Arbeitsrecht

Wahlanfechtungsverfahren, Wahlanfechtungsgrund, Verselbständigung, Personalvertretungsrechtliches Verfahren, Personalvertretungsrechtliches Beschlussverfahren, Gesamtpersonalrat, Örtliche Personalvertretung, Verwaltungsgerichte, Wahlvorstand, Eingegangene Schriftsätze, Bundsverwaltungsgericht, Örtlicher Personalrat, Beschlußverfahren, Bekanntmachung, Vorabstimmung, Liegenschaft, Streitwertfestsetzung, Beschwerdebegründung, Ware, Verfahrensbeteiligte

Aktenzeichen  AN 7 P 19.02614

Datum:
25.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 5370
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BPersVG § 6 Abs. 3
BPersVG § 25

 

Leitsatz

1. Eine isolierte Verselbständigung von einzelnen Einheiten einer Außenstelle bzw. einer Liegenschaft ist nicht möglich
2. Die Verselbständigung nach § 6 Abs. 3 BPersVG setzt nach ihrem Sinn und Zweck keinen gemeinsamen Leiter oder eine bestimmte Organisations- oder Leitungsstruktur voraus; sie  kann nach Sinn und Zweck und unter Berücksichtigung von Effektivitätsgesichtspunkten und klarer Bestimmbarkeit nur als Gesamtliegenschaft erfolgen

Tenor

Der Antrag auf Wahlanfechtung wird abgewiesen.

Gründe

I.
Die Antragsteller streiten im Wahlanfechtungsverfahren zur Wahl des Örtlichen Personalrats N. (ÖPR N., Beteiligter zu 2.) um die Anerkennung der Verselbständigung des Referats 42A einschließlich weiterer sechs Beschäftigter der gleichen Liegenschaft des Bundesamtes für … (BAMF).
Das BAMF hat seinen Sitz in N. Es ist organisatorisch in zehn Abteilungen, diese in je zwei bis drei Gruppen und diese wiederum in einzelne Referate aufgeteilt, wobei die einzelnen Referate an unterschiedlichen Standorten in Deutschland ansässig sind. Die Referate 32E und 42A sind vollständig, das Referat 42B teilweise in Bochum, in der … im sog. -hoch-haus untergebracht, wobei das zur Abteilung 3 gehörende Referat 32E (Dublinzentrum Bochum) in der 9. und 10. Etage, das zur Abteilung 4 gehörende Referat 42A (Außenstelle Bochum, 99 Mitarbeiter) in den Etagen 1 bis 4 sowie 7 und 8 und das ebenfalls zur Abteilung 4 gehörende Referat 42B („Außenstelle Dortmund im Ankunftszentrum inkl. Dienststelle Unna“) mit 35 Mitarbeitern auf den Etagen 5 und 6 ihre Räume haben. Die weiteren Mitarbeiter des Referats 42B und auch der Referatsleiter sind in Dortmund, teilweise in Unna untergebracht. Im – hochhaus arbeiten außerdem weitere sechs Mitarbeiter des BAMF aus drei verschiedenen weiteren Referaten (Referate 62C, 62D, 42D) sowie die Abteilungsleitung 4 mit Sekretariat.
Für das Referat 42A (und die weiteren sechs Mitarbeiter der Referate 62C, 62D, 42D) des BAMF wurde am 30. Oktober 2019 ein Verselbständigungsbeschluss nach § 6 Abs. 3 BPersVG, § 4 Abs. 1 Nr. 3 BPersVWO gefasst. Die Antragsteller im Wahlanfechtungsverfahren sind Mitarbeiter des Referats 42A, der Antragsteller zu 2. war gleichzeitig der Vorsitzende des Abstimmungsvorstandes zur Verselbständigung des Referats 42A.
Der Abstimmungsvorstand hatte für die Vorabstimmung eine Liste von 105 Stimmberechtigten aufgestellt. In dieser Liste enthalten waren sämtliche Beschäftigte des Referats 42A und die sechs Mitarbeiter aus den Referaten 62C, 62D, 42D. Nicht enthalten waren in der Liste die Mitarbeiter der Referate 32E und 42B sowie der Abteilungsleiter 4 und die Mitarbeiterin seines Geschäftszimmers. Die Abstimmung ergab 64 gültige Stimmen, von denen 56 für die Verselbständigung und acht dagegen waren. Das Ergebnis wurde dem Wahlvorstand des ÖPR N. am 6. Dezember 2019 übermittelt, der mit Beschluss vom 19. Dezember 2019 eine wirksame Verselbständigung ablehnte, weil die im … -hochhaus ansässigen Mitarbeiter des Referats 42B sowie die Abteilungsleitung mit Sekretariat am Verselbständigungsverfahren nicht beteiligt gewesen seien und unter deren Einbeziehung eine Mehrheit für eine Verselbständigung nicht vorliege. Hierfür wären – bei insgesamt 142 Bediensteten – 72 Stimmen notwendig gewesen. Der Wahlvorstand des ÖPR N. nahm daraufhin alle Mitarbeiter des …-hochhaus in das Wählerverzeichnis für die Wahl des ÖPR N. auf.
Mit beim Verwaltungsgericht Ansbach am 30. Dezember 2019 eingegangenem Schriftsatz vom 23. Dezember 2019 beantragten die Antragsteller zunächst im Wege eines personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens, den Beschluss des Wahlvorstandes N. vom 19. Dezember 2019 betreffend die Vorabstimmung über eine Verselbständigung des Referats 42A für rechtswidrig zu erklären.
Zur Begründung geben die Antragsteller an, dass alle drei Referate des … -hochhauses über völlig autarke Strukturen mit eigenem Asylverfahrensreferat, eigenem Koordinationsbüro, eigenen Sachbearbeitern im gehobenen Dienst, eigenen Teamleitern, eigenen Referenten (höherer Dienst, keine personalrechtlichen Kompetenzen) und eigenen Referatsleitern verfügten. Der Referatsleiter des Referats 42B und ein Teil der Mitarbeiter des Referats 42B seien in Dortmund untergebracht. Bei dem räumlichen Kriterium des § 6 Abs. 3 BPersVG handle es sich lediglich um ein Mindestkriterium für die Verselbständigung. Eine gemeinsame Verselbständigung von mehreren Nebenstellen oder Dienststellenteilen, auch wenn diese räumlich nahe beieinander lägen, sei nur ausnahmsweise zulässig, nämlich nur wenn ein gemeinsamer Dienststellenleiter mit Personalkompetenzen oder gar kein Dienststellenleiter bestehe. Das Referat 32E habe sich ohne formalen Verselbständigungsbeschluss gegen eine Verselbständigung ausgesprochen. Für das Referat 42B sei eine Verselbständigung durch Vorabstimmung abgelehnt worden. Die Nichteinbeziehung des Abteilungsleiters 4 und seines Sekretariats erkläre sich daraus, dass diese beiden Personen nahezu im gesamten Jahr 2019 ihr Büro nicht im …-hochhaus gehabt hätten, sondern in der Liegenschaft daneben. Selbst wenn diese abstimmungsberechtigt gewesen wären, würde dies an der Mehrheit für eine Verselbständigung nichts ändern.
