Arbeitsrecht

Vergütungserwartung bei Sonderleistung

Aktenzeichen  3 Ca 834/15

Datum:
13.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Weiden
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 612
ZPO ZPO § 59, § 60

 

Leitsatz

§ 612 BGB gilt nicht nur in Fällen, in denen keine Vergütungsabrede getroffen wurde, sondern kann auch dann eine Rechtsgrundlage für die Vergütung sein, wenn es um über die geschuldete Tätigkeit hinaus erbrachte Sonderleistungen geht (im Anschluss an BAG vom 23.9.2015, 5 AZR 626/13). (amtlicher Leitsatz)
§ 612 BGB sieht aber nicht für jede Dienstleistung, die über die vertragliche Pflicht hinaus erbracht wird, eine Vergütung vor, sondern nur bei einer berechtigten Vergütungserwartung (vgl. BAG a. a. O.) (amtlicher Leitsatz)
Einzelfallentscheidung für einen angestellten Juristen, der während der Arbeitszeit auch mit außerhalb des Arbeitsverhältnisses liegenden rechtlichen Angelegenheiten des Geschäftsführers beschäftigt wurde (Vergütungserwartung hier verneint). (amtlicher Leitsatz)
Eine bedingte Klagehäufung in der Weise, dass die Klage gegen den einen Streitgenossen nur für den Fall erhoben wird, dass die verbundene Klage gegen den anderen Streitgenossen keinen Erfolg hat, ist unzulässig, weil es an einem unbedingten Prozessrechtsverhältnis fehlt (Anschluss an BGH BeckRS 2007, 18648 Rn. 13 mwN). (red. LS Alke Kayser)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 126.488,71 € festgesetzt.
4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Gründe

