Arbeitsrecht

Zusatzurlaub nach § 19 Abs 2 Spartentarifvertrag Nahverkehr Sachsen – Mitwirkungsobliegenheiten tariflicher Zusatzurlaub

Aktenzeichen  9 AZR 176/20

Datum:
16.2.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2021:160221.U.9AZR176.20.0
Normen:
§ 7 Abs 1 BUrlG
§ 1 TVG
§ 7 Abs 3 BUrlG
Spruchkörper:
9. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Dresden, 21. März 2019, Az: 5 Ca 2310/18, Urteilvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht, 28. Januar 2020, Az: 3 Sa 208/19, Urteil

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 28. Januar 2020 – 3 Sa 208/19 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Nr. 1 des Urteilstenors am Ende wie folgt ergänzt wird: „Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.“
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Gewährung von Zusatzurlaub in Anspruch.
2
Die Beklagte, ein Unternehmen des Öffentlichen Personennahverkehrs, beschäftigt den 1964 geborenen Kläger seit 1997 als Straßenbahnfahrer. Die wöchentliche Regelarbeitszeit des Klägers beträgt 40 Stunden. Aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die für den Nahverkehr Sachsen geltenden Tarifverträge Anwendung.
3
Der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe vom 10. Dezember 1990 in der Fassung des 12. Ergänzungstarifvertrags vom 31. Januar 2003 (BMT-G-O) – enthält ua. folgende Regelungen:
        
„§ 41a
        
Zusatzurlaub für Wechselschichtarbeit, Schichtarbeit und Nachtarbeit
        
…       
        
        
(3)     
Der Arbeiter, der … seine Arbeit nach einem Schichtplan (Dienstplan) zu erheblich unterschiedlichen Zeiten (in Schichtarbeit oder im häufigen unregelmäßigen Wechsel mit Abweichungen von mindestens drei Stunden) beginnt oder beendet, erhält bei einer Leistung im Kalenderjahr von mindestens …
        
        
        
220 Nachtstunden
2 Arbeitstage …
        
        
Zusatzurlaub im Urlaubsjahr.
        
…       
        
        
(5)     
Für den Arbeiter, der spätestens mit Ablauf des Urlaubsjahres, in dem der Anspruch nach … entsteht, das 50. Lebensjahr vollendet hat, erhöht sich der Zusatzurlaub um einen Arbeitstag.
        
…       
        
        
(7)     
Zusatzurlaub nach den Absätzen 1 bis 4 darf insgesamt vier – in den Fällen des Absatzes 5 fünf – Arbeitstage für das Urlaubsjahr nicht überschreiten.
        
…       
        
        
(9)     
Auf den Zusatzurlaub werden Zusatzurlaub und zusätzliche freie Tage angerechnet, die nach anderen Regelungen wegen Wechselschicht-, Schicht- oder Nachtarbeit oder wegen Arbeit an Theater und Bühnen zustehen.
        
…       
        
        
§ 42   
        
Zusatzurlaub
        
…       
        
        
(6)     
Zusatzurlaub nach diesem Tarifvertrag und nach sonstigen Bestimmungen wird nur bis zu insgesamt fünf Arbeitstagen im Urlaubsjahr gewährt. Erholungsurlaub und Zusatzurlaub (Gesamturlaub) dürfen im Urlaubsjahr zusammen 34 Arbeitstage nicht überschreiten. …“
4
Der „Spartentarifvertrag Nahverkehr Sachsen“ vom 19. März 2009, der am 1. Mai 2009 in Kraft trat, in der Fassung des Änderungstarifvertrags Nr. 5 vom 19. März 2014 (TV-N Sachsen) regelt ua. Folgendes:
        
„§ 19 Erholungsurlaub, Zusatzurlaub
        
…       
        
        
(2)     
Arbeitnehmer, die ständig Wechselschicht (§ 14 Abs. 5) leisten, erhalten je Halbjahr zusätzlich einen Urlaubstag. Arbeitnehmer, die ständig Schichtarbeit (§ 14 Abs. 6) oder Tätigkeit im Fahrdienst leisten, erhalten im Urlaubsjahr einen Tag zusätzlich. Arbeitnehmer im Fahrdienst erhalten ab Vollendung des 50. Lebensjahres einen weiteren Urlaubstag.
        
