Arbeitsrecht

Urlaubsabgeltung für Zeiten einer Elternzeit

Aktenzeichen  7 Sa 940/20

Datum:
26.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 52599
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 134, § 202 Abs. 1
BEEG § 17 Abs. 4

 

Leitsatz

Verfahrensgang

34 Ca 745/18 2020-08-19 Endurteil ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 19.08.2020 – 34 Ca 745/18 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage, soweit die Klägerin eine Urlaubsabgeltung von mehr als vierzehn Tagen verlangt hat, abgewiesen, denn diese Ansprüche sind wegen der Nichtwahrung der arbeitsvertraglich vereinbarten Ausschlussfrist verfallen. Zunächst wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Im Hinblick auf die Berufungsangriffe ist das Folgende veranlasst:
1. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung kann als reiner Geldanspruch Ausschlussfristen unterliegen. Dem steht weder der unabdingbare Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs nach §§ 1, 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG noch die vom Gerichtshof der Europäischen Union vorgenommene Auslegung der RL 2003/88/EG entgegen (vgl. zu tarifvertraglichen Ausschlussfristen: BAG, 22.01.2019 – 9 AZR 149/17; zu arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen: BAG, 22.10.2019 – 9 AZR 532/18; 18.09.2018 – 9 AZR 162/18; weiter BAG, 07.07.2020 – 9 AZR 323/19).
2. § 10 des Arbeitsvertrags erfasst den Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Die Ausschlussfristenregelung bezieht sich auf „alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ und damit auf alle gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Ansprüche, die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben (vgl. BAG, 17.10.2017 – 9 AZR 80/17).
a) Die Ausschlussfristenregelung in § 10 des Arbeitsvertrags, bei der es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB) handelt, ist rechtswirksamer Vertragsbestandteil geworden. Sie ist auch nicht überraschend oder ungewöhnlich iSd. § 305c BGB. Die Regelung ist durch die im Fettdruck hervorgehobene Überschrift „Ausschlussfrist“ für den Vertragspartner deutlich erkennbar. Die Vereinbarung zweistufiger Ausschlussfristen wie in § 10 Nr. 1 und Nr. 2 des Arbeitsvertrags entspricht einer weit verbreiteten Übung im Arbeitsleben (vgl. BAG, 27.01.2016 – 5 AZR 277/14).
b) Im Hinblick auf die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Klausel soweit sie auch Schadenersatzansprüche aus vorsätzlicher Vertragsverletzung und aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung erfasst, wurde allerdings mangels Kenntnis die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26.11.2020 – 8 AZR 58/20, die eine solche Klausel wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB nach § 134 BGB als nichtig erachtet, nicht berücksichtigt.
3. Die Klägerin hat Urlaubsabgeltungsansprüche soweit sie 14 Tage übersteigen, nicht rechtzeitig iSv. § 10 Ziffer 1 des Arbeitsvertrags geltend gemacht.
a) Die erste Stufe der Ausschlussfrist nach § 10 Ziffer 1 begann mit Fälligkeit des Anspruchs am 31. August 2017 zu laufen. Der Abgeltungsanspruch entsteht mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Wegfall des Abgeltungsverbots. Er wird grundsätzlich gleichzeitig fällig (vgl. BAG, 07.07.2020 – 9 AZR 323/19; 22.01.2019 – 9 AZR 149/17 mwN.).
b) Es war Sache der Klägerin sich über den Umfang ihres Resturlaubs kundig zu machen bzw. zu informieren. Eine besondere Informationspflicht der Beklagten diesbezüglich bestand für die Beklagte nicht. Unabhängig davon durfte die Beklagte aber auch auf die Regelung im Arbeitsvertrag verweisen, wonach nach ihrer Ansicht Urlaubsabgeltungsansprüche gemäß den vereinbarten Ausschlussfristen verfallen waren. Inwiefern hier der Geschäftsführer der Beklagten mit Arglist, dolus eventualis und Täuschungs- und Schädigungsabsicht gehandelt haben soll, erschließt sich nicht, zumal er sich auch auf den reinen Wortlaut der § 17 BEEG berufen kann, wonach der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der der Arbeitnehmerin für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen kann. Zudem hat sich die Beklagte, wenn auch erfolglos, darauf berufen, dass sie der Klägerin bereits während deren Elternzeit eine entsprechende Kürzungsmittelung zugesandt hat. Bei dieser Sachlage verbietet es sich, von einer vorsätzlichen Falschauskunft auszugehen. Eine von der Klägerin behauptete Täuschungs- und Schädigungsabsicht seitens des Beklagten, für die sie im Übrigen beweispflichtig ist, ist jedenfalls vorliegend nicht ersichtlich, zumal die Klägerin von der Beklagten auch keine Auskunft verlangt hat, sondern von dieser lediglich eine rein subjektive Wissenserklärung über den Umfang von Urlaubsabgeltungsansprüchen als Reaktion auf ihr Forderungsschreiben erhalten hatte. Ein besonders schutzwürdiges Vertrauen kann die Klägerin dabei nicht in Anspruch nehmen.
4. Die Klägerin hat erst mit ihrer am 23.01.2018 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage weitere Urlaubsabgeltungsansprüche geltend gemacht, nachdem sie zunächst mit mail vom 25.10.2017 für Zeiten des Mutterschutzes in den Jahren 2013 und 2014 14 Tage Urlaubsabgeltung verlangt hat, die ihr vom Arbeitsgericht, zwischenzeitlich rechtskräftig, auch zugesprochen wurden. Zum Zeitpunkt der Klageeinreichung waren aber die mit der Klage weiter geltend gemachten Urlaubsabgeltungsansprüche nach der einzelvertraglich vereinbarten dreimonatigen Ausschlussfrist mit Ablauf des 30.11.2017 bereits verfallen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin hat sie mit dem klaren und eindeutigen Inhalt ihrer mail vom 25.10.2017 (Bl. 36 d.A.) auch nicht eine Urlaubsabgeltung von mehr als 14 Tagen verlangt. Die Klägerin hat vielmehr mit ihrer mail, wenn auch rechtlich unzutreffend, lediglich eine Urlaubsabgeltung für 14 Tage bezogen auf die Jahre 2013 und 2014 begehrt. An diese unmissverständliche Formulierung ist die Klägerin gebunden und sie kann sie nicht im Nachhinein darauf berufen, dass mit dieser klaren Festlegung etwas anders hinsichtlich Umfang der Tage und des Bezugszeitraums gemeint war.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Revision wurde zugelassen.


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