Arbeitsrecht

Vergütung für nicht mehr erbrachte Transportleistungen

Aktenzeichen  12 HK O 15468/14

Datum:
14.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
HGB HGB § 415
ZPO ZPO § 139

 

Leitsatz

1. Macht ein Transportunternehmer für einen gekündigten Auftrag die vereinbarte Fracht abzüglich ersparter Aufwendungen geltend, sind insoweit nicht abstrakte Erwägungen maßgeblich, wie viele Kilometer ein Lkw im Jahr fahren kann, sondern vielmehr die für die konkret verlangten Fahrten auch konkret ersparten Aufwendungen. (redaktioneller Leitsatz)
2. Es würde einem unzulässigen Ausforschungsbeweis gleichkommen, wenn das Gericht einen nicht hinreichend schlüssigen Vortrag dadurch behebt, dass es ein – an Stelle weiterer Darlegungen angebotenes – Sachverständigengutachten einholt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 702,10 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 15.07.2015 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist für den Kläger vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet. Für die Beklagte ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Streitwert; € 110.904,50.

Gründe

Die zulässige Klage ist weit überwiegend nicht begründet.
I. Erbrachte Leistungen
1. Bearbeitungsgebühr für E-Mail-Korrespondenz
Soweit der Kläger mit Rechnung vom 22.04.2014 (Nr. 066, Bl. 4 d.A.) Schadensersatz für E-Mail-Korrespondenz berechnet hat er diese Gebühr zwar in seiner E-Mail vom 22.04.2014 angekündigt (Anlage K 29). Der Kläger hat jedoch keinen Sachvortrag dazu geliefert, inwieweit darin eine Pflichtverletzung der Beklagtenpartei zu sehen ist, die zum Schadensersatz verpflichtet. Zudem hat der Kläger Umsatzsteuer geltend gemacht, die beim Schadensersatz jedoch nicht anfällt. Wohl deshalb war diese Position zunächst in dem Schriftsatz vom 11.11.2015 (Bl. 192) nicht mehr enthalten, wurde jedoch im Schriftsatz vom 12.04.2016 wieder in die Klageforderung aufgenommen (Bl. 225). Ein Anspruch ist jedenfalls unter keinen Umständen denkbar.
2. Aufwendungen für den 40-Tonner am 17.04.2014
Unstreitig steht dem Kläger hierfür noch die Tagespauschale von € 590,– netto bzw. € 702,10 brutto zu. Soweit die Beklagtenpartei hiergegen die Aufrechnung mit zwei Gegenrechnungen erklärt, die im Einzelnen die Klagesumme nicht ereichen, in der Summe die Klageforderung jedoch übersteigen, hat die Beklagtenpartei nicht klargestellt, in welcher Reihenfolge diese Aufrechnung mit den beiden Rechnungen erklärt werden soll, so dass nicht klar ist, welche der beiden Forderungen durch die Aufrechnung erlischt.
Soweit der Kläger für Zeitänderung 45,– € pro Stunde Zusatzaufwand geltend macht besteht ein derartiger Anspruch nicht. Zwar fallen für Zusatzstunden laut Vertrag € 45,– pro Stunde an. Jedoch hat die Beklagte bereits am 03.04.2014 die Änderung der Fahrzeiten dem Kläger gegenüber angekündigt (Anlage B 9), so dass er genügend Zeit hatte, sich hierauf einzustellen, so dass der Beklagten diese Zusatzstunden nicht berechnet werden können.
Somit verbleibt es hinsichtlich der Rechnung 0067 bei einer Forderung von € 702,10 brutto.
3. Rechnung vom 25.04.2014 (Rechnungsnummer 0068, Bl. 6 d.A.) in Hohe von € 1.975,40
a) Rechnungskorrekturen Positionen 1, 3, 4
Soweit der Kläger die Rechnung vom 16.01.2014 (Anlage B 11) um jeweils € 100,– von € 290,– auf € 390,– pro Tour erhöht gibt es für diese Rechnungskorrekturen keine Grundlage. Denn in den korrigierten Positionen der Rechnung vom 16.01.2016 sind € 290,– für einen 7,5-Tonner berechnet worden. Dies entspricht jedoch der vertraglichen Preisvereinbarung für den 7,5-Tonner, so dass es für eine Erhöhung um € 100,– auf € 390,– keinen Anlass gibt.
b) Position 6
Soweit der Kläger die Rechnung vom 2.2.2014 (Anlage K 91) un € 200,– erhöht, hat die Beklagte dem zurecht entgegen gehalten, dass diese Position am 17.02.2014 bereits storniert war (Anlage B 13). Der Kläger hat im Weiteren nicht dargelegt, weshalb trotz dieser Stornierung dennoch eine Erhöhung von € 200,– vorgenommen werden müsse.
