Arbeitsrecht

Unangemessene Kündigungsfrist bei einem Krippenvertrag

Aktenzeichen  242 C 12495/18

Datum:
24.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 27245
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 305 Abs. 1, Abs. 2, § 307 Abs. 1, § 309 Nr. 9c, § 621 Nr. 3

 

Leitsatz

Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders von Allgemeinen Geschäftsbedingungen iSv § 307 Abs. 1 BGB ist gegeben, wenn der Verwender durch eine einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interesse auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vorneherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Diese Voraussetzungen sind bei einer in einem Krippenvertrag vorformulierten Kündigungsfrist von sechs Monaten zu bejahen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
4. Der Streitwert wird auf 2.006,02 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung der geforderten 2.006,02 € aus dem Betreuungsvertrag. Der Betreuungsvertrag wurde durch die als Anlage K2 vorgelegte Kündigung zum 28.02.2018 beendet. Dabei kann dahinstehen, ob § 309 Nr. 9 c BGB auf die vorliegende Vereinbarung Anwendung findet. Eine Unwirksamkeit der in Ziffer 5.1 des Betreuungsvertrags vorgesehene Kündigungsfrist von 6 Monaten ergibt sich jedenfalls aus § 307 Abs. 1 BGB.
1.
Bei den Bestimmungen des Betreuungsvertrags Kinderkrippe handelt es sich, wie zwischen den Parteien nicht streitig ist, um von der Klägerin gestellte und in den zwischen den Parteien abgeschlossenen Betreuungsvertrag einbezogene allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 und 2 BGB).
2.
Die sechsmonatige Kündigungsfrist in Ziffer 5.1 des Betreuungsvertrags Kinderkrippe ist daher anhand von § 307 Abs. 1 BGB zu messen, wonach Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB ist gegeben, wenn der Verwender durch eine einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interesse auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vorneherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen, vgl. nur BGH, 18.02.2016 – III ZR 126/15 m.w.N. (ständige Rechtsprechung). Diese Voraussetzungen liegen hier im Hinblick auf die streitgegenständliche Kündigungsfrist von sechs Monaten vor.
Auch bei unbefristeten Verträgen, wie dem vorliegenden, lässt sich § 309 Nr. 9 c BGB jedenfalls eine gewisse Indizwirkung entnehmen, dass der Gesetzgeber bei Dienstverträgen, die die regelmäßige Erbringung von Dienstleistungen durch den Verwender zum Gegenstand haben, eine dreimonatige Kündigungsfrist für ausreichend erachtet, vgl. BeckOK BGB/Becker BGB §§ 309 Nr. 9 Rn. 24 m.w.N. Selbst wenn man eine unmittelbare oder eine analoge Anwendbarkeit der Vorschrift wegen ihres eindeutigen Wortlauts auf unbefristete Verträge ablehnt, bietet die dort genannte Dreimonatsfrist jedenfalls einen ersten Anhaltspunkt für die Angemessenheit, der jedenfalls dann eine äußere Grenze bildet, wenn keine nachvollziehbaren Gründe der Verwenderin für eine längere Frist vorgetragen werden. Vorliegend hat die Klägerin trotz eines entsprechenden Hinweises des Gerichts in der mündlichen Verhandlung keine hinreichenden Gründe genannt, weshalb sie für die Durchsetzung ihrer grundsätzlich nachvollziehbaren Planungsbedürfnisse auf eine Kündigungsfrist von sechs Monaten angewiesen ist. Im Gegenteil hierzu zeigt sowohl der praktische Umgang der Klägerin mit dem vorliegenden Fall sowie die ab dem 01.09.2018 vertraglich vorgesehene Kündigungsfrist von drei Monaten, die die Klägerin auch sonst in ihren Verträgen anwendet, dass der Klägerin auch eine dreimonatige Kündigungsfrist für ihre Planungsbedürfnisse offensichtlich ausreicht. Nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür, wieso vorliegend zunächst eine doppelt so lange Frist erforderlich sein soll, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Insbesondere ergibt sich etwas anderes auch nicht daraus, dass die Klägerin vorliegend eine andere Kinderkrippe übernommen hat. Selbst wenn man insoweit für die Anfangszeit tatsächlich ein gewisses Kontinuitätsbedürfnis anerkennt, hätte die Klägerin dem ggf. dadurch Rechnung tragen können, dass sie z.B. die Kündigung für die ersten sechs Monate der Vertragslaufzeit ausschließt. Soweit die Klägerin sich allerdings für eine Kündigungsfrist von sechs Monaten entschieden hat, die selbst nach einer Vertragsdurchführung von einem knappen Jahr noch vollen Geltungsanspruch erhebt, hat sie die berechtigten Interessen ihres Vertragspartners, sich binnen einer angemessenen Zeit von dem Vertrag lösen zu können, nicht hinreichend berücksichtigt. Vielmehr hat sie insoweit einseitig ihre eigenen Interesse an einer langfristigen Planungssicherheit auf Kosten ihres jeweiligen Vertragspartners durchgesetzt, was so mit § 307 Abs. 1 BGB unvereinbar ist.
3.
Da eine geltungserhaltende Reduktion auf eine angemessene Kündigungsfrist nicht stattfindet, führt die Unwirksamkeit der Kündigungsfrist zu der gesetzlichen Regelung des § 621 Nr. 3 BGB und damit zu einer Beendigung des Vertrages Ende Februar 2018.
II.
Die Kostenentscheidung basiert auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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