Arbeitsrecht

Zeugnis, Unterschrift, Vertretungszusatz

Aktenzeichen  3 Ta 160/21

Datum:
12.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 22337
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 109
ZPO § 888

 

Leitsatz

Verpflichtet sich die Arbeitgeberin in einem Vergleich i. S. d. § 278 Abs. 6 ZPO, ein Zeugnis “mit der Unterschrift der Niederlassung” der Arbeitgeberin zu erstellen, erfüllt sie ihre Verpflichtung hieraus, wenn im Zeugnis neben der Unterschrift des Niederlassungsleiters der Vertretungszusatz “i. V.” aufgeführt wird. Dies folgt insbesondere aus dem Zweck eines Zeugnisses.

Verfahrensgang

3 Ca 10638/20 2021-06-09 Bes ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Vollstreckungsgläubigerin wegen dem Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 09.06.2021 – 3 Ca 10638/20 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.567,66 € festgelegt.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Durch Beschluss des Arbeitsgerichts München gemäß § 278 Abs. 6 ZPO vom 26.10.2020 – 3 Ca 10638/20 – ist die Vollstreckungsschuldnerin u. a. zur Erteilung eines sehr guten, wohlwollenden, qualifizierten Endzeugnisses „auf dem Briefkopf der Beklagten mit der Unterschrift Niederlassungsleitung der Beklagten, Herrn Z“ verpflichtet (Ziff. 7.1). Dabei war die Vollstreckungsgläubigerin berechtigt, einen Entwurf des Zeugnisses vorzulegen, von dem die Vollstreckungsschuldnerin nur aus wichtigem Grund abweichen kann.
Mit E-Mail vom 12.01.2021 bat die Vollstreckungsgläubigerin unter Übersendung eines Zeugnisentwurfs um die Erstellung eines Endzeugnisses. Die Verfügungsschuldnerin fertigte daraufhin ein Endzeugnis, das unter Abweichung vom vorgelegten Entwurf den Vertretungszusatz „i. V.“ vor dem Namen des Z als Niederlassungsleiter der Niederlassung A-Stadt enthielt.
Daraufhin hat die Vollstreckungsgläubigerin mit Schriftsatz vom 06.05.2021 nach § 888 ZPO beantragt, die Unterschrift des Unterzeichners im Endzeugnis ohne den Zusatz „i. V.“ vorzunehmen. In Ziffer 7 des Vergleichs sei ein Vertretungszusatz nicht aufgeführt worden. Auch im Entwurf der Vollstreckungsgläubigerin sei ein solcher nicht enthalten. Ein wichtiger Grund für eine Abweichung bestehe nicht, vielmehr stelle die Unterzeichnung eines Zeugnisses eine „eigene Bewertung des Unterzeichners gegenüber der Gläubigerin dar“. Ein Vertretungszusatz wirke distanzierend und sei negativ zu werten.
Die Verfügungsgläubigerin hat beantragt,
gegen den Schuldner zur Erzwingung der im vollstreckbaren Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 10.12.2020 (3 Ca 10638/20) niedergelegten Verpflichtungen gemäß Ziffer 7 (Erteilung eines sehr guten Endzeugnisses mit der Unterschrift des Herrn Z nach dem Entwurf der Klägerin (Anlage A1), von dem die Beklagte nur aus wichtigem Grund abweichen kann), die Unterschrift des Herrn Z ohne den Zusatz „i.V.“ ein Zwangsgeld bis zu € 5.567,66 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Zwangshaft von bis zu sechs Monaten festzusetzen.
Die Vollstreckungsschuldnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Ein hinreichender bestimmter Vollstreckungstitel liege nicht vor. Mit Blick auf das hiesige Verfahren werde aus dem Vergleichstext nicht in einer für die Zwangsvollstreckung erforderlichen Bestimmtheit deutlich, ob der Niederlassungsleiter das Endzeugnis der Schuldnerin ohne oder mit Vertretungszusatz unterzeichnen sollte. Darüber hinaus sei der Antrag unbegründet, weil die Verpflichtung der Vollstreckungsschuldnerin erfüllt sei. Schuldner aus Ziff. 7 des Vergleichs sei die Verfügungsschuldnerin und nicht ihr Niederlassungsleiter, weshalb das schriftlich zu erteilende Zeugnis eine eigenhändige Unterschrift des Arbeitgebers oder seines Vertreters tragen müsse. Der Niederlassungsleiter sei nach seiner Handlungsvollmacht vom 05.04.2017 verpflichtet, seine Unterschrift unter der Firmenbezeichnung und den Zusatz „i.V.“ zu leisten. Damit bestehe ein wichtiger Grund für die Abweichung vom Zeugnisentwurf der Vollstreckungsgläubigerin. Es sei üblich, dass ein Zeugnis mit Vertretungszusätzen unterzeichnet werde, wobei es im vorliegenden Fall unstreitig sei, dass es sich dabei um einen gegenüber der Gläubigerin ranghöheren Vertreter der Schuldnerin handele. Es sei nicht zu erkennen, wieso der Vertretungszusatz „i. V.“ distanzierend und negativ zu werten sei.