Die Klage muss ohne Erfolg bleiben, da sie teilweise unzulässig ist und im Übrigen unbegründet.
A. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist eröffnet, vgl. Rechtswegbeschluss vom 28.7.2015 (Bl. 190 ff. d. A.). Das Arbeitsgericht Weiden ist örtlich zuständig, § 48 I a ArbGG.
B. Die Klage ist nur mit dem Hauptantrag zulässig. Im Übrigen, also hinsichtlich sämtlicher Hilfsanträge, ist die Klage unzulässig. Dies deshalb, da es sich hier um eine hilfsweise subjektive Klageerweiterung handelt, die mangels unbedingten Prozessrechtsverhältnisses unzulässig ist (vgl. BGH vom 20.9.2007, IX ZR 91/06; Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 253 Rn. 1).
C. Soweit zulässig, ist die Klage unbegründet, weil der Kläger gegen den Beklagten zu 1) keinen Anspruch auf Zahlung von Rechtsanwaltsvergütung hat.
Eine Anspruchsgrundlage, auf die sich der Kläger mit Erfolg stützen könnte, gibt es hierfür nicht, weder aus § 612 BGB (i. V. m. einem Anwaltsvertrag) noch aus einem anderen Gesichtspunkt.
Zwar gilt nach § 612 I BGB eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Dabei bildet § 612 I BGB nicht nur in den Fällen, in denen überhaupt keine Vergütungsvereinbarung getroffen wurde, eine mögliche Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Vergütung. Diese Bestimmung ist vielmehr auch anzuwenden, wenn über die vertraglich geschuldete Tätigkeit hinaus Sonderleistungen erbracht werden, die durch die vereinbarte Vergütung nicht abgegolten sind, und weder einzel- noch tarifvertraglich geregelt ist, wie diese Dienste zu vergüten sind (vgl. BAG vom 23.9.2015, 5 AZR 626/13). § 612 I BGB greift ein, wenn der Dienstleistende seine Dienste dem Dienstempfänger mit dessen Wissen und Wollen erbringt und keine Abrede besteht, wie diese Dienstleistung zu bezahlen ist (vgl. BAG vom 20.7.2004, 9 AZR 570/03). Dabei gilt § 612 BGB sowohl bei einer Mehrarbeit gegenüber dem Vertragsarbeitgeber als auch bei Sonderleistungen gegenüber Dritten, die nur im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis erbracht werden (vgl. BAG vom 20.7.2004, a. a. O.: Ansprüche des bei einem Krankenhaus angestellten Arzt gegenüber seinem Chefarzt wegen der Leistung ärztlicher Dienste; vgl. auch Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 16. Aufl., § 67 Rn. 23: Ansprüche des Arbeitnehmers gegen ein Tochterunternehmen seines Vertragsarbeitgebers wegen der Übernahme der Geschäftsführung).
Die Hoffnung auf künftige Entlohnung allein genügt allerdings keinesfalls. Stets ist zu klären, ob im vorliegenden Fall eine Vergütungserwartung besteht oder nicht (vgl. für den Fall einer nicht gegenüber dem Vertragsarbeitgeber erbrachten Sonderleistung: BAG 20.7.2004, a. a. O., juris Rn. 38). Darlegungs- und beweispflichtig für das Bestehen einer entsprechenden Erwartung ist nach allgemeinen Grundsätzen derjenige, der die Vergütung begehrt, hier also der Kläger (vgl. nur BAG vom 27.6.2012, 5 AZR 530/11). Eine solche Vergütungserwartung kann die Kammer im Streitfall aber nicht erkennen.
Nach der maßgebenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der auch die Kammer folgt, gilt, dass § 612 BGB nicht für jede Dienstleistung, die über die vertraglichen Pflichten hinaus erbracht wird, eine Vergütung vorsieht. Vielmehr setzt die Norm gerade und stets voraus, dass die Leistung „den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist“ (s.o.). Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrleistung zusätzlich zu vergüten ist, gibt es jedoch nicht. Die Vergütungserwartung ist stets anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung sowie der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankommt (vgl. BAG vom 23.9.2015, 5 AZR 626/13). Zwar wird die danach erforderliche – objektive – Vergütungserwartung in weiten Teilen des Arbeitslebens gegeben sein. Sie wird aber fehlen, wenn arbeitszeitbezogene und arbeitszeitunabhängig vergütete Arbeitsleistungen zeitlich verschränkt sind, wenn Dienste höherer Art geschuldet (vgl. BAG vom 17.8.2011, 5 AZR 406/10: juristische Tätigkeit als Rechtsanwalt) sind oder insgesamt eine deutlich herausgehobene Vergütung gezahlt wird, was das Bundesarbeitsgericht bei Besserverdienern ab einem die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitenden Entgelt annimmt (vgl. BAG vom 27.6.2012, 5 AZR 530/11; BAG vom 22.2.2012, 5 AZR 765/10). Dem folgt die Kammer mit der Klarstellung, dass sich die dann im Ergebnis vom arbeitsvertraglichen Entgelt miterfasste Mehrleistung im Rahmen des Zumutbaren halten muss (vgl. hierzu ErfK, 15. Aufl., § 612 BGB Rn. 16 unter Verweis u. a. auf BAG vom 4.10.1972, 4 AZR 475/71: Übertragung einer zusätzlichen und höherwertigen Tätigkeit ohne zusätzliche Vergütung für bis zu zwei Monaten zumutbar). Eine Vergütungserwartung ist nach der Rechtsprechung auch dann nicht gerechtfertigt, wenn es dem Arbeitnehmer mit freier Zeiteiteilung oblag, Überstunden durch Freizeit selbst auszugleichen (vgl. BAG vom 4.5.1994, 4 AZR 445/93).
Bei Anwendung dieser Grundsätze lässt sich eine Vergütungserwartung nicht begründen. Hier sind im Arbeitsverhältnis Dienste höherer Art geschuldet und es wird dem Kläger mit über 7.500,- € brutto (vgl. das anderweitige Verfahren 3 Ca 835/15) eine deutlich herausgehobene Vergütung bezahlt, die die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung – 2015 lt. Internetauftritt der Deutschen Rentenversicherung im Westen: 6.050,- € und im Osten: 5.200,- € – sogar bei weitem überschreitet. Eine berechtigte Vergütungserwartung für über die vertraglichen Pflichten hinaus erbrachte Sonderleistungen kann damit nach der oben aufgezeigten BAG-Rechtsprechung grundsätzlich nicht erkannt werden. Dies gilt auch mit Blick auf die besonderen Umstände des vorliegenden Falles. Selbst bei Zugrundelegung der klägerseits aufgezeigten Zusatzarbeiten, die die Beklagtenseite weit überwiegend abgestritten bzw. relativiert dargestellt hat, kann unter Berücksichtigung der vorliegenden Verhältnisse keine unzumutbare und damit gesondert zu vergütende Zusatzbelastung erkannt werden. Die Arbeiten wurden vom Kläger während der Arbeitszeit erledigt, die ihm mit über 7.500,- € im Monat besonders gut bezahlt wird. Eine besondere Belastung des Klägers in zeitlicher Hinsicht kann daher nicht festgestellt werden. Die Arbeiten wurden in den Räumen des Arbeitgebers unter Verwendung der Büroeinrichtungen (Computer, Telefon) und unter Einsatz des anderweitigen Personals seines Arbeitgebers erbracht (Frau Fr. vormals Mü.). Eine besondere Belastung des Klägers kann daher auch insoweit nicht festgestellt werden. Bei den Tätigkeiten handelt es sich um Angelegenheiten aus dem Grundstücks-, Miet- bzw. Arbeitsrecht und damit fachlich offensichtlich um solche, die der Kläger auch gegenüber seinem Vertragsarbeitgeber zu erledigen hat. Eine besondere Belastung kann daher auch in fachlicher Hinsicht nicht festgestellt werden. Insgesamt erscheinen die zusätzlich für den Beklagten verrichteten Tätigkeiten gem. Klägervortrag nach alldem für den Kläger auch ohne gesonderte Vergütung zumutbar. Jedenfalls hätte es in der vorliegenden Situation für die Begründung von Zahlungsansprüchen eines Hinweises des Klägers bzw. einer gesonderten Vergütungsabrede bedurft. Dies gilt nach Auffassung der Kammer auch in Konstellationen mit Sonderleistungen gegenüber Dritten (und nicht gegenüber dem Vertragsarbeitgeber, also wie hier) jedenfalls dann, wenn wie hier vom Kläger geltend gemacht und von der Kammer im Rechtswegbeschluss festgestellt, letztlich gerade ein enger Zusammenhang zur im Arbeitsverhältnis erbrachten – und damit vergüteten – Arbeitsleistung besteht.
Da schließlich keine andere Rechtsgrundlage geltend gemacht oder sonst ersichtlich ist, konnte die Klage keinen Erfolg haben.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 II ArbGG, 91 I ZPO. Der Streitwert wurde gem. § 61 I ArbGG i. V. m. § 3 ZPO in Höhe der eingeklagten Summe festgesetzt. Ein gesetzlich begründeter Anlass für eine gesonderte Berufungszulassung bestand nicht, § 64 III ArbGG.


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