Arbeitsrecht

Zur Berechnung der „Kosten der Prozessführung“ im Sinn von § 115 Abs. 4 ZPO

Aktenzeichen  22 C 18.2625

Datum:
25.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 1027
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 115 Abs. 4, § 121, § 123, § 127 Abs. 1 S. 3
VwGO § 166 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Als „Kosten der Prozessführung“ iSv § 115 Abs. 4 ZPO sind die voraussichtlich anfallenden Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten desjenigen Beteiligten anzusetzen, der die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt; die Aufwendungen für einen anwaltlichen Bevollmächtigten gehören dann dazu, wenn diesem Beteiligten bei einer Stattgabe des Gesuchs gem. § 121 ZPO ein Rechtsanwalt beizuordnen wäre. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2 Nicht in die nach § 115 Abs. 4 ZPO durchzuführende Vergleichsberechnung Eingang zu finden hat demgegenüber die für den Unterliegensfall zu gewärtigende Belastung mit den außergerichtlichen Kosten der anderen Verfahrensbeteiligten, da diese Kostenmasse gem. § 123 ZPO auch von einer etwaigen Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht umfasst würde. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Kosten einer Beweisaufnahme sind im Rahmen der gem. § 115 Abs. 4 ZPO anzustellenden Berechnung nur zu berücksichtigen, wenn das Gericht derartige Maßnahmen bereits durchgeführt oder sie zumindest angeordnet hat. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 16 K 16.5764 2018-11-22 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe

Die zulässige Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren im ersten Rechtszug war zurückzuweisen, da sich aus den vom Kläger während des Beschwerdeverfahrens nachgereichten Erklärungen und Unterlagen über seine wirtschaftlichen Verhältnisse ergibt, dass die Kosten der Prozessführung die Summe von vier aus seinem Einkommen festzusetzenden Monatsraten und der aus seinem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen werden (§ 115 Abs. 4 ZPO i.V.m. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Das Berichterstatterschreiben vom 28. Dezember 2018, mit dem der Kläger zu einer Vervollständigung der Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und zur Glaubhaftmachung seiner Angaben durch die Vorlage einschlägiger Nachweise aufgefordert wurde, wurde den übrigen Beteiligten in Anwendung des in § 127 Abs. 1 Satz 3 ZPO zum Ausdruck gelangenden Rechtsgedankens nicht zur Kenntnis gebracht. Die gleichzeitige Anfrage des Gerichts, ob der Kläger – wie in dieser Vorschrift vorgesehen – einer Zuleitung des Schreibens vom 28. Dezember 2018 sowie der daraufhin eingereichten Unterlagen und Erklärungen an die anderen Verfahrensbeteiligten zustimmt, blieb unbeantwortet, so dass von der Verweigerung eines solchen Einverständnisses auszugehen ist. Der Vertretungsbehörde des Beklagten und dem Bevollmächtigten des Beigeladenen werden zusammen mit diesem Beschluss deshalb nur das Antwortschreiben der Klagebevollmächtigten vom 21. Januar 2019 sowie die an dessen Ende erwähnte Bestätigung eines Kampfsportzentrums vom 27. Januar 2017 übersandt. Um diesen Beteiligten nicht gemäß § 127 Abs. 1 Satz 3 ZPO die gesamten Gründe der Beschwerdeentscheidung vorenthalten zu müssen, hat der Senat die Ergebnisse der Berechnung, aus der sich die Höhe des vom Kläger einzusetzenden Einkommens und Vermögens sowie die in seinem Fall anzunehmende Ratenhöhe ergibt, in einem Vermerk niedergelegt, der – ebenso wie die als Anlagen zum Schreiben vom 21. Januar 2019 übersandten, nicht zur Kenntnis der übrigen Verfahrensbeteiligten bestimmten Unterlagen – zur Beiakte „Prozesskostenhilfe“ des Verwaltungsgerichtshofs genommen und zusammen mit diesem Beschluss lediglich der Klagepartei zugeleitet werden wird.
Als „Kosten der Prozessführung“ im Sinn von § 115 Abs. 4 ZPO sind zutreffender Auffassung zufolge (OLG Celle, B.v. 13.1.2012 – 10 WF 8/12 – juris Rn. 15 – 17; OLG Hamm, B.v. 25.10.2013 – II-2 WF 199/13, 2 WF 199/13 – juris Rn. 10; Wache in MK zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 115 Rn. 51) die voraussichtlich anfallenden Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten desjenigen Beteiligten anzusetzen, der die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Die Aufwendungen für einen anwaltlichen Bevollmächtigten gehören dann dazu, wenn diesem Beteiligten bei einer Stattgabe des Gesuchs gemäß § 121 ZPO ein Rechtsanwalt beizuordnen wäre (OLG Celle, B.v. 13.1.2012 – 10 WF 8/12 – juris Rn. 17). Diese Voraussetzung ist hier zu bejahen, da angesichts der durch die vorliegende Konkurrentenverdrängungsklage aufgeworfenen, nicht einfach zu beantwortenden Fragen sowie wegen der Bedeutung der Sache für den Kläger die Vertretung durch einen Rechtsanwalt gemäß § 121 Abs. 2 ZPO erforderlich erscheint. Nicht in die nach § 115 Abs. 4 ZPO durchzuführende Vergleichsberechnung Eingang zu finden hat demgegenüber die für den Unterliegensfall zu gewärtigende Belastung mit den außergerichtlichen Kosten der anderen Verfahrensbeteiligten, da diese Kostenmasse gemäß § 123 ZPO auch von einer etwaigen Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht umfasst würde (so auch OLG Karlsruhe, B.v. 28.9.1987 – 16 WF 96/87 – juris Rn. 9). Der gegenläufigen Auffassung von Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann (ZPO, 77. Aufl. 2019, § 115 Rn. 70) kann vor diesem Hintergrund nicht gefolgt werden.
Das Verwaltungsgericht ging in seinem am 22. Dezember 2016 gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG erlassenen Beschluss zutreffend davon aus, dass der Streitwert des Klageverfahrens voraussichtlich auf 15.000 € festzusetzen sein wird (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2011 – 22 B 11.1139 – juris Rn. 63; B.v. 22.4.2013 – 22 BV 12.1722 – juris Rn. 59; B.v. 22.4.2013 – 22 BV 12.1728 – juris Rn. 60; B.v. 22.4.2013 – 22 BV 12.1729 – juris Rn. 58; B.v. 21.5.2013 – 22 BV 12.1739 – juris Rn. 55). Die drei nach der Nummer 5110 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz anfallenden Gerichtsgebühren betragen auf der Grundlage dieses Streitwerts insgesamt 879 €. Die 1,3-fache Verfahrensgebühr und die 1,2-fache Terminsgebühr, die der anwaltlichen Bevollmächtigten des Klägers voraussichtlich zustehen werden, belaufen sich danach zusammen auf netto 1.625 €; unter Hinzurechnung der hierauf entfallenden Umsatzsteuer ergibt sich ein Betrag von 1.933,75 €. Bei Mitberücksichtigung anfallender Auslagen (insbesondere der Pauschale nach der Nummer 7002 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz erscheint es sachgerecht, von einem voraussichtlichen gesetzlichen Vergütungsanspruch der Klagebevollmächtigten in Höhe von ca. 2.000 € auszugehen. Die nach alledem zu gewärtigenden „Kosten der Prozessführung“ des Klägers im Sinn von § 115 Abs. 4 ZPO von zusammen etwa 2.879 € bleiben weit hinter dem aus dem vorerwähnten Vermerk ersichtlichen Betrag zurück, der sich als die Summe von vier Monatsraten und dem aus dem Vermögen des Klägers aufzubringenden Anteil ergibt.
Der Verwaltungsgerichtshof verkennt hierbei nicht, dass sich die Kosten der Prozessführung für den Kläger im Fall seines Unterliegens dann erhöhen könnten, wenn im anhängigen Klageverfahren gerichtliche Gutachten über seinen Gesundheitszustand sowie darüber einzuholen sein sollten, wie sich in seiner Person im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt ggf. bestehende gesundheitliche Restriktionen auf seine Eignung auswirken, die Aufgaben eines bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers ordnungsgemäß wahrzunehmen. Die Kosten einer Beweisaufnahme sind im Rahmen der gemäß § 115 Abs. 4 ZPO anzustellenden Berechnung jedoch nur zu berücksichtigen, wenn das Gericht – was vorliegend nicht der Fall ist – derartige Maßnahmen bereits durchgeführt oder sie zumindest angeordnet hat (Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 39. Aufl. 2018, § 115 Rn. 24). Zudem ist die Differenz zwischen den beiden Beträgen, die sich im Rahmen dieser Vergleichsberechnung derzeit ergeben, so erheblich, dass es als nicht fernliegend erscheint, der sich aus § 115 Abs. 4 ZPO ergebende Versagungsgrund könnte selbst dann noch eingreifen, wenn in die gerichtlichen Auslagen gemäß der Nummer 9005 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz Aufwendungen für eingeholte Gutachten eingehen sollten. Vor allem aber hätte eine sich abzeichnende Erhöhung der Gerichtskosten auf einen Betrag, angesichts dessen die Sperre des § 115 Abs. 4 ZPO nicht mehr eingreift, zur Folge, dass der Kläger wegen nachträglich veränderter Umstände erneut die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragen kann (Wache in MK zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 115 Rn. 51 und § 127 Rn. 12; Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 115 Rn. 77).
Der Kostenausspruch beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren gemäß § 127 Abs. 4 ZPO ungeachtet des Umstands nicht für erstattungsfähig zu erklären, dass er im Beschwerdeverfahren einen Antrag gestellt hat.
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da bei der Zurückweisung einer Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe lediglich die Festbetragsgebühr nach der Nummer 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz anfällt.


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