Arbeitsrecht

Versorgungsausgleich – vollstreckungsrechtliche Anforderungen an den externen Ausgleich eines fondsgebundenen Anrechts

Aktenzeichen  11 UF 1171/20

Datum:
5.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
MDR – 2021, 451
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VersAusglG § 5 Abs. 1, § 14 Abs. 4, § 18 Abs. 2, Abs. 3

 

Leitsatz

Wird ein fondsbezogenes Anrecht extern geteilt, genügt die Tenorierung den Anforderungen an die Vollstreckbarkeit gemäß § 222 Abs. 3 FamFG durch Nennung von Zugangsdaten einer der Berechnung des Zahlungsanspruchs dienenden zuverlässigen Website des Versorgungsträgers.
Sind bei dem Zielversorgungsträger eines extern zu teilenden Anrechts auf eine betriebliche Altersversorgung bereits Einzahlungen aus dem Ausgleich eines weiteren Anrechts erfolgt, ist von dem externen Ausgleich auch dann nicht gem. § 18 Abs. 2 VersAusglG abzusehen, wenn sein Ausgleichswert den Grenzwert des § 18 Abs. 3 VersAusglG unterschreitet. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

001 F 273/20 2020-11-03 Endbeschluss AGSTRAUBING AG Straubing

Tenor

1. Auf die Beschwerde der … wird der dritte Absatz von Ziffer 2 des Endbeschlusses des Amtsgerichts – Familiengericht – Straubing vom 03.11.2020 (betreffend das Anrecht des Antragstellers bei der … – Zusatzvorsorge Kapital -) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der … (Zusatzvorsorge Kapital, P.Nr. …) in Höhe von 92,600 Anteilen des Fonds … Alterskapital Target 2030 zugunsten der Antragsgegnerin ein auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich bezogenes Anrecht bei der Versorgungsausgleichskasse mit dem Wert der vorgenannten Anteile im Zeitpunkt der Rechtskraft dieser Entscheidung (ersichtlich aus http://kursportal…-altersvorsorge.de; Zugangsnummer …), mindestens jedoch in Höhe eines Kapitalbetrags von 2.376,28 € nebst Zinsen in Höhe von jährlich 1,89 Prozent seit dem 1. April 2020 bis zum Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung, begründet.
Die … wird verpflichtet, diesen Ausgleichswert als Kapitalbetrag an die Versorgungsausgleichskasse zu zahlen.
2. Für das Beschwerdeverfahren werden Gerichtskosten nicht erhoben. Auslagen sind nicht zu erstatten.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.440 € festgesetzt.

