Arbeitsrecht

Zulassung als Syndikusrechtsanwalt: Anwaltliche Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers bei Unterstützung von Versicherungsnehmern des anstellenden Haftpflichtversicherers

Aktenzeichen  AnwZ (Brfg) 24/19

Datum:
2.11.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2020:021120UANWZ.BRFG.24.19.0
Normen:
§ 46 Abs 3 BRAO
§ 46 Abs 4 BRAO
§ 46 Abs 5 S 1 BRAO
Spruchkörper:
Senat für Anwaltssachen

Leitsatz

Wird eine bei einem Haftpflichtversicherer angestellte Rechtsanwältin zur Unterstützung von Versicherungsnehmern des Haftpflichtversicherers bei der Abwehr unberechtigter Haftpflichtansprüche tätig, handelt sie in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers i.S.v. § 46 Abs. 5 Satz 1 BRAO (Abgrenzung von Senat, Urteile vom 2. Juli 2018 – AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 Rn. 39 ff. und 15. Oktober 2018 – AnwZ (Brfg) 58/17, juris Rn. 10 ff.).

Verfahrensgang

vorgehend BGH, 14. Juni 2019, Az: AnwZ (Brfg) 24/19, Beschlussvorgehend Anwaltsgerichtshof München, 28. November 2018, Az: BayAGH I – 5 – 26/18, Urteil

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des 5. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 28. November 2018 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verpflichtet wird, die Klägerin aufgrund ihres Antrags vom 29. März 2016 zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwältin für die von ihr bis zum 30. September 2019 bei der M.                         ausgeübte Tätigkeit zuzulassen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 25.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klägerin wurde am 1. Oktober 2004 als Rechtsanwältin zugelassen. Mit Schreiben vom 29. März 2016 beantragte sie bei der Beklagten die Zulassung zur Anwaltschaft als Syndikusrechtsanwältin für ihre Tätigkeit bei der M.                            . Mit Anwaltsschreiben vom 27. April 2017, 2. Mai 2017 und 8. Mai 2017 übersandte sie der Beklagten einen zwischen der Klägerin und der M.                        geschlossenen Arbeitsvertrag vom 17./23. April 2014, eine Ergänzungsabrede zum Arbeitsvertrag vom 31. März 2016 und eine Tätigkeitsbeschreibung betreffend ihre Funktion bei der M.            als “Claims Manager/Rechtsanwältin” in der Organisationseinheit “Schadenabteilung/Großschaden”. Mit Anwaltsschreiben vom 11. September 2017 reichte sie eine konkretisierende Beschreibung ihrer Tätigkeit nach.
2
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 20. April 2018 ab. Auf die hiergegen gerichtete Klage der Klägerin hat der Anwaltsgerichtshof – nach Anhörung der Klägerin – den Bescheid der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin für die von ihr bei der M.                    ausgeübte Tätigkeit als Syndikusrechtsanwältin zuzulassen.
3
Nach Auffassung des Anwaltsgerichtshofs erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen für eine Zulassung als Syndikusrechtsanwältin gemäß §§ 46, 46a BRAO. Ihre Anhörung habe ergeben, dass ihre Tätigkeit durch die in § 46 Abs. 3 Nr. 1-4 BRAO aufgeführten Merkmale geprägt sei.
4
Die Beklagte stelle nicht in Abrede, dass die Tätigkeit der Klägerin den Anforderungen des § 46 Abs. 3 Nr. 1, 3 und 4 BRAO genüge. Entgegen der Ansicht der Beklagten lägen auch die Voraussetzungen für die Erteilung von Rechtsrat gegenüber dem Arbeitgeber i.S.v. § 46 Abs. 3 Nr. 2 BRAO vor. So erfolge keine unmittelbare Beratung der Versicherungsnehmer als Kunden der Arbeitgeberin. Nach dem Ergebnis der Anhörung der Klägerin werde diese vielmehr für die Versicherungsnehmer nur als externe Prozessmanagerin tätig, soweit Deckung bestehe. Folglich werde die Klägerin im Rahmen einer im Prozess angestrebten Schadensbegrenzung letztlich auch für ihre Arbeitgeberin tätig. Eine konkrete direkte Beratung der Arbeitgeberin bei Schadensfällen ergebe sich aus den von der Klägerin geschilderten Rücksprachen mit den Vorgesetzten beim Prozessmanagement und bei der Schadensregulierung. Zwar könne die Erteilung von Rechtsrat fraglich sein in Fällen, in denen die Klägerin eigenverantwortlich und unabhängig selbst entscheide, ohne zuvor Rücksprache mit einem Verantwortlichen der Arbeitgeberin genommen zu haben. Die Klägerin habe insofern berichtet, dass Rücksprachen im Regelfall erst bei einem Schadensbetrag ab 50.000 € erfolgten. Sie erteile jedoch unabhängig hiervon bereits in ausreichendem Umfang Rechtsrat und nehme trotz ihrer “authority” zur Freigabe von Beträgen bis 500.000 € vielfach Rücksprache, so dass die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 Nr. 2 BRAO erfüllt seien.
