Arbeitsrecht

Zeugnis, Schlussformel, Steigerung

Aktenzeichen  3 Sa 188/21

Datum:
15.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 22305
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 241 Abs. 1, § 242
GewO § 109 Abs. 1 und Abs. 2

 

Leitsatz

1. Eine Arbeitnehmerin, deren Leistung und Verhalten im Endzeugnis mit “gut” bewertet worden ist, hat keinen Anspruch auf Bescheinigung des Bedauerns über ihr Ausscheiden, schon gar nicht auf die Steigerung “wir bedauern sehr”.
2. Es besteht kein Anspruch darauf, dass (gute) Wünsche für die private Zukunft in die Schlussformel eines Endzeugnisses aufgenommen werden.

Verfahrensgang

22 Ca 6565/20 2021-02-04 Urt ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 04.02.2021 – 22 Ca 6565/20 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
I.
Die nach § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 ZPO, und damit zulässig.
II.
Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufnahme der mit Haupt- und Hilfsantrag beantragten Schlussformel.
1. Die Beklagte ist aus keinem Rechtsgrund verpflichtet, die mit dem Hauptantrag be gehrte Schlussformel, nach der die Beklagte u. a. das Ausscheiden der Klägerin sehr bedauert, in das als Anlage B2 vorgelegte Zeugnis aufzunehmen.
a) Nach der Rechtsprechung des BAG (vgl. Urteil vom 11.12.2012 – 9 AZR 227/11 – Rn. 11 ff.), der sich die überwiegende Meinung in der Literatur angeschlossen hat (siehe etwa ErfK/Müller-Glöge, 21. Aufl., § 109 GewO Rn. 46; Francke in MünchHdbAR, Bd. 2 Individualarbeitsrecht II, 4. Aufl. 2018, § 138 Rn. 46; Wiebauer in Landmann/Rohmer, GewO, 85. EL September 2020, § 109 Rn. 117 m. w. Nachw.; Becker in Däubler/Hjort/Schuber/Wolmerath, Arbeitsrecht, 4 Aufl. 2017, § 109 GewO Rn. 28; Tillmanns in BeckOK Arbeitsrecht, 60. Edition, Stand: 01.06.2021, § 109 GewO Rn. 34; Linck in Schaub, ArbRHdb., 18. Aufl. 2019, § 147 Rn. 27; resignierend Schleßmann, Das Arbeitszeugnis, 22. Aufl. 2018, Seite 109 Rn. 397: „Aber nach dieser Rechtsprechung des BAG hat sich das Thema des Rechtsanspruchs wohl erledigt!“), hat ein Arbeitnehmer schon grundsätzlich keinen Anspruch auf Aufnahme einer persönlichen Schlussformel in ein Arbeitszeugnis. Folglich wäre die Beklagte nicht verpflichtet, der Klägerin ihr Bedauern über deren Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis als Teil der Schlussformel zu bescheinigen.
b) Es kann offenbleiben, ob dieser Rechtsprechung zu folgen ist. Denn jedenfalls hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine Bescheinigung eines Bedauerns bei nur einer guten Verhaltens- und Leistungsbewertung.
Die Bedauernsformel ist bei einer nur guten Bewertung, wie sie hier mit dem als Anlage B2 erteilten Zeugnis vorliegt, nach § 109 Abs. 1 und 2 GewO nicht üblich. Nach Schleßmann (Das Arbeitszeugnis, 22. Aufl. 2018, Seite 110 Rn. 398) rechtfertigt eine gute Beurteilung lediglich eine Dank- und Wünsche-Formel mit dem Inhalt „Wir danken für die geleistete Arbeit und wünschen ihm für die Zukunft alles Gute“ (so auch Hoffmann in BeckOK GewO, 54. Edition, Stand: 01.06.2021, § 109 Rn. 163; Wiebauer in Landmann/Rohmer, a.a.O., Rn. 116; LAG Hessen, Urteil vom 17.06.1999 – 14Sa 1157 – a. E.; Umkehrschluss aus LAG Köln, Urteil vom 11.12.2013 – 11 Sa 511/13 – unter II. 2. der Gründe für das sehr gute Zeugnis). Auch nach Auffassung des LAG Düsseldorf, auf das sich die Klägerin stützt, ist das Bedauern in eine Schlussformel bei lediglich leicht überdurchschnittlichen Zeugnissen nicht aufzunehmen (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.01.2021 – 3 Sa 800/20 – Rn. 39). Ohne den Bedauernsausdruck wirkt das Zeugnis weder in sich widersprüchlich noch steht die Auslassung im Widerspruch zur Bewertung von Leistung und Verhalten im Übrigen, wenn dem guten Mitarbeiter, der damit keine Spitzenkraft war, nicht bescheinigt wird, dass man sein Ausscheiden bedauert. Die Äußerung einer solchen Empfehlung wäre überobligatorisch und kann daher rechtlich nicht von dem Arbeitgeber verlangt werden (so zutreffend LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.01.2021 – 3 Sa 800/20 – Rn. 39).