Gründe

I.
Auf den am 27.04.2020 zugestellten Scheidungsantrag wurde die am 30.09.1994 geschlossene Ehe der beteiligten Eheleute mit Endbeschluss des Amtsgerichts Straubing vom 03.11.2020 geschieden und der Versorgungsausgleich durchgeführt.
Während der Ehezeit erwarb der Antragsteller unter anderem Versorgungsanwartschaften aus betrieblicher Altersvorsorge bei der … Hinsichtlich des Anrechts „Zusatzvorsorge Kapital“ hat die … in ihrer Auskunft vom 23.06.2020 den Ehezeitanteil mit 185,200 Anteilen des Fonds … Alterskapital Target 2030 angegeben und einen Ausgleichswert von 92,600 Anteilen (bei einem Kurswert von 26,34 € je Anteil zum 31.03.2020) vorgeschlagen. Das Anrecht umfasst eine garantierte Mindestversorgung. Den Barwert der Garantieleistung des Ehezeitanteils zum Ehezeitende hat sie mit 4.752,56 € angegeben, den Depotwert zum Stichtag mit 4.878,17 € und den Rechnungszins zur Berechnung des Barwerts mit 1,89%. Der Versorgungsträger hat die externe Teilung des Anrechts beantragt. Der aktuelle Kurs könne jeweils einer Website des Versorgungsträgers entnommen werden. Die Antragsgegnerin hat keine Zielversorgung benannt.
Das genannte Anrecht hat das Amtsgericht wie folgt ausgeglichen:
„Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der … (Vers. Nr. … – Zusatzvorsorge) zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 24.309,09 Euro bei der Versorgungsausgleichskasse nach Maßgabe der … Zusatzvorsorge Kapital, bezogen auf den 31.03.2020, begründet. Die … wird verpflichtet, diesen Betrag nebst 1,89% Zinsen seit dem 01.04.2020 bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung an die Versorgungsausgleichskasse zu zahlen.“
Gegen diesen ihr am 10.11.2020 zugestellten Endbeschluss wendet sich die … mit am 20.11.2020 beim Amtsgericht eingegangener Beschwerde. Sie moniert, dass der Kapitalbetrag aus ihrer Auskunft fehlerhaft übernommen worden und zudem im Rahmen der externen Teilung der zu zahlende Ausgleichswert aus einer fondsgebundenen betrieblichen Altersvorsorge nicht zu verzinsen sei.
Die weiteren Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, der korrekte [auszugleichende] Depotwert betrage 2.439,09 €. Gegen die Ankündigung des Senats, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, sind keine Einwände erhoben worden.
II.
Die gemäß §§ 58 ff., 228 FamFG zulässige Beschwerde der … führt zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung hinsichtlich des Ausgleichs der fondsgebundenen betrieblichen Altersvorsorge „Zusatzvorsorge Kapital“.
Der Senat hat von einer mündlichen Erörterung abgesehen, da die Beteiligten rechtliches Gehör hatten und der Sachverhalt hinreichend geklärt ist (§§ 69 Abs. 3, 221 Abs. 1 FamFG).
Die Teilanfechtung des Versorgungsausgleichs ist zulässig (BGH FamRZ 2016, 794; 2011, 547). Der Überprüfung durch den Senat unterliegt daher die Entscheidung des Amtsgerichts nur in Bezug auf das erwähnte Anrecht.
Das Anrecht ist extern zu teilen, da die Versorgungsträgerin die externe Teilung verlangt und der Grenzwert des § 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG nicht überschritten ist.
Vom Ausgleich ist nicht gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG abzusehen. Zwar ist der am Wert des Anrechts zum Ehezeitende zumessende Grenzwert des § 18 Abs. 3 VersAusglG unterschritten. Bei der gebotenen Abwägung der Halbteilungsinteressen mit den Nachteilen eines unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands und der Begründung unerwünschter Splitterversorgungen (hierzu etwa BGH FamRZ 2016, 1658 Rn. 9) ist aber zum einen zu bedenken, dass mit der externen Teilung regelmäßig nur ein relativ geringer Verwaltungsaufwand des abgegebenen Versorgungsträgers verbunden ist und zum anderen schon deshalb keine Splitterversorgung entsteht, weil bei der Versorgungsausgleichskasse bereits Einzahlungen aus dem Ausgleich eines weiteren Anrechts des Antragstellers erfolgen.
