Arbeitsrecht

Zur Berechnung des Annahmeverzugslohns bei Vereinbarung einer sog. Superprovision

Aktenzeichen  7 Sa 461/16

Datum:
21.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 148022
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB §§ 293 ff., § 611, § 612, § 614, § 615
HGB § 87c
ZPO § 254, § 287

 

Leitsatz

Ist zwischen den Parteien eine Superprovision vereinbart (Provision auf der Basis des von den unterstellten Mitarbeitern erzielten Umsatzes), bemisst sich diese für die Berechnung des Annahmeverzugslohns nicht nach dem Durchschnittsverdienst in der Vergangenheit. Vielmehr ist maßgebend der von den Mitarbeitern erzielte tatsächliche Umsatz. Kennt der gekündigte Arbeitnehmer diesen nicht, hat er einen entsprechenden Auskunftsanspruch (§ 87c HGB), den er, gegebenenfalls in einer Stufenklage, zunächst geltend machen muss. (Rn. 38 – 42)

Verfahrensgang

12 Ca 1345/16 2016-09-02 Endurteil ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 02.09.2016 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, § 64 Absatz 1 und 2 b) ArbGG, sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Absatz 1 ArbGG.
Die Berufung ist unbegründet.
Das Erstgericht hat die Klage hinsichtlich der geltend gemachten Provisionsansprüche zu Recht abgelehnt.
Die Klage ist insoweit unschlüssig.
Bezüglich des Zeitraums 01.02.2015 bis 08.03.2015 kann sich ein Vergütungsanspruch nur aus den §§ 611, 612, 614 BGB iVm § 5 des Anstellungsvertrags vom 01.07.2012, § 4 der Zusatzvereinbarung vom 01.03.2014 und § 3 der Zusatzvereinbarung vom 30.04.2014 ergeben.
Der Kläger hat in dieser Zeit unstreitig gearbeitet. Ihm stehen daher die vertragsgemäßen Ansprüche auf eine Superprovision zu, soweit diese ins Verdienen gebracht wurden. Dabei kommt es auf die tatsächlich erzielten Umsätze der dem Kläger unterstellten Telefonakquisiteure an.
Darüber hinaus sind zwar Provisionsansprüche aus eigener Akquisition des Klägers denkbar. Insbesondere ist grundsätzlich davon auszugehen, dass dem Kläger auch für eigene Abschlüsse eine Provision zusteht. Dies ergibt sich aus § 3 der Zusatzvereinbarung vom 01.03.2014 bzw. aus § 1 der Zusatzvereinbarung vom 30.04.2014. In § 3 der Zusatzvereinbarung vom 01.03.2014 heißt es ausdrücklich „neben den Vergütungsansprüchen des Anstellungsvertrages vom 01.07.2012“ erhalte der Arbeitnehmer ein Grundgehalt von 500,00 €. § 1 der Zusatzvereinbarung vom 30.04.2014 enthält eine Bestandsschutzregelung bezüglich der Ansprüche, die sich aus den Vereinbarungen vom 01.07.2014 und vom 30.04.2014 ergeben. Darüber hinaus regeln die Zusatzvereinbarungen vom 01.03.2014 und 30.04.2014 jeweils in § 2, dass die Aufgaben des Niederlassungsleiters zusätzlich zu den bisherigen Aufgaben übertragen werden.
Der Kläger macht geltend, er habe auch eigene Aufträge akquiriert, wenn er vom Kunden stornierte Aufträge nachbearbeitet habe und es daraufhin zum Abschluss eines Geschäfts gekommen sei.
Der Kläger ist indes darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass die geltend gemachten Provisionsansprüche sowie die Superprovision in der beanspruchten Höhe entstanden sind. Dies beinhaltet, dass er, macht er bezifferte Ansprüche geltend, darzulegen und im Fall des Bestreitens nachzuweisen hat, dass die für die Provisionen erforderlichen Umsätze getätigt worden sind. Insbesondere besteht ein Provisionsanspruch auf der Basis der durchschnittlich erzielten Provisionen aus einem zurückliegenden Zeitraum von vornherein nicht, wenn es, anders als im Fall des Annahmeverzugs, um einen Zeitraum geht, in dem der Arbeitnehmer die vertragsgemäße Arbeitsleistung erbracht hat.
