Arbeitsrecht

Vorläufiges Verbot der Amtsausübung gegenüber einem Personalratsmitglied

Aktenzeichen  17 PE 19.2232

Datum:
23.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9554
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayPVG Art. 28 Abs. 1 S. 1, Art. 82 Abs. 2 S. 1,
ArbGG § 85 Abs. 2 S. 2, § 87 Abs. 2 S. 1
ZPO § 294 Abs. 1, § 920 Abs. 2, § 936, § 937, § 943 Abs. 1
StPO § 152 Abs. 2

 

Leitsatz

Ein vorläufiges Verbot der Amtsausübung gegenüber einem Personalratsmitglied im Wege der einstweiligen Verfügung kommt nur in Betracht, wenn eine weitere Zusammenarbeit mit diesem Personalratsmitglied auch unter Anlegung eines strengen Maßstabs nicht einmal mehr vorübergehend zumutbar ist (im Anschluss an NdsOVG, B.v. 20.9.1995 – 17 M 826/95 – PersR 1996, 35), wobei für eine solche Unzumutbarkeit sprechen kann, dass der im Hauptsacheverfahren streitgegenständliche Ausschlussantrag nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayPVG offensichtlich begründet ist (vgl. BVerwG, B.v. 21.6.2017 – 1 WDS-VR 5.16 – NVwZ 2017, 1707 Rn. 37). (Rn. 17)
Für ein – die Hauptsache vorwegnehmendes – „vorläufiges“ Verbot der Amtsausübung gegenüber einem Personalratsmitglied gelten deutlich strengere Anforderungen  als für die Hauptsacheentscheidung nach Art. 28 Abs. 1 BayPVG selbst. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Die antragstellende Polizeigewerkschaft – ein eingetragener Verein -, die im Polizeipräsidium … (Dienststelle) vertreten ist, begehrt, der Beteiligten zu 1 – einem Mitglied des Personalrats dieser Dienststelle (Beteiligter zu 2) – im Wege einstweiliger Verfügung die Ausübung ihres Personalratsamts bis zum Abschluss des beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in der Hauptsache noch anhängigen Beschwerdeverfahrens (Az. 17 P 19.2114) zu untersagen.
In jeweils an den Dienststellenleiter (Beteiligter zu 3) gerichteten Schreiben vom 17. August 2017 und vom 20. September 2017 warf die Beteiligte zu 1 als Personalratsmitglied und (damalige) Gruppensprecherin der Arbeitnehmer dem damaligen stellvertretenden Vorsitzenden und jetzigen Vorsitzenden des Personalrats – Angehöriger der Gruppe der Beamten – unter Anführung verschiedener Beispiele (Ansprechen des Wunsches einer Kollegin nach einem vertraulichen Personalratsgespräch gegenüber dem Dienststellenleiter; unsachgerechte Beratung einer Beschäftigten in Sachen Höhergruppierung; Falschbehauptung zur Befugnis der Beteiligten zu 1, eine außerordentliche Sitzung „Gruppe Tarif“ einberufen zu können; Bezichtigung der Beteiligten zu 1, zu lügen; Versuch der „Vergiftung von Gefolgsleuten“ mit angeblich ermitteltem Wissen) Mobbing ihr gegenüber sowie strafbares Verhalten vor, bat um die Ergreifung von Maßnahmen gegen diese Verhaltensweisen und kündigte dagegen andernfalls die Einleitung eigener rechtlicher Schritte an.
Nachdem die Beteiligte zu 1 dem damaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Personalrats in einer Strafanzeige insbesondere „Mobbing“ zur Last gelegt hatte, sah die Staatsanwaltschaft Augsburg durch Verfügung vom 30. November 2017 – 101 Js 139644/17 – von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gemäß § 152 Abs. 2 StPO ab. Was das angezeigte „Mobbing“ betreffe, sei festzuhalten, dass die geschilderten Fälle im Gesamtkontext nicht dazu führen könnten, dem Angezeigten eine vorsätzliche Körperverletzung zur Last zu legen. Insbesondere sei festzuhalten, dass die konkreten Vorwürfe, welche die Beteiligte zu 1 erhebe, stets auf Gefühlen oder Einschätzungen ihrerseits in der konkreten Situation, nicht jedoch auf konkreten (strafbaren) Handlungen des Angezeigten basierten.