Gegen das ab 20. Januar 2020 aufliegende Wählerverzeichnis für den ÖPR N. legte der Antragsteller zu 3. am 21. Januar 2020 Einspruch ein.
Den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Rechtswidrigerklärung des Beschlusses des örtlichen Wahlvorstandes N. vom 19. Dezember 2019 wegen anzuerkennender Verselbständigung des Referats 42A lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach mit Beschluss vom 17. Februar 2020 (AN 7 PE 20.00101) mit der Begründung ab, dass wesentliche Nachteile für die Antragsteller nicht zu besorgen seien, da gegen die Wahl des ÖPR N. nachträglich im Wege eines Wahlanfechtungsverfahrens vorgegangen werden könne.
Am 11. und 12. März 2020 fand die Wahl zum ÖPR N. statt. Für die Gruppe der Tarifbeschäftigten waren zehn Sitze zu vergeben. Von den abgegebenen gültigen Stimmen fielen 294 Stimmen (26,8%) und damit drei Sitze auf die Liste 1, 283 Stimmen (25,8%) bzw. drei Sitze auf die Liste 2, 261 Stimmen (23,8%) bzw. zwei Sitze auf die Liste 3 und 258 Stimmen (23,6%) bzw. zwei Sitze auf die Liste 4. Das Wahlergebnis wurde vom Wahlvorstand N. am 13. März 2020 festgestellt.
Die Bekanntmachung des Wahlergebnisses erfolgte in N. durch Aushang vom 13. bis 30. März 2020. Weiteren Außenstellen, die vom ÖPR N. vertreten werden, wurde die Bekanntmachung mit E-Mail vom 13. März 2020, mit der Bitte um Aushang bis 30. März 2020 verschickt. Für die Liegenschaft Bochum teilte Frau … am 17. März 2020 mit, dass der Aushang am Montag, 16. März 2020 erfolgt sei. Mit weiterer E-Mail vom 16. März 2020 bat die Vorsitzende des Wahlausschusses die Außenstellen, die Ergebnisse des Hauptpersonalrats und eine Korrektur der Ergebnisse des ÖPR N. auszuhängen. Eine Reaktion seitens der Liegenschaft Bochum erfolgte hierauf nicht.
Auf gerichtliche Nachfrage und Hinweis vom 7. April 2020, dass noch keine Umstellung des Verfahrens auf eine Wahlanfechtung stattgefunden habe und dies möglicherweise auch nicht mehr fristgerecht möglich sei, teilten die Antragsteller mit Schriftsatz vom 13. April 2020 – beim Gericht eingegangen am 17. April 2020 – mit, dass sie eine Umstellung auf eine Wahlanfechtung wünschen. Sie seien von einer automatischen Fortsetzung des Verfahrens als Wahlanfechtung ausgegangen.
Nach Konstituierung des neuen ÖPR N. (Beteiligter zu 2.) äußerte sich dieser mit Schriftsatz vom 22. Juni 2020 und der Beteiligter zu 1. (Leitung des BAMF) am 17. Juni 2020 zum Verfahren. Sie vertraten übereinstimmend die Rechtsauffassung, dass die Wahlanfechtung am 17. April 2020 nicht fristgerecht erfolgt sei und die Wahl unanfechtbar geworden sei. Die Umstellung auf eine Wahlanfechtung müsse aus Rechtssicherheitsgründen ausdrücklich erfolgen, eine Umdeutung des im Dezember eingeleiteten Beschlussverfahrens sei nicht möglich. Nach den Ausführungen des Beteiligten zu 1. habe die Berichtigung des Wahlergebnisses am 19. März 2020 stattgefunden, so dass die Anfechtungsfrist ab 20. März 2020 angelaufen und am 6. April 2020 abgelaufen sei. Der Beteiligte zu 2. gab ebenso an, dass das Ergebnis der Wahlen vom „15. und 16. März 2020“ am 19. März 2020 berichtigt worden sei.
Der Antragsteller zu 3. äußerte sich mit Schriftsätzen vom 7. und 15. Juli 2020 zum Fristenproblem dahingehend, dass die Antragsteller sich als Rechtslaien nicht im Klaren darüber gewesen seien, dass die Klage in eine Anfechtung umgestellt werden müsse. Aufgrund des Ausbruchs der Corona-Pandemie sei auch von höherer Gewalt auszugehen. Pandemiebedingt hätten sich viele Mitarbeiter seit Mitte März 2020 in Telearbeit befunden und seien zum Teil bis Mitte Mai 2020 vom Dienst freigestellt gewesen. Durch einen Krankheitsfall und teilweise geleistete Telearbeit hätten sehr schwierige Bedingungen geherrscht. Den Antragstellern sei es nicht möglich gewesen, sich untereinander auszutauschen. Die Wahlergebnisse hätten in der Liegenschaft Bochum auch nicht bzw. nicht ordnungsgemäß bzw. fehlerhaft ausgehangen. Mehrere Beschäftigte des Referats 42A seien nach dem Wahlgang auf die Antragsteller zugegangen und hätten den Wunsch zum Ausdruck gebracht, sich der Wahlanfechtung anzuschließen, hätten aber keine Kenntnis vom fristauslösenden Ereignis gehabt.
Der Beteiligte zu 1. teilte auf gerichtliche Anfrage zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses mit Schriftsatz vom 22. Juli 2020 daraufhin mit, dass die Wahlergebnisse auch im Intranet des BAMF … bekanntgemacht worden seien und hierauf auch die Mitarbeiter im Homeoffice Zugriff gehabt hätten. Für die Antragsteller zu 1. bis 3. wurden die konkreten An- und Abwesenheiten und deren Hintergründe im fraglichen Zeitraum mitgeteilt. Als Ausdruck aus dem Infoport vorgelegt wurde die Bekanntmachung zur Wahl des ÖPR N., eingestellt am 13. März 2020 durch die 2. Vorsitzende des Wahlvorstandes und die ergänzende Bekanntmachung zur Berichtigung des Wahlergebnisses des ÖPR N. für die Gruppe der Beamten, eingestellt am 19. März 2020 durch die 2. Vorsitzende des Wahlvorstandes.