5
Das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin werde durch ihre anwaltlichen Tätigkeiten i.S.v. § 46 Abs. 3 BRAO geprägt. An der tatsächlichen Ausführung der in der Tätigkeitsbeschreibung und ihrer eigenen schriftlichen Darstellung geschilderten Tätigkeiten bestünden nach Anhörung der Klägerin keine Zweifel. Danach entfalle auf den Bereich der eigentlichen Schadensbearbeitung ein Arbeitsanteil von circa 60 %. In Ergänzung mit dem Beschwerde- und Wissensmanagement liege der Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin eindeutig im anwaltlichen Bereich. Die weiteren circa 40 % entfielen auf den Bereich “wording” sowie Organisation. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin sich an Weisungen der Arbeitgeberin zu halten habe und deshalb keine fachlich unabhängige Tätigkeit i.S.v. § 46 Abs. 4 BRAO vorliege, seien angesichts der geschilderten Organisationsstruktur und -entwicklung nicht ersichtlich.
6
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
7
Die Klägerin beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 28. November 2018 zurückzuweisen.
8
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
9
Der Senat hat die Klägerin angehört und den Zeugen W.    im Wege der Videokonferenz nach § 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 102a Abs. 2 VwGO vernommen.

Entscheidungsgründe

I.
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Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
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1. Gemäß § 46a BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt auf Antrag zu erteilen, wenn die allgemeinen Zulassungsvor-aussetzungen zum Beruf des Rechtsanwalts gemäß § 4 BRAO erfüllt sind, kein Zulassungsversagungsgrund nach § 7 BRAO vorliegt und die Tätigkeit den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entspricht.
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2. Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Zulassungsantrages der Klägerin vor.
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a) Die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erfolgt tätigkeitsbezogen (§ 46a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 46b Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 BRAO; s.a. Senat, Urteil vom 29. Januar 2018 – AnwZ (Brfg) 12/17, BGHZ 217, 226 Rn. 12). Streitgegenständlich ist daher, ob die Tätigkeit der Klägerin für die M.                       zulassungsfähig ist. Unerheblich ist, dass das entsprechende Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich beendet wurde (vgl. Senat, Urteile vom 18. März 2019 – AnwZ (Brfg) 6/18, NJW 2019, 2032 Rn. 14 und vom 30. September 2019 – AnwZ (Brfg) 38/18, NJW 2019, 3644 Rn. 40). Liegen die Voraussetzungen für eine von der Rechtsanwaltskammer abgelehnte Zulassung vor, ist diese daher auch dann noch – für die dem Zulassungsantrag zugrundeliegende Tätigkeit und den betroffenen Zeitraum – zu erteilen, wenn die Verpflichtung der Rechtsanwaltskammer zur Zulassung erst im Verlauf des den Ablehnungsbescheid betreffenden Rechtsstreits rechtskräftig festgestellt wird und zu diesem Zeitpunkt die Tätigkeit, auf die sich der Zulassungsantrag bezieht, bereits beendet ist.
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b) Die Klägerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für den Zugang zur Rechtsanwaltschaft. Sie hat die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz erlangt (§ 4 BRAO). Ein Zulassungshindernis gemäß § 7 BRAO besteht nicht.
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c) Die Tätigkeit der Klägerin entsprach auch den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO.
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aa) Soweit die Klägerin nach den von ihr eingereichten Tätigkeitsbeschreibungen und ihrer Anhörung vor dem Anwaltsgerichtshof sowie dem Senat Versicherungsnehmer ihrer Arbeitgeberin in deren Eigenschaft als Haftpflichtversicherer betreute und unterstützte, war sie in Rechtsangelegenheiten ihrer Arbeitgeberin i.S.v. § 46 Abs. 5 Satz 1 BRAO tätig.
