Arbeitsrecht

Widerlegung des Vorliegens einer Anlasskündigung bei Kündigung während der Arbeitsunfähigkeit

Aktenzeichen  2 Ca 3819/18

Datum:
13.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27064
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
SGB X § 115
EFZG § 8 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Kündigt der Arbeitgeber – auch in der Probezeit – im zeitlichen Zusammenhang mit einer Arbeitsunfähigkeit liegt hierin an Anscheinsbeweis für eine Kündigung aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit mit der Folge eines gem. § 8 EFZG über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus verlängerten Anspruchs auf Entgeltfortzahlung; diesen Anscheinsbeweis kann der Arbeitgeber dadurch entkräften, dass er andere Gründe, die die Kündigung maßgeblich determinierten, vorträgt und ggf. beweist. (Rn. 8 und 18 – 21) (red. LS Ulf Kortstock)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 1.570,00 € festgesetzt.
4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Die Zulässigkeit der Berufung nach den allgemeinen Vorschriften bleibt unberührt.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gegeben gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a), 3 ArbGG.
Das Arbeitsgericht Nürnberg ist für die Entscheidung des Rechtsstreits auch örtlich zuständig gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 12, 17 ZPO.
II.
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 1.570,00 €.
Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klagepartei hat die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Anspruchsgrundlage zugunsten der Klagepartei nicht hinreichend substantiiert unter Beweisantritt vorgetragen.
Die Erwägungen des erkennenden Gerichts, auf denen die vorliegende Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht, sind in einer kurzen Zusammenfassung gemäß den §§ 46 Abs. 2, 313 Abs. 3 ZPO im Einzelnen wie folgt darzustellen:
Die Klagepartei hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von übergegangener Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle hinsichtlich der versicherten Arbeitnehmerin betreffend den Zeitraum 10.03.2018 bis 18.04.2018 in Höhe des gezahlten Krankengeldes. Zwar war die versicherte Arbeitnehmerin in diesem Zeitraum unstreitig krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Das Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten und der Arbeitnehmerin endete jedoch durch die Kündigung der Beklagten vom 23.02.2018 zum 09.03.2018.
Ein darüber hinausgehender Entgeltfortzahlungsanspruch der versicherten Arbeitnehmerin besteht nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG wird der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts zwar nicht dadurch berührt, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit kündigt. Die Kündigung der Beklagten vom 23.02.2018 erfolgte jedoch nicht „aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit“. Der Arbeitgeber ist kündigungsrechtlich überhaupt nicht gehindert, während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit zu kündigen. Bei einer Rechtswirksamkeit einer Arbeitgeberkündigung bleibt ein Entgeltfortzahlungsanspruch dem Arbeitnehmer nur dann erhalten, wenn der Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit zum Anlass nimmt, eine Kündigung auszusprechen. „Anlass“ im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG ist dabei nicht gleichbedeutend mit dem Kündigungsgrund. Die Krankheit ist nur dann Anlass der Kündigung, wenn sie die Entscheidung des Arbeitgebers maßgeblich beeinflusst. Bei einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Eintritt der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und dem Ausspruch der Arbeitgeberkündigung kommt zwar ein sogenannter Anscheinsbeweis in Betracht, sofern der Arbeitgeber überhaupt Kenntnis von der bevorstehenden oder vorliegenden Erkrankung des Arbeitnehmers hat (BAG vom 05.02.1998 – 2 AZR 270/97 -; LAG Rheinland-Pfalz vom 20.05.2015 – 7 Sa 694/14 -).
Den Anscheinsbeweis kann der Arbeitgeber jedoch dadurch entkräften, dass er Tatsachen vorträgt und im Bestreitensfalle beweist, aus denen sich ergibt, dass andere Gründe als die bevorstehende oder vorliegende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers seinen Kündigungsentschluss maßgeblich determiniert haben (BAG vom 05.02.1998 – 2 AZR 270/97 -; BAG vom 17.04.2002 – 5 AZR 2/01 -).
Im vorliegenden Fall verhält es sich dergestalt, dass die Beklagte substantiiert unter Beweisantritt zu den maßgeblichen Kündigungserwägungen vorgetragen hat. Nach dem beiderseitigen und insoweit unstreitigen Parteivorbringen befand sich die Arbeitnehmerin zum Zeitpunkt der in Rede stehenden Arbeitgeberkündigung noch in der Probezeit. Eines Kündigungsgrundes nach § 1 Abs. 1 KSchG bedurfte es daher nicht. Die Beklagte hat ihre Kündigungserwägungen substantiiert unter Beweisantritt vorgetragen. Konkretes Bestreiten der Klagepartei gemäß den §§ 138 Abs. 3, Abs. 4 ZPO liegt nicht vor. Die von der Klagepartei zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung der versicherten Arbeitnehmerin ist diesbezüglich rechtlich unerheblich.
Nach alledem hat die Beklagte substantiiert Kündigungserwägungen vorgetragen, die die Entscheidung des Arbeitgebers maßgeblich determiniert haben. Hiernach wurde die Kündigung vom 23.02.2018 gerade nicht aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen. Damit liegen aber die Voraussetzungen einer Anlasskündigung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG nicht vor. Die Klage war daher abzuweisen.
Die weiteren von den Parteien aufgeworfenen rechtlichen und tatsächlichen Fragen waren für die Entscheidung des Gerichts nicht mehr rechtserheblich und bedürfen daher keiner weiteren gerichtlichen Erörterung.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Streitwertfestsetzung begründet sich mit § 3 ZPO i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit in der derzeit geltenden Fassung.
V.
Eine gesonderte Zulassung der Berufung war gesetzlich nicht veranlasst. Die Zulässigkeit der Berufung nach den allgemeinen Vorschriften bleibt unberührt.


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