Arbeitsrecht

Wirksamkeit einer Versetzung – Stationierung einer Flugbegleiterin

Aktenzeichen  10 AZR 311/11

Datum:
26.9.2012
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 20 ArbZG
§ 305 BGB
§ 315 BGB
§ 106 GewO
§ 2 KSchG
§ 5 Abs 1 LuftBODV 2 2009
Art 1 EGV 859/2008
Anh III Abschn Q Ziff 3.1 EGV 859/2008
Spruchkörper:
10. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Hannover, 24. Februar 2010, Az: 9 Ca 182/09, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen, 1. März 2011, Az: 1 Sa 571/10, Urteil

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 1. März 2011 – 1 Sa 571/10 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung und einer hilfsweise ausgesprochenen Änderungskündigung.
2
Die 1972 geborene, ledige Klägerin ist seit dem 25. Oktober 1999 als Flugbegleiterin tätig, zuletzt mit einer Bruttomonatsvergütung von 2.020,00 Euro.
3
In einem Schreiben vom 1. April 2000 heißt es auszugsweise:
        
„Stationierung
        
Sehr geehrte Frau S,
        
wir freuen uns, Ihnen mit Wirkung zum 01.04.2000 eine Stationierung in Hannover anbieten zu können.
        
Die übrigen Bedingungen Ihres Arbeitsvertrages behalten weiterhin Gültigkeit.
        
Wir weisen bei dieser Gelegenheit ausdrücklich darauf hin, dass diese Versetzung auf eigenen Wunsch erfolgt und somit keine Umzugskosten erstattet werden können.
        
        
        
Bitte senden Sie die beiliegende Kopie als Zeichen Ihres Einverständnisses bis zum 24.03.2000 unterschrieben an uns zurück.“
4
Im Arbeitsvertrag vom 26. November 2001 heißt es auszugsweise:
        
„1.     
Beginn, Art und Ort der Beschäftigung
        
        
Der Mitarbeiter wird ab 01.12.2001 als Flugbegleiter/in im Teilzeitmodell 3 Y mit einer verkürzten Arbeitszeit in HAJ beschäftigt.
        
        
Danach beträgt die jährliche reduzierte Arbeitszeit 75 % der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Mitarbeiters.
        
        
…       
        
        
C ist berechtigt, aus betrieblichen Gründen mit einer Vorlauffrist von einem Monat zum monatlichen Planungsbeginn, Änderungen des vertraglich vereinbarten Teilzeitmodells vorzunehmen.
        
        
Der Mitarbeiter und C können jederzeit einvernehmliche Änderungen vereinbaren.
        
        
        
        
        
…       
        
        
C kann den Mitarbeiter vorübergehend oder auf Dauer auf einem anderen Flugzeugmuster, einem anderen Ort sowie befristet auch bei einem anderen Unternehmen einsetzen.
        
        
        
        
2.    
Rechte und Pflichten
        
        
Die gegenseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich aus dem Gesetz, den Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen der C  in ihrer jeweils geltenden Fassung sowie aus den Dienstvorschriften der C und den Bestimmungen dieses Vertrages.“
5
Aus organisatorischen Gründen beginnt und endet der Einsatz der Crews bei der Beklagten nicht durchweg an ihrem Stationierungsort. In den Fällen, in denen der Einsatz von anderen Flughäfen aus erfolgt und auch dort endet, hat die Beklagte nach den anwendbaren tarifvertraglichen Regelungen die erforderlichen Transporte zu gewährleisten und die Transportzeiten als Arbeitszeit zu bezahlen (Dead-Head-Kosten).
6
Nach Maßgabe einer Geschäftsführungsvorlage vom 26. September 2008 entschied sich die Beklagte zur Stationsschließung in Hannover zum 31. Dezember 2009. Am Standort Hannover beschäftigte die Beklagte zuletzt ca. 40 Arbeitnehmer. Flugzeuge sind in Hannover nicht mehr stationiert und es beginnen dort keine Flüge mehr mit einer von Hannover aus eingesetzten Crew. Die vorher bestehenden Postfächer und ein Raum für die Mitarbeiter/innen wurden abgeschafft.
7
Nachdem die Beklagte ihr Flugprogramm ab Hannover seit Mai 2008 zumindest erheblich reduziert hatte, schloss sie am 7. Juli 2009 mit der nach § 117 Abs. 2 BetrVG eingerichteten Personalvertretung eine „Vereinbarung über die Beendigung der Stationierung von Cockpit – Kabinenpersonal in Hannover“. Die Präambel lautet:
        