Nach einem Mediationsangebot der Dienststelle gegenüber dem Personalrat äußerte die Mediatorin am 10. September 2018 gegenüber einer Abteilung dieser Dienststelle den Wunsch nach Klärung des Umgangs mit den bestehenden Mobbing-Vorwürfen, woraufhin diese Abteilung mit Schreiben 17. September 2018 eines ihrer Sachgebiete um die Durchführung von Verwaltungsermittlungen zur Aufklärung der Vorwürfe bat.
Mit Schreiben vom 15. November 2018 informierte das Polizeipräsidium den Personalrat über die Einstellung der Verwaltungsermittlungen wegen der von der Beteiligten zu 1 erhobenen Mobbing-Vorwürfe. Ein Mobbingverhalten gegenüber der Beteiligten zu 1 habe trotz eingehender und umfassender Überprüfung nicht festgestellt werden können, weshalb die Angelegenheit damit als erledigt betrachtet werde.
Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2018 stellte der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München den Antrag, die Beteiligte zu 1 gemäß Art. 28 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes (BayPVG) aus der Personalvertretung auszuschließen.
In diesem verwaltungsgerichtlichen Verfahren (Az. M 20 P 18.6164) legte der Antragsteller unter anderem eine Klageerwiderung der Bevollmächtigten der Beteiligten zu 1 vom 16. August 2019 (VG-Akte Bl. 72-74) aus einem zivilgerichtlichen Unterlassungsverfahren vor, das der damalige stellvertretende Vorsitzende des Personalrats beim Amtsgericht Augsburg (Az. 22 C 521/19) gegen die Beteiligte zu 1 anhängig gemacht hatte. Weiter vorgelegt wurde eine von der Beteiligten zu 1 erstellte Auflistung der von ihr als Mobbingvorfälle angesehenen Vorfälle („Tagebuchauszug“ am 27. Juni 2016 beginnend und im „Juli/August 2019“ endend, VG-Akte Bl. 76-90), die im zivilgerichtlichen Verfahren der Klageerwiderung vom 16. August 2019 ebenfalls beigefügt gewesen war. In dieser Klageerwiderung erläuterten die Bevollmächtigten der Beteiligten zu 1 den Geschehensablauf zu den Vorwürfen der Beteiligten zu 1 gegenüber dem damaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Personalrats mit deren zugehörigen Handlungsmotiven und teilten mit, seit der Aufforderung des damaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Personalrats, die Mobbing-Behauptungen gegen ihn zu unterlassen, habe die Beteiligte zu 1 diese auch nicht mehr wiederholt.
Im Verfahren Az. M 20 P 18.6164 ließ die Beteiligte zu 1 mit Schriftsatz vom 9. September 2019 erwidern, die Vorwürfe in dem Hilfeersuchen an den Dienststellenleiter seien allein gegen den damaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Personalrats gerichtet, die „anderen Aktionen“ seien ausschließlich der Abwehr von dessen Mobbingattacken geschuldet.
Mit Beschluss vom 17. September 2019 schloss das Verwaltungsgericht die Beteiligte zu 1 aus dem Personalrat des Polizeipräsidiums … aus. Die Beteiligte zu 1 sei in ihren an den Dienststellenleiter gerichteten Schreiben vom 17. August 2017 und vom 20. September 2017 über eine an sich legitime bloße Anzeige des von ihr als Mobbing empfundenen und von ihr als strafbar gewerteten Verhaltens hinaus gegangen, indem sie gefordert habe, der stellvertretende Vorsitzende des Personalrats dürfe keinen Dienst mehr innerhalb des Verbandes Schwaben Nord leisten. Aus den Schriftsätzen der Bevollmächtigten der Beteiligten zu 1 vom 16. August 2019 und vom 9. September 2019 an das Amtsgericht Augsburg bzw. das Verwaltungsgericht gehe hervor, dass sie den Vorwurf des Mobbings weiterhin aufrecht erhalte. Bei bestimmten im Schriftsatz vom 9. September 2019 enthaltenen Äußerungen handele es sich zumindest um grobe Verunglimpfungen des einen Personalratsmitglieds durch ein anderes, wobei sich die Beteiligte zu 1 spätestens nach der Mitteilung durch die Staatsanwaltschaft vom 30. November 2017 einer gemäßigteren Wortwahl hätte bedienen müssen. Indem sie dem (jetzigen) Personalratsvorsitzenden weiterhin „Mobbingattacken“ vorwerfe, verstoße sie gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit, worin eine das Vertrauen in eine künftige ordnungsgemäße Amtsführung zumindest stark erschütternde grobe Pflichtverletzung der Beteiligten zu 1 liege, die ihren Ausschluss aus dem Personalrat rechtfertige.
Mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2019 legte die Beteiligte zu 1 gegen den verwaltungsgerichtlichen Beschluss Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ein.
Im vorliegenden Eilverfahren begehrt der Antragsteller, der Beteiligten zu 1 im Wege der einstweiligen Verfügung die Ausübung ihres Personalratsamts bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu untersagen und führt dazu aus, zwar sei die Beteiligte zu 1 seit dem 29. Mai 2019 fast durchgehend arbeitsunfähig erkrankt oder im Urlaub und habe daher nicht an Personalratssitzungen teilgenommen, aber ihre bisherige Praxis, jeweils Krankschreibungen über maximal zwei Wochen vorzulegen, habe dazu geführt, dass inzwischen für elf Personalratssitzungen kurzfristig ein Ersatzmitglied habe geladen werden müssen. Das Bayerische Personalvertretungsgesetz enthalte zwar keine Verpflichtung für Personalratsmitglieder, eine längerdauernde Arbeitsunfähigkeit frühzeitig anzuzeigen. Personalratsmitglieder, die an einer sachorientierten und reibungslosen Zusammenarbeit interessiert seien, teilten aber die voraussichtliche Dauer der krankheitsbedingten Verhinderung trotzdem mit, um rechtssichere Nachladungen und eine rechtzeitige Sitzungsvorbereitung der Ersatzmitglieder zu ermöglichen. Es sei zu erwarten, dass die Beteiligte zu 1 bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens weiterhin regelmäßig an der Teilnahme an Personalratssitzungen gehindert sei, und zu prognostizieren, dass sie auch während des Beschwerdeverfahrens ihre Vorwürfe gegenüber dem Personalratsvorsitzenden fortsetzen werde. Nachdem sie zuletzt auch gleichartige Vorwürfe bezüglich anderer Personalratsmitglieder geäußert habe, die nach ihrer Wahrnehmung in dessen Abwesenheit im Auftrag des Personalratsvorsitzenden handelten, sei mit jeder Teilnahme der Beteiligten zu 1 an einer Personalratssitzung eine Erweiterung und Intensivierung ihrer Vorwürfe zu erwarten. Daher sei ihre weitere Einbeziehung in die Personalratsarbeit unzumutbar, zumal ihre Beschwerde offensichtlich aussichtslos sei. Würde sie ihr Personalratsmandat während des laufenden Verfahrens nochmals ausüben, wäre zu befürchten, dass die anderen Personalratsmitglieder ihr Personalratsmandat niederlegten, insbesondere um sich selbst weiteren gesundheitlichen Belastungen, die aufgrund der von der Beteiligten zu 1 in Gang gesetzten Streitereien erlebt würden, zu entziehen. Nach dem Urteil des Amtsgerichts Augsburg erscheine es wenig wahrscheinlich, dass es der Beteiligten zu 1 noch gelingen könne, ihre These, sich in einer hilflosen Situation zu befinden, zu belegen. Auch aus der im vom Personalratsvorsitzenden angestrengten Selbstreinigungsverfahren angelegten, an das Polizeipräsidium M. als Disziplinarbehörde weitergeleiteten Vorgangsakte ergebe sich, dass der Beteiligten zu 1 vielfach und umfangreich erläutert worden sei, dass die von ihr beanstandeten Verhaltensweisen keine Straftat darstellten und nicht unter den Begriff Mobbing gefasst werden könnten.
Die Beteiligte zu 1 begehrt im vorliegenden Eilverfahren, den Antrag zurückzuweisen und führt dazu aus, der Antragsteller behaupte ohne jeglichen Nachweis und ohne Darlegung eines wichtigen Grundes, dass ihr die Personalratsarbeit zu untersagen sei. Die Beteiligte zu 1 erschwere auch nicht durch ihre Krankheit die Personalratsarbeit unzumutbar, weil sie von den elf Personalratssitzungen nur eine Einladung ohne Protokoll erhalten habe und das Bayerische Personalvertretungsgesetz keine Verpflichtung ihrerseits normiere, die längere Krankheit anzeigen zu müssen. Die bloße und unrichtige Behauptung, sie belaste den Personalrat in seiner Arbeit, werde bestritten. Zu keinem Zeitpunkt habe sie andere Personalratsmitglieder in einer Art und Weise angegangen, dass deren Amtsniederlegung zu befürchten wäre.