Mit Schriftsatz vom 4. August 2020 stellte der Beteiligte zu 2. klar, dass die Wahl zum ÖPR N. am 11. und 12. März 2020 und nicht am 15. und 16. März 2020 stattgefunden habe. Zum Beleg des Aushangs des Wahlergebnisses in der Liegenschaft Bochum wurde eine E-Mail der Bürosachbearbeiterin … vom 17. März vorgelegt, worin diese mitteilt, dass die Wahlergebnisse des ÖPR N. und des Gesamtpersonalrats am 16. März 2020 am Standort Bochum ausgehängt worden seien.
Das Gericht forderte daraufhin die vollständigen Unterlagen der Wahl zum ÖPR N. einschließlich der Bekanntmachung des Wahlergebnisses mit Berichtigung in der Dienststelle Bochum an. Die Unterlagen wurden mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2020 und nach weiterer gerichtlicher Aufforderung mit Schriftsatz vom 15. Januar 2021 vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 15. Januar 2021 teilte der Beteiligte zu 2. nach eingehender Recherche mit, dass das Referat 42A nicht im E-Mail-Verteiler zur Bekanntmachung der Wahlergebnisse (E-Mails vom 13. und 16.3.2020) aufgenommen gewesen sei. Zwar sei die erste Bekanntmachung dennoch ausgehängt worden, für die Berichtigung müsse jedoch davon ausgegangen werden, dass der Aushang nicht vollzogen worden sei. Weder Frau … noch das Referat 32E könnten sich erinnern, den Aushang vorgenommen zu haben.
Der Antragsteller zu 3. äußerte sich mit Schriftsatz vom 19. Januar 2021 nochmals zur Frage der Fristeinhaltung und verwies in diesem Zusammenhang auch auf den Schriftverkehr zwischen den Referaten 42A und 32E von März 2019. Darin wird vertreten, dass eine gemeinsame Verselbständigung dieser Referate nur in der Form möglich sei, dass beide Referate zunächst getrennt über eine Verselbständigung des eigenen Referats abstimmten, eine Aufnahme der Bediensteten des Referats 32E in die Verselbständigungsabstimmung des Referats 42A aber nicht möglich (gewesen) sei.
Auf gerichtliche Anfrage teilte die Antragstellerseite mit Schriftsatz vom 19. Februar 2021 mit, dass die Liegenschaft Bochum über keinen Dienststellenleiter verfüge. Fragen der Liegenschaft seien in der Vergangenheit durch die Verwaltungsleiter der Referate 42A und 32E gemeinschaftlich und federführend in enger Abstimmung mit dem in der Hauptstelle ansässigen Liegenschaftsreferat 12E wahrgenommen worden. Die Betreuung der Liegenschaft scheine nicht klar geregelt. Zwischenzeitlich sei auch das Referat 32C ins …-hochhaus eingezogen. Die dislozierten Beschäftigten der Referate 42D, 62C und 62D seien bei der Vorabstimmung aufgenommen worden, weil im Gegensatz zu den anderen Referaten im …-hochhaus diese aufgrund der Regelung des § 12 Abs. 1 BPersVG sonst nicht die Möglichkeit gehabt hätten, sich zu verselbständigen. Die Einbeziehung dislozierter Beschäftigter entspreche auch der Rechtstradition im BAMF und den Hinweisen des Vorsitzenden des Gesamtpersonalrats des BAMF.
Die Beteiligten zu 2. und zu 3. teilten mit Schriftsätzen von 22. Februar 2021 auf gerichtliche Nachfrage mit, dass Ansprechpartner für Liegenschaftsangelegenheiten wie Parkplatzbewirtschaftung und Unfallverhütung jeweils die den Referatsleitungen unterstellten Verwaltungsleitenden seien. Gesamtverantwortlich für Liegenschaftsangelegenheiten sei dabei der Verwaltungsleiter des Referats mit dem höchsten Stellenanteil in der Liegenschaft, im …-hochhaus damit der Verwaltungsleiter des Referats 42A. Generelle Vorgaben mache das Liegenschaftsreferat 12E in der N.er Zentrale. Eine Liegenschaft mit mehreren Referaten existiere auch in Berlin. Ob und wie dort Verselbständigungen nach § 6 Abs. 3 BPersVG stattgefunden haben, blieb in den Ausführungen unklar.
Zur Frage der Verselbständigung von Teilen der Liegenschaft Bochum ist ein weiteres personalvertretungsrechtliches Verfahren am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen anhängig. Weitere Bedienstete des …-hochhauses wenden sich dort im Wege eines Beschlussverfahrens gegen die isolierte Verselbständigung des Referats 42A. Über dieses Verfahren ist noch nicht entschieden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten AN 17 P 19.02614 und AN 17 PE 20.00101 und die vorgelegten Wahlunterlagen Bezug genommen.
II.
Über die Wahlanfechtung konnte ohne mündliche Verhandlung bzw. ohne Anhörung der Beteiligten entschieden werden, nachdem alle Verfahrensbeteiligten auf eine Anhörung übereinstimmend verzichtet haben (Antragsteller zu 1. mit Schriftsatz vom 23.9.2020, Antragsteller zu 2. mit Schriftsatz vom 22.9.2020, Antragsteller zu 3. mit am 2.10.2020 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz, Beteiligter zu 1. mit Schriftsatz vom 29.6.2020, Beteiligter zu 2. mit Schriftsatz vom 16.10.2020), § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 83 Abs. 4 Satz 3 ArbGG.
Das streitgegenständliche Wahlanfechtungsverfahren ist zwar zulässig (1.), aber unbegründet und ist deshalb abzuweisen. Es leidet zwar nicht bereits an formellen Fehlern; die Wahlanfechtung ist insbesondere fristgerecht eingeleitet bzw. der Antrag insoweit rechtzeitig umgestellt worden (2.), in der Sache liegt jedoch kein durchgreifender Wahlanfechtungsgrund vor, weil eine wirksame Verselbständigung nicht erfolgt ist und der Kreis der Wahlberechtigten zur Wahl des ÖPR N. demzufolge vom Wahlvorstand richtig bestimmt worden ist (3.).
