Arbeitsrecht

Vorversterben des ausgleichsberechtigten geschiedenen Eheteils im Rahmen des Versorgungsausgleichs, Verfassungsmäßigkeit der 36-Monatsfrist des § 37 Abs. 2 VersAusglG

Aktenzeichen  AN 16 K 19.02394

Datum:
18.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 37864
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VersAusglG § 37
GG Art. 3

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.  

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die ungekürzte Auszahlung von Rentenleistungen. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 29. Mai 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. November 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der Kläger hat seinen Anpassungsantrag mit Schreiben vom 18. Mai 2019 gestellt. Daher findet vorliegend, da der Antrag nach dem 1. September 2009 gestellt wurde, das Versorgungsausgleichsgesetz Anwendung. Insoweit gilt die allgemeine Inkrafttretensregelung des Art. 23 Satz 1 des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) zum 1. September 2009.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Wegfall der Kürzung der Versorgungsbezüge.
Die Voraussetzungen für den Wegfall der Kürzung der Versorgungsbezüge des Klägers gemäß § 37 VersAusglG liegen nicht vor.
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG wird ein Anrecht der ausgleichspflichtigen Person auf Antrag nicht länger aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt, wenn die ausgleichsberechtigte Person – vorliegend die geschiedene Ehefrau des Klägers – gestorben ist. § 37 Abs. 2 VersAusglG enthält jedoch die Einschränkung, dass die Anpassung nach § 37 Abs. 1 nur stattfindet, wenn die ausgleichsberechtigte Person die Versorgung aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nicht länger als 36 Monate bezogen hat.
Vorliegend hat die am 27. Oktober 2018 verstorbene geschiedene Ehefrau des Klägers vom 1. April 2008 bis 31. Juli 2012 eine um den Versorgungsausgleich erhöhte Rente und seit dem 1. August 2012 aus dem Versorgungsausgleich Leistungen nach dem Bundesversorgungsteilungsgesetz. Damit erhielt die geschiedene Ehefrau des Klägers über einen Zeitraum von 10 Jahren und 7 Monaten eine Rente aufgrund des Versorgungsausgleiches.
Die von § 37 Abs. 2 VersAusglG vorgegebenen 36 Monate für den Rentenbezug sind im vorliegenden Fall weit überschritten.
In Folge des Vorliegens der Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 VersAusglG findet eine Anpassung nach § 37 Abs. 1 VersAusglG im vorliegenden Fall daher nicht statt.
Die Begrenzung des Wegfalls der Versorgungskürzung auf Fälle des Rentenbezugs von 36 Monaten ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Regelung des § 37 Abs. 2 VersAusglG verstößt insbesondere nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 GG und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Das Bundesverfassungsgericht hat zur damaligen Regelung in § 4 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) ausgeführt, dass die genannte Norm nicht gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 oder Art. 33 Abs. 5 GG verstößt; die Regelung verletze zudem nicht Art. 3 Abs. 1 GG und sei auch nicht unverhältnismäßig (BVerfG, U.v. 5.7.1989 – 1 BvL 11/87 – BVerfGE 80, 297). Diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich auf den heute geltenden § 37 Abs. 2 VersAusglG übertragen, da § 4 Abs. 2 VAHRG insoweit die vergleichbare Vorgängerregelung darstellt (vgl. auch OVG Münster, B.v. 16.2.2016 – 1a 304/15 – juris Rn. 6).
Das Bundesverfassungsgericht führt in der genannten Entscheidung aus, dass der Eingriff in die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten rentenversicherungsrechtlichen Positionen des Ausgleichsverpflichteten deshalb als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung gewertet werden könnten, weil der Versorgungsausgleich durch Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt werde. Er diene nicht der Erhaltung oder Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Leistungssystems der Rentenversicherung, sondern der Abwicklung des durch die Ehe begründeten Privatrechtsverhältnisses. Es sei von