeitsaufgaben „Vorschlagen“ auf der einen und „Entscheiden“ auf der anderen Seite. Durch die Verortung der Entscheidungsebene auf der gleichen Stufe im Rahmen des 2-Personen-Prinzips ergibt sich jedoch, dass es nur von der internen Verteilung der Klageverfahren abhängt, ob ein Hauptsachbearbeiter bezogen auf das einzelne Verfahren auf der einen oder der anderen Seite des 2-Personen-Prinzips im Entscheidungsprozess tätig wird. Bezogen auf alle Klageverfahren ist jedoch zu verzeichnen, dass jeder Hauptsachbearbeiter sowohl vorschlägt als auch entscheidet.
d) Der so gebildete einheitliche Arbeitsvorgang bestehend aus den Arbeitsschritten „Bearbeiten von Klagen“ und „Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren“ macht unbestritten seit dem 1.1.2018 insgesamt 55 % der Tätigkeit der Klägerin aus. Dieser einheitliche Arbeitsvorgang ist der Entgeltgruppe 11 des TVEntgO-DRV zuzuordnen, da Tätigkeiten enthalten sind, die sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Entgeltgruppe 9c herausheben.
Von der Erfüllung der Entgeltgruppe 9c gehen beide Parteien übereinstimmend für die gesamte klägerische Tätigkeit aus. Ist der entsprechende Sachverhalt im Wesentlichen unstreitig ist und geht der Arbeitgeber – wie hier – selbst von der Erfüllung des Tarifmerkmals aus, genügt eine pauschale Überprüfung durch das Gericht (vgl. BAG 22.4.2009 – 4 AZR 166/08 – Rn. 21; LAG Nürnberg 29.4.2014 – 1 Sa 315/13).
Für die Erfüllung einer qualifizierenden tariflichen Anforderung, hier die „besondere Schwierigkeit und Bedeutung“, ist es ausreichend, wenn entsprechende Tätigkeiten innerhalb eines Arbeitsvorgangs in einem rechtlich erheblichen Ausmaß anfallen. Nicht erforderlich ist es, dass innerhalb eines Arbeitsvorgangs solche Tätigkeiten ihrerseits in dem nach § 12 Abs. 2 TV-TgDRV bestimmten Maß anfallen (Vgl. BAG 9.9.2020, 4 AZR 195/20 Rn. 65 zu dem insoweit identischen § 12 TV-L; BAG 22.2.2017, 4 AZR 514/16 Rn. 41 jeweils mwN). Für die Tätigkeit „Entscheiden über Vergleich und Anerkenntnis“ gehen die Parteien übereinstimmend von der Erfüllung des tariflichen Heraushebungsmerkmals aus. Auch hier erübrigt sich daher nach den oben dargestellten Grundsätzen eine vertiefte gerichtliche Prüfung. Mit 20 % Tätigkeitsanteil liegt auch ein rechtlich erhebliches Maß vor.
e) Da der mit E11 zu bewertende einheitliche Arbeitsvorgang – gebildet aus „Bearbeiten von Klagen“ und „Entscheiden über Vergleich und Anerkenntnis“ – bereits für sich genommen mit 55 % das nach § 12 Abs. 2 TV-TgDRV erforderliche zeitliche Maß von „mindestens zur Hälfte“ übersteigt, kann dahinstehen, ob zu diesem Arbeitsvorgang noch der weitere von der Beklagten gebildete Arbeitsvorgang „Vertreten der DRV Mitteldeutschland und anderer Rentenversicherungsträger vor den Sozialgerichten“ mit seinem Anteil von 15 % hinzuzurechnen ist. Nicht zu entscheiden war ferner, ob der Arbeitsschritt „Bearbeiten von Klagen“ für sich genommen das Heraushebungsmerkmal „besondere Schwierigkeit und Bedeutung“ der Entgeltgruppe 11 erfüllt.
f) Der Anspruch der Klägerin auf eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 11 des TVEntgO-DRV für den Zeitraum nach dem 1.1.2018 ist auch nicht wegen Eingreifens einer tariflichen Ausschlussfrist ausgeschlossen.
Die besondere von der Beklagten angeführte Ausschlussfrist des § 26 Abs. 1 S. 1 TVÜ-TgDRV greift allenfalls für Zeiträume bis zum 31.12.2017. Für den Zeitraum ab dem 1.1.2018 führt auch die Beklagte diese Ausschlussfrist – zu Recht – nicht an.