(3)     
Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr erfolgt nur dann, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitsnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Falle der Übertagung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres angetreten werden.“
5
Der mit Wirkung zum 1. Mai 2009 in Kraft getretene „Überleitungstarifvertrag zum TV-N Sachsen“ vom 27. Oktober 2009 (TVÜ-N Sachsen) sieht ua. Folgendes vor:
        
„§ 1   
        
Geltungsbereich
        
Dieser Tarifvertrag gilt für diejenigen Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis zu einem Nahverkehrsunternehmen, das Mitglied im KAV Sachsen e.V. ist, über den Tag vor der Überleitung hinaus ununterbrochen fortbesteht und die am Tag nach der Überleitung unter den Geltungsbereich des TV-N Sachsen in der jeweils gültigen Fassung fallen.
        
§ 2     
        
Ablösung bisheriger Tarifverträge durch den TV-N Sachsen
        
(1)     
Mit dem Tag der Überleitung gilt der Tarifvertrag Nahverkehr Sachsen in der jeweils gültigen Fassung (TV-N Sachsen) für alle tarifgebundenen Arbeitnehmer des Verkehrsunternehmens. Damit werden alle bisher geltenden Regelungen
        
        
–       
des BAT-O/BMT-G-O nebst damit verbundener Tarifverträge …
        
        
jeweils in der zuletzt gültigen Fassung ersetzt. …
        
        
        
        
§ 7     
        
Urlaub
        
…       
        
        
(2)     
Die Arbeitnehmer erhalten Zusatzurlaub für Wechselschichtarbeit, Schichtarbeit und Nachtarbeit ab dem Jahr 2009 nach Maßgabe des bisherigen Tarifrechts.“
6
Im Jahr 2016 leistete der Kläger 299,44 Nachtarbeitsstunden, im Folgejahr 221,15 Nachtarbeitsstunden. Die Beklagte gewährte ihm neben dem tariflichen Grund-/Erholungsurlaub von 29 Tagen in den Jahren 2017 und 2018 jeweils zwei Tage Zusatzurlaub gemäß § 41a Abs. 3 BMT-G-O und jeweils einen weiteren Tag Zusatzurlaub gemäß § 41a Abs. 5 BMT-G-O.
7
Mit Schreiben vom 14. Mai 2018 forderte der Kläger die Beklagte erfolglos auf, ihm für die Jahre 2017 und 2018 jeweils einen zusätzlichen Urlaubstag für die Tätigkeit im Fahrdienst und einen weiteren Urlaubstag wegen Vollendung des 50. Lebensjahres zur gewähren.
8
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei aufgrund seiner Tätigkeit im Fahrdienst gemäß § 19 Abs. 2 TV-N Sachsen verpflichtet, ihm Zusatzurlaub zu gewähren.
9
Der Kläger hat – soweit für die Revision von Bedeutung – beantragt,
        
1.    
die Beklagte zu verurteilen, ihm als Schadenersatz für nicht gewährten Zusatzurlaub zwei Tage gemäß § 19 Abs. 2 TV-N Sachsen über den genommenen Grundurlaub von 29 Tagen sowie drei Tagen sog. Nachtarbeitsurlaub hinaus für das Jahr 2017 nachzugewähren,
        
2.    
die Beklagte zu verurteilen, ihm als Schadenersatz für nicht gewährten Zusatzurlaub zwei Tage gemäß § 19 Abs. 2 TV-N Sachsen über den gewährten Grundurlaub von 29 Tagen zuzüglich drei Tagen Nachtarbeitsurlaub hinaus für das Jahr 2018 nachzugewähren, und
        
3.    
festzustellen, dass die Beklagte gemäß § 19 Abs. 2 TV-N Sachsen verpflichtet ist, ihm ab dem Jahr 2019 jährlich einen Zusatzurlaub von zwei Arbeitstagen über den Grund- und Zusatzurlaub nach § 7 TVÜ-N Sachsen hinaus zu gewähren, solange der Kläger im Fahrdienst beschäftigt ist und soweit die Gesamtzahl der Zusatzurlaubstage für das Jahr fünf Arbeitstage sowie der Gesamturlaub (Erholungsurlaub und Zusatzurlaub zusammen) für das Urlaubsjahr 34 Arbeitstage nicht übersteigt.
10
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, der Anspruch des Klägers auf Zusatzurlaub bestimme sich gemäß § 7 Abs. 2 TVÜ-N Sachsen auch nach dem Inkrafttreten des TV-N Sachsen allein nach dem zuvor geltenden Tarifrecht. Im Übrigen sei der Anspruch für das Jahr 2017 verfallen.
11
Die Vorinstanzen haben der Klage – soweit der Rechtsstreit in die Revision gelangt ist – stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageziel, die Abweisung der Klage, weiter.


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