Arbeitsrecht

Zurückstufung wegen eines einmaligen Versagens einer Schulleiterin (Untreue)

Aktenzeichen  16a D 19.2059

Datum:
9.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 38219
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG § 34 S. 2, S. 3, § 47 Abs. 1
StGB § 240 Abs. 1, § 266 Abs. 1
BayDG Art. 14 Abs. 1

 

Leitsatz

1.  Bei der bloßen Ankündigung einer Abmahnung ist es dem „Bedrohten“ durchaus zumutbar, sich der von der Rechtsordnung vorgesehen rechtlichen Auseinandersetzung, sei es mit Hilfe einer Gegenvorstellung, Beschwerde oder eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens zu stellen, so dass ein empfindliches Übel im Sinne von § 240 Abs. 1 StGB nicht vorliegt (Rn. 35 – 36). (redaktioneller Leitsatz)
2. Die (inner-)dienstliche Stellung der Beklagten zum Tatzeitpunkt als Rektorin einer Grundschule und die damit als Schulleiterin verbundene Vorgesetzten- und Vorbildfunktion für den Kollegenkreis wirkt sich erschwerend aus, weil die Verletzung insbesondere innerdienstlicher Pflichten durch Vorgesetzte größere Auswirkungen auf die Dienstmoral und das Ansehen der öffentlichen Verwaltung auslöst als bei Beamten in untergeordneter Dienststellung (Rn. 44). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 13b D 19.440 2019-09-09 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I.    Die Berufung wird zurückgewiesen.      
II.    Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. 