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(1) Bei dem Merkmal der Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers (§ 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 BRAO) handelt es sich um eine tatbestandliche Voraussetzung für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt. Ist der Betreffende in den Rechtsangelegenheiten der Kunden des Arbeitgebers tätig, fehlt es an der für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erforderlichen vorgenannten Voraussetzung, dass sich die Tätigkeit auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers beschränkt. Wer etwa bei den Kunden seines Arbeitgebers als externer Datenschutzbeauftragter eingesetzt oder gegenüber diesen als Rentenberater tätig wird, ist nicht in den Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers, sondern in denjenigen von dessen Kunden tätig (Senat, Urteile vom 22. Juni 2020 – AnwZ (Brfg) 23/19, NJW 2020, 2966 Rn. 22 f.; vom 2. Juli 2018 – AnwZ (Brfg) 49/17, NJW 2018, 3100 Rn. 41 ff. und vom 15. Oktober 2018 – AnwZ (Brfg) 58/17, juris Rn. 10 f.). Die rechtliche Beratung von Kunden des Arbeitgebers steht nach § 46 Abs. 5 BRAO einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt entgegen, auch wenn die Wahrnehmung von Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers die Tätigkeit des Antragstellers prägt und dieser nur vereinzelt dessen Kunden berät. Jede rechtsberatende Tätigkeit in Rechtsangelegenheiten eines Kunden des Arbeitgebers schließt unabhängig von deren Umfang grundsätzlich eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt aus (Senat, Urteil vom 22. Juni 2020, aaO Rn. 24 ff.).
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(2) Hiermit ist indes die Tätigkeit der Klägerin nicht vergleichbar.
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(a) Nach den Bekundungen der Klägerin in ihrer Anhörung durch den Senat wurden die von ihr zu bearbeitenden Schadensfälle zu etwa 80 % von Maklern und im Übrigen von den Versicherungsnehmern selbst angezeigt. Die Schadensfallbearbeitung habe rund 60 % ihrer Arbeitszeit in Anspruch genommen. Etwa die Hälfte hiervon sei auf die Prüfung des Versicherungsschutzes entfallen. Bei den vom Versicherungsschutz umfassten Fällen habe es sich überwiegend um unberechtigte, abzuwehrende Ansprüche gehandelt. Sie habe zu diesem Zweck regelmäßig gemeinsam mit den Versicherungsnehmern, den Maklern und den von den Versicherungsnehmern beauftragten Rechtsanwälten die Abwehrstrategie besprochen, etwa in Telefonkonferenzen. In der Hälfte dieser Fälle hätten die Versicherungsnehmer von Anfang an einen Rechtsanwalt mandatiert, auch in den weiteren Fällen sei häufig ein Rechtsanwalt mit der Anspruchsabwehr beauftragt worden. Die Versicherungsnehmer hätten – entsprechend dem gewährten Versicherungsschutz – einen Anspruch auf Mandatierung eines Rechtsanwalts gehabt, ihre Arbeitgeberin habe allerdings in Bezug auf die Auswahl des Rechtsanwalts grundsätzlich ein Weisungsrecht gehabt.
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Auch bei und nach Beauftragung eines Rechtsanwalts sei sie, die Klägerin, in der Fallbetreuung “eng am Ball” geblieben. Sie habe gegenüber den Rechtsanwälten darauf bestanden, sich eng mit ihr abzustimmen. Jeder Schriftsatz habe von ihr freigegeben werden müssen. Dabei sei es auch vorgekommen, dass sie eingegriffen und Änderungen verlangt habe. Sie habe jeweils die Schriftsätze der Gegenseite gesehen. Bei vielen außergerichtlichen Verhandlungen, zum Beispiel – im Falle der Geschäftsführerhaftung – mit Insolvenzverwaltern, sei sie zugegen gewesen. Ähnlich habe es sich bei der gerichtlichen Abwehr unberechtigter Ansprüche verhalten. Hier sei ebenfalls eine Abstimmung mit ihr erforderlich gewesen. Sie sei die Herrin des Verfahrens geblieben. Die Fäden seien weiterhin bei ihr zusammengelaufen.
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(b) Der Senat hält die Bekundungen der Klägerin für glaubhaft. Sie hat ihre Tätigkeit ausgesprochen detailreich, lebhaft und nachvollziehbar geschildert. Einzelne Verfahrensabläufe und ihren eigenen Verantwortungsbereich konnte sie plausibel und authentisch darstellen. Dabei vermochte die Klägerin auch aus ihrer Sicht unerwartete und sehr spezielle Fragen ohne Zögern, widerspruchsfrei und überzeugend zu beantworten. Der Senat hat keine Zweifel, dass die Bekundungen der Klägerin ihre Aufgaben und Tätigkeiten bei ihrer ehemaligen Arbeitgeberin zutreffend wiedergeben.
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(c) Auf der Grundlage dieser Bekundungen betraf die gesamte Tätigkeit der Klägerin im Bereich der Schadensfallbearbeitung Rechtsangelegenheiten ihrer Arbeitgeberin i.S.v. § 46 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 BRAO.
