Aktenzeichen 6 Sa 359/17
Leitsatz
Die Betriebsparteien können bei einer möglichen Betriebsänderung im Interesse des Arbeitgebers zusätzlich zu einem Sozialplan in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung Leistungen für den Fall vorsehen, dass der Arbeitnehmer von der Möglichkeit zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage keinen Gebrauch macht oder nach Abschluss der Betriebsvereinbarung einen Aufhebungsvertrag schließt. Sie dürfen Arbeitnehmer hiervon ausnehmen, die vor einem Stichtag, der vor dem Abschluss der Betriebsvereinbarung liegt, bereits einen Aufhebungsvertrag geschlossen hatten. (Rn. 56 – 63)
Verfahrensgang
2 Ca 854/16 2017-06-20 TeU ARBGBAYREUTH ArbG Bayreuth
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 20.06.2017, Az. 2 Ca 854/16, wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG) und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung ist in der Sache nicht begründet.
Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass dem Kläger ein zusätzlicher Abfindungsanspruch nicht zukommt. Auf die Ausführungen des Erstgerichts in den Entscheidungsgründen wird ausdrücklich Bezug genommen und von deren lediglich wiederholenden Darstellung daher abgesehen, § 69 Absatz 2 ArbGG.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist noch Folgendes anzuführen, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die Klagepartei die Entscheidung des Erstgerichts hinsichtlich eines möglichen Sozialplananspruches nicht vollständig erfasst hat. Aufgrund der Anrechnungsvereinbarung in der Aufhebungsvereinbarung müsste sich der Kläger aber jedenfalls die Abfindung aus dem Sozialplan auf die höhere Abfindung aus der Aufhebungsvereinbarung anrechnen lassen.
Die Beklagte muss sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entgegenhalten lassen, dass der Aufhebungsvertrag durch die Beklagte veranlasst worden ist (vgl. z.B. Bundesarbeitsgericht vom 13.11.1996, Az.: 10 AZR 340/96, m.w.N., nach juris). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Aufhebungsvertrages, wonach das Anstellungsverhältnis auf Veranlassung der Beklagten endet zur Verhinderung einer ansonsten anstehenden betrieblich bedingten Kündigung. An diesem Wortlaut der Aufhebungsvereinbarung muss sich die Beklagte festhalten lassen.
Festzuhalten ist aber, dass beiden Parteien bei Abschluss des Aufhebungsvertrages wiederum nach dessen Wortlaut bewusst war, dass zu dieser Zeit wegen eines geplanten Stellenabbaus ein Interessenausgleich und Sozialplan vereinbart werden sollte. Keine der Parteien, auch der Arbeitgeber nicht, wussten, zu welchen konkreten Inhalten die zu führenden Verhandlungen über den Interessenausgleich und Sozialplan führen würden, insbesondere, welche Abfindungsregelungen vereinbart werden würden. Insoweit war auch unklar, ob eine zusätzliche freiwillige Betriebsvereinbarung, wie letztlich geschehen, zustande kommen würde. In diesem Umfeld haben die Parteien den Aufhebungsvertrag abgeschlossen.
Der Kläger hat keinen Abfindungsanspruch aus dem Sozialplan, da er nach § 1 Ziffer 1.3 wirksam von dessen Geltungsbereich ausgenommen worden ist. Denn er hat vor dem Stichtag (01.10.2015) am 25.09.2015 einen Aufhebungsvertrag mit der Beklagten geschlossen. Diese Regelung des Sozialplans ist rechtswirksam. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Betriebspartner bei der Vereinbarung eines Sozialplanes grundsätzlich frei in der Entscheidung, welche wirtschaftlichen Nachteile der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer durch welche Leistungen ausgeglichen und gemildert werden sollen. Sie können bei ihrer Regelung von einem Nachteilsausgleich auch gänzlich absehen und bei ihrer Regelung nach der Vermeidbarkeit von Nachteilen unterscheiden. Nach § 75 BetrVG haben sie bei ihrer Regelung die betroffenen Arbeitnehmer jedoch nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit zu behandeln, insbesondere müssen sie den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz beachten. Dieser verbietet eine sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer oder einzelner Arbeitnehmergruppen gegenüber anderen Arbeitnehmern oder Arbeitnehmergruppen in vergleichbarer Lage. Eine Differenzierung ist sachfremd, wenn es für sie keine sachlichen und billigenswerten Gründe gibt, die unterschiedliche Behandlung sich vielmehr als sachwidrig und willkürlich erweist. Die Prüfung einer unterschiedlichen Behandlung einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen hat sich am Zweck der Sozialplanleistungen zu orientieren, mit denen wirtschaftliche Nachteile der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer ausgeglichen oder gemildert, nicht aber erbrachte Leistungen für den Betrieb oder eine Betriebszugehörigkeit nachträglich vergütet werden sollen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Ausschluss des Klägers von Sozialplanleistungen rechtlich nicht zu beanstanden. Zugunsten des Klägers ist davon auszugehen, dass der Aufhebungsvertrag durch die Beklagte veranlasst worden ist, wie dargelegt.