Darüber hinaus begehrt die Klägerin nicht lediglich eine Bescheinigung darüber, dass die Beklagte ihr Ausscheiden bedauere, sondern sogar in der gesteigerten Form des „sehr bedauern“. Eine Schlussformel darf jedoch nicht im Widerspruch zum sonstigen Zeugnisinhalt stehen und diesen nicht relativieren (vgl. BAG, Urteil vom 20.02.2001 – 9 AZR 44/00 – unter B. I. 2. b) (2) und (3) der Gründe). Dies wäre bei der gesteigerten Bedauernsformel bei einer nur guten Bewertung aber der Fall. Schließlich ist die Steigerungsform („sehr bedauern“) auch deshalb abzulehnen, weil die Werthaltigkeit der Tätigkeit im Zeugnisinhalt selbst ausgedrückt wird (vgl. LAG Köln, Urteil vom 11.12.2013 – 11 Sa 511/13 – unter II. 2. der Gründe; Schleßmann, a.a.O., Seite 111 Rn. 401).
c) Entgegen der Auffassung der Klägerin rechtfertigt sich die begehrte Bescheinigung des Bedauerns in der Stufe des „sehr bedauern“ auch nicht aus den hier vorliegenden besonderen Umständen, wobei es offenbleiben kann, ob sich die Rechtsgrundlage aus § 109 Abs. 1, Abs. 2 GewO i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB oder i. V. m. § 242 BGB ergibt. Denn nach der vorgelegten E-Mail und den Schreiben vom 14.11.2019 bedauert die Beklagte das Ausscheiden der Klägerin nicht. In der E-Mail vom 14.11.2019 findet die Vorgesetzte „Es ist schade, dass wir uns so getrennt haben.“, nicht aber, dass man sich überhaupt getrennt hat. Ein Bedauern findet in den zwei Schreiben vom 14.11.2019 schon keine Erwähnung. Die Klägerin führt zur Begründung ihres Begehrens, die Beklagte müsse ihr Ausscheiden in der Schlussformel sehr bedauern, auch keine konkreten Zitate aus der vorgelegten Korrespondenz an.
2. Die Beklagte ist zudem nicht verpflichtet, die Schlussformel gemäß dem Hilfsantrag, mit dem der Beklagten aufgegeben werden soll, der Klägerin u. a. „beruflich wie privat alles Gute und viel Erfolg“ zu wünschen, in das Zeugnis aufzunehmen.
a) Nach § 109 Abs. 2 Satz 1 GewO muss das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird der Arbeitgeber hierdurch nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer persönliche Empfindungen wie gute Wünsche für die Zukunft schriftlich zu bescheinigen. Denn das Zeugnis richte sich nicht in erster Linie an den Arbeitnehmer persönlich, sondern diene dem Arbeitnehmer vor allem als Bewerbungsunterlage und insoweit Dritten, insbesondere möglichen künftigen Arbeitgebern als Grundlage für die Personalauswahl. Ob der Arbeitgeber seine Empfindungen in einem primär an einen unbekannten Dritten gerichteten Zeugnis zum Ausdruck bringe, sei zuvorderst eine Frage des persönlichen Stils (vgl. BAG, Urteil vom 11.12.2012 – 9 AZR 227/11 – Rn. 19).
b) Jedenfalls hinsichtlich der Wünsche für die private Zukunft des Arbeitnehmers schließt sich die Kammer dieser Rechtsprechung an. Das Zeugnis dient dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers. Wünsche des Arbeitgebers in der Schlussformel erstrecken sich deshalb nur auf die berufliche Zukunft oder allgemein auf die Zukunft des Arbeitnehmers (vgl. LAG Köln, Urteil vom 11.12.2013 – 11 Sa 511/13 – unter II.2. der Gründe). Private Zukunftswünsche sind im Arbeitszeugnis, das Dritten zur Entscheidungsgrundlage anlässlich einer Bewerbung vorgelegt wird, deshalb fehl am Platz (vgl. Schleßmann, a.a.O., Seite 111 Rn. 400 und 401). Vor allem in größeren Betriebseinheiten ist es auch wenig überzeugend, dass Aussteller eines Zeugnisses derartige persönliche Empfindungen für die Gesamtheit des Unternehmens gegenüber einem Arbeitnehmer zum Ausdruck bringen (vgl. Francke in MünchHdbAR, a.a.O., Rn. 46).
c) Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt der Anspruch auf gute Wünsche für die private Zukunft in der Schlussformel nicht aus § 241 Abs. 2 BGB i. V. m. § 109 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 GewO.
Nach § 241 Abs. 2 BGB ist die Beklagte als Arbeitgeberin verpflichtet, bei ihren Handlungen auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen. Das Interesse der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Zeugniserteilung besteht darin, dass ihnen eine in sich widerspruchsfreie und dem beruflichen Fortkommen förderliche Bescheinigung von Tätigkeit, Führung und Leistung im bisherigen Arbeitsverhältnis als eine wesentliche Unterlage für Bewerbungen und damit zur Förderung des beruflichen Fortkommens verschafft wird. Enthält das Arbeitszeugnis in einem Bereich eine Lücke, die diesen Leistungserfolg wesentlich beeinträchtigt, kann sich aus der Rücksichtnahmepflicht des § 241 Abs. 2 BGB eine Anspruchsgrundlage ergeben, diese Lücke entsprechend zu schließen, soweit dem nicht berechtigte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.01.2021 – 3 Sa 800/20 – Rn. 48).