Und die allgemeine Ausschlussfrist des § 37 TV-TgDRV hat die Klägerin mit ihrem auf eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 11 zielenden Geltendmachungsschreiben vom 26.11.2015 gewahrt.
g) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
3. Hinsichtlich des Zeitraums vom 1.5.2015 bis zum 31.12.2017 war die Klage jedoch auf die Berufung der Beklagten hin abzuweisen. Für diesen Zeitraum hat die darlegungspflichtige Klägerin die Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 11 des TVEntgO-DRV nicht dargelegt.
a) Im Eingruppierungsrechtsstreit obliegt dem klagenden Beschäftigten nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen die Darlegungslast. Vertritt er die Auffassung, seine Tätigkeit erfülle die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals einer höheren als der vom Arbeitgeber angenommenen Entgeltgruppe, obliegt es ihm, je nach Lage und Erfordernissen des Einzelfalls diejenigen Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfall zu beweisen, die den rechtlichen Schluss zulassen, die tariflichen Anforderungen des beanspruchten Tätigkeitsmerkmals der maßgebenden Entgeltgruppe – unter Einschluss etwaiger darin vorgesehener Qualifizierungen – seien im geforderten zeitlichen Umfang erfüllt (BAG 14.10.2020 – 4 AZR 252/19 – Rn. 30; BAG 18.03.2015 – 4 AZR 702/12 – Rn. 35). Danach obliegt es regelmäßig dem Kläger, die ihm übertragenen Aufgaben im Einzelnen darzustellen (BAG 14.10.2020 – 4 AZR 252/19 – Rn. 32).
b) Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen der Klägerin insbesondere zu den zeitlichen Anteilen ihrer Tätigkeit für den Zeitraum vor dem 1.1.2018 nicht.
aa) Für den Zeitraum bis 31.12.2017 kann sich die Klägerin nicht auf die von ihr als Anlage K3 zur Gerichtsakte gereichte Stellenbeschreibung berufen. Ausweislich der Stellenbeschreibung besitzt diese eine Gültigkeit für den Zeitraum ab 1.1.2018. Und unbestritten haben sich die Aufgaben der Klägerin jedenfalls durch die Verlagerung der Aufgabe der Entscheidung über Vergleich und Anerkenntnis von der Teamleitung auf die Hauptsachbearbeiter zum Jahreswechsel 2017/2018 verändert. Mitnichten kann die Klägerin daher mit ihrem Argument gehört werden, die Stellenbeschreibung mit Gültigkeit ab 1.1.2018 sei auch für den Zeitraum davor maßgeblich.
bb) In Ermangelung anderweitigen substantiierten Vortrags der Klägerin zu dem Zuschnitt ihrer Tätigkeit vor dem 1. Januar 2018 ist die von der Beklagten zur Akte gereichte Stellenbeschreibung vom 20.1.2011/28.11.2017, gültig ab 1.1.2015, für die Tätigkeit der Klägerin bis 31.12.2017 maßgeblich.
Hiernach machte die Tätigkeit der Bearbeitung von Widersprüchen 55 % der Gesamttätigkeit aus. Diese Tätigkeit erfüllt zwar nach übereinstimmender Bewertung der Parteien die Voraussetzungen der Entgeltgruppe 9c, nicht jedoch das für die Entgeltgruppe 11 vorausgesetzte Heraushebungsmerkmal „besondere Schwierigkeit und Bedeutung“.
Dass die Tätigkeiten „Bearbeiten von Klagen“ und „Vertreten der DRV Mitteldeutschland und der DRV Bund vor den Sozialgerichten“ – die nach Rechtsauffassung der Klägerin als einheitlicher Arbeitsvorgang zu bewerten wären – mindestens zur Hälfte angefallen wären, hat die Klägerin entgegen der sie treffenden Darlegungslast nicht ausreichend dargetan. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es nicht Aufgabe des Arbeitgebers, im Eingruppierungsrechtstreit die genaue Zusammensetzung der Tätigkeit des Arbeitnehmers darzustellen. Insofern geht die Klägerin fehl, wenn sie meint, die Beklagte hätte zur Stellenbeschreibung vom 20.01.2011/28.11.2017 substantiiert vortragen müssen. Vielmehr hätte es ihr selbst oblegen, in Anbetracht dieser Stellenbeschreibung im Einzelnen darzulegen, wie sich aus ihrer Sicht ihre Tätigkeit bezogen auch auf die zeitliche Verteilung vor dem 31.12.2017 dargestellt hat.
Mit ihrem Hinweis auf die Feststellungen der Bewertungskommission im Abschlussbericht vom 19.6.2017 kann die Klägerin nicht durchdringen. Unabhängig von der Frage der Rechtsnatur des Abschlussberichts und der Verbindlichkeit der dortigen Feststellungen für das Arbeitsverhältnis der Parteien ist festzustellen, dass dieser Abschlussbericht auf Seite 2 zwar davon spricht, dass der Zeitanteil für den AV 1 (Bearbeiten von Widersprüchen) auf 45% korrigiert werde. Auf Seite 3 wird jedoch ausgeführt, dass sich die Arbeitsvorgänge „vorläufig“ anhand der dort genannten Prozentzahlen darstellen. Und auf Seite 4 wird darauf hingewiesen, dass der Soll-Anteil für die Bearbeitung von Widersprüchen je nach Standort zwischen 46 % und 54 % liegt und sich der Anteil der Widerspruchsbearbeitung am Gesamtpaket durch das neu hinzukommende Aufgabenpaket „Entscheiden Vergl./ Anerkenntnisse“ zukünftig reduziere. Vor diesem Hintergrund davon zu sprechen, dass die Feststellungen der Bewertungskommission für Tätigkeit der Klägerin in … im Zeitraum vom 1.5.2015 bis 31.12.2017 eine verbindliche Aussage trifft, wäre verfehlt.
cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Verweis der Beklagten auf die Stellenbeschreibung vom 20.01.2011/28.11.2017 auch nicht als verspätet anzusehen. Die Vorlage durch die Beklagte erfolgte mit erstinstanzlichem Schriftsatz vom 24.09.2019, nahezu zwei Monate vor dem erstinstanzlichen Kammertermin am 21.11.2019. Für die Klägerin wäre ausreichend Zeit gewesen, auf diese Vorlage zu reagieren. Mit ihrem Schriftsatz vom 30. Oktober 2019 hatte sie sich jedoch darauf beschränkt, Verspätung zu rügen und darauf hinzuweisen, dass die von ihr mit der Klageschrift vorgelegte Stellenbeschreibung auch für ihre Tätigkeit vor dem 1.1.2018 maßgeblich sei. Dieser Hinweis geht jedoch – wie oben ausgeführt – angesichts der unbestritten zum 1.1.2018 erfolgten Änderung der Tätigkeit der Hauptsachbearbeiter durch die Umschichtung der Aufgabe der Entscheidung über Vergleich und Anerkenntnisse von der Teamleitung auf die Hauptsachbearbeiter fehl. Im Übrigen hat die Klägerin selbst bereits in ihrem Geltendmachungsschreiben vom 26.11.2015 in Ziffer 1 ihres Antrags die „Stellenbeschreibung vom 20.01.2011“ in Bezug genommen und diese als unvollständig gerügt. Der Umstand, dass die Beklagte diese Stellenbeschreibung für den darin genannten Zeitraum als maßgeblich ansieht, war der Klägerin daher bereits Ende 2015 bewusst.
c) Da die Klägerin bereits dem Grunde nach für den Zeitraum bis 31.12.2017 keine Vergütung auf Basis der Entgeltgruppe 11 verlangen kann, kann dahinstehen, ob sie mit ihrem Geltendmachungsschreiben vom 26.11.2015 die von der Beklagten angeführte besondere Ausschlussfrist des § 26 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-TgDRV gewahrt hat.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, dass bezogen auf den Zeitraum Mai 2015 bis Dezember 2017 die Klägerin unterlag. Die ausgesprochene Eingruppierungsfeststellung – das Unterliegen der Beklagten – erfasst zunächst den zurückliegenden Zeitraum ab 2018. Daneben wirkt die Feststellung zusätzlich in die Zukunft, so dass es gerechtfertigt erscheint, der Beklagten 2/3 der Kosten aufzuerlegen.
IV. Anlass für die Zulassung der Revision bestand aus Sicht der Kammer nicht.
Grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG setzt voraus, dass die entscheidende Rechtsfrage klärungsfähig und klärungsbedürftig ist und die Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt (BAG 23.6.2016 – 8 AZN 205/16; BAG 17.1.2012 – 5 AZN 1358/11; Schwab/Weth, ArbGG, 5. Auflage 2018, § 72 Rn. 24 mwN). Die aufgeworfene Rechtsfrage muss sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen können und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren (vgl. BAG 5.10.2010 – 5 AZN 666/10).
Zwar hat die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung angeführt, es gebe bereits mehrere anhängige Parallelfälle. Zukünftig würden sich auch weitere Anschlussfragen – etwa solche der Neueingruppierung der Teamleiter – stellen. Der Verweis auf eine Vielzahl betroffener Fälle reicht jedoch für die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG nicht aus. Hinzukommen muss eine klärungsbedürftige Rechtsfrage, die von der bloßen Subsumtion des Sachverhalts zu unterscheiden ist. Eine Rechtsfrage setzt voraus, dass die Wirksamkeit, der Geltungsbereich, die Anwendbarkeit oder der Inhalt einer Norm entscheidungserheblich ist (BAG 23.6.2016 – 8 AZN 205/16; ErfK-Koch, 21. Auflage 2021, § 72 ArbGG Rn. 3a). Die vorliegende Entscheidung beschränkt sich auf die Subsumtion der klägerischen Tätigkeit unter den Begriff des Arbeitsvorgangs im Tarifsinne. Die Auslegung des Begriffs des Arbeitsvorgangs selbst ist höchstrichterlich geklärt. Der erkennenden Kammer ist bewusst, dass die Grenzen fließend sein können – gerade wenn sich wie im vorliegenden Fall abstrahierbare Fragen nach einer Zäsur durch einen Sachbearbeiterwechsel stellen. Dennoch steht aus Sicht der Kammer die Subsumtion des Sachverhalts und damit die bloße Rechtsanwendung im Vordergrund, was eine Zulassung der Revision nicht rechtfertigt.


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