Arbeitsrecht

Zuschuss zum Übergangsgeld nach § 22 Abs. 2 TVöD-V – Begriff der “tatsächlichen Barleistung”

Aktenzeichen  6 AZR 215/20

Datum:
29.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2021:290421.U.6AZR215.20.0
Normen:
§ 20 SGB 6
§ 22 Abs 1 TVöD-V
§ 22 Abs 2 TVöD-V
Spruchkörper:
6. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Magdeburg, 28. März 2018, Az: 7 Ca 1054/17, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, 5. März 2020, Az: 5 Sa 358/18, Urteil

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 5. März 2020 – 5 Sa 358/18 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Berechnung des tariflichen Zuschusses zum Übergangsgeld.
2
Die Klägerin ist seit dem 1. Januar 1991 bei der beklagten Stadt beschäftigt, die im Beitrittsgebiet liegt. Aufgrund vertraglicher Vereinbarung bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach der Durchgeschriebenen Fassung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst für den Bereich Verwaltung im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-V) in der jeweils geltenden Fassung.
3
§ 22 TVöD-V lautete in der vom 1. Januar 2010 bis zum 31. März 2017 geltenden Fassung auszugsweise wie folgt:
        
„§ 22 Entgelt im Krankheitsfall
        
(1) 1Werden Beschäftigte durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert, ohne dass sie ein Verschulden trifft, erhalten sie bis zur Dauer von sechs Wochen das Entgelt nach § 21. …
        
(2) 1Nach Ablauf des Zeitraums gemäß Absatz 1 erhalten die Beschäftigten für die Zeit, für die ihnen Krankengeld oder entsprechende gesetzliche Leistungen gezahlt werden, einen Krankengeldzuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den tatsächlichen Barleistungen des Sozialleistungsträgers und dem Nettoentgelt. 2Nettoentgelt ist das um die gesetzlichen Abzüge verminderte Entgelt im Sinne des § 21 (mit Ausnahme der Leistungen nach § 23 Abs. 1); …“
4
Die Klägerin war vom 12. Januar 2015 bis zum 17. Mai 2015 wegen einer Erkrankung arbeitsunfähig. In der Zeit vom 12. Januar 2015 bis zum 22. Februar 2015 leistete die Beklagte Entgeltfortzahlung nach § 22 Abs. 1 TVöD-V. Danach erhielt die Klägerin bis zum 4. März 2015 von ihrer Krankenkasse Krankengeld.
5
Vom 5. März 2015 bis zum 1. April 2015 befand sich die Klägerin zu einer ganztägigen ambulanten Behandlung in einer Rehabilitationsklinik. Anschließend erfolgte bis zum 17. Mai 2015 eine stufenweise Wiedereingliederung. Für den Zeitraum vom 5. März 2015 bis zum 17. Mai 2015 bezog die Klägerin von der Deutschen Rentenversicherung Bund ein Übergangsgeld iHv. kalendertäglich 60,29 Euro. Dieser Betrag ergab sich nach der Berechnung der Deutschen Rentenversicherung Bund aus einem kalendertäglichen Nettoarbeitsentgelt von 88,66 Euro. Dieses Nettoarbeitsentgelt wurde unter Berücksichtigung einer Einmalzahlung errechnet. Mit Schreiben vom 25. Juni 2015 teilte die Deutsche Rentenversicherung Bund der Klägerin mit, dass sie für den Zeitraum der Zahlung des Übergangsgeldes Sozialversicherungsbeiträge iHv. insgesamt 1.575,34 Euro abgeführt habe. Die Beklagte leistete trotz außergerichtlicher Aufforderung keinen Zuschuss zum Übergangsgeld.
6
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe nach § 22 Abs. 2 Satz 1 TVöD-V einen Anspruch auf Zuschuss zum Übergangsgeld in Höhe der Differenz zwischen einem nach den tariflichen Vorgaben ohne Einbeziehung der Einmalzahlung berechneten kalendertäglichen Nettoentgelt iHv. 83,29 Euro und dem an sie ausbezahlten Übergangsgeld iHv. 60,29 Euro pro Kalendertag. Der Auszahlungsbetrag sei die tatsächliche Barleistung des Sozialleistungsträgers iSv. § 22 Abs. 2 Satz 1 TVöD-V. Sozialversicherungsbeiträge seien nicht zu ihren Lasten zu berücksichtigen, da im Falle des Übergangsgeldes der Sozialleistungsträger die Beiträge zur Sozialversicherung vollständig zu tragen habe. Der Differenzbetrag von 23,00 Euro sei für 73 Tage zu entrichten. Daraus ergebe sich ein Gesamtbetrag von 1.679,00 Euro.
7
Die Klägerin hat daher beantragt,
        
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Zuschuss zum Übergangsgeld für den Zeitraum vom 5. März 2015 bis zum 17. Mai 2015 iHv. 1.679,00 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Juni 2015 zu zahlen.
8
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Berechnung der Klägerin sei fehlerhaft. Unter der tatsächlichen Barleistung des Sozialleistungsträgers iSv. § 22 Abs. 2 Satz 1 TVöD-V sei – wie beim Krankengeld – der Bruttobetrag zu verstehen, dh. die Leistung vor Abzug der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung („Bruttoübergangsgeld“). Im Falle der Klägerin sei dies der vom Sozialleistungsträger festgesetzte Betrag von kalendertäglich 88,66 Euro. Das nach § 22 Abs. 2 Satz 2 TVöD-V zu berechnende tägliche Nettoarbeitsentgelt der Klägerin habe unter diesem Betrag gelegen. Folglich bestehe kein Anspruch auf einen Zuschuss zum Übergangsgeld.
9
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte ohne Offenbarung des Rechenwegs zur Zahlung von 891,33 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt. Im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts bezieht sich die „tatsächliche Barleistung“ auf das Bruttoübergangsgeld, wobei die Arbeitgeberanteile nicht zählten. Die Revision wurde für beide Parteien zugelassen.
10
Die Beklagte begehrt mit ihrer Revision die Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts im Umfang der Verurteilung. Anders als in den Vorinstanzen ist sie aber nicht mehr der Auffassung, dass bei der Berechnung des Zuschusses zum Übergangsgeld von 88,66 Euro als „kalendertäglicher Barleistung“ auszugehen sei. Maßgeblich sei vielmehr die Differenz zwischen einem kalendertäglichen Nettoentgelt iHv. 83,29 Euro und dem ausbezahlten Übergangsgeld iHv. kalendertäglich 60,29 Euro zuzüglich der durch die Deutsche Rentenversicherung Bund für den Zeitraum vom 5. März 2015 bis zum 17. Mai 2015 insgesamt abgeführten Sozialversicherungsbeiträge iHv. 1.575,34 Euro. Die Klägerin habe damit 81,87 Euro kalendertäglich als „tatsächliche Barleistung“ erhalten. Hieraus ergebe sich als Differenz zu 83,29 Euro ein Anspruch der Klägerin auf einen Zuschuss zum Übergangsgeld iHv. 1,42 Euro pro Tag. Dies führe für den gesamten Bezugszeitraum zu einem Anspruch iHv. 103,66 Euro. Dem stehe aber eine Überzahlung von Krankengeldzuschuss für den Zeitraum vom 5. bis 31. März 2015 iHv. 133,12 Euro entgegen, so dass letztlich keine offene Forderung der Klägerin bestehe.
11
Die Klägerin hat keine Revision eingelegt.


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