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(aa) Dies gilt zunächst, soweit die Klägerin nach der Meldung von Schadensfällen zu prüfen hatte, ob Versicherungsschutz bestand. Diese Prüfung betraf ohne Zweifel Rechtsangelegenheiten der Arbeitgeberin der Klägerin. Gleiches gilt, soweit sie – nach Bejahung des Versicherungsschutzes – bei berechtigten Ansprüchen gegen den Versicherungsnehmer in die Schadensregulierung eintrat.
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(bb) Aber auch, soweit die Klägerin bei bestehendem Versicherungsschutz – wie von ihr in der Anhörung vor dem Senat und dem Anwaltsgerichtshof sowie in den von ihr eingereichten Tätigkeitsbeschreibungen geschildert – Versicherungsnehmer bei der Abwehr unberechtigter Haftpflichtansprüche unterstützte, handelte sie in Rechtsangelegenheiten ihrer Arbeitgeberin.
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Dem besonderen Bereich der Haftpflichtversicherung und hier der Abwehr unberechtigter Haftpflichtansprüche gegen den Versicherungsnehmer ist es zu eigen, dass Versicherer und Versicherungsnehmer bei der Anspruchsabwehr in einem notwendig gleichgerichteten Interesse handeln. Daher lässt in dieser besonderen Fallgruppe der Umstand, dass ein Mitarbeiter des Haftpflichtversicherers Versicherungsnehmer bei der Anspruchsabwehr unterstützt, nicht den Schluss darauf zu, dass er nicht in Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers tätig wird. Denn die Unterstützung der Versicherungsnehmer erfolgt hier – aus Sicht des Versicherungsmitarbeiters – allein zu dem Zweck, die Schadensregulierung durch den Versicherer zu vermeiden. Sie erfolgt damit primär im Interesse seines Arbeitgebers (vgl. BGH, Urteil vom 3. Mai 2007 – I ZR 19/05, NJW 2007, 3570 Rn. 23 zum unmittelbar eigenen wirtschaftlichen Interesse des Versicherers, der gegenüber dem Geschädigten zu dem Rechtsverhältnis zwischen diesem und dem von ihm beauftragten Sachverständigen Stellung nimmt). Im Unterschied zu den vom Senat bisher entschiedenen Fällen handelte es sich mithin bei der Unterstützung von Versicherungsnehmern der Arbeitgeberin der Klägerin nicht vorrangig um eine Leistung, zu deren Erbringung sich die Arbeitgeberin der Klägerin zuvor verpflichtet hatte. Vielmehr diente die von der Klägerin unterstützte Anspruchsabwehr unmittelbar ihrer andernfalls einstandspflichtigen Arbeitgeberin (anders im Falle der Mitarbeiterin einer Versicherungsmaklerin, die Kunden ihrer Arbeitgeberin bei Schadensfällen berät: Senat, Beschluss vom 16. August 2019 – AnwZ (Brfg) 58/18, juris Rn. 23 ff.). Die Klägerin war mithin, auch wenn sie zu diesem Zweck Versicherungsnehmer unterstützte, in Rechtsangelegenheiten ihrer Arbeitgeberin i.S.v. § 46 Abs. 5 Satz 1 BRAO tätig.
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Die gesetzliche Beschränkung auf die Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts für seinen Arbeitgeber in dessen Rechtsangelegenheiten soll eine Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit durch das Einwirken fremder wirtschaftlicher Interessen verhindern (Fraktionsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte, BT-Drucks. 18/5201, S. 30; vgl. hierzu Senat, Urteile vom 22. Juni 2020, aaO Rn. 29 und vom 2. Juli 2018, aaO Rn. 49). Eine solche Gefährdung der anwaltlichen Unabhängigkeit war im Falle der die Versicherungsnehmer ihrer Arbeitgeberin unterstützenden Tätigkeit der Klägerin nicht gegeben. Soweit im Einzelfall ein Spannungsverhältnis zwischen dem Interesse des Versicherers an der Abwehr unberechtigter, gegen den Versicherungsnehmer geltend gemachter Ansprüche und den Interessen des Versicherungsnehmers an einer dennoch erfolgenden Schadensregulierung bestanden haben sollte, wurde die Klägerin nach den von ihr vorgelegten Tätigkeitsbeschreibungen nicht zur Regulierung solcher Schäden tätig, hinsichtlich derer keine Ansprüche gegen die Versicherungsnehmer bestanden. Vielmehr unterstützte sie die Versicherungsnehmer allein bei der Abwehr unberechtigter Ansprüche. Diese Tätigkeit lag im Interesse ihrer Arbeitgeberin, deren Einstandspflicht durch die Klägerin abgewehrt werden sollte und in deren Rechtsangelegenheiten sie dabei tätig wurde.