Durch Beschluss vom 09.06.2021 – 3 Ca 10638/20 hat das Arbeitsgericht München den Zwangsvollstreckungsantrag der Vollstreckungsgläubigerin vom 06.05.2021 zurückgewiesen. Die Vollstreckungsschuldnerin habe ihre Verpflichtung aus Ziff. 7 des Vergleichs vom 10.12.2020 erfüllt. Das Zeugnis, dass die Vollstreckungsgläubigerin inhaltlich nicht rüge, sei von Herrn Z unterschrieben worden. Ob Herr Z mit oder ohne „i. V.“ unterzeichne, sei im Vergleich nicht geregelt. Damit habe die Klägerin aus dem Vergleich keinen vollstreckbaren Anspruch auf eine Unterzeichnung ohne den Zusatz „i. V.“. Ggf. müsse die Klägerin dies in einem getrennten Verfahren zur Zeugniskorrektur klären.
Gegen diesen, ihrem Prozessbevollmächtigten am 10.06.2021 zugestellten Beschluss hat die Vollstreckungsschuldnerin am 23.06.2021 sofortige Beschwerde eingelegt. In Ziff. 7 des Vergleichs sei gerade nicht ausgeführt, dass die Unterschrift mit dem Zusatz „i. V.“ zu leisten sei. Daher sei die Unterschrift ohne den Zusatz „i.V.“ vorzunehmen. Das Zeugnis stelle eine eigene Bewertung des Vorgesetzten dar, so dass der Vertretungszusatz eine Distanzierung hiervon und negativ zu bewerten sei.
Das Arbeitsgericht München hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 23.06.2021 nicht abgeholfen und sie zur Entscheidung dem Landesarbeitsgericht München vorgelegt. Es hätten sich keine neuen tatsächlichen oder rechtlichen Aspekte ergeben.
Mit Schriftsatz vom 05.07.2021 hat die Vollstreckungsgläubigerin geltend gemacht, dass es sich bei dem Zeugnis um eine reine Wissenserklärung handele, die nicht von der Handlungsvollmacht gemäß § 54 HGB umfasst sei. Um ein Zeugnis unterschreiben zu können, bedürfe es seitens des Arbeitgebers keinerlei Handlungsvollmacht. Der Unterzeichner könne ein Zeugnis unterzeichnen, wenn er Vorgesetzter sei. Da der Unterzeichner eine Wissenserklärung abgebe, sei ein Zusatz wie hier „i. V.“ distanzierend und in jedem Fall negativ zu werten.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die nach §§ 793, 597 Abs. 1 Nr. 1 statthafte sofortige Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 569 Abs. 1 und 2 ZPO i.V.m. §§ 64 Abs. 7, 62 Abs. 2 ArbGG, und deshalb zulässig.
2. Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Verpflichtung der Vollstreckungsschuldnerin aus dem Vergleich vom 10.12.2020 durch die Erteilung des Zeugnisses mit dem Zusatz „i. V.“ vor der Unterschrift des Unterzeichners erfüllt und damit gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen ist.
a) Ob und in welchem Umfang ein Prozessvergleich eine Verpflichtung des Vollstreckungsschuldners zum Inhalt hat, bestimmt sich nach der Auslegung des Vergleichs. Hierfür ist nicht in erster Linie der übereinstimmende Wille der Parteien maßgebend, vielmehr ist darauf abzustellen, wie das zur Vollstreckung berufene Organ, in erster Linie also das Vollstreckungsgericht oder auch ein Beschwerdegericht, den Inhalt der zu erzwingenden Leistungen verständigerweise versteht und festlegt. Unklarheiten über den Inhalt der Verpflichtung dürfen nicht aus dem Erkenntnisverfahren in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Vollstreckungsschuldner seiner festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber, worin diese besteht (vgl. BAG, Beschluss vom 09.11.2011 – 3 AZB 35/11 – Rn. 13). Bei der Auslegung ist zudem zu beachten, dass für den Schuldner aus rechtstaatlichen Gründen erkennbar sein muss, in welchen Fällen er mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat (BAG, Beschluss vom 09.11.2011 – 3 AZB 35/11 – Rn. 14).