Verfassungs wegen nicht geboten, dass der Gesetzgeber eine einzelfallbezogene Härteregelung treffe; daher könne es ihm grundsätzlich auch nicht verwehrt sein, dafür feste zeitliche Grenzen zu setzen. Der Gesetzgeber sei nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht daran gehindert, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl das unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringe. Es sei sachgerecht, dass der Gesetzgeber von der statistisch ermittelten durchschnittlichen Rentenbezugsdauer ausgehe und auf dieser Grundlage bestimme, in welchen Grenzen die Rückgängigmachung des Versorgungsausgleichs noch vertretbar erscheine. Willkür sei nicht ersichtlich. Die Regelung sei auch nicht unverhältnismäßig: Zwar könne es den einzelnen Ausgleichsverpflichteten hart treffen, wenn er nach dem Tod seines geschiedenen Ehegatten erkenne müsse, dass es bei der Kürzung seiner Versorgung endgültig verbleibe, weil die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 VAHRG nicht erfüllt seien. Daraus folge aber nicht die Unzumutbarkeit der Regelung im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Diese Unzumutbarkeit wäre nur dann gegeben, wenn das Maß der Belastung des Einzelnen außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den von ihm hinzunehmenden Einbußen stünde.
Diese Begründung, der sich das entscheidende Gericht vorliegend anschließt, ist auf § 37 Abs. 2 VersAusglG zu übertragen. Der Gesetzgeber ist berechtigt, einen entsprechenden Stichtag einzuführen. Diesen hat der Gesetzgeber auch bereits im Zeitpunkt des Erlasses des VersAusglG angepasst: § 4 VAHRG sah noch eine zweijährige Regelung vor, während § 37 Abs. 2 VersAusglG nunmehr eine dreijährige Stichtagsregelung vorsieht. Wenngleich im Einzelfall diese Regelung einen Versorgungsausgleichspflichtigen hart treffen könnte, ist diese Regelung dennoch nicht willkürlich oder grundgesetzwidrig. Entsprechende Eingriffe sind durch Art. 6 Abs. 1 u. Art. 3 Abs. 2 GG gerechtfertigt.
Insoweit können auch die in der Klagebegründung vorgetragenen Argumente für eine Grundgesetzwidrigkeit des § 37 Abs. 2 VersAusglG. vorliegend nicht verfangen. Der Gesetzgeber hat bereits 2009 die Regelung des § 37 Abs. 2 VersAusglG entsprechend angepasst. Es ist rechtlich nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber gehalten ist, fortlaufend § 37 Abs. 2 VersAusglG an das Renteneintrittsalter und die Rentenbezugsdauer anzupassen. Insoweit verbleibt dem Gesetzgeber zum einen ein besonderer Spielraum. Darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass sich die Sachlage in Bezug auf die Kriterien Renteneintrittsalter und Bezugszeitraum der Rente zum heutigen Tag dermaßen in einem Umfang verändert hat, dass die Regelung des § 37 Abs. 2 unverhältnismäßig erscheint. Dies ist nicht erkennbar, und von der Klägerseite auch nur unsubstantiiert vorgetragen. Auch eine Ungleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG muss demnach ausscheiden, da bereits keine Ungleichbehandlung vorliegt, da keine vergleichbaren Sachverhalte unterschiedlich bewertet werden.
§ 37 Abs. 2 VersAusglG ist demnach mit dem GG vereinbar (vgl. auch OVG Münster, B.v. 16.2.2016 – 1a 304/15 – juris Rn. 6; VG Saarlouis, U.v. 16.7.2015 – 2 K 17/14 – juris m.w.N; VG Ansbach, U.v. 14.6.2018 – AN 1 K 17.00582 – juris).
Eine Beschränkung oder ein Wegfall des Versorgungsausgleichs ergibt sich auch nicht aus § 27 VersAusglG.
Nach der genannten Regelung findet ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Aus Gründen der Gesetzessystematik kann eine grobe Unbilligkeit jedoch nicht mit Umständen begründet werden, deren Auswirkungen auf den Versorgungsausgleich der Gesetzgeber an anderer Stelle ausdrücklich geregelt hat (vgl. OVG Münster, B.v. 16.2.2016 – 1a 304/15 – juris Rn. 5). Für den Fall des Vorversterbens der ausgleichsberechtigten Person nach Rentenbezug sieht § 37 VersAusglG in seinen Absätzen 1 u. 2 jedoch abschließende Regelungen vor, sodass § 27 VersAusglG vorliegend keine Anwendung findet.
3. Die Kostentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.


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