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Beklagte hat ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen (1.) Die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens, der hier bis zur Entfernung aus dem Dienst reicht (2.1), war nicht geboten. In der Gesamtschau ist die Zurückstufung in das Amt einer Lehrerin der Besoldungsgruppe A 12 die angemessene Disziplinarmaßnahme (2.2).
1. In tatsächlicher Hinsicht steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Beklagte die ihr unter 1. und 3. vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen begangen hat; dagegen ist sie vom Vorwurf 2 freizustellen.
Hinsichtlich des Vorwurfs 1 können gemäß Art. 63 Abs. 1, Art. 55, Art. 25 Abs. 2 BayDG die im rechtskräftigen Strafbefehl getroffenen tatsächlichen Feststellungen auch der Entscheidung im Disziplinarverfahren ohne nochmalige Prüfung zugrunde gelegt werden. Anlass, von diesen Feststellungen abzuweichen, besteht nicht, zumal die Beklagte den ihr insoweit vorgeworfenen Sachverhalt ebenso wie die Verstöße gegen das Nebentätigkeitsrecht im behördlichen Disziplinarverfahren und auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeräumt hat.
Hinsichtlich des Vorwurfs 2 – (versuchte) Nötigung – ist eine Pflichtverletzung nicht zu erkennen. Eine Nötigungshandlung besteht in der Nötigung mit Gewalt oder – was hier allein in Betracht kommt – Drohung mit einem empfindlichen Übel. Zwar beinhaltete die angekündigte Abmahnung eine Drohung im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB. Sie stellte der Adressatin ein Übel in Aussicht, nämlich einen arbeitsrechtlichen Makel, dessen Eintritt davon abhängen sollte, dass sie sich nicht dem Willen der Beklagten beugt. Indessen fehlt es an der Empfindlichkeit des angekündigten Übels. Ein empfindliches Übel liegt vor, wenn dessen Ankündigung objektiv geeignet ist, einen besonnenen Menschen zu dem damit erstrebten Verhalten zu bestimmen. Das Inaussichtstellen von bloßen Erschwernissen oder Unannehmlichkeiten genügt nicht. Durch diese generalisierende Betrachtungsweise sollen Reaktionen eines Überängstlichen oder Überempfindlichen ausgeschieden werden. Jedoch sind auch die individuellen Verhältnisse zu berücksichtigen. Im Hinblick darauf hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, Inhalt der Drohung müsse ein Nachteil von solcher Erheblichkeit sein, dass die Ankündigung geeignet erscheint, den Bedrohten im Sinne des Täterverlangens zu motivieren. Diese (normative) Voraussetzung entfalle, wenn von diesem Bedrohten in seiner Lage erwartet werden könne, dass er der Drohung in besonnener Selbstbehauptung standhalte (BGH, B.v. 28.1.1992 – 5 StR 4/92 – juris Rn. 3).
So liegt der Fall hier. Bei der bloßen Ankündigung einer Abmahnung ist es dem „Bedrohten“ durchaus zumutbar, sich der von der Rechtsordnung vorgesehen rechtlichen Auseinandersetzung, sei es mit Hilfe einer Gegenvorstellung, Beschwerde oder eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens zu stellen. Daneben hat das Verwaltungsgericht zutreffend die „robuste“ Persönlichkeit der Schulsekretärin gewürdigt, die die Ankündigung der Abmahnung in keiner Weise ernst nahm und von sich aus auf eine Klärung durch das Schulamt verwiesen hatte.
Die Beklagte hat durch die Begehung der Untreue und des Verstoßes gegen das Nebentätigkeitsrecht gegen die ihr obliegenden Dienstpflichten verstoßen, durch ihr Verhalten innerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die ihr Beruf erfordert (§ 34 Satz 3 BeamtStG), und ihr Amt uneigennützig zu führen (§ 34 Satz 2 BeamtStG).
Mit den genannten Pflichtverletzungen hat die Beklagte innerdienstliche Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen, weil ihr pflichtwidriges Verhalten in ihr Amt und in ihre dienstlichen Pflichten eingebunden war (BVerwG, U.v. 15.11.2018 – 2 C 60.17 – juris Rn. 19).
2. Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG und der dieser Vorschrift inhaltlich entsprechenden Bemessungsregelung des Disziplinargesetzes des Bundes ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12 m.w.N.).
2.1 Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 16).
Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, greift der Senat auch bei innerdienstlich begangenen Straftaten nunmehr auf den Strafrahmen zurück und folgt damit der geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O.; B.v. 5.7.2016 – 2 B 24/16 – juris Rn. 14).
Vorliegend stellen die dienstpflichtverletzenden Handlungen, welche auch dem Strafbefehl des Amtsgerichts Aschaffenburg zugrunde lagen, schwere Dienstpflichtverletzungen dar. Dies ergibt sich schon daraus, dass für die Straftat der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB ein Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe besteht. Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht (hier sind es bis zu fünf Jahre), reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 20).
2.2 Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung nach Maßgabe des Art. 14 BayDG führt zur Versetzung der Beklagten in das Amt einer Lehrerin (BesGr. A 12). Auch wenn schwerwiegende Vorsatzstraftaten einen Vertrauensverlust bewirken können, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamtin führen kann (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 12/13), war hier noch nicht von einem endgültigen Vertrauensverlust der Allgemeinheit auszugehen.
Gegen die Beklagte spricht ihre dienstliche Stellung. Die Beklagte war zum Tatzeitpunkt Rektorin einer Grundschule und hatte als Schulleiterin eine Vorgesetzten- und Vorbildfunktion für den Kollegenkreis inne. Ihre (inner-)dienstliche Stellung wirkt sich erschwerend aus, weil die Verletzung insbesondere innerdienstlicher Pflichten durch Vorgesetzte größere Auswirkungen auf die Dienstmoral und das Ansehen der öffentlichen Verwaltung auslöst als bei Beamten in untergeordneter Dienststellung (vgl. Conrad in Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand: Aug. 2019, Art. 14 Rn. 10). Die ansonsten pflichtgemäße Dienstausübung und die durch die dienstlichen Beurteilungen bewerteten Leistungen der Beklagten sind für sich nicht geeignet, den gravierenden Pflichtenverstoß in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (BVerwG, B.v. 12.2.2019 – 2 B 6.19 – juris Rn. 4), zumal die Beklagte ihre Stellung als Amtsträgerin missbraucht hat (§ 266 Abs. 3, § 263 Abs. 3 Nr. 4 StGB) und allenfalls wegen in der Tat auch zum Ausdruck kommender unrechtsmildernder Faktoren auf den Regelstrafrahmen zurückgegriffen werden konnte. Gegen die Beklagte spricht auch, dass sie im Schuljahr 2016/2017 die Spendengelder weiterhin eigennützig verwenden wollte, ohne hierauf einen Anspruch zu haben. Auch der Umstand, dass für die Nebentätigkeiten (Sing- und Musical AG sowie die Garten AG) keine Genehmigungen eingeholt worden sind und im Falle der Garten AG wegen einer Pflichten- und Interessenskollision – im Hinblick auf den Kooperationspartner, den die Beklagte einerseits beauftragte und sich andererseits von ihm bezahlen ließ – auch nicht hätte erteilt werden können, ist negativ zu werten.
Für die Beklagte spricht, dass sie nur einmalig versagt und letztlich für den Wert des veruntreuten Betrags durch die übernommene Unterrichtsverpflichtung eine faktische Gegenleistung erbracht hat, wenngleich die Untreue eigennützig war. Das unter dem 17. November 2020 erstellte Persönlichkeitsbild der Beklagten ist ausgesprochen positiv. Es bescheinigt ihr Zuverlässigkeit, Fleiß und Flexibilität und die volle Zufriedenheit der für sie zuständigen Schulämter. Das Entscheidende ist jedoch, dass die Beklagte gegenüber dem Staatlichen Schulamt den entschiedenen Eindruck vermittelte, in Zukunft beanstandungsfrei zu arbeiten. Diesen Eindruck konnte der Senat in der Berufungsverhandlung ebenfalls gewinnen.
Im Rahmen der Gesamtschau der die Beklagte be- und entlastenden Umstände ist eine deutliche Pflichtenmahnung in Form der Zurückstufung in das Eingangsamt geboten. Diese Disziplinarmaßnahme ist aufgrund der erheblichen Erschwerungsgründe schuldangemessen und im Hinblick auf die Schwere des Dienstvergehens und den damit einhergehenden Vertrauensschaden – auch unter familiären und wirtschaftlichen Gesichtspunkten – verhältnismäßig.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 BayDG.
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).


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