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Die Vertretung widerstreitender Interessen durch die Klägerin ist auch nicht erkennbar, soweit sie in Schadensfällen mit Versicherungsmaklern in Kontakt trat. Soweit Schadensfälle von Maklern an die Klägerin gemeldet wurden, begründet dies noch keine widerstreitenden Interessen in vorstehendem Sinne. Gleiches gilt für den Fall, dass die Klägerin, wenn der gemeldete Schaden seitens ihrer Arbeitgeberin zu regulieren war, den Makler hierüber informierte. Aber auch, soweit bei der Erörterung der Abwehr unberechtigter Ansprüche mit den Versicherungsnehmern und deren Rechtsanwälten Makler hinzugezogen wurden, hatte die Klägerin nicht widerstreitende Interessen zu vertreten. Vielmehr waren in derartigen Fällen das Interesse des – den Versicherungsnehmer betreuenden – Maklers und das von der Klägerin verfolgte Interesse ihrer Arbeitgeberin ebenfalls notwendig gleichgerichtet.
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(3) Da die Klägerin nach alledem auch, soweit sie Versicherungsnehmer bei der Abwehr unberechtigter Ansprüche unterstützte, in Rechtsangelegenheiten ihrer Arbeitgeberin i.S.v. § 46 Abs. 5 Satz 1 BRAO tätig war, besteht kein Grund, diesen Aufgabenbereich nicht bei der Ermittlung des Anteils der anwaltlichen Tätigkeit der Klägerin zu berücksichtigen (siehe dazu nachfolgend unter cc (1)).
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bb) Die Klägerin übte ihre Tätigkeit auch fachlich unabhängig und eigenverantwortlich aus (§ 46 Abs. 3 und 4 BRAO).
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(1) Nach der von der Klägerin mit Schreiben vom 27. April 2017 eingereichten Tätigkeitsbeschreibung (S. 4) war sie bevollmächtigt, Schadensfälle bis USD 500.000 zu regulieren beziehungsweise bis USD 250.000 Versicherungsschutz zu versagen. Im Rahmen dieser Größenordnungen sei sie bevollmächtigt, ihre Arbeitgeberin uneingeschränkt nach außen verbindlich zu vertreten und alle notwendigen Erklärungen und Rechtshandlungen vorzunehmen. Zweifel daran, dass die Klägerin, soweit sie Schadensfälle im Bereich dieser Größenordnung bearbeitete, nicht fachlich unabhängig und eigenverantwortlich handelte, werden nicht durch ihre Äußerung in ihrer Anhörung vor dem Anwaltsgerichtshof begründet, es sei im Regelfall bei einem Zahlungsbetrag ab 50.000 € eine Rücksprache mit dem Hauptbevollmächtigten W.   ihrer Arbeitgeberin erfolgt. Aufgrund der erneuten Anhörung der Klägerin und der Vernehmung des Zeugen W.   durch den Senat ist dieser davon überzeugt, dass es sich bei den von der Klägerin geschilderten Rücksprachen nicht um die Einholung von die weitere Fallbearbeitung betreffenden Weisungen in einem hierarchischen Über-/Unterordnungsverhältnis handelte, sondern um den Zeugen W.   lediglich informierende und kollegiale, die Klägerin nicht bindende Gespräche.
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Nach den Bekundungen der Klägerin war der Zeuge W.   ihr disziplinarischer und nicht ihr fachlicher Vorgesetzter. Er sei auch kein Volljurist. Sie habe keine Weisungen von ihm erhalten, wie ein Schadensfall zu bearbeiten gewesen sei. Zwar habe sie ihn über größere Schadensfälle informiert, da er als “Managing Director” die Gesamtverantwortung für die Ergebnisse der Niederlassung ihrer Arbeitgeberin getragen habe. Er habe wissen wollen, wie die Schadenabteilung stehe. Da er juristische Kenntnisse gehabt habe, sei er auch insofern gelegentlich ihr Ansprechpartner gewesen. Er habe sich jedoch in keinem Fall in ihre Arbeit eingemischt und keine einzige Deckungszusage, die sie habe erteilen wollen, abgelehnt. Oft sei er auch gar nicht am Sitz der Niederlassung anwesend, sondern unterwegs gewesen. Gespräche mit ihm hätten etwa im Zwei-Monats-Rhythmus stattgefunden. Er sei “glücklich gewesen, wenn er nichts von ihr gehört habe”.