c) Sonderfahrten/Außenlager
Die Positionen 2, 5, 7 und 8 betreffen die Berechnung von Sonderfahrten, die jedoch der Kläger bereits am 17.02.2014, und somit nach der Kündigung durch die Beklagte am 17.01.2014, bereits wieder storniert hatte (Anlage B 13). Die Stornierung erfolgte offensichtlich aufgrund Vereinbarung zwischen den Parteien, dass der Kläger diese Außenfahrten kostenfrei vornimmt; eine Änderung dieser Vereinbarung dahingehend, dass aus diesen kostenfreien Sonderfahrten nunmehr doch kostenpflichtige Sonderfahrten werden sollen, hat der Kläger jedoch nicht schlüssig vorgetragen, ebenso wenig, dass der Fortbestand des Handbeilagen-Auftrags Bedingung für die Kostenfreiheit der Außenlager-Touren war. Somit entbehrt auch diese Rechnungsposten einer rechtlichen Grundlage.
II. Vereinbarte Fracht
1. Zeitungstransport mit dem 40-Tonner
Für den Zeitraum vom 06.05.2014 (Rechnungsnummer 083) bis zum 02.07.2015 (Rechnungsnummer 101) macht der Kläger insgesamt € 59.780,– an vereinbarter Fracht geltend. Hierbei geht er von € 590,– pro Tour aus und zieht € 100,– an ersparten Aufwendungen ab (vgl. die Kalkulation Anlage K 49). Diese Kalkulation ist jedoch aus den seitens der Beklagtenpartei im Schriftsatz vom 09.05.2016 dargelegten Gründen nicht schlüssig (Bl. 246 d.A.). Der Kläger ist dieser detaillierten Darlegung der Beklagtenpartei lediglich mit pauschalen grundsätzlichen Erwägungen entgegen getreten und hat im Übrigen auf Sachverständigengutachten verwiesen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die ersparten Aufwendungen mit € 100,– nicht schlüssig dargelegt sind.
Falsch ist bereits der Ausgangspunkt der klägerischen Berechnung, wonach der LKW 120.000 km jährlich gefahren wird. Maßgeblich sind nämlich nicht abstrakte Erwägungen, wie viel Kilometer ein LKW im Jahr fahren kann. Ausschlaggebend ist vielmehr die für die konkret verlangten Fahrten auch konkret ersparten Aufwendungen. Dies wird einsichtig, wenn man bedenkt, dass der Kläger bereits nach eigenem Vortrag den 40-Tonner nicht anderweitig für andere Aufträge nutzen konnte. Dieser LKW stand also, ohne dass er gewinnbringend bewegt werden konnte, bei ihm auf dem Hof. Dann aber fallen für die hier konkret zu berechnenden nicht durchgeführten Fahrten erheblich höhere Kosten an als bei der theoretischen Berechnung des Klägers angenommen.
Dass der LKW tatsächlich vom Kläger so gut wie nicht bewegt wurde ergibt sich nicht zuletzt aus den von ihm vorgelegten Tachoscheiben, Hinzu kommt, dass der Kläger an drei Tagen, nämlich am 5.2.2015, 10.03.2015 und 28.05.2015 den 40-Tonner durch einen Fahrer namens … bewegen ließ (Anlage K 102). Entsprechendes ergibt sich auch aus den Palettenscheinen (Anlagen K 30 bis K 37). Zudem führte der Fahrer … jedenfalls am 25.02.2015 ab 3 Uhr möglicherweise ebenfalls eine Fahrt mit dem 40-Tonner durch (Anlage K 88). Dies alles führt zur berechtigten Annahme der Beklagten, dass zum einen der Kläger Arbeitslohn für angestellte Fahrer erspart hat, den er jedoch nicht ansetzt und zum anderen die beiden Fahrten, nämlich tagsüber mit dem 12-Tonner und nachts mit dem 40-Tonner, ohnehin nicht hätte selbst durchführen können unter Berücksichtigung der gesetzlichen Lenkpausen und Runezeiten. Schließlich ist die vom Kläger bei seiner Berechnung angesetzte Tourdauer von 4,5 Stunden nicht schlüssig, denn zum einen hat er ursprünglich hierfür 7 Stunden kalkuliert (Anlage K 21) und zum anderen würde dies zu einer Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 70 km/h führen, die für einen 40-Tonner auf Landstraßen vollkommen unrealistisch ist.