1. Das ursprüngliche, am 30. Dezember 2019 eingeleitete personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren, das auf die Verhinderung der Wahl gerichtet war, wurde, nachdem die Wahl stattgefunden hatte, richtigerweise auf ein Wahlanfechtungsverfahren umgestellt (vgl. zur Umstellungsnotwendigkeit Gronimus, Wahlanfechtung bei Personalräten, PersV 2019, 436, 437; Altvater/Baden/Berg/Kröll/Noll/Seulen, BPersVG, 8. Aufl. 2013, § 25 Rn. 1; VG Meiningen, B.v. 27.3.2013 – 4 P 50004/12 – juris Rn. 19 m.w.N.). Zwar haben die rechtsanwaltlich nicht vertretenen Antragsteller keinen ausdrücklichen Antrag gestellt, ihr Antragsziel der Wahlanfechtung, nämlich die Ungültigerklärung der Wahl des ÖPR N. kommt jedoch in ihren Schriftsätzen ausreichend klar zum Ausdruck. Es beruht auch auf einem entsprechenden gerichtlichen Hinweis im vorausgegangenen Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO und auf einer gerichtlichen Nachfrage vom 7. April 2020. Von einem darüber hinaus gehenden oder zusätzlichen Feststellungsantrag ist nicht auszugehen. Ein solcher ist weder notwendig, noch sinnvoll, da die Frage der rechtswirksamen Verselbständigung des Referats 42A inzident im Rahmen des vorliegenden Wahlanfechtungsverfahrens geklärt werden kann. Auch ein Nichtigkeitsfeststellungsantrag kann angesichts der Ausführungen des Gerichts im Eilverfahren nicht angenommen werden.
Nachdem im Rahmen des Antragsbegehrens keine Einschränkungen von den Antragstellern gemacht wurden, ist davon auszugehen, dass die Wahl zum ÖPR N. insgesamt, d.h. sowohl für die Gruppe der Beamten als auch für die Gruppe der Tarifbeschäftigten/Angestellten angegriffen werden sollte. Dieses Vorgehen ist zulässig. Es ist, sofern keine ausdrückliche Einschränkung auf eine Gruppe vorgenommen wird, regelmäßig anzunehmen und nicht zu beanstanden (vgl. BVerwG, B.v. 6.6.1991 – 6 P 8/89 – juris Rn. 25, Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlat-mann/Rehak/Faber/Griebeling/Hebeler, BPersVG, Stand Mai 2020, § 25 Rn. 32). Es ist für die hier in Frage stehende Rechtsfrage der isolierten Verselbständigung des Referates 42A vom Standpunkt der Antragsteller aus sinnvoll und konsequent.
Die Frage der wirksamen Verselbständigung des (erweiterten) Referats 42A kann sich rechtlich auf die Wahl des ÖPR N. auswirken und kann deshalb von den Antragstellern auch im Wege der Wahlanfechtung geltend gemacht werden. Auf die Unwirksamkeit der Wahl des Stammpersonalrats können sich dabei auch diejenigen berufen, die nach ihrer eigenen Rechtsauffassung bei dieser Wahl – wegen geltend gemachter Verselbständigung nach § 6 Abs. 3 BPersVG – nicht wahlberechtigt gewesen wären. Ein widersprüchliches Verhalten ist darin nicht zu erblicken. Dem Antrag fehlt nicht das notwendige Rechtschutzbedürfnis und die Antragsteller sind zur Wahlanfechtung berechtigt. Beim Wahlanfechtungsverfahren handelt es sich um ein objektives Verfahren, das gem. § 25 BPersVG von drei Wahlberechtigten eingeleitet werden kann. Da die Antragsteller entgegen ihrem Willen auf der Wahlliste zum ÖPR N. aufgenommen worden waren, waren sie – im Sinne der Zulässigkeit bzw. formellen Rechtmäßigkeit – anfechtungsbefugte Wahlberechtigte.
Auch die zwischenzeitliche Abordnung von zwei Antragstellern an eine andere Behörde führt nicht zu einem Verlust der Wahlberechtigung (vgl. BVerwG, B.v. 24.2.2015 – 5 P 7/14 – juris
Rn. 10 ff., a.A. Leuze/Wörz/Bieler, Das Personalvertretungsrecht in Baden-Württemberg, Stand Februar 2019, § 25 Rn. 19). Die Zulässigkeit der Wahlanfechtung erfordert auch nicht den vorausgegangenen Einspruch der Anfechtenden gegen das Wählerverzeichnis (BVerwG, B.v. 26.11.2008 – 6 P 7/08 – juris Rn. 24).
2. Die Wahlanfechtung erfolgte im Ergebnis ordnungsgemäß innerhalb der Frist von zwölf Arbeitstagen nach § 25 BPersVG. Diese Frist berechnet sich ab dem Zeitpunkt der Bekanntmachung des Wahlergebnisses. Es handelt sich dabei um eine materielle Ausschlussfrist, die nicht verlängert und im Fall einer Versäumung nicht durch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand überwunden werden kann (Lorenzen, a.a.O. § 25 Rn. 24). Sie stellt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Begründetheits- und keine Zulässigkeitsfrage dar (BVerwG, B.v. 23.10.2003 – 6 P 10/03 – juris Rn. 11).
Die Bekanntmachung des Wahlergebnisses hat nach § 23 der Wahlordnung zum Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVWO) durch zweiwöchigen Aushang an den Stellen zu erfolgen, an denen auch die Wahlausschreibungen bekanntgemacht worden sind. Diese sind nach § 6 Abs. 3 BPersVWO an einer oder mehreren den Wahlberechtigten zugänglichen Stellen auszuhängen und in gut lesbarem Zustand zu erhalten. Eine Bekanntmachung im Intranet einer Behörde ist nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut von §§ 23 und 6 Abs. 3 BPersVWO nicht vorgesehen. Die Einstellung in … stellte damit keine wirksame Bekanntmachung dar, die zum Fristanlauf führte (ebenso Gronimus, Wahlanfechtung bei Personalräten, PersV 2019, 436, 443). Mangels insoweit geänderter Rechtsvorschriften ergibt sich für die Notwendigkeit des körperlichen Aushangs auch nicht anderes daraus, dass die Wahl in eine Phase der Coronapandemie fiel, die mit Empfehlungen und möglicherweise auch Anordnungen von Homeoffice einherging. Für die rechtliche Wirksamkeit der Bekanntgabe ist dennoch allein der Aushang maßgeblich.
