Aktenzeichen M 12 K 16.2110
VwGO VwGO § 88, § 113 Abs. 5 S. 1
Leitsatz
Bei einer Punktetabelle bezüglich der Vormerkung für eine öffentlich geförderte Wohnung handelt sich um eine ermessensbindende interne Richtlinie, deren konsequente Anwendung dem Gleichbehandlungsgrundsatz entspricht und die regelmäßig zu einer Selbstbindung der Verwaltung führt. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. August 2016 entschieden werden, obwohl der Kläger nicht erschienen ist. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO). Der Kläger ist form- und fristgerecht geladen worden.
Die Klage ist gem. § 88 VwGO aufgrund der Klagebegründung dahingehend auszulegen, dass der Kläger unter Aufhebung der Nr. 4 des Bescheids vom 8. April 2016 die Verpflichtung der Beklagten begehrt, eine höhere Dringlichkeit festzusetzen.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Festsetzung einer höheren Dringlichkeit (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist Art. 5 des Bayerischen Wohnungsbindungsgesetzes (BayWoBindG). Die Landeshauptstadt München gehört zu den Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf. Die Beklagte hat als zuständige Stelle in Bezug auf Sozialwohnungen nach Art. 5 Satz 2 BayWoBindG gegenüber den Verfügungsberechtigten ein Benennungsrecht. Bei der Benennung sind gemäß Art. 5 Satz 3 BayWoBindG insbesondere schwangere Frauen, Familien und andere Haushalte mit Kindern, junge Ehepaare, alleinstehende Elternteile mit Kindern, ältere Menschen und schwerbehinderte Menschen vorrangig zu berücksichtigen. Das Benennungsrecht ermächtigt die zuständige Behörde aus Gründen der Praktikabilität auch, vor der eigentlichen Benennung eine rechtlich verbindliche Vorentscheidung über die Voraussetzungen der Wohnberechtigung und über den Grad der sozialen Dringlichkeit zu treffen. Diese Vorentscheidung erfolgt durch Aufnahme in eine nach Dringlichkeitsstufen und Punkten differenzierende Vormerkkartei, wobei es sich um einen im Ermessen der Behörde stehenden Verwaltungsakt handelt (BayVGH vom 23.9.1987, DWW 1988, 55).
Zur gleichmäßigen Ermessensausübung hat die Beklagte eine Punktetabelle erstellt. Es handelt sich dabei um eine ermessensbindende interne Richtlinie, deren konsequente Anwendung dem Gleichbehandlungsgrundsatz entspricht und die regelmäßig zu einer Selbstbindung der Verwaltung führt. Diese Punktetabelle ist ein geeignetes Mittel, um die Bewertung der sozialen Dringlichkeit transparent zu machen und dem Grundsatz der Gleichbehandlung Rechnung zu tragen (BayVGH vom 14.4.1999 – 24 S 99.110).
Die Bewertung des von dem Kläger vorgetragenen Lebenssachverhaltes mit 22 Grundpunkten ist vorliegend rechtlich nicht zu beanstanden.
Aus gesundheitlichen Gründen können 45 Punkte vergeben werden, soweit nicht 71 oder 88 Punkte zutreffen.
45 Grundpunkte aus gesundheitlichen Gründen werden nach der Verwaltungspraxis nur dann vergeben, wenn gesundheitliche Gründe mittels eines aktuellen ärztlichen Attests nachgewiesen sind. Ein solches Attest liegt nicht vor. Das vom Kläger vorgelegte Attest war vom 18. November 2011 und somit nicht mehr aktuell. Die Behörde kann nur aktuelle Atteste berücksichtigen, da sie die Dringlichkeit nur aufgrund des Sachverhalts zum Zeitpunkt der Antragstellung bewerten kann. Würde sie veraltete Atteste berücksichtigen, würde sie von veralteten Sachverhalten ausgehen und somit andere Bewerber benachteiligen.
Darüber hinaus wurde auch nicht durch das veraltete ärztliche Attest nachgewiesen, dass die behauptete Schimmelbildung zu einer gesundheitlichen Belastung des Klägers führt. Hierbei ist zudem zu berücksichtigen, dass in Fällen, in denen die Schimmelbildung auf einen Mangel an der Mietsache zurückzuführen ist, die Möglichkeit besteht, Abhilfe beim Vermieter zu erlangen. Vorliegend hat der Kläger nicht durch die Vorlage eines entsprechenden Schriftverkehrs mit seinem Vermieter belegt, dass eine solche Schimmelbeseitigung durch den Vermieter ausgeschlossen ist und er infolgedessen dauerhaft einer etwaigen Gesundheitsgefährdung ausgesetzt wäre. Auch ein Zusammenhang – des nicht durch ärztliche Attest belegten – Herzrasen mit den Wohnverhältnissen des Klägers ist nicht ersichtlich. Somit konnten keine 45 Grundpunkte aus gesundheitlichen Gründen vergeben werden.
Auch die Länge des Arbeitsweges und die möglichen Verspätungen der S-Bahn vermögen nicht zu einer höheren Punktzahl bei der Bewertung der Dringlichkeit führen.
Da der Kläger keiner der in Art. 5 Satz 3 BayWoBindG genannten Personengruppen angehört, die vorrangig zu berücksichtigten sind, besteht auch kein Anspruch auf die Zuerkennung von Vorrangpunkten.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 188 Satz 2 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.