Arbeitsrecht

Ungültigerklärung einer örtl. Personalratswahl, Verstoß gegen Gruppenwahlprinzip (bejaht), Voraussetzungen für Nichtigkeit einer Wahl (verneint), Wählbarkeit einer katholischen Religionslehrerin mit Abstellungsvertrag (verneint)

Aktenzeichen  M 20 P 21.3987

Datum:
3.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11069
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayPVG Art. 25
BayPVG Art. 19
ArbGG § 11

 

Leitsatz

Tenor

Die Wahl des örtlichen Personalrats beim … … … vom 13.-14. Juli 2021 wird für ungültig erklärt.

Gründe

I.
Gegenstand des Verfahrens ist eine Anfechtung der Wahl des örtlichen Personalrats beim … … … im Juli 2021
Mit Schriftsatz vom 26. Juli 2021, eingegangen beim Verwaltungsgericht München am gleichen Tage, hat der Schulleiter des … die Wahl angefochten und hierzu unter dem 20. Oktober 2021 näher vorgetragen. Da die Wahl nicht als Gruppenwahl durchgeführt worden sei, liege ein wesentlicher Verstoß gegen das Wahlverfahren vor. Zudem liege ein das Wahlergebnis beeinflussender Verstoß wurde, als Frau B. weder aktiv noch passiv wahlberechtigt gewesen wäre. Sie sei nur aufgrund eines Abstellungsvertrages von der Erzdiözese M. und Freising für die Erteilung von Unterricht in katholischer Religionslehre am Gymnasium „bereitgestellt“. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das schriftsätzliche Vorbringen und die Ausführungen in der Anhörung am 3. Mai 2022 Bezug genommen.
Der Antragsteller beantragt,
Die Wahl des örtlichen Personalrats beim … … … vom 13.-14. Juli 2021 wird für ungültig erklärt.
Der beteiligte Personalrat ist dem Antrag beigetreten und hat mit Schreiben vom 10. Januar 2022 zum Ablauf des Wahlverfahrens Stellung genommen.
Im Übrigen wird auf die Gerichtsakte mit der Niederschrift über die Anhörung am 3. Mai 2022 verwiesen.
II.
Der Antrag ist zulässig (1.) und begründet (2.). Die Wahl des örtlichen Personalrats ist daher für ungültig zu erklären (3.). Die – zu verneinende – Frage der Wählbarkeit und Wahlberechtigung einer durch Abstellungsvertrag bereitgestellten katholischen Religionslehrerin kann dahinstehen (4.)
1. Die Wahlanfechtung durch den Schulleiter ist zulässig i.S.v. Art. 25 Abs. 1 Bayerisches Personalvertretungsgesetz (BayPVG), insbesondere fristgerecht erhoben.
Dabei kann dahinstehen, ob sich der Schulleiter als Dienststellenleiter durch die in einer Vollmacht vom 21. Juli 2021 benannten Mitarbeiter des Referats für Bildung und Sport der Landeshauptstadt M. als Bevollmächtigte im Verfahren vertreten lassen kann. Fraglich ist dabei, ob die Regelung in § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Halbsatz 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) entsprechend für die Dienststellenleitung – diese und nicht die Dienststelle, Behörde oder deren Träger sind Verfahrensbeteiligte – herangezogen werden kann. Jedenfalls ist der Antrag der Wahlanfechtung i.S.v. § 11 Abs. 3 Satz 2 ArbGG wirksam erhoben, in der mündlichen Verhandlung hat der Dienststellenleiter selbst den Antrag zur Ungültigerklärung der Wahl gestellt.
2. Die Wahlanfechtung ist begründet, da gegen das Prinzip der Gruppenwahl verstoßen wurde.
Eine Wahl ist nach Art. 25 Abs. 1 BayPVG anfechtbar, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.
Nach Art. 19 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 17 BayPVG bedurfte es bei der örtlichen Personalratswahl einer Gruppenwahl, da auf der Dienststelle Angehörige verschiedener Gruppen beschäftigt sind und kein Beschluss über eine gemeinsame Wahl i.S.v. Art. 19 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 BayPVG getroffen wurde. Als Ausfluss des Wahlgrundsatzes der Gruppenwahl kann eine wahlberechtigte Person nur in ihrer Gruppe ihre Stimme abgeben (vgl. a. Hebeler in Ballerstedt/Schleicher/Faber, Bayerisches Personalvertretungsgesetz, Stand März 2022 – Art. 19 III. Rn. 10).
Bei der vorliegend angefochtenen Wahl wurde zwar hinsichtlich der Kandidaten noch bezüglich der Gruppe der Beamten und Gruppe der Arbeitnehmer differenziert, jedoch nur ein Stimmzettel herausgegeben, bei dem alle Wähler die Möglichkeit hatten und darauf hingewiesen wurden, ihre – fünf – Stimmen auf alle Kandidaten unabhängig der Gruppenzugehörigkeit verteilen zu können. Auch in Folge wurde nicht mehr gruppenbezogen differenziert.
Dies verstößt offensichtlich wesentlich gegen das Prinzip der Gruppenwahl und ist zweifelsfrei nicht ohne Belang für das Wahlergebnis.
3. Aufgrund dessen ist die Wahl für ungültig zu erklären. Die Voraussetzungen für die Annahme der Nichtigkeit der Wahl sind noch nicht erfüllt.
Die Nichtigkeit einer Personalratswahl ist im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat mit Beschluss vom 4. Juni 2015 – 18 LP 1/15 – die in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Voraussetzungen einer dennoch denkbaren Nichtigkeit einer Wahl zusammengefasst, denen sich die Kammer anschließt:
Gesetzlich geregelt ist nur die Anfechtung der Wahl bei wesentlichen Verstößen gegen Wahlvorschriften. Diese führt nur zur Unwirksamkeit der Personalratswahl ex nunc, wenn die Anfechtung innerhalb von 14 Tagen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses erfolgt. Andernfalls ist grundsätzlich auch ein nicht ordnungsgemäß gewählter Personalrat bis zum Ablauf der regelmäßigen Amtszeit mit allen personalvertretungsrechtlichen Befugnissen im Amt. Dies dient der Funktionsfähigkeit des Personalrats und schützt das Vertrauen – auch der Beschäftigten – in die Gültigkeit der vom Personalrat im Rahmen seiner Geschäftsführung vorgenommenen Handlungen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur geboten, wenn bei der Wahl des Personalrats so grob und offensichtlich gegen Wahlvorschriften verstoßen wurde, dass nicht einmal mehr von dem Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl gesprochen werden kann und dies jedem mit den Verhältnissen der Dienststelle vertrauten Dritten sofort ohne weiteres erkennbar ist. Denn ein auf diese Weise in das Amt berufenes Gremium besitzt weder die Legitimation zur Wahrnehmung personalvertretungsrechtlicher Aufgaben, noch können in diesem Falle die Dienststellenleitung und die Beschäftigten darauf vertrauen, dass dieses Gremium rechtswirksam personalvertretungsrechtliche Aufgaben wahrnehmen kann. Nur in diesem seltenen Ausnahmefall, in dem für jeden evident ist, dass ein wirksam gewählter Personalrat nicht besteht, ist die Wahl von Anfang an nichtig (vgl. BVerwG, Beschl v. 03.10.1958 – VII P 9.57 -, BVerwGE 7, 251; BAG, Beschl v. 19.11.2003 – 7 ABR 24/03 -, juris, Rdnr. 34). Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Abstimmung durch Zuruf erfolgt ist, die Wahl ohne Wahlvorstand stattgefunden hat oder in einer nicht personalratsfähigen Dienststelle durchgeführt worden ist (vgl. Dembowski/Ladwig/Sellman, a.a.O., § 21, Rdnr. 7, mit weiteren Beispielsfällen).
Zwar gehört das Prinzip der Wahl der Personalvertretung nach Gruppen zu den wesentlichen und allgemeinen Grundsätzen der Wahl (vgl. BayVGH, B.v. 24.10.2006 – 17 P 06.2137 – juris Rn. 25), mit der Folge, dass bei einem Verstoß auch das erforderliche Maß an Rechtswidrigkeit erreicht sein kann (vgl. a. Resch in Ballerstedt/ Schleicher/Faber, Bayerisches Personalvertretungsgesetz, Stand März 2022 – Art.25 Rn. 40a), wenn sich die Rechtswidrigkeit aus dem klaren Gesetzeswortlaut ergibt und nicht erst aus einer Entscheidung einer umstrittenen Rechtsfrage (BayVGH, B.v. 24.10.2006 – 17 P 06.2137 – juris Rn. 26).
Vorliegend ist die hohe Hürde für die Annahme einer Nichtigkeit jedoch (noch) nicht erreicht. Die in der Rechtsprechung zitierten Fälle einer Wahl etwa durch Zuruf oder ohne Wahlvorstand und jeglichem vorgeschaltetem Wahlverfahren sind insoweit mit der vorliegenden Wahl nicht vergleichbar. Es kann nicht angenommen werden, dass die fehlerhafte gruppenübergreifend mögliche Stimmenabgabe durch die Wahlberechtigten auf einem Stimmenzettel offenkundig und ohne weiteres bei einem Dritten jeden Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl genommen hätte und hingegen von jeglichem fehlenden Vertrauen in die Gültigkeit der Wahl auszugehen wäre, obgleich ein schwerer Verstoß gegen die Wahlvorschriften vorlag.
Folglich war die Wahl für ungültig zu erklären.
4. Dahinstehen kann, ob die mit Abstellungsvertrag zwischen der Erzdiözese und Trägerin der Schule bereitgestellte Lehrerin für katholische Religion am Gymnasium wahlberechtigt und insbesondere für die Gruppe der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wählbar gewesen ist. Angesichts der nun erneut durchzuführenden Wahl und sich wiederum stellenden Frage verweist das Gericht jedoch auf die bisherige Rechtsprechung hierzu, insbesondere die Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. August 1993 – 6 P 14.92 – und vom 3. September 1990 – 6 P 20.88 -. Das Dienstverhältnis zwischen der Kirche und der Lehrkraft bleibt durch den Abstellungsvertrag unberührt, es ent- und bestehen auch keine mittelbaren dienstrechtlichen Beziehungen. Somit dürfte auch nicht von einer faktischen Eingliederung in das Gymnasium bezüglichen der personalrechtlichen und damit in der Personalvertretung im Wesentlichen gegenständlichen Themen auszugehen sein (a.A. HessVGH, B.v. 8.4.1992 – HPV TL 576/86 – und OVG NRW, B.v. 23.10.1986 – CL 15/85 – jeweils in Bezug auf die Frage einer mitbestimmungspflichtigen Einstellung). Soweit sich im Rahmen von Art. 13 BayPVG nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bei nicht nur vorübergehendem Auseinanderfallen von rechtlicher und tatsächlicher Zugehörigkeit zu einer Dienststelle Konstellationen für eine etwaig analoge Anwendung von Art. 13 Abs. 2 BayPVG erheben können (vgl. BayVGH, B.v. 16.6.1999 – 17 P 98.2843 – juris Rn. 24ff), dürfte hierfür vorliegend kein Raum sein.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Aufgrund Rechtsmittelverzicht in der Anhörung am 3. Mai 2022 ist der Beschluss rechtskräftig.


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