Die Wahlausschreibung war unstreitig in der für das Referat 42A vorgesehenen Stelle im …-hochhaus bekanntgemacht worden, so dass auch das Wahlergebnis dort auszuhängen war. Dies ist für die zunächst erstellte Wahlbekanntmachung am 16. März 2020 auch erfolgt, wie sich aus der E-Mail der Bediensteten … vom 17. März 2020 ergibt. Es kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass auch die Berichtigung des Wahlergebnisses im …-hochhaus und dort an der gleichen Stelle wie zuvor ausgehängt wurde. Zwar versendete der Wahlvorstand auch die Berichtigung des Ergebnisses per E-Mail am 16. März 2020 an den gleichen E-Mail-Verteiler. In diesem war jedoch die Liegenschaft in Bochum – wohl versehentlich – nicht aufgenommen. Im Gegensatz zur Erstbekanntmachung, die dennoch auf nicht weiter aufklärbarem Weg zum Aushang gelangte, gibt es für die Berichtigung keinerlei Hinweis darauf, dass dies für diese ebenfalls erfolgte. Ein Aushangvermerk existiert für die Berichtigung nicht. Eine Bestätigung eines Bediensteten, den Aushang vorgenommen zu haben, liegt ebenfalls nicht vor. Die Recherchen des Beteiligten zu 2. verliefen insofern erfolglos. Auch der Beteiligte zu 2. geht letztlich davon aus, dass es zu einem Aushang nicht gekommen ist. Für den Fristanlauf kommt es aber auf die Bekanntgabe des vollständigen Wahlergebnisses an (BVerwG, B.v. 23.10.2003 – 6 P 10/03 – juris Rn 25; Lorenzen, a.a.O., § 25 Rn. 23). Ohne formwirksame Bekanntgabe läuft die Wahlanfechtungsfrist des § 25 BPersVG hingegen nicht an und die Wahlanfechtung ist jederzeit möglich (Lorenzen, a.a.O.; § 25 Rn. 25).
Im Zeitpunkt der Umstellung auf ein Wahlanfechtungsverfahren am 17. April 2020 hatten die Antragsteller die Wahlanfechtung auch keinesfalls bereits verwirkt. Hierfür fehlt es sowohl an einem ausreichenden Umstands- als auch an einem notwendigen Zeitmoment. Vor Ablauf von einem Jahr ab der Wahl kann eine Verwirkung regelmäßig nicht angenommen werden (VGH Baden-Württemberg, B.v. 30.6.1981 – 13 S 596/81 – juris). Zu einer formell ordnungsgemäßen Wahlanfechtung, die den Weg in die inhaltliche Prüfung eröffnet, ist es somit gekommen.
3. Ein Wahlanfechtungsverfahren nach § 25 BPersVG ist in der Sache jedoch nur dann erfolgreich, wenn ein Verstoß gegen eine wesentliche Vorschrift über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren vorliegt, eine Berichtigung des Wahlergebnisses nicht möglich ist und eine Beeinflussung des Wahlergebnisses durch den festgestellten Verstoß nicht ausscheidet. Ein solcher Wahlanfechtungsgrund liegt hier nicht vor.
Die Nichtberücksichtigung eines wirksamen Verselbständigungsbeschlusses stellt durchaus einen Wahlmangel, der – wenn er sich auf das Ergebnis auswirken kann – zur erfolgreichen Wahlanfechtung führt (OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 30.10.2009 – 16 A 1027/09.PVB – juris Rn. 25, BayVGH; B.v. 13.3.1996 – 17 PC 96.160 – Der Personalrat 1996, 443; Gronimus, Wahlanfechtung bei Personalräten, a.a.O., S. 439; Lorenzen, a.a.O., § 6 Rn. 66). Es kann vorliegend angesichts der Stimmverhältnisse bei der Wahl zum ÖPR N. auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Nichtberücksichtigung der 105 Wahlberechtigten, nämlich der 99 Beschäftigten des Referats 42A mit der sechs dislozierten Beschäftigte aus den drei weiteren Referaten 42D, 62C und 62D, zu keinem anderen Ergebnis bei der Wahl des ÖPR N. geführt hätte. In der Gruppe der Angestellten lagen die vier angetretenen Listen bei der Auszählung mit 294, 283, 261 und 258 Stimmen sehr nahe beieinander. Die streitigen 105 Wahlberechtigten können das Wahlergebnis für den ÖPR N. damit denkbar beeinflusst haben. Dies ist keinesfalls von vorne herein ausgeschlossen und stellt auch keine unrealistische, zwar theoretisch denkbare, aber fernliegende Möglichkeit im Sinne der Rechtsprechung dar (BVerwG, B.v. 26.11.2008 – 6 P 7/08 – juris Rn. 20) dar.
Zu einer wirksamen Verselbständigung des Referats 42A mit den sechs weiteren dislozierten Beschäftigten anderer Referate ist es durch die am 30. Oktober 2019 stattgefundene Vorabstimmung jedoch nicht gekommen. Das Referat 42A stellt weder mit noch ohne die weiteren sechs Bediensteten eine verselbständigbare Nebenstelle oder einen verselbständigungsfähigen Dienststellenteil im Sinne von § 6 Abs. 3 BPersVG dar. Nach der Rechtsauffassung des Gerichts ist lediglich die Außenstelle des …-hochhauses insgesamt eine der Verselbständigung fähige Einheit in diesem Sinn.
Der Begriff der Dienststelle im Sinne des § 6 Abs. 1 BPersVG und noch mehr die Begriffe der Nebenstelle und des Dienststellenteils im Sinne von § 6 Abs. 3 BPersVG sind dabei nicht organisationsrechtlich, sondern spezifisch personalvertretungsrechtlich, nämlich im Sinne der Zielsetzung des Personalvertretungsrecht zu definieren (Lorenzen, a.a.O., § 6 Rn. 6 bis 8, Fischer/Goeres, Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder Teil 2/Gesamtkommentar Öffentliches Recht Band V, Stand Jan. 2020, § 6 Rn. 3).
