Arbeitsrecht

Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung

Aktenzeichen  M 20 P 18.3622

Datum:
16.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 31759
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BPersVG § 9 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, § 107 S. 2

 

Leitsatz

1. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung kann dem Arbeitgeber dann nicht zugemutet werden, wenn der Arbeitgeber dem Auszubildenden zum Zeitpunkt der Beendigung seiner Ausbildung keinen auf Dauer angelegten Arbeitsplatz bereitstellen kann, der seiner Ausbildung entspricht und ihn sowohl hinsichtlich der rechtlichen Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses als auch hinsichtlich der Vergütung und der beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten einem Beschäftigten gleichstellt, der vom Arbeitgeber für vergleichbare Tätigkeiten ausgewählt und eingestellt worden ist. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Arbeitgeber ist nicht gehalten, betriebliche oder finanzielle Vorkehrungen zu treffen, um Mitgliedern der Jugend- und Auszubildendenvertretung, die ihre Ausbildung beendet haben, auf deren Verlangen einen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Das zwischen dem Freistaat Bayern und dem Beteiligten zu 1) unbefristet begründete Arbeitsverhältnis ist aufgelöst.

Gründe

I.
Der Beteiligte zu 1) hat am … Juli 2018 an der … seine Ausbildung zum Chemielaboranten beendet. Seit dem … September 2017 war er Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Der Antragsteller hat dem Beteiligten zu 1) mit Schreiben vom … April 2018 mitgeteilt, dass keine Möglichkeit bestehe, ihn nach der Prüfung in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen. Der Beteiligte zu 1) hat am … Mai 2018 seine Übernahme in ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis verlangt.
Der Antragsteller hat dem Beteiligten zu 1) mit Schreiben vom … Mai 2018 angeboten, ihn für sechs Monate nach seiner Ausbildung weiter zu beschäftigen. Mit E-Mail vom … Juni 2018 teilte der Beteiligte zu 1) mit, dass er weiter auf einen unbefristeten Vertrag bestehe.
Mit E-Mail vom … Juni 2018 und … Juli 2018 wurden alle Einrichtungen der … angeschrieben, ob eine unbefristete Stelle angeboten werden könne, was von allen verneint wurde.
Der Antragsteller hat am … Juli 2018 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München beantragt, das Arbeitsverhältnis aufzulösen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 1) sei unzumutbar, denn zum … Juli 2018 seien keine freien besetzbaren und unbefristeten Vollzeitstellen, die der Ausbildung des Beteiligten zu 1) entsprächen, vorhanden.
Mit Schreiben vom … August 2018 und … September 2018 teilte der Beteiligte zu 2) mit, dass keine adäquaten Stellen für den Beteiligten zu 1) vorhanden seien. Es gebe keine Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung mehr.
Das Gericht hat die Beteiligten am … Oktober 2018 angehört.
Der Antragsteller stellt den Antrag,
das zwischen dem Freistaat Bayern und dem Beteiligten zu 1) unbefristet begründete Arbeitsverhältnis ist aufgelöst.
Der Beteiligte zu 1) stellt den Antrag,
den Antrag abzulehnen.
Der Beteiligte zu 2) stellt keinen Antrag.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der form- und fristgerechte Antrag des Arbeitgebers führt zur Auflösung des gesetzlich begründeten Arbeitsverhältnisses (§ 107 Satz 2, § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPersVG).
Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Auflösungsvertrag besteht im Anschluss an das Berufsausbildungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Beteiligten zu 1) und dem Arbeitgeber. Der Beteiligte zu 1) hat fristgerecht verlangt, weiterbeschäftigt zu werden.
Die Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 1) kann aber dem Antragsteller unter Berücksichtigung aller Umstände nicht zugemutet werden. Ein ausbildungsgerechter besetzbarer Vollzeitarbeitsplatz für eine unbefristete Weiterbeschäftigung ist unstreitig nicht vorhanden. Nach der Rechtsprechung und der Literatur kann die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses insbesondere dann nicht zugemutet werden, wenn der Arbeitgeber dem Auszubildenden zum Zeitpunkt der Beendigung seiner Ausbildung keinen auf Dauer angelegten Arbeitsplatz bereitstellen kann, der seiner Ausbildung entspricht und ihn sowohl hinsichtlich der rechtlichen Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses als auch hinsichtlich der Vergütung und der beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten einem Beschäftigten gleichstellt, der vom Arbeitgeber für vergleichbare Tätigkeiten ausgewählt und eingestellt worden ist. Der Arbeitgeber ist nicht gehalten, betriebliche oder finanzielle Vorkehrungen zu treffen, um Mitgliedern der Jugend- und Auszubildendenvertretung, die ihre Ausbildung beendet haben, auf deren Verlangen einen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen.
Der Beteiligte zu 1) hat eine dauerhafte Vollzeitstelle als Chemielaborant gefordert. Eine solche war zum maßgeblichen Zeitpunkt am … Juli 2018 nicht vorhanden.
Dem Antragsteller ist es daher nicht zumutbar, den Beteiligten zu 1) weiter zu beschäftigen.
Das Arbeitsverhältnis war daher aufzulösen (§ 107 Satz 2, § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPersVG).
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.


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