b) Danach hat die Verfügungsschuldnerin mit dem sonst inhaltlich nicht beanstandeten Zeugnis unter Verwendung des Vertretungszusatzes „i. V.“ bei der Unterschrift des Niederlassungsleiters ihre Verpflichtung aus Ziff. 7 des Vergleichs erfüllt.
Durch die Formulierung „mit der Unterschrift der Niederlassungsleitung der Beklagten Herrn Z“ ist es nach dem Wortlaut nicht ausgeschlossen, dass Herr Z mit dem Vertretungszusatz „i. V.“ unterzeichnet. Im Gegenteil kommt durch die Worte „Niederlassungsleitung der Beklagten“ zum Ausdruck, dass das Zeugnis keine eigene Bewertung des Herrn Z ist, wie die Vollstreckungsgläubigerin meint, sondern die der Vollstreckungsschuldnerin.
Ob neben der Unterschrift des Unterzeichners der Vertretungszusatz „i. V.“ im Zeugnis hinzuzufügen ist, bestimmt sich nach dem Zweck des Zeugnisses. Es soll zum einen dem Arbeitnehmer Aufschluss über seine Beurteilung durch den Arbeitgeber geben. Zum anderen dient es der Unterrichtung künftiger Arbeitgeber über die Befähigung des Arbeitnehmers. Es soll dem Arbeitnehmer die Suche nach einer neuen Beschäftigung erleichtern. Hierfür ist die Person des Unterzeichnenden von erheblichem Belang. Mit seiner Unterschrift übernimmt der Unterzeichnende als Aussteller des Zeugnisses die Verantwortung für dessen inhaltliche Richtigkeit. Der Dritte, dem das Zeugnis bestimmungsgemäß als Bewerbungsunterlage vorgelegt wird, soll und muss sich darauf verlassen können, dass die Aussagen über Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers richtig sind. Dieser Zweck erfordert nicht, dass das Zeugnis vom bisherigen Arbeitgeber selbst oder seinem gesetzlichen Vertretungsorgan gefertigt und unterzeichnet wird. Der Arbeitgeber kann einen unternehmensangehörigen Vertreter als Erfüllungsgehilfen beauftragen, das Zeugnis in seinem Namen zu erstellen. In einem solchen Fall sind jedoch das Vertretungsverhältnis und die Funktion des Unterzeichners anzugeben. Fachliche Zuständigkeit und Rang in der Hierarchie geben Aufschluss über die Kompetenz des Aufstellers und ermöglichen dem Zeugnisleser eine Einschätzung der Richtigkeit der im Zeugnis zur Beurteilung des Arbeitnehmers getroffenen Aussagen (vgl. BAG, Urteil vom 04.10.2005 – 9 AZR 507/04 – Rn. 15 und 16 m.w.N.; LAG Hessen, Urteil vom 06.02.2015 – 3 Sa 266/14 – Rn. 29; Linck in Schaub, ArbHdb, 18. Auflage 2019, § 147 Rn. 3). Ranghöhere Bedienstete müssen deshalb ein Zeugnis unter Zusatz ihrer Vertretungsmacht (ppa., i. A.) unterzeichnen (vgl. Koch in Schaub/Koch, Arbeitsrecht von A-Z, 25. Auflage 2021 „Zeugnis“ unter II.).
Danach war das Zeugnis, soweit es „mit der Unterschrift der Niederlassungsleitung der Beklagten“ unterzeichnet werden sollte, neben der Unterschrift des Niederlassungsleiters mit dem Vertretungszusatz „i. V.“ zu erstellen.
Entgegen der Behauptung der Vollstreckungsgläubigerin ist der Vetretungszusatz „i. V.“ auch nicht distanzierend und in seiner Wirkung negativ. Es wird mit der Angabe dieses Vertretungsverhältnisses Person und Rang des Unterzeichnenden entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts mitgeteilt. Es ist nicht ersichtlich, weshalb ein rechtskonformes Verhalten durch einen Dritten negativ beurteilt werden sollte.
3. Die Vollstreckungsgläubigerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, §§ 891 S. 3 ZPO, 97 Abs. 1 ZPO.
4. Der Streitwert war in Höhe eines Bruttomonatsgehalts festzusetzen. Maßgeblich ist insoweit der Wert der Hauptsache (vgl. LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.02.1985 – 1 Ta 1/85 – Beck RS 30862147).
5. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst, § 78 S. 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG.


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