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Diese Darstellung der Klägerin wird bestätigt durch den vom Senat vernommenen Zeugen W.  . Danach war der Zeuge als Hauptbevollmächtigter der Arbeitgeberin der Klägerin deren disziplinarischer, nicht aber ihr fachlicher Vorgesetzter. Letzterer sei der in England ansässige Herr R.      gewesen, mit dem die Klägerin Schadensfälle mit Beträgen oberhalb ihrer Vollmacht abgestimmt habe. Ihm, dem Zeugen gegenüber, habe keine Berichtspflicht bestanden. Dies habe auch keinen Sinn gemacht, da er im Unterschied zur Klägerin über keine Schadensvollmacht verfügt habe und insofern nichts habe entscheiden dürfen. Er habe die Gesamtverantwortung für die Ergebnisse getragen und daher über Schadensfälle mit Beträgen von über 50.000 € informiert werden wollen. Gelegentlich habe die Klägerin um seine Einschätzung gebeten, wie er einzelne Schadensfälle sehe. Er habe in diesen Gesprächen jedoch keine Entscheidungen zur Fallbearbeitung getroffen. Es habe im Anschluss auch kein regelmäßiges “Update” zur weiteren Entwicklung der Fälle gegeben. Weitere juristische Gespräche mit der Klägerin hätten zum Beispiel die Datenschutz-Grundverordnung betroffen. Zudem habe er ihren Rat zu einzelnen Vertragswerken eingeholt.
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Die Bekundungen der Klägerin und des Zeugen W.    sind glaubhaft. Beide haben ihre berufliche Zusammenarbeit bei der Arbeitgeberin der Klägerin übereinstimmend, authentisch und widerspruchsfrei geschildert. Dies betrifft sowohl ihre unterschiedlichen Verantwortungsbereiche als auch die Anlässe und Inhalte ihrer Gespräche. Es ist ohne weiteres nachvollziehbar, dass der Zeuge als Hauptbevollmächtigter und Träger der Gesamtverantwortung für die Ergebnisse der Niederlassung über größere Schadensfälle zu informieren war, zugleich aber angesichts der Existenz eines Fachvorgesetzten der Klägerin in England und mangels sowohl einer eigenen Schadensvollmacht als auch einer Qualifikation als Volljurist insofern keine Entscheidungen treffen durfte und auch nicht getroffen hat. Zugleich leuchtet es ein, dass die Klägerin anlässlich der dem Zeugen zu erteilenden Information und angesichts dessen juristischer Kenntnisse gelegentlich das Fachgespräch mit ihm suchte, ohne an dieses gebunden zu sein.
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Der Senat ist davon überzeugt, dass die Bekundungen der Klägerin und des Zeugen W.    ihre jeweiligen Verantwortungsbereiche und Entscheidungskompetenzen bei der ehemaligen Arbeitgeberin der Klägerin zutreffend wiedergeben. Sie stehen auch nicht in Widerspruch zu den von der Klägerin eingereichten Tätigkeitsbeschreibungen. Zwar sind vom Antragsteller eingereichte Tätigkeitsbeschreibungen im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung und der hierzu gegebenenfalls erforderlichen Beweiswürdigung von erheblicher Bedeutung. Die Bekundungen der Klägerin in ihrer Anhörung durch den Senat stehen jedoch nicht in Widerspruch zu den von ihr eingereichten Tätigkeitsbeschreibungen. Diese vermögen die Glaubhaftigkeit ihrer Bekundungen daher nicht zu beeinträchtigen.
35
(2) Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen auch nicht in Anbetracht der “Richtlinien und Anweisungen der Gesellschaft”, welche die Klägerin gemäß Ziffer 1.4 ihres Arbeitsvertrages zu beachten hat. Zwar können Regelungen, die Weisungen in Bezug auf die anwaltliche Tätigkeit des Betroffenen beinhalten, der Unabhängigkeit dieser Tätigkeit entgegenstehen (vgl. Senat, Beschluss vom 1. August 2017 – AnwZ (Brfg) 14/17, NJW 2017, 2835 Rn. 12; vgl. dagegen zu unternehmensinternen reinen Compliance-Vorschriften ohne fachlichen Bezug Senat, Beschlüsse vom 29. Januar 2019 – AnwZ (Brfg) 16/18, juris Rn. 28 und vom 12. März 2018 – AnwZ (Brfg) 15/17, juris Rn. 12). Vorliegend war eine Beeinträchtigung der fachlichen Unabhängigkeit der Tätigkeit der Klägerin durch die “Richtlinien und Anweisungen” indes ausgeschlossen, weil nach Ziffer 2.1 und 2.2 der Ergänzungsabrede vom 31. März 2016 zum Arbeitsvertrag die Klägerin keinen allgemeinen Weisungen unterlag, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierte Rechtsberatung ausschlossen, und etwaige vormalige Regelungen, die die fachliche Unabhängigkeit der Tätigkeit der Klägerin einschränkten oder ihr entgegenstanden, aufgehoben wurden. Hätten mithin die “Richtlinien und Anweisungen” fachbezogene Regelungen enthalten, die geeignet waren, die fachliche Unabhängigkeit der Tätigkeit der Klägerin zu beeinträchtigen, galten sie nach der Ergänzungsabrede nicht für die Klägerin.
