Arbeitsrecht

Zuständigkeit des Arbeitsgerichts beim Konkurrentenstreit

Aktenzeichen  M 5 E 18.1131

Datum:
10.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 23834
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG § 54 Abs. 1
VwGO § 40 Abs. 1 S. 1, § 173 Abs. 1 S. 1
GVG § 17a Abs. 2
ArbGG § 2

 

Leitsatz

Will ein im Bewerbungsverfahren unterlegener Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung die Unterlassung der Ernennung eines beamteten Mitkonkurrenten erreichen, handelt es sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit, für die die Arbeitsgerichte zuständig sind, wenn ihm selbst die Stelle in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis übertragen würde. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
II. Die Streitsache wird an das zuständige Arbeitsgericht … verwiesen.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzes, dem Antragsgegner vorläufig zu untersagen, die an der Hochschule für … … … … (im Folgenden: „Hochschule“) ausgeschriebene Professur für Politikwissenschaften (W2, Kennziffer BV 1337) durch Aushändigung einer Ernennungsurkunde zu besetzen, solange über die Bewerbung des Antragstellers keine erneute Auswahlentscheidung getroffen ist.
Ausweislich der zugrunde liegenden Stellenausschreibung kann die Stellenbesetzung durch Berufung in das Beamtenverhältnis oder durch Einstellung im Angestelltenverhältnis erfolgen. Der Antragsteller begehrt eine Einstellung im Angestelltenverhältnis.
Mit Schreiben vom 13. August 2018 erhielten die Beteiligten Gelegenheit, sich zu der seitens des Gerichts beabsichtigten Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht München zu äußern.
Der Antragsteller hält den Verwaltungsrechtsweg für eröffnet, da es ihm darum gehe, die beamtenrechtliche – mithin öffentlich-rechtliche – Ernennung eines Konkurrenten zu verhindern. Die Hochschule hält den Verwaltungsrechtsweg für eröffnet, da sich die Ausschreibung der streitgegenständlichen Stelle vorwiegend an Beamte bzw. verbeamtungsfähige Bewerber und nicht ausschließlich an Arbeitnehmer richte und daher im Kern ein nach öffentlich-rechtlichen Normen zu beurteilendes Auswahlverfahren in Streit stehe.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der vom Antragsteller beschrittene Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist unzulässig. Der Rechtsstreit wird nach § 173 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) nach erfolgter Anhörung der Beteiligten an das Arbeitsgericht … als das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges verwiesen.
1. Gem. § 54 Abs. 1 Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) ist für alle Klagen (und Anträge) der Beamtinnen, Beamten, Ruhestandsbeamtinnen, Ruhestandsbeamten, früheren Beamtinnen, früheren Beamten und der Hinterbliebenen aus dem Beamtenverhältnis sowie für Klagen des Dienstherrn der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Diese Sonderzuweisung begründet die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte bei einem Streit um eine Einstellung in den öffentlichen Dienst aber nur, wenn Streitgegenstand die Begründung eines Beamtenverhältnisses ist. Daran fehlt es hier, weil es dem Antragsteller lediglich um den Abschluss eines Arbeitsvertrags geht.
2. Daher liegt auch keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i.S.d. Generalklausel gem. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor. Die streitgegenständliche Stellenausschreibung ist nicht auf die Begründung eines Beamtenverhältnisses festgelegt; sie ermöglicht auch – wie vom Antragsteller gewünscht – eine Einstellung im Angestelltenverhältnis. Da danach um die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Antragsteller und der Hochschule gestritten wird, sind für diese bürgerliche Rechtsstreitigkeit nach §§ 13 GVG, 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. c Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) die Gerichte für Arbeitssachen zuständig (vgl. BVerwG, B.v. 19.07.2017 – 2 A 9.16 – BeckRS 2017, 120752; B.v. 18.01.1993 – 6 B 5/92, NVwZ-RR 1993, 251; BayVGH, B.v. 07.04.2014 – 7 C 14.408 – BeckRS 2014, 50065; ThürOVG, B.v. 30.01.1996 – 2 EO 497/95 – juris; OVG RhPf, B.v. 10.12.1997 – 2 E 12965/97 – NVwZ-RR 1999, 51; OVG NW, B.v. 27.04.2010 – 1 E 406/10 – NVwZ-RR 2010, 587 – juris Rn. 7 ff.; nun anders OVG RhPf, B.v. 19.01.2018 – 2 E 10045/18.OVG – BeckRS 2018, 9722). Denn die Rechtsnatur einer Streitigkeit richtet sich nach der Rechtsnatur der