Mit Urteil vom 5. März 2020 (Az. 22 C 521/19), bei den Bevollmächtigten des Personalratsvorsitzenden eingegangen am 11. März 2020, verurteilte das Amtsgericht Augsburg die Beteiligte zu 1 unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 € oder ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß gegenüber Dritten zu behaupten, der Personalratsvorsitzende betreibe ihr gegenüber Mobbing. Die an den Dienststellenleiter gerichteten Schreiben der Beteiligten zu 1 vom 17. August 2017 und vom 20. September 2017 enthielten unwahre Tatsachenbehauptungen, die den Personalratsvorsitzenden in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und in seiner Ehre verletzten. Gegen die Beteiligte zu 1 werde kein Mobbing betrieben. Es fehle am Bestehen eines deutlichen Machtgefälles im Sinne einer klaren Zuordnung, wer Täter und wer Opfer sei. Formal seien die Parteien gleichgestellt. Die Beweisaufnahme habe auch in tatsächlicher Hinsicht keine klare Zuordnung von Täter und Opfer ergeben. Auch die beiden klageauslösenden Schreiben vom 17. August 2017 und vom 20. September 2017 zeigten, dass die Beteiligte zu 1 nicht als Opfer gesehen werden könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens sowie der Verfahren in der Hauptsache Bezug genommen.
II.
1. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ist als Gericht der Hauptsache für den Erlass einer einstweiligen Verfügung zuständig (Art. 82 Abs. 2 Satz 1 BayPVG, § 87 Abs. 2 Satz 1, § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, § 937 Abs. 1, § 943 Abs. 1 Alt. 2 ZPO). Da der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen ist, kann die Entscheidung des Fachsenats in der vorliegenden Besetzung (Art. 83 Abs. 4 BayPVG) ohne mündliche Verhandlung ergehen (Art. 82 Abs. 2 Satz 1 BayPVG, § 87 Abs. 2 Satz 1, § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, § 937 Abs. 2 Alt. 2 ZPO).
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat in der Sache keinen Erfolg, weil für ein – die Hauptsache vorwegnehmendes – „vorläufiges“ Verbot der Amtsausübung gegenüber der Beteiligten zu 1 als Personalratsmitglied deutlich strengere Anforderungen gelten als für die Hauptsacheentscheidung nach Art. 28 Abs. 1 BayPVG selbst.
a) Ein vorläufiges Verbot der Amtsausübung gegenüber einem Personalratsmitglied im Wege der einstweiligen Verfügung kommt nur in Betracht, wenn eine weitere Zusammenarbeit mit diesem Personalratsmitglied auch unter Anlegung eines strengen Maßstabs nicht einmal mehr vorübergehend zumutbar ist (im Anschluss an NdsOVG, B.v. 20.9.1995 – 17 M 826/95 – PersR 1996, 35), wobei für eine solche Unzumutbarkeit sprechen kann, dass der im Hauptsacheverfahren streitgegenständliche Ausschlussantrag nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayPVG offensichtlich begründet ist (vgl. BVerwG, B.v. 21.6.2017 – 1 WDS-VR 5.16 – NVwZ 2017, 1707 Rn. 37).
b) Es ist keineswegs „offensichtlich“, sondern im noch anhängigen Beschwerdeverfahren Az. 17 P 19.2114 (und nicht im vorliegenden Eilverfahren) zu klären, ob insbesondere die von der Beteiligten zu 1 erhobenen Mobbingvorwürfe überhaupt als (schuldhafte) „grobe Verletzung gesetzlicher Pflichten“ i.S.v. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayPVG angesehen werden können, wobei die generellen Schwierigkeiten bei der Feststellung von Mobbing in Abgrenzung gegenüber sozial anerkannten Verhaltensweisen am Arbeitsplatz (vgl. BAG, B.v. 15.1.1997 – 7 ABR 14/96 – BAGE 85, 56 Rn. 16, auf diese Entscheidung Bezug nehmend etwa BVerwG, U.v. 11.6.2002 – 2 WD 38.01 – NVwZ-RR 2002, 851) ein Argument sein können, gesetzlich eröffnete Verfahren zur Klärung zu nutzen, und vorliegend zum Zeitpunkt der Erhebung der Vorwürfe keine diese Vorwürfe verbindlich als unzutreffend klärende behördliche oder gerichtliche Entscheidung vorgelegen hatte. Das im vorliegenden Verfahren vorgelegte Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 5. März 2020 – 22 C 521/19 – ist nach Erhebung der streitgegenständlichen Vorwürfe ergangen. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft vom 30. November 2017, von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, hatte von vornherein allein den Anfangsverdacht einer Straftat im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO zum Prüfungsgegenstand und es war nicht unmittelbar von der Staatsanwaltschaft zu prüfen, ob im konkreten Fall Mobbing vorliegt, weil Mobbing als solches nicht an einzelnen Straftatbeständen festgemacht ist. Deswegen konnte diese Entscheidung der Staatsanwaltschaft nicht verbindlich klären, dass die Beteiligte zu 1 ab dieser Entscheidung ihren Vorwurf des Mobbings nicht mehr aufrechterhalten durfte. Deswegen trägt der vom Verwaltungsgericht vertretene Begründungsansatz, der in der besagten Entscheidung der Staatsanwaltschaft Augsburg das maßgebliche Hindernis für die Aufrechterhaltung von Mobbingvorwürfen seitens der Beteiligten zu 1 sieht, keinesfalls. Unabhängig davon ist zu sehen, dass auch die disziplinarrechtliche Relevanz von Verhaltensweisen keineswegs von deren „Strafbarkeit“ abhängt und darauf nicht begrenzt ist. Da nicht „offensichtlich“, sondern im Hauptsacheverfahren (Az. 17 P 19.2114) zu klären ist, ob insbesondere die von der Beteiligten zu 1 erhobenen Mobbingvorwürfe überhaupt als (schuldhafte) „grobe Verletzung gesetzlicher Pflichten“ i.S.v. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayPVG angesehen werden können, ist eine „Unzumutbarkeit“ der weiteren Zusammenarbeit mit der Beteiligten zu 1 jedenfalls nicht wegen offensichtlicher Unbegründetheit der Beschwerde anzunehmen.
c) Auch im Übrigen ist eine Unzumutbarkeit der Belassung der Beteiligten zu 1 in ihrem Personalratsamt bis zur Hauptsacheentscheidung jedenfalls nach dem zivilgerichtlichen Unterlassungsurteil nicht gegeben (aa) und unabhängig davon von dem Antragsteller auch nicht glaubhaft gemacht (bb).
aa) Eine Unzumutbarkeit der einstweiligen Belassung der Beteiligten zu 1 in ihrem Personalratsamt ist schon allein deshalb nicht gegeben, weil der Vorsitzende des Personalrats mittlerweile zu seinen Gunsten das Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 5. März 2020 – 22 C 521/19 – erwirkt hat, durch welches die Beteiligte zu 1 unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 € oder ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung dazu verurteilt wurde, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß gegenüber Dritten zu behaupten, der Personalratsvorsitzende betreibe ihr gegenüber Mobbing. Es ist schon nicht ersichtlich, warum die Beteiligte zu 1 diesem mit erheblichen Androhungen bewehrten Urteil – selbst wenn dieses noch nicht in Rechtskraft erwachsen sein sollte – fortan zuwiderhandeln sollte, was von dem Antragsteller so auch nicht vorgetragen wird. Dabei ist zu sehen, dass die Beteiligte zu 1 jedenfalls vom formalen Kommunikationsweg her gesehen gesetzlich eröffnete Verfahrenswege beschritten hat, indem sie sich durch ihre Schreiben vom 17. August 2017 und vom 20. September 2017 jedenfalls hinsichtlich des Vorwurfs des – von ihr so beurteilten – Mobbings unter Anführung verschiedener Beispiele an den Dienststellenleiter gewandt und dabei um die Ergreifung von Maßnahmen gegen dieses Verhalten gebeten hat. Denn Schutz gegen Mobbing ist nach der Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts in erster Linie durch Maßnahmen der Dienstaufsicht und Personalführung zu leisten (vgl. BVerwG, B.v. 25.6.2008 – 1 WB 23.07 – NZWehrr 2009, 26 Rn. 22). Schließlich spricht jedenfalls gegen eine Unzumutbarkeit der einstweiligen Belassung, dass grobe Meinungsverschiedenheiten zwischen Personalratsmitgliedern regelmäßig keinen Ausschlussgrund darstellen, so dass daraus resultierende Schwierigkeiten für die Personalratsarbeit hinzunehmen sind (vgl. NdsOVG, B.v. 20.9.1995 – 17 M 826/95 – PersR 1996, 35 Rn. 12, 21), wobei es das Bundesverwaltungsgericht in der Situation eines nicht auszuschließenden Mobbings ausdrücklich als nachvollziehbar bewertet hat, wenn der von Anfeindungen Betroffene gelegentlich übertrieben gereizt reagiert bzw. sich im Ton vergreift (BVerwG, U.v. 11.6.2002 – 2 WD 38.01 – NVwZ-RR 2002, 851).
bb) Unabhängig davon ist eine Unzumutbarkeit der einstweiligen Belassung der Beteiligten zu 1 von dem Antragsteller auch nicht glaubhaft gemacht (Art. 82 Abs. 2 Satz 1 BayPVG, § 87 Abs. 2 Satz 1, § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, §§ 936, 920 Abs. 2, § 294 Abs. 1 ZPO).