Die Betriebspartner durften den Kläger, von dem sie bei den Verhandlungen wussten, dass er aufgrund eines bereits geschlossenen Aufhebungsvertrages aus dem Betrieb ausscheiden werde, aus ihren Überlegungen, hier, welche wirtschaftlichen Nachteile der wegen der Betriebsstilllegung noch zu entlassenden Arbeitnehmer auszugleichen seien, ausnehmen. Zwar schied der Kläger aufgrund eines von der Beklagten veranlassten Aufhebungsvertrages und damit im Ergebnis in gleicher Weise wie ein betriebsbedingt gekündigter Arbeitnehmer aus dem Betrieb aus. Im Gegensatz zu einem gekündigten Arbeitnehmer hatte der Kläger jedoch bereits eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes vereinbart und auch im Übrigen Einfluss auf die Modalitäten seines Ausscheidens (Beendigungszeitpunkt, Resturlaub, Abgeltungsklausel) genommen. Damit hatte der Kläger zum Zeitpunkt des Beginns der Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplan sein Ausscheiden aus dem Betrieb der Beklagten bereits gegen Zahlung einer Abfindung akzeptiert, so dass sein Ausscheiden sozusagen zu diesem Zeitpunkt bereits „beschlossene Sache“ war. Die Betriebspartner durften eine Regelung treffen, die dazu führt, dass der Kläger, der sich mit dem Ausscheiden aufgrund einer Abfindung einverstanden erklärt hatte, das Risiko tragen musste, dass seine Abfindung, die er als Gegenleistung für die Hinnahme einer betriebsbedingten Entlassung akzeptiert hatte, möglicherweise geringer ist als die Abfindung, welche ihm nach den Grundsätzen des Sozialplans zugestanden hätte, wenn er nicht durch Aufhebungsvertrag, sondern durch betriebsbedingte Kündigung ausgeschieden wäre. Es wäre nämlich auch denkbar gewesen, dass ihm wegen fehlender Finanzmittel der Beklagten oder aufgrund anderer Verteilungsgrundsätze im Sozialplan keine oder nur eine deutlich geringere Sozialplanabfindung zugestanden hätte als sie im Aufhebungsvertrag vereinbart worden ist. Dann hätte er gegenüber den später betriebsbedingt entlassenen Arbeitnehmern besser gestanden. Deshalb hält es sich im Rahmen des den Betriebspartnern zustehenden weiten Ermessensspielraumes, wenn diese den – sozusagen auf eigenes Risiko – gegen Zahlung einer Abfindung aufgrund eines vor Beginn der Sozialplanverhandlungen abgeschlossenen, arbeitgeberseitig veranlassten Aufhebungsvertrages ausscheidenden Kläger von Sozialplanansprüchen ausgeschlossen haben (vgl. z.B. BAG, Urteil vom 13.11.1996 – 10 AZR 340/96 – m.w.N.). Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Aufhebungsvertrag.
Da der Kläger wirksam vom Geltungsbereich des Sozialplanes damit ausgenommen war, war auch die freiwillige Betriebsvereinbarung über zusätzliche Abfindungszahlungen nach ihrem Wortlaut nicht auf den Kläger anwendbar – vgl. Ziffer 1 unter Punkt 2 der freiwilligen Betriebsvereinbarung. Danach findet die freiwillige Betriebsvereinbarung Anwendung auf diejenigen Arbeitnehmer, die dem Geltungsbereich des Sozialplans vom 13.10.2015 unterfallen, was aber, wie ausgeführt, für den Kläger nicht der Fall ist. Dies gilt unabhängig davon, dass der Kläger auch weitere Voraussetzungen nicht erfüllen würde. Ein Anspruch auf Zahlung der zusätzlichen Abfindung ergibt sich auch nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, insbesondere dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 BetrVG. Leistungen in Sozialplänen im Sinne von § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, die dem Ausgleich oder der Abmilderung der mit einer Betriebsänderung für die Arbeitnehmer verbundenen wirtschaftlichen Nachteile dienen, dürfen nicht vom Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig gemacht werden. Das folgt jedenfalls aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Macht ein Sozialplan den Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage zur Voraussetzung für den Anspruch auf die Sozialplanabfindung, erfolgt eine Gruppenbildung, welche die Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes ermöglicht und gebietet. Die Arbeitnehmer, welche nicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichten, würden hinsichtlich der Sozialplanabfindung schlechter behandelt als diejenigen, die von der gerichtlichen Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung absehen. Diese Ungleichbehandlung ist nach Sinn und Zweck des Sozialplanes sachlich nicht gerechtfertigt. Allerdings ist den Betriebsparteien nicht jegliche Regelung verboten, durch die im Falle einer Betriebsänderung für die Arbeitnehmer ein finanzieller Anreiz geschaffen werden soll, eine Kündigung zu akzeptieren oder einen Aufhebungsvertrag zu schließen. Jedenfalls dann, wenn die Betriebsparteien ihrer Pflicht zur Aufstellung eines Sozialplans nachkommen oder diesen freiwillig vereinbaren, können sie freiwillig eine kollektivrechtliche Regelung treffen, die im Interesse des Arbeitgebers an alsbaldiger Planungssicherheit finanzielle Leistungen für den Fall vorsieht, dass der Arbeitnehmer von der Möglichkeit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage keinen Gebrauch macht oder freiwillig aus dem Arbeitsverhältnis im Wege einer Aufhebungsvereinbarung ausscheidet. Das Verbot, Sozialplanabfindungen von einem Verzicht auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage abhängig zu machen, darf dadurch aber nicht umgangen werden.