streitentscheidenden Normen. Streitentscheidend hinsichtlich des hier gegenständlichen Unterlassungsbegehrens sind die dem (behaupteten) Unterlassungsanspruch zugrunde liegenden Normen. Da der Antragsteller hier die Einstellung in ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis begehrt, kann er einen Unterlassungsanspruch nur aus dem angestrebten privatrechtlichen Arbeitsverhältnis bzw. dessen Vorwirkung herleiten, mithin aus privatrechtlichen Normen. Irrelevant ist insoweit, dass Inhalt und Umfang dieses privatrechtlichen Unterlassungsanspruchs (auch) durch öffentlich-rechtliche Normen (hier: Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland) bestimmt werden oder ob sich die der Bewerbung zugrundeliegende Ausschreibung ggf. auch oder gar vorwiegend an Beamte bzw. verbeamtungsfähige Bewerber richtet.
Der Verweis der Hochschule (Schriftsatz v. 05.09.2018) auf die Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen (B.v. 12.07.2018 – 1 E 281/18 – BeckRS 2018, 15911) geht fehl, da ausweislich Rn. 15 dieser Entscheidung sowohl der dortige Antragsteller als auch seine Mitbewerber „allesamt Beamte“ waren. Streitgegenstand war mithin die Besetzung eines Dienstpostens ausschließlich im Beamtenverhältnis (wenn auch im sog. „zivilen“ Bereich der Bundeswehr in Abgrenzung zu deren militärischem Bereich). Ziel des Antragstellers war – anders als hier – also eine beamtenrechtliche Beschäftigung.
Auch der Vortrag der Hochschule, die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 07.04.2014 – 7 C 14.408 – BeckRS 2014, 50065) könne nicht herangezogen werden, da dieser ein anderer Sachverhalt zugrunde läge (Professorenstelle sollte ausschließlich in privatrechtlichen Dienstverhältnis besetzt werden mangels Dienstherrenfähigkeit der dortigen Antragsgegnerin), verfängt nicht. Denn dort heißt es ausdrücklich, dass die Arbeitsgerichte zuständig sind, sofern ein Arbeitsverhältnis eingegangen werden soll; „und zwar auch dann, wenn der Einstellungsanspruch auf Art. 33 Abs. 2 GG gestützt wird“ (Rn. 11). Die fehlende Dienstherrenfähigkeit der dortigen Antragsgegnerin wird also nicht entscheidungserheblich in Bezug genommen, sondern lediglich zur Plausibilisierung des Vortrags der Antragsgegnerin, dass eine Einstellung (ausschließlich) in einem Arbeitsverhältnis erfolgen sollte (Rn. 12). Das Gericht stellt in o.g. Entscheidung mithin durchgängig auf die Rechtsnatur des angestrebten Beschäftigungsverhältnisses ab, obwohl bei der dortigen Einstellungsentscheidung (wie auch vorliegend) öffentlich-rechtliche Normen zu beachten waren (vgl. Rn. 13). Anders als Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz nun (B.v. 19.01.2018 – 2 E 10045/18.OVG – BeckRS 2018, 9722 Rn. 5; zur früheren Rechtsprechung B.v. 10. 12. 1997 – 2E 12965-97 – NVwZ-RR 1999, 51) unterscheidet der Verwaltungsgerichtshof nicht zwischen dem vermeintlich stets öffentlich-rechtlichen „Ob“ und dem vermeintlich auch privatrechtlich möglichen „Wie“ der Einstellung (vgl. BayVGH, B.v. 07.04.2014 – 7 C 14.408 – BeckRS 2014, 50065 Rn. 5; so auch die herrschende Meinung in der Literatur: Reimer in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 01.01.2018, § 40 Rn. 215; Hebeler in Battis, BBG, 5. Aufl. 2017, § 126 Rn. 15; Külpmann in Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 1347; Ahrendt in Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 17. Aufl. 2017, § 183 Rn. 21; Koch in Müller-Glöge/Preis/Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 2 ArbGG Rn. 4; zur Ablehnung der sog. Zweistufentheorie für Einstellungen von Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes siehe Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, Rn. 128; Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 40 Rn. 138).
Nicht entscheidungserheblich ist zudem der Umstand, dass das Begehren des Antragstellers darauf gerichtet ist, eine beamtenrechtliche – mithin öffentlich-rechtliche – Ernennung eines Konkurrenten zu verhindern. Denn die Rechtsnatur einer Streitigkeit richtet sich gerade nicht nach der Rechtsnatur des begehrten Handelns bzw. als dessen actus contrarius nach der Rechtsnatur des begehrten Unterlassens. Entscheidend ist allein die Rechtsnatur der dem behaupteten Unterlassungsanspruch zugrundeliegenden Normen.
3. Örtlich zuständig ist gem. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 29 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) das Arbeitsgericht …


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