Eine Dienststelle im Sinne von § 6 Abs. 1 BPersVG liegt nach allgemeiner Ansicht vor, wenn eine organisatorische Einheit mit selbständigen Aufgaben und mit organisatorischer Selbständigkeit ausgestaltet ist und einen Leiter mit Regelungskompetenz vor allem im personellen und sozialen Bereich hat (Lorenzen, a.a.O., § 6 Rn. 8 m.w.N.). Der Dienststellenbegriff trifft auf die Referate und anderen Untergliederungen (Abteilungen, Gruppen) des BAMF nicht zu, weil nennenswerte personelle Befugnisse (vgl. in diesem Sinne BVerwG, B.v. 29.3.2001 – 6 P 7/00 – juris – Leitsatz 2 sowie Rn. 23) bei den Leitern dieser Einheiten nicht angesiedelt sind. Personalentscheidungen wie Einstellungen, Versetzungen, Eingruppierungen oder ähnliches erfolgen, wie dem Gericht aus zahlreichen anderen Verfahren nach dem BPersVG bekannt ist und wie sich auch aus dem Organigramm des BAMF ergibt, für alle Außenstellen in der Zentrale des BAMF durch die dortige Gesamtleitung bzw. in deren Stellvertretung durch die Querschnittsabteilung 1.
Eine Nebenstelle im Sinne des § 6 Abs. 3 BPersVG ist hingegen eine Einheit innerhalb einer Behörde, die ohne organisatorische Selbständigkeit innerhalb der Dienststelle wegen der Art der ihr obliegenden Aufgabe aus der Hauptstelle räumlich ausgegliedert ist. Es handelt sich um eine weitgehend verselbständigte Verwaltungseinheit, die in der Regel zur Erfüllung von Hilfs- oder besonderen Aufgaben der Dienststelle errichtet ist und meist eine sachlich oder örtlich abgegrenzte Funktion hat (OVG Lüneburg, B.v. 1.4.1998 – 17 L 5256/96 – juris Rn. 22 m.w.N.; Fischer/Goeres, a.a.O, § 6 Rn. 14; Lorenzen, a.a.O, § 6 Rn. 32). Ein Dienststellenteil ist demgegenüber eine Abteilung bzw. Untereinheit einer Dienststelle, die keine organisatorische Selbständigkeit hat, aber aus organisatorischen, technischen oder räumlichen Gründen von der übrigen Dienststelle abgegrenzt ist, wobei es auf ein abgegrenztes und in sich geschlossenes Aufgabengebiet nicht entscheidend ankommt (OVG Lüneburg, a.a.O., Rn. 21 m.w.N.; Fischer/ Goeres, a.a.O, § 6 Rn. 14; Lorenzen, a.a.O, § 6 Rn. 33). Der Übergang zwischen Nebenstelle und Dienststellenteil ist fließend. Eine genaue Abgrenzung von Nebenstelle und Dienststellenteil erübrigt sich, da beide Einheiten personalvertretungsrechtlich unter den gleichen Voraussetzungen verselbständigt werden können (Lorenzen, a.a.O, § 6 Rn. 33: Fischer/Goeres, a.a.O., § 6 Rn. 14).
Nach § 6 Abs. 3 BPersVG ist die Verselbständigung dann möglich, wenn die Nebenstelle bzw. der Dienststellenteil räumlich weit von der Hauptstelle entfernt liegt und die Mehrheit der dort wahlberechtigten Beschäftigten dies in geheimer (Vor-)Abstimmung beschließt. Über den Wortlaut des § 6 Abs. 3 BPersVG hinaus wird in Anlehnung an § 12 Abs. 1 BPersVG außerdem verlangt, dass die sich verselbständigende Einheit aus mindestens fünf Wahlberechtigten besteht (Fischer/Goeres, a.a.O., § 6 Rn. 15; Lorenzen, a.a.O., § 6 Rn. 35; BayVGH, B.v. 30.11.2010 – 18 P 09.2069 – juris Rn. 19).
Die obergerichtliche Rechtsprechung hat die Verselbständigung nach § 6 Abs. 3 BPersVG in den letzten 30 Jahren zunehmend erleichtert (vgl. Gronimus, Außenstellen-Personalrat ohne Leiter – Handlungsoptionen der Belegschaft oder Sackgasse der Rechtsprech…, PersV 2014, S. 13 ff) und eine ortsnahe Personalvertretung an Außenstellen unter Hinweis auf den Sinn und Zweck und die Historie des § 6 Abs. 3 BPersVG zunehmend zugelassen. Die Notwendigkeit einer gemeinsamen Leitung einer Außenstelle vor Ort als ungeschriebene Voraussetzung für eine Verselbständigung hat das Bundesverwaltungsgericht dabei klar abgelehnt (BVerwG, B.v. 29.5.1991 – 6 P 12.89 – PersV 1992, 42 bzw. juris; B.v. 26.11.2008 – 6 P 7.08 – PersV 2009, S. 138 ff. bzw. juris; dem folgend OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 30.10.2009 – 16 A 1027/09.PVB – juris Rn. 42.; OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 8.2.2000 – 4 B 10148/00 – juris Rn. 14). Das Bundesverwaltungsgericht hat in atypischen Fällen von Außenstellen dem örtlichen Bezug den Vorrang vor Leitungs- und Weisungssträngen eingeräumt (BVerwG, B.v. 26.11.2008 – 6 P 7.08 – juris Rn. 37-39, 47; dem folgend BayVGH, B.v. 30.11.2010 – 18 P 09.2069 – juris Rn. 22).
Ziel und Zweck von § 6 Abs. 3 BPersVG liegen nach den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts darin, den aufgrund der räumlichen Entfernung erschwerten Kontakt der Mitarbeiter der Außenstelle zur Hauptdienststelle, die erschwerte Kommunikation untereinander auszugleichen, den Kontakt zu verbessern und eine ausreichende und gute Betreuung der Beschäftigten der Außenstellen zu gewährleisten (BVerwG, B.v. 29.5.1991, a.a.O., Rn. 18; B.v. 26.11.2008, a.a.O, Rn. 33). Zu diesem Zweck wird einem Außenstellenpersonalrat gemäß § 82 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 BPersVG vom gegebenenfalls zur Mitbestimmung berufenen Gesamtpersonalrat Gelegenheit zur Äußerung gegeben (BVerwG, B.v. 26.11.2008, a.a.O., Rn. 36). Dem Außenstellenpersonalrat verbleiben damit unabhängig davon, ob ein Dienststellenleiter am Ort der Außenstelle existiert und welche Befugnisse dieser innehat, Aufgaben, die dem Ziel der Kontakt- und Kommunikationsförderung dienen und dem Außenstellenpersonalrat ein sinnvolles Dasein geben. Die Definition der Nebenstelle bzw. des Dienststellenteils muss sich damit nicht nach den Leitungsstrukturen richten.