(1) Soweit der Antragsteller anführt, die Beteiligte zu 1 sei seit dem 29. Mai 2019 fast durchgehend arbeitsunfähig erkrankt oder im Urlaub, und es sei zu erwarten, dass sie bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens weiterhin regelmäßig an Sitzungsteilnahmen gehindert sein werde, woraus der Antragsteller organisatorische Schwierigkeiten für den Personalrat ableitet, die daraus resultieren sollen, dass die Beteiligte zu 1 ihre längerdauernde Arbeitsunfähigkeit nicht frühzeitig anzeigt, ist eine Unzumutbarkeit der einstweiligen Belassung nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat diese Einwände in tatsächlicher Hinsicht seinerseits nicht, wie es für deren Glaubhaftmachung erforderlich wäre, durch geeignete Beweismittel, etwa eidesstattliche Versicherungen untermauert. Unabhängig davon ist diesen Einwänden des Antragstellers entgegen zu halten, dass die behaupteten organisatorischen Schwierigkeiten in keinerlei Zusammenhang mit den Mobbing-Vorwürfen stehen, welche aus Sicht des Antragstellers die Grundlage für einen Ausschluss der Beteiligten zu 1 aus dem Personalrat nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayPVG bilden. Außerdem erlegt das Bayerische Personalvertretungsgesetz (vgl. insbesondere Art. 32 ff. BayPVG) Personalräten keine besonderen Pflichten im Zusammenhang mit der Anzeige eigener Arbeitsunfähigkeit auf, so dass eine diesbezügliche „grobe Verletzung gesetzlicher Pflichten“ i.S.v. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayPVG seitens der Beteiligten zu 1 weder dargelegt noch ersichtlich ist.
(2) Auch soweit der Antragsteller der Ansicht ist, es sei zu prognostizieren, dass die Beteiligte zu 1 auch während des Beschwerdeverfahrens ihre Vorwürfe gegenüber dem Personalratsvorsitzenden fortsetzen werde, und er dabei den Standpunkt vertritt, mit jeder Teilnahme der Beteiligten zu 1 an einer Personalratssitzung sei eine Erweiterung und Intensivierung ihrer Vorwürfe zu erwarten, nachdem diese zuletzt auch gleichartige Vorwürfe bezüglich anderer Personalratsmitglieder geäußert habe, ist die Unzumutbarkeit der einstweiligen Belassung nicht glaubhaft gemacht. Es ist nicht schlüssig dargelegt, warum trotz des Urteils des Amtsgerichts Augsburg vom 5. März 2020 – 22 C 521/19 – mit einer Fortsetzung oder gar Intensivierung der Mobbing-Vorwürfe seitens der Beteiligten zu 1 zu rechnen sein sollte.
(3) Soweit der Antragsteller schließlich für den Fall, dass die Beteiligte zu 1 ihr Personalratsmandat während des laufenden Verfahrens nochmals ausübte, befürchtet, dass die anderen Personalratsmitglieder ihr Personalratsmandat niederlegten, ist eine Unzumutbarkeit der einstweiligen Belassung schon deshalb nicht glaubhaft gemacht, weil es auch insoweit in tatsächlicher Hinsicht für eine Glaubhaftmachung an einer Untermauerung mit geeigneten Beweismitteln, etwa eidesstattlichen Versicherungen der Personalratsmitglieder, welche der Antragsteller bei seiner Befürchtung im Auge hat, fehlt. Unabhängig davon ist der argumentative Ansatz des Antragstellers unschlüssig, weil er selbst (siehe 2. c) bb) (1)) von einer weiterhin fortbestehenden krankheits- oder urlaubsbedingten Abwesenheit der Beteiligten zu 1 von Personalratssitzungen ausgeht.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich (Art. 82 Abs. 2 Satz 1 BayPVG i.V.m. § 2 Abs. 2 GKG).
Diese Entscheidung ist endgültig (Art. 82 Abs. 2 Satz 2 BayPVG).


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