Teilungsgegenstand eines fondsgebundenen Anrechts sind die Fondsanteile, da diese die für das Versorgungssystem maßgebliche Bezugsgröße bilden, auf deren Grundlage gemäß § 5 Abs. 1 VersAusglG der Versorgungsträger den Ehezeitanteil zu berechnen hat und deren direkte Teilung (daher) der Funktion des Versorgungsausgleichs am besten gerecht wird. Eine Umrechnung in einen Kapitalbetrag erfordert grundsätzlich erst § 14 Abs. 4 VersAusglG, nach dem festgelegt wird, welche konkrete Geldsumme bei Rechtskraft der Entscheidung vom Versorgungsträger des Ausgleichspflichtigen an den Versorgungsträger des Ausgleichsberechtigten zu bezahlen ist (BGH FamRZ 2017,1655 Rn. 12 f.).
Auch bei der Teilung eines fondsgebundenen Anrechts sind nachehezeitliche Wertsteigerungen des auszugleichenden Anrechts in der Zeit zwischen Ehezeitende und Rechtskraft der Entscheidung zum Versorgungsausgleich zu berücksichtigen, um dem Halbteilungsgrundsatz gerecht zu werden (BGH FamRZ 2018, 1745 Rn. 16; FamRZ 2017,1655 Rn. 17). Die Ausgleichsberechtigte soll die Chancen und Risiken des Kapitalmarkts ihres „Anteils“ tragen (Siede FamRZ 2020, 1060, 1061).
Dies kann bei einem fondsgebundenen Anrecht nicht durch die Anordnung der Verzinsung des Ausgleichswertes geschehen, da fondsgebundenen Anrechten aus einer betrieblichen Altersvorsorge keine von vorneherein zugesagte Wertsteigerung tatsächlich innewohnt, die durch die Anordnung einer Verzinsungspflicht abgebildet werden könnte (BGH FamRZ 2013, 1635 Rn. 13).
Den vollstreckungsrechtlichen Anforderungen an den Ausgleich des fondsgebundenen Anrechts ist nach Auffassung des Senats Genüge getan, wenn die Internetadresse der Website des Versorgungsträgers und der vom Versorgungsträger den Beteiligten mitgeteilte Zugangscode in den Tenor der Ausgleichsentscheidung aufgenommen werden (ebenso OLG München, Beschluss vom 31.03.2020, Az. 16 UF 168/20, unveröffentlicht, zitiert nach Siede FamRZ 2020, 1060, 1062 Fn. 16), da das Vollstreckungsorgan daraus ohne besondere Schwierigkeiten den zu übertragenden Kapitalbetrag feststellen kann.
Der BGH hat hierzu ausgeführt (BGH FamRZ 2016, 2000 Rn. 39 f.; FamRZ 2018, 1745 Rn. 20), ein Titel sei nur dann bestimmt genug und zur Zwangsvollstreckung geeignet, wenn er den Anspruch des Gläubigers ausweise sowie Inhalt und Umfang der Leistungspflicht bezeichne. Bei einem Zahlungstitel müsse der zu vollstreckende Zahlungsanspruch betragsmäßig festgelegt sein oder sich zumindest ohne weiteres aus dem Titel errechnen lassen. Gegebenenfalls habe das Vollstreckungsorgan den Inhalt des Titels durch Auslegung festzustellen; dafür müsse der Titel aber aus sich heraus genügend bestimmt sein oder jedenfalls sämtliche Kriterien für seine Bestimmbarkeit eindeutig festlegen. Zwar genüge es für eine Bestimmbarkeit, wenn die Berechnung des Zahlungsanspruchs mit Hilfe offenkundiger, insbesondere aus dem Bundesgesetzblatt oder dem Grundbuch ersichtlicher Umstände möglich sei. Auch hinsichtlich der Wertveränderungen einer fondsbezogenen Versorgung müsse die Entscheidung zur externen Teilung diesen allgemeinen Anforderungen an einen Vollstreckungstitel genügen. Jedenfalls erlaube die Vorschrift keine „offene Tenorierung“, bei der es dem Versorgungsträger der ausgleichspflichtigen Person überlassen bleibt, die konkrete Höhe des Kapitalbetrags nach eigenen Berechnungen selbst festzulegen (BGH FamRZ 2017, 1655 Rn. 27). Ausreichend sei hier beispielsweise eine Veröffentlichungspflicht nach § 170 KAGB (BGH FamRZ 2018, 1745 Rn. 22). Nicht ausreichend wäre, wenn ein nicht nach § 170 KAGB veröffentlichter und auch sonst nicht offenkundiger Wertpapierkurs erst durch eine entsprechende Mitteilung des Versorgungsträgers zum Stichtag zuverlässig festgestellt werden könnte (BGH FamRZ 2018, 1745 Rn. 24). Die genannten offenkundigen Quellen fehlen in der Regel bei nur fiktiven Fondsanteilen (Senat FamRZ 2018, 905 juris Rn. 83; FamRZ 2017, 873 juris Rn. 63) wie demjenigen der … Die von der … aufgezeigte Möglichkeit, wonach das Gericht und auch das Vollstreckungsorgan über ein Kennwort den Wert ermitteln kann, erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen an die Offenkundigkeit im Sinne einer Allgemeinkundigkeit zwar nicht. Allgemeinkundig sind nur solche Ereignisse oder Zustände, die von einer beliebigen Zahl von Personen ohne besondere Sachkunde jederzeit wahrgenommen werden können, sei es unmittelbar, sei es durch Zugriff auf allgemein zugängliche, zuverlässige Quellen (Bacher in BeckOK-ZPO, Stand 1.12.2020, § 291 ZPO Rn. 3). Allgemein zugänglich ist die von der … aufgezeigte Website aber gerade nicht, vielmehr bedarf es der Kenntnis des Kennworts. Zudem hängt die Vollstreckbarkeit dieser Entscheidung mit der Zugangsnutzung von der Fortführung der Website ab, die allerdings seit längerer Zeit ohne bekanntgewordene Probleme aufrufbar ist.
Es liegt aber im Interesse aller Beteiligter, die Teilhabe der Ausgleichsberechtigten an der Wertentwicklung des Fonds auch nach Absetzen der vorliegenden Entscheidung sicherzustellen und damit den Halbteilungsgrundsatz zu wahren. Würden die Fondsanteile geteilt, der Versorgungsträger aber zur Zahlung eines zu einem Zeitpunkt vor der Rechtskraft festgelegten Betrags verpflichtet, so wäre bei fallenden Kursen die Aufwandsneutralität für den Versorgungsträger nicht gewahrt, bei steigenden Kursen wäre bei der ausgleichspflichtigen Person eine Kürzung des Anrechts erfolgt, ohne dass sich dies entsprechend im Erwerb eines selbstständigen Anrechts für die berechtigte Person auswirken würde. Damit könnte die Rechtfertigung für den Versorgungsausgleich entfallen (BVerfG FamRZ 2020, 1078 Rn. 50 m. Anm. Borth). Der Senat geht deshalb davon aus, dass die Voraussetzung der „offenkundigen“ Tatsache nicht im herkömmlichen Sinn zu verstehen ist, sondern, wie sich aus der Begründung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ergibt, nur die Vollstreckbarkeit sichern soll (im Ergebnis ebenso Saip/Steffens NZFam 2018, 1002; kritisch Schwamb NZFam 2019, 759, 761). Die Vollstreckbarkeit ist vorliegend aber durch die Nennung der Zugangsdaten in der Tenorierung sichergestellt, weil sich der Anspruch für das Vollstreckungsorgan ohne weiteres mit Hilfe der genannten Website errechnen lässt.
Nachdem die Zusage des Versorgungsträgers eine Garantieleistung umfasst, war hinsichtlich des vom Versorgungsträger mitgeteilten Barwerts dieser Garantieleistung die Verzinsung mit dem für die Barwertermittlung verwendeten Rechnungszins auszusprechen (BGH FamRZ 2017, 1655 Rn. 33).
Die Angabe des Bezugsdatums stellt allein klar, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte im Umfang des Ausgleichswerts von dem genannten Zeitpunkt an nicht mehr an dessen Dynamik teilhat, vielmehr die Wertentwicklung insoweit bereits zugunsten des ausgleichsberechtigten Ehegatten wirkt (BGH FamRZ 2017, 1655 Rn. 16). Weil die Wertentwicklung mit der vorgenommenen Tenorierung bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung berücksichtigt ist, hat die Teilung mit Bezug zu diesem Zeitpunkt zu erfolgen (BGH FamRZ 2016, 1847; 2016, 1144; Norpoth NZFam 2019, 754, 756).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 FamFG i.V. m. § 20 FamGKG.
Die Festsetzung des Verfahrenswertes für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 50 Abs. 1 FamGKG. Der Senat hat die erstinstanzlich festgestellten Einkommensverhältnisse der Beteiligten zugrunde gelegt, wobei berücksichtigt wurde, dass im Beschwerdeverfahren nur ein Anrecht betroffen ist.
IV.
Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil für eine Vielzahl von Fällen die Frage zu klären ist, ob die Nennung von Zugangsdaten einer der Berechnung des Zahlungsanspruchs dienenden Website des Schuldners den Anforderungen an die Vollstreckbarkeit eines Titels gemäß § 222 Abs. 3 FamFG genügt.


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