Auch den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 1/3552, S. 16, BT-Drucks. 2/1189, S. 3) ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass die Verselbständigung mit Mindestanforderungen an die Kompetenz oder Nähe eines Außenstellenleiters einhergeht (BVerwG, B.v. 29.5.1991, a.a.O, Rn. 17). Ebenso wenig folgt aus dem dem Personalvertretungsrecht zugrundeliegende Partnerschaftsprinzip die Notwendigkeit eines bestimmten Sich-Gegenüber-Stehens. Für jede mitbestimmungsbedürftige Entscheidung einer Leitungsebene muss zwar ein Personalrat als Partner zur Verfügung stehen und muss dieser auch klar zur Mitbestimmung und Mitbeurteilung berufen sein. Dies ist jedoch stets, d. h. bei jeglicher Organisation der Personalvertretung gewährleistet. Sachlich handelt es sich um eine Frage der Aufteilung zwischen örtlichem Personalrat und Gesamtpersonalrat und örtlich um eine Frage zwischen Stamm- und Außenstellenpersonalrat.
Nach diesen Prämissen ergibt sich somit nicht die Notwendigkeit, sich bei der Verselbständigung an den Organisations- bzw. Leitungsstrukturen von Referaten oder Abteilungen zu orientieren. Im Gegenteil ergibt sich nach Auffassung des erkennenden Gerichts hieraus und aus Gründen der Klarheit und Praktikabilität, dass im Falle einer von der Hauptstelle weit entfernt liegenden Liegenschaft, in der mehrere voneinander sachlich unabhängige Verwaltungseinheiten einer Behörde untergebracht sind, sich diese gerade nicht einzelnen bzw. isoliert (als Referat oder Teilreferat oder als – mehr oder weniger willkürliche -Kombinationen aus Teilen von diesen) verselbständigen können, sondern dies nur gemeinsam, d.h. unter Einbeziehung aller Beschäftigter der gesamten Liegenschaft möglich ist.
Die Betrachtung einer Außenstelle in ihrer Gesamtheit als personalvertretungsrechtliche Einheit (als Nebenstelle bzw. Dienststellenteil) verwirklicht das Ziel der Betreuung und besseren Kontaktmöglichkeiten von räumlich entfernten Beschäftigten nämlich ungleich besser und umfassender als eine getrennte Betrachtung nach organisatorischen Abgrenzungskriterien. Zum einen würde eine organisatorische Aufteilung nach Abteilungen oder Referaten gerade beim BAMF dazu führen, dass eine größere Zahl von dislozierten Beschäftigten gar nicht die Möglichkeit einer ortsnahen Personalvertretung hätte, weil sie die Hürde des § 12 Abs. 1 BPersVG nicht überwinden könnten. Dies erkennen die Antragsteller selbst an und haben aus diesem Grund auch die Einbeziehung von sechs dislozierten Beschäftigten ermöglicht. Die Abgrenzung bzw. das Nichteinbeziehen der übrigen Mitarbeiter des …-hochhauses (Teilreferat 42B, Referat 32E, Abteilungsleitung mit Sekretariat) erscheint dem gegenüber jedoch willkürlich und schwer nachvollziehbar. Ebenso wenig ist die Abgrenzung des Beteiligten zu 2., der offenbar die Zusammenbetrachtung des Referats 42A und des Teilreferats 42B, nicht aber das Einbeziehen des Referats 32E für nötig erachtet, verständlich und sachlich gerechtfertigt. Die Bandbreite der im vorliegend Fall theoretisch möglichen Zusammenschlüsse von (Teil-)Einheiten im .-hochhaus zeigt deutlich, dass die organisatorische Betrachtung ungeeignet und unbefriedigend ist und an ihre Grenzen stößt.
Zum anderen würde die Aufteilung in mehrere örtliche Personalräte in einer Liegenschaft die Kompetenz und Schlagkraft der örtlichen Personalvertretung zu Lasten der Belegschaft deutlich schmälern. Im Hinblick auf mitbestimmungspflichtige Personalentscheidung tritt regelmäßig – jedenfalls im Falle des BAMF – der Gesamtpersonalrat der Leitung gegenüber. Ob in diesen Fällen intern ein örtlicher Personalrat oder mehrere örtliche Personalräte vom Gesamtpersonalrat zu hören sind, ist hingegen weniger bedeutend und wirkt sich für die Belegschaft kaum aus. Sind sich mehrere örtliche Personalräte nicht einig, wäre dies sogar eher nachteilig. Ein örtlicher Außenstellenpersonalrat ist in erster Linie für liegenschaftsspezifische Angelegenheiten sinnvoll. In derartigen Angelegenheiten kann einer solcher – je nach Ausgestaltung auf Arbeitgeberseite – nämlich auch unmittelbarer Partner der Leitung sein, was aufgrund der nicht vollständig klaren Leitungsstrukturen in der Liegenschaft Bochum konkret hier jedoch nicht geklärt ist. Jedenfalls ist ein solcher Gesamtliegenschafts-Personalrat als einziger Ansprechpartner des Gesamtpersonalrats, der alle Außenstellenmitarbeiter vertritt, vorzugswürdig und hat mehr Gewicht. Derartige Gesamtliegenschaftsangelegenheiten wären z.B. der Erlass von Unfallverhütungsregeln, der Erlass einer Parkplatzordnung bzw. die Bewirtschaftung von Mitarbeiterparkplätzen vor Ort (vgl. insoweit auch BVerwG, B.v. 26.11.2008, a.a.O, Rn. 39; BayVGH, B.v. 30.11.2010 – 18 P 09.2069 – juris Rn. 22). Auch die Gestaltung und die Kontrolle von Arbeitsplätzen vor Ort (vgl. insoweit BVerwG, B.v. 29.5.1991, a.a.O, Rn. 19) gehören hierzu sowie bauliche bzw. ortsgebundene Angelegenheiten der Liegenschaft (z.B. was Lärm oder andere mit der Lage verbundene gesundheitliche Gefährdungen betrifft) oder Fragen zu örtlichen Einrichtungen (Sozialräume, Kantine, etc.). Alle diese Fragestellungen betreffen regelmäßig alle Bediensteten einer Liegenschaft gleichermaßen. Sie richten sich normalerweise nicht nach organisatorischen Zugehörigkeiten. Hingegen sind kaum mitbestimmungsbedürftige Angelegenheiten (außerhalb von Personalentscheidungen, für die ohnehin der Gesamtpersonalrat zuständig ist) denkbar, die nur einen Teil der Beschäftigten einer Außenstelle, nicht aber die übrige Belegschaft der Liegenschaft betreffen. Für einen organisatorisch abgegrenzten (Teil-)ÖPR verblieben somit kaum Zuständigkeiten, während für einen Gesamtliegenschaft-ÖPR ein Bedürfnis in vielerlei Hinsicht bestehen kann.