„C beabsichtigt, am Ende des Kalenderjahres 2009 den Stationierungsort Hannover für das fliegende Personal aufzugeben. Hierdurch fallen an diesem Stationierungsort insgesamt 43 Arbeitsplätze für das fliegende Personal (5 Flugkapitäne, 1 Copilot, 10 Purser, 27 Flugbegleiter) mit einem Vollzeitäquivalent von 33,9 Stellen weg. Dies ist im Hinblick auf die dauerhafte Streichung von regelmäßigen An- und Abflügen ex Hannover unumgänglich.“
8
Ein Teil der betroffenen Mitarbeiter/innen bewarb sich auf freie Arbeitsplätze in Frankfurt am Main und Hamburg. Des Weiteren bot die Beklagte die Möglichkeit eines Einsatzes von Hannover aus im Wege der Abordnung zur Tochtergesellschaft C B (CiB) an, der allerdings mit schlechteren tariflichen Bedingungen verbunden war. Einzelheiten regelte ein von der Beklagten mit der Personalvertretung abgeschlossener „Teilinteressenausgleich Kabine über die Beendigung der Stationierung von Cockpit- und Kabinenpersonal am Flughafen Hannover“ vom 13. März 2009. Die Klägerin war nur bereit, zu unveränderten Arbeitsbedingungen bei der CiB tätig zu werden.
9
Nach Beteiligung der Personalvertretung, die sich nicht äußerte, versetzte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 17. September 2009 mit Wirkung zum 1. Januar 2010 unter Beibehaltung ihrer bisherigen Funktion als Flugbegleiterin von Hannover nach Frankfurt am Main. Hilfsweise kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt zum nächstmöglichen Termin unter gleichzeitigem Angebot der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem 1. April 2010 mit der Maßgabe, dass Stationierungsort nunmehr Frankfurt am Main sein solle. Dieses Angebot nahm die Klägerin unter Vorbehalt an.
10
Die Klägerin hat die Versetzung für unwirksam gehalten. Als Arbeitsort sei vertraglich Hannover vereinbart. Das Weisungsrecht der Beklagten umfasse nicht die Befugnis, den Arbeitsort einseitig zu ändern. Die Vertragsklausel, auf die sich die Beklagte stütze, sei unwirksam. Sie verstoße gegen § 307 BGB. Die Änderungskündigung sei sozial ungerechtfertigt. Auch bei vollständiger Schließung des Stationierungsorts Hannover könne die Klägerin von dort aus eingesetzt werden, gegebenenfalls bei der Tochtergesellschaft CiB.
11
Die Klägerin hat beantragt
        
1.    
festzustellen, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der ordentlichen Änderungskündigung der Beklagten gemäß dem Schreiben vom 17. September 2009 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam sind,
        
2.    
festzustellen, dass der Inhalt des Arbeitsverhältnisses der Parteien durch die Änderungskündigung der Beklagten vom 17. September 2009 nicht geändert wird,
        
3.    
die Beklagte zu verurteilen, sie zu unveränderten Bedingungen des Arbeitsvertrags vom 26. November 2001 als Flugbegleiterin in Vollzeit vom Stationierungsort Hannover zu beschäftigen.
12
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Als „Arbeitsort“ sei für die Klägerin vertraglich nicht Hannover festgelegt, die im Jahr 2000 erfolgte Zuordnung der Klägerin zum Flughafen Hannover habe das Direktionsrecht der Beklagten nicht eingeschränkt. Die Stationierung fliegenden Personals in Hannover sei unwirtschaftlich geworden. Während die in Hannover stationierten Mitarbeiter bis Anfang 2008 weit überwiegend auch von Hannover aus eingesetzt wurden, seien im Jahr 2009 90 % der Einsätze nach vorheriger Dead-Head-Anreise erfolgt. Hierdurch seien monatliche Mehrkosten in Höhe von 96.950,00 Euro wegen zusätzlicher Dead-Head-Transporte, Übernachtungskosten und Bezahlung zusätzlicher Einsatztage entstanden.
13
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.


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