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(3) Das in Ziffer 1.3 des Arbeitsvertrages vom 17./23. April 2014 bestimmte Versetzungsrecht steht der Annahme einer fachlichen Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Klägerin (vgl. § 46 Abs. 3 und 4 BRAO) ebenfalls nicht entgegen. Insofern nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine zum Versetzungsrecht in jüngerer Zeit ergangene Rechtsprechung Bezug (Beschlüsse vom 15. August 2019 – AnwZ (Brfg) 36/19, juris Rn. 22; vom 26. Juni 2019, AnwZ (Brfg) 29/19, juris Rn. 16 und vom 2. April 2019 – AnwZ (Brfg) 77/18, juris Rn. 24 sowie AnwZ (Brfg) 83/18, juris Rn. 21).
37
cc) Der Anwaltsgerichtshof hat zu Recht eine Prägung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin durch anwaltliche Tätigkeiten (§ 46 Abs. 3 BRAO) angenommen.
38
(1) Die Schadensfallbearbeitung durch die Klägerin, die 60 % ihrer Arbeitszeit in Anspruch nimmt, ist anwaltliche Tätigkeit i.S.v. § 46 Abs. 3 BRAO. Dies gilt sowohl für die Prüfung des Versicherungsschutzes als auch für die Regulierung berechtigter Ansprüche gegen Versicherungsnehmer der Arbeitgeberin der Klägerin. Auch bei den von der Klägerin in ihrer Anhörung durch den Senat – glaubhaft – geschilderten Tätigkeiten zur Abwehr unberechtigter Ansprüche handelte es sich ohne Zweifel um anwaltliche Tätigkeiten i.S.v. § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO.
39
(2) Der Beklagten ist einzuräumen, dass die Bemerkung in dem angefochtenen Urteil (S. 15), die weiteren 40 % der Tätigkeit der Klägerin fielen auf den Bereich “wording” sowie Organisation (Statistik, Teamleitung etc.) keine eindeutige Zuordnung dieser Tätigkeiten zum anwaltlichen oder nichtanwaltlichen Bereich durch den Anwaltsgerichtshof erkennen lassen. Indes kann eine solche Zuordnung aufgrund der glaubhaften Bekundungen der Klägerin vor dem Anwaltsgerichtshof und dem Senat sowie der von ihr eingereichten Tätigkeitsbeschreibungen erfolgen.
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(a) Danach waren die organisatorischen Tätigkeiten der Klägerin nichtanwaltlicher Natur. Sie nahmen nach den Angaben in der mit Schreiben vom 27. April 2017 eingereichten Tätigkeitsbeschreibung 20 % ihrer Arbeitskraft in Anspruch. Der Schwerpunkt der Aufgaben der Klägerin hat sich im Verlauf ihres Arbeitsverhältnisses auch nicht von einer anwaltlich sachbearbeitenden zu einer organisatorischen Tätigkeit verschoben. Nach den Angaben der Klägerin in ihrer Anhörung durch den Senat war seit Beginn ihrer Tätigkeit seitens der Schadenabteilung ihrer Arbeitgeberin eine wachsende Anzahl von Schadensfällen zu bearbeiten und wurden neue juristische Mitarbeiter eingestellt. Ausweislich der mit Schreiben vom 27. April 2017 eingereichten Tätigkeitsbeschreibung der Klägerin war ihr zu diesem Zeitpunkt nur eine weitere Juristin unterstellt. Die Klägerin hat bekundet, es seien im Verlauf ihrer Tätigkeit weitere juristische Mitarbeiter angestellt worden, deren Vorgesetzte sie gewesen sei. Sie habe diese Mitarbeiter angelernt und an die zu erledigenden Aufgaben herangeführt, etwa mittels Prüfungsschemata oder kurzer Besprechungen aus Anlass von konkreten Einzelfällen. Insgesamt habe die Begleitung der neuen Kollegen nur einen geringen Anteil ihrer Arbeitszeit in Anspruch genommen. Der Zeuge W.   hat bekundet, es hätten in der Schadenabteilung insgesamt drei Juristen gearbeitet, die Klägerin und zwei ihr unterstellte Juristen.
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Auf der Grundlage dieser – glaubhaften – Bekundungen der Klägerin und des Zeugen W.   kann nicht angenommen werden, dass sich die Tätigkeit der Klägerin von einer anwaltlich sachbearbeitenden zu einer nichtanwaltlich organisatorischen Tätigkeit verschoben hat. Vielmehr ergibt sich aus ihren Angaben sowie der Aussage des Zeugen W.  , dass ihre Arbeit auch später noch der Darstellung der von ihr eingereichten Tätigkeitsbeschreibungen entsprach und im Hinblick auf die Leitung der Schadenabteilung nur wenige organisatorische Elemente umfasste.
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(b) Weitere bis zu 20 % entfielen auf die von der Klägerin in der mündlichen Anhörung vor dem Senat und dem Anwaltsgerichtshof genannten Tätigkeiten des “wordings” und des Beschwerdemanagements. Bei dem “wording” handelte es sich nach den Angaben der Klägerin und der mit Schreiben vom 27. April 2017 eingereichten Tätigkeitsbeschreibung um die Prüfung der Versicherbarkeit einzelner Risiken und die Beratung bei der Gestaltung von Versicherungsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf die Vereinbarkeit der Bedingungen mit dem Versicherungsvertragsgesetz und der Rechtsprechung. Das ist fraglos anwaltliche Tätigkeit. Die Klägerin hat in ihrer Anhörung durch den Senat glaubhaft bekundet, anfangs hätten Versicherungsbedingungen völlig neu entworfen, später an Änderungen der Rechtslage und der Marktbedingungen angepasst werden müssen. Hierfür sei ein eigenes Team zuständig gewesen, dass sich mit ihr, der Klägerin, abzustimmen gehabt habe, da sie (anfangs) die einzige Juristin gewesen sei. Diese Tätigkeit habe etwas mehr als einen halben Arbeitstag pro Woche in Anspruch genommen, etwa 15 % ihrer Arbeitszeit.
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Hinzu kommt als anwaltliche Tätigkeit zumindest teilweise noch das Beschwerdemanagement, das nach den glaubhaften Bekundungen der Klägerin in ihrer Anhörung durch den Senat auch die Bearbeitung juristischer Fragestellungen bei Beschwerden – insbesondere bei Einbeziehung des Bundesamtes für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) – betraf, jedoch nur einen geringen Teil ihrer Arbeitskraft, etwa 5 %, in Anspruch nahm.
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(3) Unter Berücksichtigung von anwaltlicher Schadensfallbearbeitung, “wording” und Beschwerdemanagement ergibt sich somit ein Anteil der anwaltlichen Tätigkeit der Klägerin an ihrer Gesamttätigkeit von 75 bis 80 %. Dies begründet einen eindeutigen anwaltlichen Schwerpunkt ihrer Tätigkeit, der ihr Arbeitsverhältnis i.S.v. § 46 Abs. 3 BRAO prägte (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 30. September 2019 – AnwZ (Brfg) 63/17, NJW 2019, 3649 Rn. 18: Anteil von 65 % anwaltlicher Tätigkeit am unteren Rand des für eine anwaltliche Prägung des Arbeitsverhältnisses Erforderlichen; vgl. ferner Senat, Urteile vom 14. Januar 2019 – AnwZ (Brfg) 25/18, NJW 2019, 927 Rn. 27 und vom 15. Oktober 2018 – AnwZ (Brfg) 20/18, NJW 2018, 3701 Rn. 82; Beschluss vom 16. Mai 2019 – AnwZ (Brfg) 35/17, juris Rn. 9).
45
(4) Die weitere von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob es neben einer quantitativen auch einer qualitativen Gewichtung der anwaltlichen Tätigkeit bedarf, ist, wie der Senat bereits entschieden hat, auf der Grundlage der Gesetzesbegründung eindeutig zu bejahen (Senat, Beschlüsse vom 2. April 2019, aaO Rn. 27 (AnwZ (Brfg) 77/18) bzw. Rn. 24 (AnwZ (Brfg) 83/18)). Dabei ist zu beachten, dass die anwaltliche Tätigkeit grundsätzlich keine geringwertige Tätigkeit darstellt, sondern eher im Gegenteil eine hochwertige. Ist das Arbeitsverhältnis bereits quantitativ von der anwaltlichen Tätigkeit geprägt, kann für die qualitative Prägung regelmäßig nichts Anderes gelten (Senat, Urteil vom 14. Januar 2019, aaO Rn. 32; Beschlüsse vom 15. August 2019, aaO Rn. 20 und vom 2. April 2019, aaO Rn. 16 (AnwZ (Brfg) 77/18) bzw. Rn. 13 (AnwZ (Brfg) 83/18)). Das schließt jedoch eine abschließende Gesamtbewertung der Prägung i.S.v. § 46 Abs. 3 BRAO nicht aus. Im Fall der Klägerin führt eine solche Gesamtbewertung indes zu keiner abweichenden Beurteilung. Vielmehr hat der Senat auch in diesem Rahmen auf der Grundlage der glaubhaften Darstellung der Klägerin die Überzeugung gewonnen, dass der Schwerpunkt ihrer Tätigkeiten eindeutig anwaltlicher Natur war.
II.
46
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 2 BRAO.
Limperg     
        
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