Dieser Mangel an schlüssigem Vortrag ist nicht dadurch zu beheben, dass das Gericht einen Sachverständigenbeweis erholt, denn dies würde einem unzulässigen Ausforschungsbeweis gleichkommen. Zudem wurde über die unschlüssige Kalkulation – auch bezüglich des 12-Tonners, siehe unten – im letzten Termin mündlich verhandelt, ohne dass entsprechender Schriftsatznachlass seitens der Klagepartei beantragt wurde. In dieser Situation war es nicht erforderlich, dass das Gericht nochmals auf den bereits durch die Beklagtenpartei erfolgten Sachvortrag hin einen entsprechenden Hinweis nach § 139 ZPO erteilt.
2. Handbeilagen mit dem 12-Tonner
Für den Zeitraum vom 04.03.2014 (Rechnung 047) bis zum 02.07.2015 (Rechnung 102) macht der Kläger eine vereinbarte Fracht von € 390,– pro Tour abzüglich € 50,– ersparter Aufwendungen, insgesamt also € 47.260,– netto geltend.
Auf die im Prozess streitig Frage, ob überhaupt eine 18-monatige Dauer für die Handbeilagentour vereinbart war, kommt es letztlich nicht an, wenngleich der Kläger selbst mehrfach das Ende des Handbeilagenauftrages zum 28.02.2014 bestätigt hat, so in seiner E-Mail vom 20.01.2014 (Anlage B 1), vom 26.01.2014 (Anlage B 14) und vom 18.02.2014 (Anlage B 23). Die Klage ist vielmehr bereits deshalb abzuweisen, da auch für den Handbeilagentransport die vereinbarte Fracht bzw. die ersparten Aufwendungen nicht schlüssig dargelegt wurden.
Auch hinsichtlich des Handbeilagentransports ist bereits der Ausgangspunkt des Klägers, dass das angemietete Fahrzeug an 16 Stunden pro Tag hätte gefahren werden können verfehlt. Dies bereits deshalb, da dann die Fahrten durch ihn selbst mit dem 12-Tonner unter Berücksichtigung der gesetzlichen Pausen nicht möglich gewesen wären. Aber auch hier gilt insbesondere, dass eine konkrete Darlegung dessen erforderlich gewesen wäre, wie der 12-Tonner durch den Kläger genutzt worden wäre um auf einer Basis von konkreten Nutzungsdaten eine konkrete entfallene Aufwendung für die hier streitgegenständlichen Handbeilagenfahrten berechnen zu können. Für den März 2014 kommt hinzu, dass für diesen Monat ein Subunternehmer die Fahrten hätten durchführen sollen, was wiederum eine vollständig andere Berechnung ersparter Aufwendungen erforderlich macht und es verbietet, auch hier pauschal € 50,– an ersparten Aufwendungen anzusetzen.
Was für die Berechnung für den 40-Tonner ausgeführt wurde gilt entsprechend für den 12-Tonner. Auch hier ist bereits nicht schlüssig, dass der Kläger für die Tour 4 Stunden ansetzt, während er ursprünglich 6 Stunden kalkuliert hatte (Anlage K 21). Ebenso wenig nachvollziehbar ist, dass der Kläger bei einer 4-stündigen Tour eine Durchschnittsgeschwindigkeit mit dem 12-Tonner von 70 Km/h auf Landstraßen erreicht haben will. Auch für den 12-Tonner gilt, dass die tatsächlich erforderlichen Fahrzeiten für beide Fahrzeuge, nämlich 12-Tonner und 40-Tonner ergeben, dass der Kläger diese nicht allein hätte fahren können, weshalb er auch teilweise Fahrer eingesetzt hat. Schließlich ist nicht zulässig, dass der Kläger ersparte Kraftstoffkosten pauschal mit „jedenfalls nicht über € 30,–“ (Bl. 226) schätzt; insoweit wäre eine konkrete Berechnung ohne weiteres möglich und aber auch erforderlich gewesen.
Auch hier gilt, dass der unschlüssige Vortrag nicht durch Sachverständigenbeweis ersetzt werden kann. Auch war hierauf nicht nochmals gemäß § 139 ZPO durch das Gericht hinzuweisen, denn der Kläger hat auf den detaillierten Sachvertrag der Beklagtenpartei nicht im Einzelnen reagiert sondern lediglich mit allgemeinen Erörterungen. Der Kläger musste jedoch, insbesondere nachdem über diesen Punkten dem letzten mündlichen Termin am 10.06.2016 diskutiert wurde, klar gewesen sein, dass er hierzu noch substantiierten Sachvortrag bringen muss, was er jedoch unterlassen hat. Somit steht dem Kläger auch für die Handbeilagen keine vereinbarte Vergütung gemäß 415 HGB zu.
III. Nebenentscheidungen
Kosten: § 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.


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