Danach sind gute Wünsche für die private Zukunft aufgrund der Rücksichtnahmepflicht nicht in die Schlussformel aufzunehmen. Die private Lebensführung und -gestaltung sowie Lebenserfolg sind weder Gegenstand des bisherigen noch des neuen Arbeitsverhältnisses. Wünsche für die private Zukunft berühren den Bereich der Erwerbstätigkeit des Arbeitnehmers nicht. Kommen sie in einer Schlussformel nicht zum Ausdruck, wird der Respekt und die Wertschätzung der seitens des Arbeitnehmers erbrachten Arbeitsleistung im bisherigen Arbeitsverhältnis nicht geschmälert. Demgegenüber dürften persönlichkeitsrechtliche (Art. 2 Abs. 1 GG) und die Berufsfreiheit betreffende (Art. 12 Abs. 1 GG) Gründe dagegensprechen, den Arbeitgeber durch die Gute-Wünsche-Formel für die private Zukunft des Arbeitnehmers in ein persönliches Näheverhältnis mit dem Arbeitnehmer zu rücken, das eventuell nicht besteht und zudem in größeren Betrieben wenig überzeugt. Schließlich bestehen rechtsdogmatisch Bedenken gegen diese Anspruchsgrundlage, als darüber Formulierungen als zwingend postuliert werden, die sich bei der Abfassung eines Zeugnisses gemäß § 109 GewO nicht begründen ließen.
d) Zudem begründet sich eine Schlussformel mit guten Wünschen für die private Zukunft nicht aus einem widersprüchlichen Verhalten der Beklagten, § 242 BGB. Insoweit wird auf die zutreffenden Erwägungen des Arbeitsgerichts Bezug genommen, § 69 Abs. 2 ArbGG, und ergänzend wie folgt ausgeführt:
Diese Anspruchsgrundlage scheitert bereits daran, dass sich die Beklagte nicht widersprüchlich verhalten hat. Mit dem Schreiben der Beklagten vom 14.11.2019 (Anl. K10 = Bl. 77 d. A.) wird der Klägerin für die bisherige Mitarbeit gedankt, nicht aber für die private Zukunft alles Gute gewünscht.
Soweit sich die Klägerin auf die E-Mail und das Schreiben ihrer Vorgesetzten vom 14.11.2019 bezieht, mit dem der Klägerin „alles erdenklich Gute für die berufliche und private Zukunft“ bzw. „alles Gute“ gewünscht wird (vgl. Anl. K6 und K11 = Bl. 58 und 78 d. A.), übersieht sie, dass die Vorgesetzte nicht berechtigt ist, das Zeugnis zu zeichnen und insoweit für die Beklagte zu handeln. Dies ist den gesetzlichen Vertretern der Beklagten oder den von ihr hierzu bevollmächtigten Personen vorbehalten (vgl. ErfK/Müller-Glöge, 21. Aufl. 2021, § 109 GewO, Rn. 3). Hierzu gehörte die Vorgesetzte der Klägerin unstreitig nicht. Eine Selbstbindung der Beklagten konnte aufgrund der ausgesprochenen Wünsche der Vorgesetzten für die persönliche Zukunft der Klägerin deshalb nicht begründet werden.
Im Übrigen besteht kein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin darauf, dass in persönlichen Schreiben geäußerte Wünsche für ihre private Zukunft Inhalt eines Zeugnisses, das sich vor allem an Dritte richtet, wird.
e) Schließlich ist aus dem Grundsatz der Zeugniswahrheit kein Anspruch auf eine Schlussformel mit guten Wünschen für die private Zukunft abzuleiten. Die Wahrheitspflicht wird durch die seitens der Klägerin verlangte zusätzliche Formulierung von guten Wünschen für die private Zukunft nicht berührt. Wahr oder unwahr können nur Tatsachen sein, nicht Höflichkeitsformeln wie gute Wünsche (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.01.2021 – 3 Sa 800/20 – Rn. 55).
III.
Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Berufung, § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Es bestand kein Grund, die Revision zum Bundesarbeitsgericht zuzulassen, § 72 Abs. 2 ArbGG. Das hiesige Urteil weicht nicht von der Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 12.01.2021 – 3 Sa 800/20 – ab, da das LAG Düsseldorf den konkreten Inhalt der Schlussformel nicht zum Inhalt seiner Entscheidung gemacht hat.


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