Nach diesen Grundsätzen ist es im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden, dass die Betriebsparteien die mit der Betriebsvereinbarung zugesagten zusätzlichen Leistungen von dem Nichterheben einer Kündigungsschutzklage abhängig gemacht haben. Die Betriebsvereinbarung bezweckt nicht den Ausgleich oder die Milderung der durch den geplanten Personalabbau entstehenden wirtschaftlichen Nachteile, sondern die Erlangung alsbaldiger Planungssicherheit. Die durch die Betriebsänderung den betroffenen Arbeitnehmern entstandenen Nachteile sind durch den Sozialplan ausgeglichen. Das Nichterheben einer Kündigungsschutzklage als Tatbestandsvoraussetzung für einen Anspruch auf die in der Betriebsvereinbarung beschriebenen Zusatzleistungen dient den Interessen der Beklagten, einerseits alsbaldig Gewissheit über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen der betroffenen Mitarbeiter zu erzielen und andererseits den mit Kündigungsschutzklagen verbundenen Aufwand und das jeweilige Prozessrisiko zu vermeiden. Erkennbar zu diesem Zweck war die Beklagte bereit, hier, über ihre Verpflichtungen aus dem Sozialplan hinaus freiwillig weitere Leistungen zu erbringen.
Dieser mit der Betriebsvereinbarung verfolgte Zweck rechtfertigt die von den Betriebsparteien vorgenommene Gruppenbildung zwischen denjenigen Arbeitnehmern, die ihre Kündigung hinnehmen und denjenigen, die sie zur gerichtlichen Überprüfung stellen (vgl. z.B. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.12.2014 – 1 AZR 146/13 – m.w.N., nach juris).
Dies rechtfertigt aber auch den Ausschluss solcher Arbeitnehmer, bei denen es wegen eines vorherigen Aufhebungsvertrages schon gar nicht zu einer Arbeitgeberkündigung kommen kann (vgl. auch Bundesarbeitsgericht vom 09.12.2015 – 5 AZR 591/15 – m.w.N.).
Dem steht nicht die vom Kläger angeführte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 08.12.2015 – 1 AZR 788/14 – entgegen. Dort ist im Verhältnis beurlaubter Beamter und sonstiger Arbeitnehmer ohne Beamtenstatus im Verhältnis zu ihrem gemeinsamen Arbeitgeber ausgeführt, dass eine Sonderprämie in einer Betriebsvereinbarung, die nicht den Ausgleich oder die Milderung der durch die beabsichtigte Betriebsstilllegung voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Nachteile bezweckt, sondern offenkundig die Bereitschaft der Arbeitnehmer zu einer streitlosen Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse fördern soll, dann gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße, wenn die Betriebsparteien die Gruppe der beurlaubten Beamten ausschließe. Dies verstoße gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG). Dies folgert das Bundesarbeitsgericht zutreffend dort daraus, dass nicht nur bei Arbeitnehmern ohne Beamtenstatus, sondern auch bei beurlaubten Beamten die Erhebung einer Kündigungsschutzklage im konkreten Fall nicht auszuschließen war. Entgegen der Regelung hätten die gerichtlichen Auseinandersetzungen und das Risiko eines Prozesserfolges von beurlaubten Beamten – ebenso wie bei Arbeitnehmern ohne Beamtenstatus – die mit der Betriebsvereinbarung Sonderprämie beabsichtigten Ziele gefährdet, die beabsichtigte Betriebsstilllegung zeitnah und mit möglichst wenig finanziellem und organisatorischem Aufwand durchzuführen. Deshalb war der Ausschluss der beurlaubten Beamten dort von der Sonderprämie nicht rechtens. Im vorliegenden Fall ist aber, wie ausgeführt, eine Kündigungsschutzklage des Klägers gegen eine betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung aufgrund der Aufhebungsvereinbarung und schon in Ermangelung einer Arbeitgeberkündigung gerade nicht zu gewärtigen. Dies rechtfertigt aber nach obigen Ausführungen den Ausschluss des Klägers von der freiwilligen Betriebsvereinbarung.
Nach alldem erweist sich die Entscheidung des Arbeitsgerichts als zutreffend, die Berufung ist zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 72 Abs. 2 ArbGG).