Der Arbeitnehmer ist insoweit nicht rechtlos gestellt. Vielmehr ist ihm durch § 87 c HGB ein umfassendes Auskunfts- und Abrechnungsrecht eingeräumt. Prozessual steht ihm das Instrument der Stufenklage zur Verfügung.
Der Sachvortrag des Klägers erfüllt die Anforderungen an die Darlegungslast nicht. Er hat seine Klageforderung lediglich mit dem Durchschnittswert der Bezüge im Zeitraum Mai 2014 bis Januar 2015 begründet.
Die Klage ist darüber hinaus auch unschlüssig, soweit es um die Vergütungsansprüche für den Zeitraum 09.03.2015 bis April 2015 geht.
Dem Kläger ist zwar darin zuzustimmen, dass etwaige Ansprüche des Klägers für diesen Zeitraum nach den für § 615 BGB entwickelten Grundsätzen bestehen. Die Beklagte befand sich aufgrund der außerordentlichen Kündigung im Annahmeverzug, §§ 293, 294, 295 BGB. Der Kläger ist nach dem Lohnausfallprinzip daher so zu stellen, wie er gestanden hätte, wenn er gearbeitet hätte.
Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der das erkennende Gericht folgt, dass, mangelt es bei schwankender Vergütung an Vereinbarungen oder anderen festen Anhaltspunkten für die Frage des mutmaßlich erzielten Entgeltes, dieses gemäß § 287 Absatz 2 ZPO zu schätzen ist. Dabei kann die vom Arbeitnehmer bis zum Eintritt des Annahmeverzugs erzielte Vergütung einen Anhaltspunkt liefern (Bundesarbeitsgericht ‒ Urteil vom 18.09.2001 ‒ 9 AZR 307/00; juris). Insbesondere ist es zutreffend, dass in diesen Fällen der Durchschnittsverdienst eines vergangenen Referenzzeitraums herangezogen werden kann.
Dies ist indes nur dort geboten, wo eine andere Berechnung nicht möglich ist.
Vorliegend können dem Kläger, wie oben ausgeführt, Ansprüche auf die vereinbarte Superprovision und Ansprüche auf Provision aus selbst getätigten Aufträgen zustehen. Soweit es um Provisionen aus eigenen Aufträgen des Klägers geht, gilt, dass auf die in der Vergangenheit erzielten Provisionen abgestellt werden kann. Dies gilt allerdings nicht für die Superprovision. Der Anspruch auf Superprovision ist anhand objektiver Kriterien feststellbar und bedarf keiner fiktiven Berechnung. Er richtet sich vielmehr nach den von den Telefonakquisiteuren in den Niederlassungen W…, F… und M… unabhängig vom Ausscheiden des Klägers getätigten Nettoumsätzen.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus den vom Kläger zitierten Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (10 Sa 26/13), des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (15 Sa 15/04) und des Landesarbeitsgerichts Hamburg (5 Sa 113/95). In allen Fällen ging es nicht um eine Superprovision, sondern um Provisionen für Aufträge, die der betreffende Arbeitnehmer selbst abgeschlossen hatte.
Der Kläger kann sich auch nicht auf die in der Vergangenheit getätigten Provisionszahlungen der Beklagten berufen, weil er ab 09.03.2015 nicht mehr auf die ihm unterstellten Mitarbeiter habe Einfluss nehmen können und sich dies auf den Umsatz ausgewirkt habe. Auch wenn man dies grundsätzlich als richtig unterstellt, entbindet dies den Kläger zum einen nicht von der Obliegenheit, die tatsächlichen Nettoplanungswertumsätze der Mitarbeiter darzulegen. Soweit nämlich die Umstände, die für die Höhe der Forderung maßgeblich sind, aufgeklärt werden können, sind diese zugrunde zu legen und können nicht gemäß § 287 ZPO geschätzt werden. Dies ergibt sich aus § 287 Absatz 2 ZPO.
Eine Schätzung könnte daher allenfalls bezüglich der Frage erfolgen, ob der feststehende Umsatz durch das Tätigwerden des Klägers gesteigert worden wäre. Eine solche Schätzung ist dem erkennenden Gericht indes verwehrt. Der Kläger hat keinerlei Anknüpfungstatsachen vorgebracht, die eine diesbezügliche Schätzung ermöglichen.
Die Schätzung der Höhe einer Forderung hat zu unterbleiben, wenn sie mangels jeglicher konkreter Anhaltspunkte vollkommen „in der Luft hinge“ und daher willkürlich wäre. Die für eine Schätzung unabdingbaren Anknüpfungstatsachen muss derjenige, der den Erfüllungsanspruch geltend macht, darlegen und beweisen. Eine solche Schätzung erfordert ‒ unbeschadet ihrer sonstigen Voraussetzungen ‒ die Darlegung der notwendigen Anknüpfungstatsachen (Bundesarbeitsgericht ‒ Urteil vom 17.12.2014 ‒ 5 AZR 663/13; juris).
Schließlich veranlasst auch das Vorbringen des Klägers, er habe auf die Superprovision dadurch Einfluss genommen, dass er Aufträge, die vom Kunden storniert worden seien, nachbearbeitet habe, was zur Erteilung des Auftrags geführt habe, keine andere rechtliche Sichtweise. Der Kläger führt selbst aus, wenn ein entsprechendes Geschäft zustande gekommen sei, sei dies als Akquise des Niederlassungsleiters zu werten. In diesem Fall hätte der Kläger dann zwar einen (eigenen) Provisionsanspruch erworben. Es wäre indes Sache des Klägers, die Aufträge zu benennen, aus denen ein solcher Provisionsanspruch herzuleiten ist. Diese hätten sich insbesondere nicht auf die Superprovision ausgewirkt. Die Superprovision wird nach den vertraglichen Regelungen aus dem Nettoplanungswertumsatz ermittelt. Dabei kommt es ausschließlich auf die Aufträge der dem Kläger unterstellten Telefonakquisiteure an. Dies ergibt sich aus § 4 (3) der Zusatzvereinbarung vom 01.03.2014 bzw. aus § 3 (3) der Zusatzvereinbarung vom 30.04.2014.
Demgemäß hätte der Kläger zunächst vortragen müssen, welche Anteile der von ihm vorgetragenen in der Vergangenheit erzielten Provisionen auf die Superprovision entfallen und welche aufgrund eigener Akquise erzielt wurden. Dies ist auch im Berufungsverfahren unterblieben, obwohl das Erstgericht die Abweisung der Klage auf diese Gesichtspunkte gestützt hat.
Darüber hinaus bestehen Zweifel daran, ob der vom Kläger gewählte Referenzzeitraum für die Berechnung der streitgegenständlichen Ansprüche geeignet ist. Die Umsatzentwicklung bei der Beklagten ist stark saisonabhängig. Dies ergibt sich aus der vom Kläger vorgelegten Aufstellung. Die Höhe der Provisionen schwankt zwischen ca. 4.300,00 € im Mai 2014 bis ca. 11.900,00 € im Dezember 2014. Da, wie bereits ausgeführt, die geltend gemachten Ansprüche bereits aus anderen Gründen nicht schlüssig vorgetragen sind, bedurfte es allerdings keines entsprechenden Hinweises an den Kläger.
Vielmehr war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Absatz 1 ZPO.
Für die Zulassung der Revision bestand kein gesetzlich begründeter Anlass, § 72 Absatz 2 ArbGG.


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