Die Bildung von mehreren örtlichen Personalräten in einer Liegenschaft würde auch, wenn dies auch nicht ein vorrangiger Aspekt ist, leichter zur Entstehung oder Aufrechterhaltung von Konkurrenzsituationen von Sacheinheiten innerhalb einer Liegenschaft führen, was ebenfalls nicht der Zielsetzung des Personalvertretungsrecht dient, sondern hiermit eher kollidiert. Auch insofern wäre die Schlagkraft der Personalvertretung gegenüber der Leitung verringert. Schließlich ist auch der Gleichlauf mit der Personalvertretungssituation in der Hauptstelle zu sehen. Trotz regelmäßig zahlreicher organisatorischer Untergliederungen einer Zentrale besteht auch in der zentralen Liegenschaft zwingend nur ein örtlicher Personalrat und auch dort nicht die Möglichkeit, einen anderen als diesen örtlichen Aspekt zu berücksichtigen. In gleicher Weise muss dies aus den dargestellten Gründen auch bei der dezentralen Personalratsarbeit gelten. Auch die Gründe der Klarheit und der leichten Bestimmbarkeit eines Außenstellen-ÖPR bei komplexen Verwaltungsorganisationen streiten für dieses Ergebnis.
Zwar ist hält die Rechtsprechung im Falle verschiedener Liegenschaften innerhalb einer Stadt auch mehrere örtliche Personalräte für möglich, weil § 6 Abs. 3 BPersVG nicht die Prämisse aufstellt, dass die von Hauptdienststelle weit entfernt liegenden Außenstellen auch untereinander weit auseinander liegen müssen (OVG Lüneburg, B.v. 1.4.1998 – 17 L 5256/96 – juris), jedoch kann dies nach Sinn und Zweck, Effektivitäts- und Praktikabiliätserwägungen nicht auch bei der Unterbringung in einer einzigen Liegenschaft gelten. Würde man bereits eine einzelne Organisationseinheit innerhalb einer Liegenschaft als verselbständigbaren Dienststellenteil einstufen, würde sich in der Folge auch die im Gesetz nicht geklärte Frage stellen, ob und wie sich räumlich nahe Dienststellenteilen bei Wunsch gemeinsam verselbständigen können (vgl. hierzu z.B. VG Freiburg, B.v. 18.2.2020 – PB 12 K 766/20 – PersV 2021, S. 34ff.). Die Tatsache, dass die Fragestellung in § 6 BPersVG nicht angesprochen ist, spricht weiter dafür, dass im Fall der Zusammenfassung von Sacheinheiten in einer Liegenschaft sich diese von vorne herein nur insgesamt verselbständigen kann und somit die Fragestellung gar nicht erst auftritt.
Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass andernorts, wo in einer Liegenschaft des BAMF lediglich ein Referat oder sogar nur ein Teilreferat untergebracht ist, dieses (Teil-)Referat – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – einen verselbständigbaren Dienststellenteil darstellt. Bei atypischen Organisationsstrukturen, zu denen auch räumliche Zusammenfassungen von Behördenuntergliederungen gehören, die keiner sachlich-organisatorischen Logik oder Klarheit folgen, ist dem örtlichen Bezug entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, B.v. 26.11.2008, a.a.O) stets der Vorrang einzuräumen. Dies gilt nach Ansicht des Gerichts auch in dem hier vorliegenden Fall, in dem die betroffenen Beschäftigten dies – anders als in den in der Rechtsprechung bisher entschiedenen Fällen – nicht favorisieren.
Zwar steht die Entscheidung, ob eine Verselbständigung nach § 6 Abs. 3 BPersVG erfolgt, allein in der Entscheidungsbefugnis der betroffenen Beschäftigten, wie eine Nebenstelle oder ein Dienststellenteil abgegrenzt ist, wie also der Beschäftigtenkreis zu fassen ist, richtet sich jedoch allein nach räumlich-örtlichen Gegebenheiten. Das Personalvertretungsrecht stellt letztlich reines Organisationsfolgerecht dar, kann und darf aber nicht in Strukturen und Gliederungen der Behörde eingreifen und darf als unbefriedigend angesehene Organisationsentscheidungen auch nicht durch Bildung anderer Organisationseinheiten auf Ebene der Personalvertretung korrigieren.
Im vorliegenden Fall des …-hochhauses in Bochum bedeutet dies, dass eine Vorabstimmung mit allen in diesem Zeitpunkt dort tätigen Beschäftigten hätte stattfinden müssen. Gemessen an der Gesamtbeschäftigtenzahl im …-hochhaus von 142, also unter Einbeziehung sämtlicher Bediensteter der (damaligen) Sachgebiete 32E, 42A, 42B,42D, 62C, 62D und der Abteilungsleitung 4 mit Sekretariat, stellen die 56 Stimmen, die sich für die Verselbständigung ausgesprochen haben, keine Mehrheit dar. Eine wirksame Verselbständigung hat damit nicht stattgefunden. Die Aufnahme der Beschäftigten in die Wahlliste für den ÖPR N. und die auf dieser Basis stattgefundene Wahl des ÖPR N. waren damit korrekt. Ein Wahlfehler liegt nicht vor. Der Wahlanfechtungsantrag war damit abzuweisen.
4. Eine Kostenentscheidung und eine Streitwertfestsetzung waren aufgrund der Gerichtskostenfreiheit (§ 83 Abs. 2 BPersVG, § 80 Abs. 1 i.V.m. § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, § 2 Abs. 2 GKG) nicht veranlasst. Eine Entscheidung über die Erstattung von gegebenenfalls angefallenen Aufwendungen der Verfahrensbeteiligten ist im Rahmen des hiesigen Verfahrens nicht vorgesehen (vgl. etwas BVerwG, B.v. 6.2.2009 – 6 P 2/09 – juris). Entsprechende Aufwendungen wären im Streitfall gegebenenfalls gesondert und außerhalb des vorliegenden Verfahrens nach materieller Rechtsgrundlage in einem eigenen Verfahren geltend zu machen. Ein Gegenstandswert wird bei Bedarf vom Gericht auf Antrag festgesetzt.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben