Arbeitsrecht

Zum Erlöschen der Geltungsdauer eines Zulassungsscheins

Aktenzeichen  M 21 K 14.4998

Datum:
3.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SVG SVG § 9 Abs. 2, Abs. 6, § 10, § 12 Abs. 2, Abs. 5, § 98
VwGO VwGO § 88, § 113 Abs. 5 S. 1
BfFEntwG BfFEntwG Art. 1 Nr. 20f, Nr. 27d

 

Leitsatz

1 Bei den auf eine Befristung der Rechte aus einem Zulassungsschein hinauslaufenden Gesetzesänderungen ist keine echte Rückwirkung gegeben.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Zulassungsschein ist eine Versorgungsleistung, welche erkennbar den Übergang vom militärischen Dienst in ein ziviles Beschäftigungsverhältnis erleichtern soll.  (redaktioneller Leitsatz)
3 Dieser Zweck erfordert es im Allgemeinen nicht, für die Dauer eines ganzen Berufslebens zugunsten eines Berechtigten als Rückversicherung aufrechterhalten zu werden.  (redaktioneller Leitsatz)
4 Ein ehemaliger Soldat auf Zeit, dem aus seinem früheren Dienstverhältnis nach der früheren Rechtslage lediglich die Möglichkeit verblieben ist, durch die Rückgabe des Zulassungsscheins einen Anspruch auf die Auszahlung weiterer Übergangsbeihilfe auszulösen, ist kein Versorgungsempfänger im Sinne des § 98 Abs. 1 S. 1 SVG.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht kann mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 7. Oktober 2013 und dessen Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2014 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm bei interessengerechter Auslegung des Klagevorbringens (§ 88 VwGO) begehrte restliche Auszahlung von Übergangsbeihilfe.
Mit Art. 1 Nr. 20 f) des am 1. Juni 2005 in Kraft getretenen Berufsförderungsfortentwicklungsgesetzes (BfFEntwG) vom 4. Mai 2005 (BGBl. I S. 1234) wurde § 9 SVG u.a. ein neuer Abs. 6 angefügt, nach dessen Satz 1 das Recht aus einem bis dahin unbefristet gültigen Zulassungsschein nunmehr nach Ablauf von acht Jahren nach Erteilung des Scheins erlischt. Gleichzeitig wurde mit Art. 1 Nr. 27 d) BfFEntwG § 12 Abs. 5 Satz 1 SVG dahin neu gefasst, dass Inhaber des Zulassungsscheins (wie bisher) innerhalb eines Zeitraums von acht Jahren nach Erteilung des Zulassungsscheins unter dessen Rückgabe die Übergangsbeihilfe nach § 12 Abs. 2 SVG wählen können, es sei denn, dass das Recht aus dem Zulassungsschein im Sinne des § 9 Abs. 6 SVG erloschen ist.
Diese Vorschriften haben im vorliegenden Fall nach zutreffender Auffassung der Beklagten die Wirkung gehabt, dass mit Ablauf des 31. Mai 2013 sowohl der dem Kläger erteilte Zulassungsschein, als auch die Möglichkeit der Ausübung des Wahlrechts auf Auszahlung der (restlichen) Übergangsbeihilfe gegen Rückgabe des Zulassungsscheins erloschen sind.
In den auf eine Befristung der Rechte aus einem Zulassungsschein hinauslaufenden Gesetzesänderungen liegt entgegen der Auffassung des Klägers kein Verstoß gegen Verfassungsrecht.
Eine – im Regelfall verfassungsrechtlich unzulässige – (echte) Rückwirkung in Form der Rückerstreckung des zeitlichen Anwendungsbereichs einer Norm liegt bei § 9 Abs. 6, § 12 Abs. 5 SVG in der geltenden Fassung nicht vor. Der zeitliche Anwendungsbereich der Vorschriften bleibt auf die Zukunft begrenzt. Sie greifen nicht ändernd in die Rechtslage ein, die vor ihrer Verkündung für ehemalige Soldaten hinsichtlich der Ausübung des Wahlrechts auf Auszahlung der vollen Übergangsbeihilfe gegen Rückgabe des Zulassungsscheins galt. Ein abgeschlossener Vorgang läge insoweit erst dann vor, wenn das Recht aus einem Zulassungsschein nach der alten Rechtslage ausgeübt und der dadurch entstandene Anspruch auf Auszahlung weiterer Übergangsbeihilfe nachträglich beseitigt worden wäre (vgl. OVG RP, B.v. 16.9.2015 – 10 A 10387/15.OVG -). § 9 Abs. 6, § 12 Abs. 5 SVG wirken dagegen vorliegend ausschließlich befristend auf den ursprünglich unbegrenzten Fortbestand des Wahlrechts auf Ausübung des Anspruchs auf Übergangsbeihilfe ein. Die Regelungen wirken somit – aus der Perspektive zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens – auf gegenwärtig noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft ein.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, B.v. 30.9.1987 – 2 BvR 933/82 – juris) ist zur Bestimmung der verfassungsrechtlichen Grenze für eine Regelung mit tatbestandlicher Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung) das Vertrauen des einzelnen auf den Fortbestand der geänderten gesetzlichen Regelung unter besonderer Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit des beeinträchtigten Besitzstandes, Art und Schwere des Eingriffs und Ausmaß des Vertrauensschadens abzuwägen mit der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das allgemeine Wohl. Die rückanknüpfende Regelung ist dabei mit der Verfassung vereinbar, wenn das Vertrauen in den Fortbestand der bisherigen günstigen Rechtslage nicht generell schutzwürdiger erscheint als das öffentliche Interesse an einer Änderung (BVerfG, a.a.O.). Der verfassungsrechtlich verbürgte Vertrauensschutz gebietet nicht, den von einer bestimmten Rechtslage Begünstigten vor jeglicher Enttäuschung seiner Hoffnungen oder Erwartungen betreffend die Dauerhaftigkeit der bestehenden Rechtslage zu bewahren. Andererseits darf der Bürger dem ordnungsgemäß gesetzten Recht Vertrauen entgegenbringen; er muss in der Lage sein, auf längere Zeit zu planen und zu disponieren. Ob Vertrauensschutz zu gewähren ist, richtet sich deshalb auch danach, inwieweit eine Gesetzesänderung vorhersehbar war. Dabei kommt es für die Frage, ob er mit einer Änderung der Rechtslage rechnen musste, nicht auf seine subjektive Vorstellung und individuelle Situation, sondern darauf an, ob die bisherige Regelung bei objektiver Betrachtung geeignet war, ein Vertrauen der Betroffenen auf ihren Fortbestand zu begründen (vgl. zu all dem BVerfG, a.a.O., m.w.N.)
Die hier betroffenen Regelungen genügen den vorgenannten Anforderungen an die Zulässigkeit unechter Rückwirkungen (ebenso OVG RP, B.v. 16.9.2015 – 10 A 10387/15.OVG -; vgl. auch BayVGH, U.v. 17.6.2010 – 14 B 09.1274 – juris). Der Zulassungsschein ist eine Versorgungsleistung, welche erkennbar den Übergang vom militärischen Dienst in ein ziviles Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst erleichtern soll. Dieser Zweck erfordert es, wie sich im Übrigen schon aus dem Wortteil „Übergang“ folgern lässt, im Allgemeinen nicht, für die Dauer eines ganzen Berufslebens, also auch über Jahrzehnte hinweg, zugunsten eines Berechtigten als Rückversicherung aufrechterhalten zu werden. Es ist zumutbar, sie zeitlich auf die hier nach dem Ermessen des Gesetzgebers als ausreichend erachtete Dauer von acht Jahren zu befristen. Dem ehemaligen Soldaten steht damit genügend Zeit für seine Dispositionen zur Verfügung, wie er seinen Übergang in ein Beschäftigungsverhältnis als Beamter oder Angestellter im öffentlichen Dienst gestalten will. Noch weniger ist ein Bedürfnis dafür zu erkennen, auch den bei endgültiger Nichtverwendung des Zulassungsscheins wieder auflebenden Geldleistungsanspruch auf die volle Übergangsbeihilfe – hier im Wert von 4.788,61 € (vgl. Bl. 14 der Gerichtsakte.) – auf unbestimmte Zeit zu erhalten. Der Gesetzgeber durfte insoweit davon ausgehen, dass sich nach Ablauf eines mindestens achtjährigen Zeitraums das Bedürfnis zur Gewährung einer Übergangsbeihilfe endgültig erledigt haben werde. Der Übergangsbeihilfe soll nicht die Funktion einer zweckfrei auf Lebenszeit bereitgestellten stillen Reserve zur Bewältigung später eintretender Lebensrisiken zukommen. Daraus folgt abschließend, dass gegen die Regelung, die Geltungsdauer von Zulassungsscheinen auch nachträglich zu befristen, weil sie in ihrer Gesamtheit ein dem öffentlichen Wohl zuwiderlaufendes latentes Haushaltsrisiko sowie das Risiko einer zweckwidrigen Verwendung öffentlicher Mittel bergen, keine verfassungsrechtlichen Bedenken zu erheben sind.
Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf § 98 Abs. 1 Satz 1 SVG berufen. Nach Halbs. 1 dieser Übergangsvorschrift regeln sich die Rechtsverhältnisse der bei Inkrafttreten des BfFEntwG vorhandenen Versorgungsempfänger nach dem bisherigen Recht, wenn dies für den Versorgungsempfänger günstiger ist.
Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz ist ein ehemaliger Soldat auf Zeit, dem aus seinem Dienstverhältnis nach der früheren Rechtslage lediglich die Möglichkeit verblieben ist, durch die Rückgabe des Zulassungsscheins einen Anspruch auf die Auszahlung weiterer Übergangsbeihilfe auszulösen, kein Versorgungsempfänger im Sinne des § 98 Abs. 1 Satz 1 SVG (vgl. OVG RP, B.v. 16.9.2015 – 10 A 10387/15.OVG -). Nach der gegenteiligen Ansicht des Verwaltungsgerichts Düsseldorf gilt die Frist von acht Jahren zur Auszahlung der restlichen Übergangsbeihilfe gegen Rückgabe des Zulassungsscheins gemäß § 12 Abs. 5 SVG nicht für vor dem Inkrafttreten des BfFEntwG ausgegebene Zulassungsscheine und ist der Inhaber eines solchen Zulassungsscheins aufgrund des bedingten Geldleistungsanspruchs als Versorgungsempfänger im Sinne der Übergangsvorschrift des § 98 Abs. 1 Satz 1 SVG anzusehen (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 27.1.2016 – 13 K 3343/15 – juris).
Die Gesetzesbegründung gibt zu dieser Fragestellung außer dem Hinweis auf die allgemeine Bedeutung einer Besitzstandsklausel nichts her (vgl. BT-Drucks. 15/4639, S. 20). Das Gericht schließt sich der oberverwaltungsgerichtlichen Auffassung an. Für ihre Richtigkeit spricht insbesondere, dass nur derjenige Personenkreis als Versorgungsempfänger im Sinne des § 98 Abs. 1 Satz 1 SVG gemeint sein wird, dessen (zumeist laufende) Versorgungsbezüge einer Besitzstandswahrung bedürfen, weil sie als statusabhängige Alimentationsleistungen mit existenzsichernder Funktion nach Art. 33 Abs. 5 GG unter grundrechtsgleichem Schutz vor Kürzungen und Veränderungen stehen (vgl. BVerfG, B.v. 30.9.1987, a.a.O., Leitsätze 1 und 4 sowie juris-Orientierungssätze 1 und 2). Derartigen Schutz genießen aber einfachgesetzlich begründete Versorgungsleistungen, zu denen auch die vorliegend streitige Übergangsbeihilfe nach § 12 Abs. 1 SVG gehört, grundsätzlich nicht (vgl. nur BVerfG, U.v. 17.1.2012 – 2 BvL 4/09 – juris zur Beschneidung der jährlichen Sonderzahlung der Beamten der D. T. AG). Derartige Leistungen können vom Gesetzgeber – auch gerade deshalb unter Anordnung einer unechten Rückwirkung, weil sie auf einfachem Gesetzesrecht beruhen – verändert und gekürzt werden, ohne dass verfassungsrechtlich ein Besitzstand zu wahren wäre. Dann können aber Inhaber solcher Leistungsansprüche keine Versorgungsempfänger im Sinne des § 98 Abs. 1 Satz 1 SVG sein.
Nach all dem war die Klage abzuweisen.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 Sätze 1 und 2 ZPO.


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